Eine Liebe in Paris – Romy und Alain - Thilo Wydra - E-Book
SONDERANGEBOT

Eine Liebe in Paris – Romy und Alain E-Book

Thilo Wydra

0,0
9,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Sie gelten als das Traumpaar der 1960er-Jahre – Romy Schneider und Alain Delon. Als sie sich 1958 bei den Dreharbeiten der Arthur-Schnitzler-Verfilmung »Christine« erstmals in Paris begegnen, verlieben sie sich ineinander. Fünf Jahre sollte diese außergewöhnliche, von zahlreichen Höhen und Tiefen geprägte Liaison dauern. Trotz Trennung standen sie vier Jahre später für den Kultfilm »Der Swimmingpool« erneut als Liebespaar vor der Kamera. Und es begann eine Freundschaft, die bis zu Romy Schneiders frühem und tragischem Tod 1982 anhielt. Als sie starb, war es Alain Delon, der sich um alles kümmerte. Sie war für ihn die Liebe seines Lebens: »Unsere Liebe hat nicht aufgehört. Sie hat sich verändert.«

Autor und Biograph Thilo Wydra hat für diese Geschichte einer großen Liebe mit zahlreichen Zeitzeugen in Frankreich und in Deutschland Gespräche geführt, Freunde und Kollegen von Romy Schneider und Alain Delon kommen ausführlich zu Wort – darunter etwa Jane Birkin, Senta Berger, Mario Adorf, Jean-Claude Carrière, Michael Verhoeven, Volker Schlöndorff und viele andere mehr. In ihren persönlichen Erinnerungen wird dieses deutsch-französische Liebespaar wieder lebendig.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 397

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Das Buch

Sie sind Ikonen des 20. Jahrhunderts und gelten als das Traumpaar der 1960er-Jahre – Romy Schneider und Alain Delon. Als sie sich 1958 bei den Dreharbeiten der Arthur-Schnitzler-Verfilmung Christine erstmals in Paris begegnen, verlieben sie sich ineinander. Fünf Jahre sollte diese außergewöhnliche, von zahlreichen Höhen und Tiefen geprägte Beziehung dauern. Trotz der schmerzlichen Trennung im Dezember 1963 standen sie vier Jahre später für den Kultfilm Der Swimmingpool 1968 erneut als Liebespaar vor der Kamera. Und es begann eine Freundschaft, die bis zu Romy Schneiders frühem und tragischem Tod im Mai 1982 anhielt. Als sie starb, war es Alain Delon, der sich um alles kümmerte. Sie war für ihn die Liebe seines Lebens …

Autor und Biograph Thilo Wydra hat für diese Geschichte einer großen Liebe mit zahlreichen Zeitzeugen in Frankreich und in Deutschland Gespräche geführt. Freunde und Kollegen von Romy Schneider und Alain Delon kommen ausführlich zu Wort – darunter etwa Jane Birkin, Senta Berger, Mario Adorf, Jean-Claude Carrière, Georg Stefan Troller, Volker Schlöndorff, Michael Verhoeven und viele andere mehr. In ihren persönlichen Erinnerungen an die beiden Stars wird dieses deutsch-französische Liebespaar wieder lebendig.

»Sie war seine größte Liebe.«

Jane Birkin

»Er war ihre Hoffnung, ihre Liebe, ihr Glaube.«

Georg Stefan Troller

»Romy ist die, die bleibt.«

Mario Adorf

»Er war der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt für sie.«

Senta Berger

THILOWYDRA

EINELIEBEINPARIS

ROMY & ALAIN

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.Copyright © 2020 by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 MünchenRedaktion: Nina LiekeCovergestaltung: Eisele Grafik-Design, München, unter Verwendung der Fotos von Jean-Pierre U1: Getty Images / Jean-Pierre BONNOTTE U4: Getty Images / AFP / KontributorBildredaktion: Tanja ZielezniakHerstellung: Helga SchörnigSatz: Vornehm Mediengestaltung GmbH, MünchenISBN: 978-3-641-27047-6V002www.heyne.de

Inhalt

VorspannCannes, 19. Mai 2019

TEIL I – KINDHEIT UND JUGEND

Alain. Die ersten Jahre:Frankreich, 1935

Romy. Die ersten Jahre:Deutschland, 1938

TEIL II – LIEBE

Ein folgenschweres Remake und die erste große Liebe:Christine, 1958

Nach der Trennung – diese Tage, Wochen, Monate:

L’enfer, 1964

Beichte am Berg:Syberbergs Dokumentarfilm Romy. Portrait eines Gesichts, 1966

TEILIII – FREUNDSCHAFT

Legendär & stylish – Kult am Pool:Der Swimmingpool (La piscine), 1969

Politstück und letzte gemeinsame Arbeit:Das Mädchen und der Mörder. Die Ermordung Trotzkis(The assassination of Trotsky), 1972

Begegnungen, Projekte, Träume:

Der gekaufte Tod (La mort en direct), 1979

Annus horribilis:1982

AbspannDelon. Die Gegenwart

ANHANG

Anmerkungen

Zeittafel Romy Schneider

Zeittafel Alain Delon

Filmographie

Gemeinsame Filmographie von Romy Schneider und Alain Delon

Theatrographie

Gemeinsame Theatrographie von Romy Schneider und Alain Delon

Bibliographie

Personenregister

Werkregister

Dank

Bildteil

Er war ausschlaggebend für mein ganzes Leben.

Er gab meinem Leben eine neue Richtung.

Romy Schneider über Alain Delon

Ich habe sie immer geliebt.

Für mich bedeutet sie vierundzwanzig Jahre meines Lebens und meines Herzens.

Alain Delon über Romy Schneider

Quelle: Getty Images (JARNOUX Maurice / Kontributor)

Vorspann

Cannes, 19. Mai 2019

Der wichtigste Mann in meinem Leben war und ist Delon.

Wenn ich ihn brauche, ist seine Hand immer für mich da.

Auch heute noch ist Alain der einzige Mann, auf den ich rechnen kann.

Er würde mir jederzeit helfen.

Alain hat mich nie mir selbst überlassen, auch heute nicht.

Romy Schneider, 1977

Wir haben über fünf Jahre beieinander gelebt.

Du mit mir.

Ich mit dir.

Zusammen.

Alain Delon, 1982

Quelle: Getty Images (VALERYHACHE / Kontributor)

Es ist der 19. Mai 2019. Ein Sonntag. Der Abend bricht an und senkt sich allmählich über die kleine Küstenstadt an der Côte d’Azur. Blue hour. Tagsüber lichtdurchflutete Kulisse vor azurblauem Meer, abends sind es Glamour und Glitter, die die Festival-Nacht an diesem Ort hell erstrahlen lassen. Hierher kehrt er nun noch einmal zurück, vielleicht zum letzten Mal. Ein Hauch von Wehmut liegt in der lauen Luft dieses Abends über den Internationalen Filmfestspielen von Cannes.

Alain Delon kehrt nach Cannes zurück – an diesen ebenso magischen wie mythischen Ort des Kinos, wo im Mai 1957 alles begann, als er als Einundzwanzigjähriger erstmals die berühmte Croisette entlangschlenderte und niemand ihn kannte. Jahrzehnte liegen zwischen diesen beiden Fixpunkten, Jahre eines intensiv gelebten Lebens, eine weit über hundert Kino- und Fernsehfilme umspannende internationale Schauspielkarriere. Alain Delon, er ist längst selbst schon zum Mythos geworden.

