Eine Kritik des gesunden Menschenverstandes - Armin Nassehi - E-Book

Eine Kritik des gesunden Menschenverstandes E-Book

Armin Nassehi

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Beschreibung

Der gesunde Menschenverstand besteht aus drei Dimensionen. Armin Nassehi analysiert in der 175. Ausgabe des Kursbuchs anhand dieses Modells die Beispiele Transsexualität und Migration. Er stellt fest, dass der gesunde Menschenverstand an feste Weltbilder gekoppelt ist – egal welcher Idee man anhängt.

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Seitenzahl: 24

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Armin Nassehi

Eine Kritik des gesunden Menschenverstandes

Oder: Krankheit als Chance

Ach, wie einfach ist doch diese Aufgabe, eine Kritik des gesunden Menschenverstandes zu schreiben. Wie einfach ist es doch, der vox populi den Spiegel vorzuhalten. Wie schön lässt sich damit punkten, es besser zu wissen. Und ach, wie wohlfeil wäre das! Aber genau hingesehen, ist es vermintes Gelände, und es sich so einfach zu machen, wie es zunächst erscheint, würde manche Mine zur Detonation bringen– und zwar ganz praktisch. Ich würde einen ganz eigentümlichen gesunden Menschenverstand in Anspruch nehmen– und hätte die Aufgabe verfehlt, etwas über den gesunden Menschenverstand gesagt haben zu können. Das wird also nicht einfach.

Ohne Zweifel gibt es so etwas wie einen gesunden Menschenverstand, der uns in die Lage versetzt, das Richtige zu tun, ohne genau und explizit wissen zu müssen, was das Richtige ist. Das ist die eine Seite dessen, was man den gesunden Menschenverstand nennen kann. Andererseits aber weiß der gesunde Menschenverstand allzu genau, was das Richtige ist.

So bewegen wir uns im Alltag mit einer schlafwandlerischen Sicherheit, die sofort verfliegen würde, wenn wir genau wissen müssten, was die Bedingungen unseres Tuns und Erfolgs sind. Wir nehmen am Straßenverkehr teil und gehen davon aus, dass die anderen sich weitgehend an dieselben Regeln halten wie wir. Wir benutzen technische Apparaturen wie U-Bahnen, Züge, Flugzeuge usw. und vertrauen darauf, dass sich jemand darum gekümmert hat, dass sie funktionieren. Wir kommunizieren mit uns völlig Unbekannten und gehen davon aus, dass wir verstanden werden. Wir bringen Geld auf die Bank und vertrauen darauf, dass die Geldscheine, die wir auf unser eigenes Konto eingezahlt haben, auch wirklich noch uns gehören. Wir lassen uns von Anästhesisten sedieren und sind uns ziemlich sicher, dass der Chirurg mit dem scharfen Messer nur das mit uns tut, was er tun sollte. Umgekehrt vermeiden wir tunlichst, uns bei Dunkelheit in bestimmten Gegenden aufzuhalten, geben meistens nur so viel preis, dass wir eigene und fremde Schutzräume nicht verletzen. Es gibt Leute, die wir lieber nicht ansprechen. Wir tun also, was wir tun, zumeist im Zustand einer eher dumpfen, gewohnheitsmäßigen, habitualisierten Einstellung, über die wir weder uns selbst noch anderen explizit Auskunft geben müssen oder können, die aber leitend ist für unser Verhalten im sozialen Raum.

Praxis und bewährtes Wissen

Man kann das vielleicht den praktischen Sinn unseres Tuns nennen, der vor allem deshalb funktioniert, weil wir nicht genauer nachfragen. Es ist dies ein allgemein geteilter Menschenverstand, wenigstens ein unterstellter geteilter Menschenverstand, der uns eigentlich hochvoraussetzungsreiche und schwierige Dinge einfach und leicht erledigen lässt. Das Allgemeine dieses Verstandes betonend, heißt er auf Lateinisch sensus communis und auf Englisch common sense