Als er auf der Bühne des großen Debussy-Saals des Palais des Festivals et des Congrès steht, dort, wo er in den vergangenen Jahrzehnten einige Male schon stand, da ist dieser dreiundachtzigjährige Mann sichtlich angefasst und bewegt. Alain Delon stehen die Tränen in den Augen, als seine Tochter Anouchka ihm die Palme d’Or d’Honneur, die Goldene Ehren-Palme für sein Lebenswerk überreicht, nachdem sie vorher auf der Bühne an ihn gewandt gesagt hat: »Das Kino kann von Glück reden, dass es dich hat. Du stehst zu deinen Überzeugungen, du bist authentisch, und du traust dich was.«

Vater und Tochter umarmen sich, und mit Stolz und Ergriffenheit hebt er die begehrte goldene Auszeichnung hoch, woraufhin sich der gesamte Saal erhebt und ihm Respekt zollt.

Standing Ovations, viele Minuten lang.

Dann ergreift Alain Delon das Wort: »Ich freue mich sehr, diese Palme für mein Lebenswerk zu bekommen, dem einzigen auf der Welt, auf das ich stolz bin. Für mich ist dieser Abend weniger das Ende einer Laufbahn als das Ende eines Lebens. Dass ich ein Star bin, verdanke ich einzig und allein den Zuschauern. Ich habe immer nur meine Arbeit gemacht. Vielen, vielen Dank.«1

Er will schon die Bühne verlassen, ist bereits ein paar Schritte gegangen, da macht Delon plötzlich kehrt und kommt noch einmal kurz zurück. Dann nennt er schließlich, neben dem Namen seiner früheren Lebensgefährtin, der französischen Schauspielerin Mireille Darc, auch ihren Namen:

»Je pense à Mireille et à Romy.«

Delon ist in diesem Moment auf der Bühne nicht weniger ergriffen als zuvor, doch es kommt noch etwas anderes hinzu: Er strahlt Sanftheit aus, scheint plötzlich weich und verletzlich. Dort vorne, auf der Bühne dieses großen Saals, in dem mithin die wichtigsten Filmtrophäen der Welt verliehen werden, steht ein Mann, der entgegen dem öffentlich skizzierten Bild, das das Publikum seit jeher von ihm besaß, durch Sensibilität und Authentizität berührt. Es ist ein großer Moment – des Kinos und des Lebens.

*

Sie konnten nicht miteinander und nicht ohneeinander.

Es gibt sie, diese schicksalhaften Verbindungen: Die Liebe ist entfacht, die Leidenschaft wild, das Herz klopft, Schmetterlinge im Bauch – und doch ist da im selben Moment zugleich auch etwas anderes. Etwas, das von einer großen Schwere ist. Eine Art Unausweichlichkeit. Etwas, das beide früh schon ahnen lässt: Das ist nichts für die Ewigkeit. Das wird, das muss ein Ende finden. Diese extremen Höhen, diese extremen Tiefen – eine Achterbahnfahrt, die nur eine Zeit lang lebbar, aushaltbar ist. Die Intensität der Gefühle schwingt in beide Richtungen aus, himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. Dieses magnetische Voneinander-angezogen-Sein, dem immer auch ein Voneinander-Wegstoßen folgt.

Himmel und Hölle zugleich.

So ist es auch zwischen Romy Schneider und Alain Delon, diesem geradezu magisch anmutenden Paar, das die französische Zeitschrift Paris Match einmal »le couple le plus charmant de Paris« nennt. Jahre nach ihrer Verbindung, die in den späten 1950er- und den frühen 1960er-Jahren die Schlagzeilen mitbestimmte, notiert Romy Schneider einmal an einer Stelle in ihr Tagebuch: »Schon am Anfang unserer Beziehung war das Ende unausbleiblich.«2

Und da ist auch die Erkenntnis: »Zwischen Alain und mir lag eine Welt«. Romy weiter: »Niemand kann aus seiner Haut. Niemand kann alle Einflüsse einfach abschütteln, die ihn von Kindheit an geprägt haben. Alain konnte es nicht, ich konnte es nicht. Nur wußten wir das damals noch nicht.«

Das Damals, es liegt im Jahr 1958: Romy Schneider wird in diesem Jahr zwanzig, Alain Delon dreiundzwanzig. Sie sind jung, sie sind schön, und die ganze Welt steht ihnen offen. Sie haben sich zuvor noch nie gesehen, sie sprechen die Sprache des anderen nicht, und ganz zu Anfang ist da alles andere als ein coup de foudre, als Liebe auf den ersten Blick.

Dann wird es für beide die Liebe ihres Lebens werden. Fünf Jahre werden sie zusammen sein. Drei Filme werden sie miteinander drehen – zwei davon Jahre nach ihrer Liebesbeziehung, einer soll zu einem zeitlosen Kult-Klassiker werden: Christine (1958), Der Swimmingpool (1969) und Die Ermordung Trotzkis (1972).

Sie werden zu Freunden, werden einander begleiten, das Leben des jeweils anderen verfolgen. Sie werden einander Wegbegleiter sein. Als Romy Schneider am 29. Mai 1982 im Alter von nur dreiundvierzig Jahren viel zu früh stirbt, da ist es Alain Delon, der zu den Ersten zählt, die bei ihr sind, die Totenwache halten. Er ist es, der ihre Beerdigung organisiert und bezahlt. Er ist es, der sich um restlos alles kümmert. Er ist es, der einen Tag nach ihrer Beerdigung – als die Heerscharen an Reporten, Fotografen und Fernsehteams, die aus über dem Friedhof kreisenden Hubschraubern heraus filmen, abgezogen sind – an ihr Grab geht und in aller Stille von ihr Abschied nimmt. Allein.

Im Jahr 2017 nennt Alain Delon Romy Schneider »Le grand amour de ma vie«3.

TEIL I

KINDHEIT UND JUGEND

Alain. Die ersten Jahre:

Frankreich, 1935

Für mich war Paris zuerst Alain Delon.

Romy Schneider, 1960

Sie hat mich mit ihrer Reinheit erobert.

Alain Delon, 1960

Quelle: Getty Images (Sunset Boulevard / Kontributor: French actor Alain Delon on set of Faibles Femmes (Three Murderesses), written and directed by Michel Boisrond)

Es ist der Spätherbst des Jahres 1935. In dem kleinen Pariser Vorort Sceaux im Département Hauts-de-Seine kommt am 8. November frühmorgens um vier Uhr der Junge Alain Fabien Maurice Marcel Delon zur Welt. Es ist ein sehr kleinbürgerliches Milieu, in das er hineingeboren wird und das für einige wenige Jahre sein Zuhause sein soll. Seine Mutter Édith Arnold (1911 – 1995) arbeitet eine Zeit lang zunächst als Assistentin in einer örtlichen Apotheke, sein korsischer Vater Fabien Delon (1904 – 1977) ist stolzer Betreiber des einzigen Filmtheaters am Platz, des Le Régina. Eigentlich ist der kleine Alain ein Kind der Liebe, er ist ein Wunschkind seiner Mutter Édith.

Als Alain vier Jahre alt ist, trennen sich seine Eltern jedoch. »Ich habe meine Eltern einander niemals küssen sehen«, wird Alain Delon rückblickend sagen.

1939 heiratet Édith Arnold den Schlachtermeister Paul Boulogne. Sie leben nun in Bourg-la-Reine, einer Nachbargemeinde von Sceaux, an der Route d’Orléans etwa zehn Kilometer südlich von Paris gelegen. Monsieur Boulogne besitzt in Bourg-la-Reine eine eigene Schlachterei mit einem guten Dutzend Angestellter, gelegen in der einzigen großen Durchfahrtsstraße des Ortes, der Grande-Rue.

Hier in Bourg-la-Reine, im Alter von vier Jahren, setzt mit der Trennung der Eltern die familiäre Haltlosigkeit Alain Delons ein, die einerseits die Suche nach Liebe nach sich zieht, ein Leben lang, andererseits zugleich den ausgeprägten Hang zu Isolation und Einsamkeit begründet.

Hier liegt der Grundstein der tief ausgeprägten Ambivalenz, die Delons vielschichtigen Charakter ausmacht: die Suche nach Liebe und zugleich der Drang nach Einsamkeit; das durchaus Dunkel-Zwielichtige und zugleich die große Hilfsbereitschaft, wenn Freunde oder Ex-Frauen in Not sind.

Es sind die zwei Gesichter des Alain Delon.

In den 1980er-Jahren spricht Delon in einem Fernseh-Interview darüber, wie sehr er die Einsamkeit brauche, wenn er sie für einige Zeit nicht gespürt habe. Ohne sie könne er schlicht nicht leben. Einsamkeit sei kein Makel, so Delon, sondern etwas, was er liebe. Er kennt sie seit seiner Kindheit vor den Toren von Paris.

Delon und Nähe, Delon und Greifbarkeit – das ist nicht ganz einfach, das ist vielmehr fast unvereinbar. Immer auch wird Alain Delon später, als öffentliche Person, vorsichtig und misstrauisch sein, scheu der Presse gegenüber. Nur selten, und dann ungern, wird er Interviews geben.

»In meiner Familie hatte ich einen schweren Stand. Meine Eltern waren geschieden. Ich lebte zwischen einer Mutter und einem Stiefvater auf der einen, einem Vater und einer Stiefmutter auf der anderen Seite. Ich war ein Störenfried, das überzählige Kind, der Bengel zwischen zwei Paaren, der allen auf die Nerven ging. Wirklich. Ich war ein Kind der Liebe, aber als die Liebe in die Brüche ging, machten beide neue Kinder. Keiner wusste mit mir noch etwas anzufangen.«4

Er ist das schwarze Schaf, das Enfant terrible.

Bald schon kommt der junge Alain vorübergehend zu Pflegeeltern, es ist der nächste biographische Bruch in diesen frühen Jahren. Viele dieser Brüche sollen noch folgen.

Als am 1. September 1939 in Europa der Zweite Weltkrieg ausbricht, da wird Deutschland, das Nachbarland jenseits des Rheins, zum Erzfeind.

Alain Delons Kindheit ist auch eine Kindheit in Kriegszeiten. Es ist eine schwierige, entbehrungsreiche Kindheit, recht einfach, recht freudlos, und vor allen Dingen ohne ein rechtes Zuhause.

Als die Deutsche Wehrmacht den Frankreich-Feldzug am 10. Mai 1940 beginnt und vier Wochen später, am 14. Juni, schließlich in Paris einmarschiert und die französische Metropole unter die Besetzung der Boches fällt, da ist der kleine Alain noch keine fünf Jahre alt. In den kommenden fünf Kriegsjahren wird er immer wieder am Rande ein wenig davon mitbekommen, was vor sich geht.

Diese dunkle Zeit der 1940er-Jahre beschreibt Alain Delon im Jahr 2018 auf eindrückliche Weise wie folgt:

»Ich kam 1935 auf die Welt. 1945 war ich zehn. Ich war kein Idiot. Ich sah alles, verstand alles. Ich wohnte damals in Bourg-la-Reine, meine Mutter war Verkäuferin. Ich lieferte Lebensmittel an Leute aus, die mir dafür was zu essen gaben. Gegenüber gab es einen Laden, dessen Besitzer aus dem Fenster sah, um die Deutschen durchziehen zu sehen, und sich dabei eine Kugel in den Kopf einfing. Tot. Auch ich habe die Deutschen gesehen. Ich sah, wie die französischen Streitkräfte des Inneren vierzig Frauen festnahmen, um ihnen die Köpfe zu scheren. Für eine Weile wurde ich nach Reims geschickt, dann zu Freunden in die Bretagne, nahe dem Wohnort von Jean Gabin, weil meine Eltern Angst um mich hatten.«5

Die einzige Bezugsperson für Alain ist seine Mutter Édith, die er über lange Zeit liebevoll »Mounette« nennt. Édith Boulogne, ehemalige Delon, liebt ihren Sohn Alain, doch auch sie ist überfordert, weiß nicht recht wohin mit ihm. Immerhin, sie unterrichtet ihren Sohn ab seinem fünften Lebensjahr im Klavierspiel.

In einem unveröffentlichten Interview, 1981 in Bourg-la-Reine geführt, aus dem nur einige wenige Auszüge jemals publiziert wurden, erinnert sich Mutter Édith an ihren kleinen Sohn Alain und weiß unter anderem zu erzählen: »Er stellte alles auf den Kopf, verlangte immer eine Sonderbehandlung. Wenn ich Alain auf dem Schoß hatte, traute sich kein anderes Kind in meine Nähe. Er nahm sich meinen Schlüsselbund und zog den anderen damit eins über.«6

Sechsmal fliegt Alain von der Schule. Immer wieder wird er zu seiner Mutter zurückgeschickt, immer wieder beschweren sich die Eltern anderer Schüler über den Schüler Delon, der sich nicht anpassen kann, der anders ist als die anderen. »Er stellte lauter unerhörten Unfug an«, so Mutter Édith. Er ist verhaltensauffällig, die Menschen kommen nicht mit ihm klar. Alain eckt immer und überall an. Er sei terrible gewesen als Junge, schrecklich, sagt Delon über sich selbst.

»Ich kam zu einer Pflegefamilie nach Fresnes. Mein Pflegevater war Gefängniswärter. Ich war dabei, als am 15. Oktober 1954 Pierre Laval erschossen wurde (Premierminister unter Pétain). Ja, wirklich dabei. Nicht in seiner Nähe, aber wir wussten alles. Es hieß: ›Sieht aus, als hätten sie ihn hingeschleppt, er konnte nicht mehr gehen, und dann haben sie ihn erschossen.‹ Dann kam ich zu meinem Stiefvater, der mich halb totschlug, und meine Mutter bekam eine Tochter und einen zweiten Sohn. Ich war ein Taugenichts.«7

Nach der Station bei der Familie Nérot, den Pflegeltern im nordfranzösischen Fresnes, an die Delon bis heute gute Erinnerungen hat, kommt Alain auf das Jesuiten-Internat Saint-Nicolas d’Igny. Es heißt, dass er neben den Jesuiten auch bei den Franziskanern von Saint-Nicolas und bei den Benediktinern von Saint-Gabriel de Bagneux gewesen sei. Nirgendwo bleibt er sehr lange. Alle beklagen seinen Mangel an Disziplin, etwas, was er früh schon regelrecht kultivieren wird. Mit zwölf empfängt Alain immerhin die heilige Kommunion.

Dieses Lebensgefühl, das einmal da ist, es geht nicht mehr weg, wird sich manifestieren und Delon fortan begleiten: Nirgendwo gehört er dazu, nirgendwo wird er angenommen. Er ist ein Unangenommener. Ein Ungeliebter, auch. Früh schon geht damit ein Gefühl der Entwurzelung einher, das sich, einem roten Faden gleich, durch Delons ganzes Leben ziehen soll. Dass daraus nur die Rebellion entstehen kann, das Rebellische in ihm ohnehin angelegt zu sein scheint, mag da nur die logische Konsequenz sein. Delon, der Rebell. Der Unbequeme. Der sich – ob damals, ob heute – von nichts und niemandem etwas sagen lässt.

Delon, le solitaire. Delon, le samouraï.

Er tut es seinem Stiefvater gleich und absolviert im Alter von vierzehn Jahren eine Lehre als Schlachter. Tote Tiere traktieren. Später wird Delon augenzwinkernd immer mal wieder zum Besten geben, er sei wohl der einzige Schauspieler, der von der Pike auf gelernt habe, eine pâté en croûte, eine Pastete im Teigmantel richtig zubereiten sowie Schinken und Salami korrekt schneiden zu können.

»Ich war ein Taugenichts, wurde Metzger, machte alles, was anfiel. Ich war ein Niemand. Auf das Metzgerdasein hatte ich nicht die geringste Lust. Mit sechzehn, siebzehn hatte ich die Nase voll. In der Zeitung sah ich Anzeigen für die Armee. Die war mein einziger Ausweg. Erst wollte ich Flieger werden, aber da musste man ein halbes oder sogar ganzes Jahr warten. Also entschied ich mich für die Marine, um praktisch sofort verschwinden zu können. Ich war einer der Jüngsten.«

Und der junge Alain erhält die Unterschrift seiner Eltern, die er benötigt, um zum Militär und in den Indochina-Krieg gehen zu können. Delon sagt dazu heute: »Als ich das meinem Vater mitteilte, fiel er mir um den Hals vor Glück. Ich dankte ihm, dachte ›Hoffentlich gibt er mir die Unterschrift.‹ Dann, nach etwas Überlegung, dachte ich: ›Moment mal! Wer würde seinem siebzehn Jahre alten Sohn erlauben, nach Indochina zu gehen?‹ Tja, so war das … Ich nahm ihnen das lange übel. Vor allem meinem Vater.«8

Im September 2018 gibt Alain Delon der großen französischen Tageszeitung Le Monde in seinen am Pariser Boulevard Haussmann gelegenen Büroräumen ein mehrstündiges Interview, das die Zeitung am 22. September veröffentlicht. Nur einen Tag vor Romy Schneiders Geburtstag. Zufall? Auf mehreren Druckseiten steht Delon Rede und Antwort und nimmt, wenige Wochen vor seinem dreiundachtzigsten Geburtstag, kein Blatt vor den Mund. Mehrfach entfährt ihm ein J’en ai rien à foutre oder ein Je m’en fous. Es sei ihm schlichtweg egal. Absolut egal. Egal auch, was die Leute über ihn denken, von ihm halten.

»1952 war ich siebzehn«, erzählt Delon. »Ich verpflichtete mich, ging nach Indochina und war überglücklich. Aus privaten, familiären Gründen wollte ich nur weg.«

Ausgerechnet im Krieg in Indochina, ausgerechnet in der Armee scheint Alain Delon etwas zu finden, was er bisher vergeblich suchte. Er ist weit weg von zu Hause und weit weg von seinen Freunden aus der Vorstadt. Er fühlt sich hier zum ersten Mal frei. Frei, unabhängig und bei sich.

Von Paris aus geht es erst zur Marine nach Brest, dann nach Toulon und schließlich nach Marseille. In Marseille legt das Schiff Claude-Bernardin mit seinen 2000 Rekruten ab und ist vier Wochen auf See, mit Stationen im ägyptischen Port Said, Dschibuti und Singapur, bevor es Saigon erreicht. Auch wenn er unter der Seekrankheit leidet, bezeichnet Delon die Schiffsreise, die ihn in den Krieg bringen wird, als »un souvenir fabuleux«.

Angekommen in Vietnam, in diesem ihm fremden Land, sieht der junge Alain Delon bald die ersten Menschen sterben, darunter auch etliche seiner Kameraden. Die Katastrophe von Dien Bien Phu macht die Stadt zum Massengrab. Immer wieder sieht der junge Soldat – er ist achtzehn, neunzehn, zwanzig – die Toten in diesem sinnlosen Krieg, den Frankreich fernab der Heimat führt und schließlich verliert. Der Tod wird Delons ständiger Begleiter.

Über seine Erfahrungen in Indochina wird Alain Delon einmal sagen, dass er un animal sauvage gewesen sei, ein wildes Tier.

Er wird diese Jahre in der Fremde später zu der prägendsten Zeit seines Lebens zählen, und auch – dies mag durchaus befremden – zu seiner glücklichsten. Doch Delon wäre nicht Delon, würden ihn auch hier die Reaktionen auf solcherlei unbequeme, nahezu verstörende Äußerungen im Geringsten stören. Il s’en fout.

»Ich veränderte mich. Die Armee hat mich zum Mann gemacht. Am 23. Januar 1953 brach ich nach Indochina auf, am 1. Mai 1956 kam ich zurück. Manchmal war es schwer, manchmal war ich glücklich. Das klingt vielleicht, als wäre ich verrückt. Aber ich sage es gern noch mal: Der Armee verdanke ich alles, ob es Ihnen passt oder nicht.«

Doch auch aus der Armee – so wie seinerzeit als Junge aus sechs Schulen – wird der Aufsässige am Ende entfernt.

»Bei der Armee habe ich Disziplin gelernt, den Umgang mit anderen, mit Vorgesetzten, mit Stress, mit Angst. Gehen musste ich am Ende, weil ich Dummheiten gemacht hatte. Ich ging denen so sehr auf die Nerven, dass sie mich ›unehrenhaft‹ entließen, was nur selten vorkommt. Heute kennt man so was gar nicht mehr. Ich hatte für fünf Jahre unterschrieben, und die schickten mich nach drei Jahren und drei Monaten bereits nach Hause.«

Warum man ihn denn letztlich rausgeschmissen habe, fragt der Monde-Journalist daraufhin.

»Ich war ein junger Kerl und musste das Arsenal in Saigon bewachen, ein schwieriger Posten. Aber es ging so weit alles gut. Dann habe ich mit Freunden Dummheiten gemacht. Am 8. November 1955 saß ich im Gefängnis. An meinem zwanzigsten Geburtstag, wie mir da erst aufging. 20 000 Kilometer entfernt von meiner Familie saß ich an meinem Geburtstag in meiner Zelle und vergoss ein paar Tränen.«9

Der junge Soldat Delon, der mit siebzehn nach Indochina kommt, ist dort, so wird es später einmal sein Kommandeur berichten, geradezu berüchtigt für seine Grausamkeit und Apathie. Dieser Kommandeur, sein Vorgesetzter Henri Guy de Vignac, sagt rückblickend einmal über Delon: Er war »ein Sadist, ein Junge, der Spaß hatte am Töten, ein sexuell Abartiger«.10

De retour à Paris: Im Mai trifft Alain Delon in Paris ein, sein Zug kommt am Gare de Lyon an. Nach seiner Rückkehr vom Militärdienst nach dreieinviertel Jahren – innerlich abgehärtet – geht Delon zunächst Gelegenheitsjobs nach, er ist Taxifahrer, Kellner, Straßenmusiker. Außerdem arbeitet er im kruden Kosmos des Pariser Großmarkts Les Halles und schlägt sich dort eben so durch. Und er kellnert für eine recht überschaubare Zeit in einem Café in einer schmalen Seitenstraße der Champs-Élysées, ist einer der garçons.

Diese Seitenstraße ist die Rue du Colisée, rechter Hand des breiten Boulevards gelegen, der zum Arc de Triomphe hochführt. Noch heute erinnert sich Delon an seine kurze Tätigkeit als Kellner:

»Im Café geriet ich mit dem Oberkellner aneinander. Ich habe ihm seine weiße Jacke und seine schwarze Hose zurechtgestutzt und bin gegangen. Das war Ende ’56 … Neben dem Colisée, das heute nicht mehr existiert, gab es ein Kino gleichen Namens. Zwei Jahre später lief dort jeden Tag Delon-Schneider, in Christine.«11

Dem patron, so will es die Legende, habe er beim stürmischen Verlassen des Cafés noch entschlossen zugerufen: »Warten Sie’s nur ab, ich komme noch groß raus!«

Der Zufall will es, dass Alain Delon ein Jahr später, 1957, vor einer kleinen Konditorei, nicht weit entfernt vom Café Colisée, an einem der anderen Boulevards, die zum Triumphbogen führen, vor der Kamera steht – es ist sein erster Drehtag überhaupt.

»In meiner ersten Szene kam ich mit Sophie Daumier aus einer Pâtisserie an der Ecke Avenue Victor Hugo, die es heute noch gibt. Eine Schachtel Kuchen in der Hand, sah ich zum ersten Mal die ganze Armada vor mir – die Kamera, die Dollyschienen, die Scheinwerfer, die vielen Leute … Und ich fühlte mich sofort wie ein Fisch im Wasser.«12

Doch zunächst wechselt Delon noch von einem kleinen Job zum nächsten. Es ist alles nicht das, was ihn interessiert. Eigentlich weiß er auch gar nicht, was ihn interessieren könnte. Erneut steht er da – ohne Halt und ohne Ziel.

Er ist ein Unbeheimateter in der Heimatstadt Paris.

»Zurück aus Indochina, 1956, wusste ich nicht recht, wohin mit mir«, so Delon. »Ich dachte, ich würde bestimmt nicht lange überleben, Gauner der ich war. So funktioniere ich nun mal. Ich wohnte in Pigalle bei einem Freund, in einem Hotel, das mich geprägt hat. Das Hotel Régina. Mein ganzes Leben ist geprägt vom Wort ›Regina‹. Ich bin ein ›Reginaburger‹, weil ich aus Bourg-la-Reine stamme. Mein Vater war Direktor des Kinos Régina.«13

Aus dem rauen Milieu seiner Kindheit und Jugend geht es in die brutale Welt des Krieges, und auch die nächste Welt, die sich Delon aussucht, ist kalt und ohne Seele: Es ist das Rotlicht-Milieu im Pariser Montmartre-Viertel rund um Pigalle und Clichy.

»Neben meinem Hotel lag eine zwielichtige Bar namens Les Trois Canards. Nach ein, zwei Monaten hatte ich acht Mädchen, die in mich verliebt waren und für mich arbeiten wollten. Was sagen Sie dazu? Wo wäre ich wohl heute, wenn das Kino nicht gewesen wäre? Ich hatte Frauen in einem gewissen Viertel von Paris und stand kurz davor, Zuhälter zu werden. Aber da ich auch in einem anderen Viertel Frauen hatte, wurde ich zum Star.«14

Es ist dieser Moment, in dem sich in Alain Delons unstetem Leben etwas ändern soll. Wenn er, der in mehreren Vierteln seine Frauen hat, durch die Stadt geht, oben in Montmartre etwa den Boulevard de Clichy zwischen Moulin Rouge und Place de Clichy entlang, oder an der rive gauche in Saint-Germain den Boulevard Saint-Germain-des-Prés, dann bleiben die Menschen stehen, drehen sich nach ihm um und sehen ihm nach. Die Frauen ohnehin. Aber auch die Männer. Diese perfekten Gesichtszüge. Das pechschwarze, streng gescheitelte Haar. Diese stahlblauen Augen ….

Ein anmutiger Erzengel. Quel beauté !

Zur selben Zeit dreht Mario Adorf mit Romy Schneider in Deutschland Robinson soll nicht sterben. Wenige Jahre später lernt er auch Delon in Rom kennen und erinnert sich heute:

»Er war wirklich ein schöner Mann. Er war schön!«15

Und nach einer nachdenklichen Pause fügt Adorf an: »Delon war auch bewundernswert. Es war ja seine besondere Wirkung, dass er gerade in den französischen Filmen diese Kälte ausstrahlte. Er hatte diese – für mich – doch etwas böse Ausstrahlung. Er konnte charmant sein, aber seinen Charme fand ich viel weniger geglückt als das andere. Der Charme, den er auch hatte, der war nicht echt. Wenn er lachte, hatte er ein ganz ausgestelltes, lautes Lachen. Das schien mir nicht so echt wie das andere. – Das war er: Dieses Kalte.«

Die französischen Filme, von denen Mario Adorf spricht, sie sind noch nicht gedreht. Doch eine Frau wird Alain Delon schon bald den Weg dorthin weisen. Sie heißt Brigitte Auber.

*

Die Schauspielerin Brigitte Auber, geboren 1928 in Paris, die in den 1940er-Jahren in sehr jungen Jahren mit Legenden wie Jean-Louis Barrault und Juliette Gréco am Theater in Paris arbeitete, erinnert sich heute noch gut an ihre eigenen Anfänge, die so viele Jahrzehnte schon zurückliegen. Hoch oben in Montmartre, oberhalb des Boulevard de Clichy, in einer im 17. Arrondissement gelegenen Dachgeschoss-Wohnung im 9. Stockwerk.

Es ist, als seien Ereignisse, die Jahrzehnte zurückliegen, gestern erst geschehen, so klar sind die Erinnerungen dieser kleinen, zierlichen Dame. Ab und an fällt der sympathischen ehemaligen Actrice, die voller Anekdoten steckt, immer wieder auflacht und den Zuhörer charmant anlächelt, ein Name nicht sofort ein, dann schimpft sie kurz mit sich selbst – Mon Dieu! Allez hopp! – , und sie hat den Namen wieder parat.

Seit den frühen 1940er-Jahren ist Paris die Stadt der Existenzialisten, es ist das Paris von Albert Camus, von Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir. Rauchend sitzen sie im Café de Flore oder im Café Les Deux Magots und debattieren über die Sinnlosigkeit, über das Absurde der irdischen Existenz. Dieses graue Nachkriegs-Paris, dem der Krieg noch in den Knochen steckt, man stellt es sich wie selbstverständlich in Schwarz-Weiß vor. Farbe hat hier noch keinen Raum.

Zu ebendieser Zeit, die retrospektiv betrachtet einem magischen Mythos gleichkommt, werden Brigitte Auber und Alain Delon ein Paar. Eine gewisse Zeit lang. Bei Delon, damals schon, ist nie genau erkennbar, wann etwas wirklich angefangen hat, wann etwas wirklich endet. Ob es eine große Liebe war, das lässt Brigitte Auber mit einem charmanten Lächeln offen.

Regisseur Jacques Becker ist es, der Brigitte Auber 1947 in einer ersten, noch sehr kleinen Rolle besetzt, in Zwei in Paris (Antoine et Antoinette). Nur zwei Jahre später castet Becker Auber sodann für die weibliche Hauptrolle in Jugend von heute ( Rendez-vous de Juillet). »Das war damals meine erste große Rolle«16, erinnert sie sich heute an den in Schwarz-Weiß gedrehten atmosphärischen Pariser Nachkriegsfilm Vor allen Dingen aber spielt Auber damals viel Theater, tritt als Akrobatin auf, absolviert Nummern am Trapez und zu Pferd.

»Zu dieser Zeit«, so Auber heute, »war man wirklich jeden Abend unterwegs – der Jazz, Cha-Cha-Cha, Mambo, all das, in den kubanischen Clubs mit ihren Orchestern aus Kuba. C’était sublime comme époque«, schwärmt die Schauspielerin, es sei eine großartige Epoche gewesen. »Man hat einfach nicht mehr geschlafen. Und ich war mit alledem viel mehr beschäftigt als mit meiner Karriere. Ich war damit beschäftigt zu leben, ich liebte es, tanzen zu gehen.«

Eines Tages lernt diese junge, sportliche und energiegeladene Frau, deren Kurzhaarschnitt ihren burschikosen kecken Look nur mehr verstärkt, einen jungen Mann kennen, der sie auf Anhieb fasziniert. Er ist so anders. Und er fällt auf – durch seine bezwingende Schönheit. Er ist ein arroganter Filou, ein dunkelhaariger Adonis, einer, der den Schalk im Nacken hat und die Frauen reihenweise um den Finger wickelt. Auber ist mit Freundinnen am Boulevard Saint-Germain unterwegs, wieder einmal in einem der angesagten vibrierenden Jazz-Clubs, ganz in der Nähe ist das Café de Flore.

»An dem Tag war ich im Keller des Club Saint-Germain, da, wo getanzt wurde«, erinnert sich Brigitte Auber heute, »und Freundinnen meinten, da sei ein Mann, der mich unbedingt kennenlernen wolle. Sie sagten, er warte in einem kleinen Café gegenüber, in der Rue Saint-Benôit.« Was er denn von ihr wolle, fragt Brigitte ihre vollkommen enthusiastischen und sichtlich aufgekratzten Freundinnen, und wer das denn überhaupt sei? Und ihre Freundinnen sagen ihr, dass das alles vollkommen egal sei – »ein schlanker Dunkelhaariger mit strahlend blauen Augen« warte auf sie gegenüber im Café. Doch Brigitte lehnt es ab, den Unbekannten zu treffen: »Er wollte mich unbedingt kennenlernen, und mir war das vollkommen schnurz.

Am nächsten Tag dieselbe Nummer, und am übernächsten auch. Am dritten Tag beschloss ich, den mysteriösen Fremden doch zu treffen. Meine Freundinnen hatten nicht zu viel versprochen, er hatte wirklich umwerfende Augen. Das Dumme war nur: Er hatte beim Warten mindestens fünfzehn Bier gekippt und war voll wie eine Haubitze. Ich bin mit ihm zu einem Grillimbiss gegangen, habe ihm was Deftiges zu essen besorgt und ihn wieder aufgepäppelt.«

Eine Liebesgeschichte beginnt. Die beiden jungen Menschen – sie ist achtundzwanzig, er einundzwanzig – leben in einem Appartement im 7. Pariser Arrondissement und verbringen alle Zeit der Welt miteinander, können nicht, wollen nicht ohneeinander sein, Brigitte Auber nennt es »eine wirklich nette und schöne Beziehung – trotz der einen oder anderen Spannung«. Von Beginn an ist allerdings auch der Altersunterschied zwischen ihnen spürbar, Brigitte ist in allem viel erfahrener, viel weiter als Alain. So sind sie nicht nur Liebende, er wird zugleich auch unweigerlich zu ihrem Protegé. Für Brigitte ist Alain zunächst, »perfekt, liebevoll und zärtlich«.

Die amouröse Verbindung der beiden ist schließlich nicht von allzu langer Dauer, die junge Brigitte Auber gibt sich keinerlei Illusionen hin, denn sie spürt bald, dass Delon von irgendetwas getrieben zu sein scheint, das ihn stets weiterziehen lassen muss. Von Film zu Film, und bald schon von Frau zu Frau. »Zwei Jahre haben wir auf der rive gauche zusammengewohnt, erst in der Rue du Pré-aux-Clercs, dann in der Rue des Boulangers. Seine Mutter – Mounette – fand das herrlich.«

Und Brigitte spürt noch etwas anderes, etwas, das sie auch heute noch in ihren Erinnerungen abrufen kann, wenn sie von Alains »schauderhaftem Charakter« spricht: »Er ist eben Skorpion, zerrissen von inneren Konflikten. Ich glaube, ein Teil seiner Exzesse ist immer nur gespielt. Alain muss immer etwas vorspielen, etwas darstellen.«

Brigitte Auber ist es letztlich auch, über die Alain Delon, wenngleich über kleine Umwege, Regisseur Yves Allégret kennenlernt. Doch zunächst fahren sie im Mai 1957 in einem grünen MG Cabriolet zusammen runter an die lichtdurchflutete Côte d’Azur, zu den Filmfestspielen von Cannes.

Der Ort soll für Delon zur künstlerischen Initiation werden.

Bis heute ist Delon Cannes wichtig, dieses weltweit bedeutendste Filmfestival, selbst längst schon zum kultischen Mythos erhoben. Und bis heute kann er nicht vergessen, dass er über Jahre hinweg nicht von der Festivalleitung eingeladen wurde, nicht wahrgenommen zu werden schien. Bis er schließlich selbst entscheidet, verletzt und gekränkt, diesen Ort fortan zu meiden. Erst Jahre später werden sich das Festival und der Star wieder einander annähern – bis Delon schließlich am 19. Mai 2019 die größte Ehre zuteilwird, die das Festival zu vergeben hat: die Verleihung der Palme d’Or d’Honneur, der Goldenen Ehren-Palme für sein Lebenswerk.

Damals ist Cannes für Alain Delon der Ort des Anfangs, des Aufbruchs. In Cannes lernt er an einem der Festival-Tage Jean-Claude Brialy kennen – an einem Nachmittag am Strand. Brialy fällt der zwei Jahre jüngere Delon sofort auf. Sie freunden sich rasch miteinander an, promenieren, einem Schaulaufen gleich, die Croisette hinauf und hinunter, schleichen sich auf die Cocktailpartys der Produzenten und Filmverleiher, sitzen in den Lobbys des berühmten Carlton Hotels, des Majestic oder des Martinez, ziehen abends durch die Clubs, von Cannes bis Monte-Carlo. Während Brialy bereits erste kleine Rollen gespielt hat, ist der unbekannte Delon in Cannes ohne veritables Ziel. Er ist einfach da und lässt sich treiben.

Wie es der Zufall will, ist der Abschlussfilm der diesjährigen, zehnten Festival-Ausgabe der dritte und letzte Film der Sissi-Trilogie, Schicksalsjahre einer Kaiserin (1957). Am Abend sind Romy Schneider, ihr Filmpartner Karlheinz Böhm sowie Romys Mutter Magda Schneider zur Gala anwesend. Romy hält sich zu diesem Zeitpunkt ohnehin an der Côte d’Azur auf – in den Studios de la Victorine in Nizza dreht sie unter der Regie von Géza von Radványi gerade Ein Engel auf Erden (Mademoiselle Ange, 1959). An ihrer Seite steht ein noch unbekannter Newcomer vor der Kamera, ein gewisser Jean-Paul Belmondo, der nur kurz darauf, im Sommer 1959, in Jean-Luc Godards bahnbrechendem Außer Atem (À bout de souffle, 1960) mitwirken und über Nacht zum Star der frühen Nouvelle Vague hochkatapultiert werden soll.

Ob Delon Romy dort, im Palais des Festivals et des Congrès in Cannes, auf der Leinwand gesehen haben mag? Vermutlich eher nicht. Und doch ist es ein erster kleiner Wink des Schicksals.

An einem dieser unbeschwerten Maitage in Cannes wird Alain Delon von einem Herrn angesprochen. Der Herr, so stellt sich heraus, ist ein Talentscout und arbeitet für niemand Geringeren als David O. Selznick, seines Zeichens einer der einflussreichsten Produzenten in Hollywood, der 1939 Vom Winde verweht (Gone with the Wind ) produzierte und für einige Jahre unter anderem Alfred Hitchcock, Ingrid Bergman und Vivien Leigh unter Vertrag hatte. Harry Wilson, Selznicks Gesandter, wird auf den jungen Delon aufmerksam, als dieser mit einem Smoking, der natürlich nur geliehen ist, aus der Festival-Vorführung von Jules Dassins Der Mann, der sterben muss (Celui qui doit mourir, 1957) kommt. Harry Wilson fragt Alain Delon, ob er Schauspieler sei. Delon, offenbar ziemlich verdutzt, verneint sofort – nein, er sei kein Schauspieler. Das beeindruckt Wilson nicht sonderlich, er bittet den Einundzwanzigjährigen anderntags zum Termin.

»Also ging ich am nächsten Tag zu seinem Hotel«, berichtet Delon Jahre später, »er nahm ein Gespräch mit mir auf Tonband auf – damals sprach ich noch kein Englisch. Danach sagte er: ›Ich fahre jetzt nach Rom zurück … Wenn Sie mir Ihre Telefonnummer geben, werde ich Sie Montag zwischen acht und zwölf anrufen.‹ Ich traute meinen Ohren nicht.«17

Der Anruf aus Rom kommt an jenem Montagmorgen tatsächlich – David O. Selznick wolle ihn umgehend sehen. So fliegt Delon kurzerhand nach Rom, um in den Cinecittà-Studios – in denen gerade Rock Hudson und Jennifer Jones für Charles Vidors Hemingway-Adaption In einem anderen Land (A Farewell to Arms, 1957) vor der Kamera stehen – Probeaufnahmen von sich machen zu lassen, die sich der mächtige Mogul einige Tage später ansieht.

Die Aufnahme zeigt Delon, wie er den Abschiedsbrief seiner Frau vorliest, die sich von ihm trennt, um mit seinem besten Freund zusammen zu sein. Fast könnte die Szene aus Delons eigenem Leben stammen. Drei Tage sollen vergehen, da kommt der nächste Telefonanruf – der Produzent befindet die Probeaufnahmen für gut.

David O. Selznick bietet Alain Delon daraufhin einen der seinerzeit in Hollywood üblichen, unter Schauspielern jedoch nicht unumstrittenen Sieben-Jahres-Verträge an, mit denen er Delon exklusiv an sich binden will. Hierfür müsse dieser in den kommenden drei Monaten zuerst Englisch lernen und im August dann nach Los Angeles übersiedeln. Es sieht nach einer einzigartigen Chance aus, die sich dem jungen Mann, der über keinerlei Schauspiel-Erfahrung verfügt und in all das geradezu hineinzustolpern scheint, da bietet. Eine Chance, die am Wegesrand liegt – er muss sie nur aufheben und annehmen.

Doch am Ende soll alles ganz anders kommen. Alain Delon wird Selznicks Lockruf nach Hollywood letztlich nicht folgen, sondern ein anderes Angebot annehmen und in Frankreich bleiben, seinem Heimatland, das er liebt und dem er ein Leben lang sehr verbunden bleibt: »Jeder von uns trägt doch zeitlebens ein bißchen von dieser Kindheitserde an den Schuhsohlen mit sich herum.«18

*

Im Juni, nach Brigittes und Alains gemeinsamer Rückkehr von dieser Initiationsreise, steht für Alain Delon erstmals ein Ziel fest – es ist noch etwas vage, doch eine Vorstellung davon ist da: C’est le cinéma.

Brigitte Auber erinnert sich lebhaft: »Dieses Milieu zog ihn magisch an. Ständig sagte er: ›Ich schaffe das! Ich werde es allen zeigen, ich schaffe das!‹ Er wollte unbedingt berühmt werden.

Ich habe ihm Filmleute vorgestellt und ihn zu meiner Freundin Simone Jarnac zum Schauspiel-Unterricht geschickt. Sie hielt ihn für sehr begabt, weil er beim Spielen immer er selbst blieb.« Über diese Vermittlung lernt Alain Delon schließlich Michèle Cordoue kennen, die Frau des Regisseurs Yves Allégret. Delon und Allégret treffen sich, das Gespräch dauert zwei Stunden – dann hat Delon die Rolle. Allégret besetzt Alain Delon in seiner ersten Filmrolle überhaupt, der des jungen Ganoven Jo in Killer lassen bitten (Quand la femme s’en mêle, 1957). Gedreht wird im Juli und August in den legendären Studios von Boulogne-Billancourt bei Paris, wo Delon sich an der Seite von Jean Servais, Bernard Blier und Edwige Feuillère wiederfindet. Mit diesem Schritt wird sich vieles ändern.

Die ihm wichtigste, zumal einzige Regieanweisung überhaupt, die Yves Allégret ihm, dem Debütanten, geben wird, lautet: »Sei einfach nur du selbst, bewege dich wie du, gehe wie du. Versuche bloß nicht, zu spielen oder die Rolle auszulegen. Sei du selbst, dann bist du auch meine Figur.«19

Er wird diese Worte nie vergessen, sein Leben lang nicht, wird sie beherzigen und in stilbildenden Filmen wie Nur die Sonne war Zeuge (Plein soleil, 1960), Der eiskalte Engel (Le samouraï, 1967) oder Der Swimmingpool (La piscine, 1969), allesamt moderne Klassiker, regelrecht auf die Spitze treiben und zur eigenen Kunstform erheben.

Es ist der Sommer 1957. Alain Delon – dieser französische James Dean – , er ist noch immer einundzwanzig. Sein neues Leben hat gerade erst begonnen. Als sein zweiter Film Sei schön und halt den Mund (Sois belle et tais-toi, 1957) in den französischen Kinos anläuft, titeln die Zeitungen: »Une étoile est née«. Ein Star ist geboren. Aus dieser frühen Sternstunde soll sich einmal eine der größten Karrieren der französischen und europäischen Filmgeschichte entwickeln.

»Brigitte Auber war in den Fünfzigern ein Star«, erinnert sich Alain Delon 2011 anerkennend. »Sie war die Heldin aus Jacques Beckers Jugend von Heute (Rendez-vous de juillet), spielte aber auch mit Grace Kelly und Cary Grant in Hitchcocks Über den Dächern von Nizza (To Catch a Thief ).«20

Delon weiter: »Ich war damals ein Niemand, frisch zurück aus Indochina. Meine Begegnung mit Brigitte in einem Jazz-Club in der Rue Saint-Benôit änderte alles. Bald zog ich bei ihr ein. Sie stellte mir Michèle Cordoue vor, die Frau des Regisseurs Yves Allégret. Die empfahl mich ihrem Mann, der mir dann meine erste Rolle gab, in Killer lassen bitten ( Quand la femme s’en mêle, wörtlich etwa: Wenn die Frau sich einmischt). Ein passender Titel. Auch heute, fünfzig Jahre später, weiß ich noch gut, was ich diesen beiden Frauen verdanke.«21

Brigitte Auber und Alain Delon – bis heute erinnern sie sich beide gut an diese längst vergangene Zeit Mitte der 1950er-Jahre. Eine Zeit, die ganz aus der Ferne noch immer zu strahlen scheint, ein weit entferntes Leuchten. Kontakt miteinander haben sie hingegen keinen mehr. Schon lange, sehr lange nicht mehr. Sie sind heute nicht mehr die, die sie damals waren. »Er hat einen Weg eingeschlagen, der ihn weit von mir wegführte«, resümiert Brigitte Auber, ebenso bescheiden wie authentisch in ihrem Appartement hoch oben über den Dächern von Paris.

Das Damals, Delon selbst fasst es ebenso knapp wie konzise zusammen: »Brigitte war der Anfang meiner Filmkarriere.«22

*

Der Unterschied könnte größer kaum sein: Während Alain Delon gerade seine ersten beiden Erfahrungen vor einer laufenden Filmkamera mit Killer lassen bitten und Sei schön und halt den Mund macht, kann Romy Schneider jetzt schon, im Alter von nur neunzehn Jahren, auf ein gutes Dutzend Filmproduktionen zurückblicken.

Romy ist ein Star. Alain ein nahezu Unbekannter. Noch.

»Ich brannte darauf, künstlerisch Neuland zu gewinnen. Für das Publikum hieß ich ›Sissi‹, für die Produzenten war ich die leibhaftige Verkörperung der süßen, unschuldigen Kaiserlichen Hoheit. Ich ganz allein schien zu wissen: Ich war keine Sissi.«23 So Romy.

»Ich habe keinerlei Ausbildung und überhaupt nichts vorzuweisen. Ich komme frisch aus Indochina, man hält mir die Kamera ins Gesicht, und ich mache drei Filme hintereinander.« So Delon.

Der dritte dieser ersten sehr frühen Filme in Alain Delons Karriere wird Christine heißen und im Sommer 1958 gedreht werden.

Seine Filmpartnerin heißt Romy Schneider.

Romy. Die ersten Jahre:

Deutschland, 1938

Vor ihm wusste ich nichts …

Romy Schneider, 1963

Romy ist nie ein gewöhnliches Mädchen gewesen.

Alain Delon, 1963

Quelle: Getty Images (United Archives / Kontributor)

Als sich Magda Schneider (1909 – 1996) und Wolf Albach-Retty (1906 – 1967) erstmals im historisch so unheilvollen Jahr 1933 begegnen, stehen sich zwei Schauspieler aus sehr unterschiedlichen Familien gegenüber.

Albach-Rettys Mutter Rosa (1874 – 1980), die stolze hundertfünf Jahre alt wurde, war ein Urgestein des österreichischen Theaters: Sie stand ein halbes Jahrhundert lang in Wien auf jenen Brettern, die die Welt bedeuten – von 1903 bis 1958 war sie Ensemble-Mitglied am renommierten Burgtheater. Sie war die letzte, die noch den Titel »K.-u.-k.-Hofschauspielerin« tragen durfte. Ganz ähnlich wie später ihre Enkelin Romy, die im Alter von fünfzehn Jahren erstmals vor einer Filmkamera stehen wird, stand die junge Rosa bereits 1890 erstmals auf einer Theaterbühne. Da war sie ihrerseits gerade fünfzehn Jahre alt. So öffnen und schließen sich Kreise.

Rosa Albach-Retty war verheiratet mit Karl Albach, vor der Ehe noch Leutnant und Offizier Kaiser Franz Josephs, später Jurist. Parallel zu ihrer jahrzehntelangen Theaterarbeit stand Rosa Albach-Retty seit den frühen 1930er-Jahren bis Mitte der 1950er-Jahre für verschiedene Kinofilme vor der Kamera – von Geld auf der Straße (1930) und Hotel Sacher (1939) über Die heimliche Gräfin (1942) bis hin zu Der Kongreß tanzt (1955). In Hotel Sacher und Die heimliche Gräfin spielte Rosa Seite an Seite mit ihrem Sohn Wolf Albach-Retty. Dieser wiederum wirkte zwischen 1927 und 1965 in etwa einhundert Filmen mit – ein unbehauster Vieldreher, ein getriebener Workaholic, ein galanter Gentleman mit Wiener Charme, ein Frauenschwarm mit nur wenig Sinn für Familiäres.

In vielen Charaktereigenschaften mag der ferne Vater so manchem der unsteten Männer ähneln, in die sich seine Tochter Romy einmal verlieben wird – allen vorweg dem dunkelhaarigen Beau Alain Delon. Als sie Delon nach ihrer Verlobung 1959 einmal einem Freund vorstellt, da meint Romy: »Sieht er nicht aus wie das Papili?«24

Am 28. Mai 1906 als Wolfgang Helmut Walter Albach in Wien geboren, entschließt sich der junge Wolf Albach-Retty nach einem ihn nicht sonderlich erfüllenden Chemiestudium, seiner Mutter zu folgen und Schauspieler zu werden. Die Eltern akzeptieren den Wunsch ihres Sohnes, und so meldet Rosa ihren Wolf am Max-Reinhardt-Seminar in Wien an. Nach ersten Auftritten in verschiedenen Stücken am Burgtheater, auch an der Seite seiner berühmten Mutter, entdeckt ihn ein Ufa-Produzent auf der Bühne. Da ist der junge Wolf gerade Anfang zwanzig. Er wird für den Film engagiert, dreht nunmehr oft und viel, nicht nur in Wien, sondern auch in Berlin, und wird bis zu seinem frühen Tod 1967 in über hundert Kino- und Fernseh-Produktionen zu sehen sein. Seine ersten, noch kleineren Leinwand-Auftritte hat der junge, aufstrebende Mann in Filmen wie Das grobe Hemd (1927), der noch ein Stummfilm ist, Ein Wiener Musikantenmädel (1928) und Der geheimnisvolle Spiegel (1928). Galant und charmant, das dunkle Haar immer streng gescheitelt und stets ein gewinnendes Lächeln im Gesicht, erobert der Schauspieler aus Wien ebenso schnell die Leinwände wie die Herzen der Frauenwelt.

Als Wolf Albach-Retty im Frühjahr 1933 die Verwechslungs-Komödie Kind, ich freu’ mich auf Dein Kommen dreht, lernt er dort am Set Magda Schneider kennen – auch sie steht für den letzten deutschen Film des jüdischen Regisseurs Kurt Gerron vor der Kamera. Bald schon wird Gerron als Regisseur ausgetauscht, auf Drängen von Propagandaminister Goebbels hin, den deutschen Film schnellstmöglich »judenfrei« zu machen. Die Ufa gehorcht und ersetzt Gerron durch zwei linientreue Co-Regisseure, Erich von Neusser und Hans Steinhoff. Vor den Augen von Magda und Wolf wird Gerron an einem Drehtag Anfang April vom Set verwiesen, der Regisseur kann mit seiner Frau und seinen Eltern gerade noch nach Paris fliehen, bevor er sich schließlich in Amsterdam niederlässt. Kurt Gerron wird im Oktober 1944 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet.

Die Dreharbeiten zur Komödie Kind, ich freu’ mich auf Dein Kommen werden unter neuer Regie umgehend fortgesetzt, und es geschieht an jenem Set in den Babelsberger Ufa-Studios, dass sich Magda unsterblich in den schönen Wolf verliebt. Dieser dunkelhaarige, adrette Beau, das ist der Mann fürs Leben. Sie kann all ihr Glück, das sie zu dieser Zeit ereilt, kaum fassen: Gerade erst hat sie durch ihre Hauptrolle in Max Ophüls’ Arthur-Schnitzler-Verfilmung Liebelei (1933) einen großen Erfolg feiern können, der sich in dieser Form im Laufe ihrer Karriere nie mehr wiederholen soll. Liebelei ist Magda Schneiders künstlerischer Durchbruch und Höhepunkt zugleich, es ist ihr bedeutendster Film, der aus all den harmlosen, netten Unterhaltungsfilmen wie ein einsamer Fels herausragt: Die Rolle von Schnitzlers Wiener Musikertochter Christine Weiring dürfte die Rolle ihres Lebens sein – genau fünfundzwanzig Jahre später wird ihre Tochter Romy in dem französischen Remake Christine (1958), bei dessen Dreharbeiten sie Alain Delon kennenlernen wird, ebendiese Rolle spielen und in die Fußstapfen der Mutter treten.

Maria Magdalena Schneider, am 17. Mai 1909 in Augsburg als Tochter des Klempners und Installateurs Franz Xaver Schneider und seiner Frau, der Hausfrau und Mutter Maria Meier-Hörmann geboren, wächst in einem Internat auf, bevor sie im Alter von sechzehn Jahren eine Ballettschule besucht. Sie wird als Kind Lena oder auch Leni gerufen, später erst nennt sie sich Magda. Den zusätzlichen Gesangsunterricht am Leopold-Mozart-Konservatorium, den sie gegen den Willen ihrer Eltern nimmt, finanziert sie sich selbst, indem sie als Sekretärin und Stenotypistin in einer Getreidehandlung arbeitet. Nach einem ersten Engagement in Augsburg wird Magda Schneider als Operettensängerin am Gärtnerplatz-Theater in München angenommen und steht dort etliche Male im Monat bei miserabler Bezahlung als Soubrette auf der Bühne. Einen ihrer ersten Bühnenauftritte hat sie in Johann Strauss’ Die Fledermaus. Die Begegnung mit Filmregisseur Ernst Marischka, der sie auch an das Theater an der Wien holt, wird für Magda Schneider wegweisend; wie Wolf wird auch sie von der Produktionsgesellschaft Ufa für den Film verpflichtet und dreht fortan oftmals in Berlin. Von 1930, ihrem Debüt in Boykott, bis 1962 spielt sie in rund sechzig Filmen mit, viele darunter sind von geringer Bedeutung.