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Jochen Peichl fasst in dieser Einführung die hypnosystemischen Konzepte zum Verständnis und zur therapeutischen Arbeit mit Persönlichkeitsanteilen zusammen. Aufbauend auf dem Werk von Gunther Schmidt sowie auf eigenen klinischen Erfahrungen entwickelt der Autor eine eigenständige hypnosystemische Teilepsychologie. In der Abgrenzung zu anderen Teile-Modellen – u. a. der Ego-State-Therapie nach John und Helen Watkins und Schulz von Thuns "Innerem Team" – werden Unterschiede und Vorzüge des Ansatzes verständlich gemacht. Erstmals beschrieben wird die Anwendung des Modells auf Borderline-Störungen. Klar formulierte Leitsätze und Kerngedanken sowie anschauliche Fallbeispiele erleichtern die Umsetzung in die Praxis von Therapie, Beratung und Coaching.
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Seitenzahl: 156
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»Jeder von uns ist eine Menschenmenge.«
(Ferrucci)
»Zwei Seelen wohnen – ach! – in meiner Brust.Die eine will sich von der anderen trennen.«
(Goethe, Faust I)
»Faust beklagte, dass er zwei Seelen in seiner Brust habe.Ich habe eine ganze sich zankende Menge.Da geht es zu wie in einer Republik.«
(Bismarck)
Jochen Peichl
2019
Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:
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Reihengestaltung: Uwe Göbel
Umschlag: Heiner Eiermann
Satz: Verlagsservice Hegele, Heiligkreuzsteinach
Printed in the Czech Republic
Druck und Bindung: FINIDR, s.r.o.
Erste Auflage, 2019
ISBN 978-3-8497-0264-9 (Printausgabe)
ISBN 978-3-8497-8171-2 (ePUB)
© 2019 Carl-Auer-Systeme Verlag
und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg
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Einleitung
1Teiletherapie-Konzepte
2Was ist hypnosystemisch an der Hypnosystemik?
2.1Die Praxologie der hypnosystemischen Therapie
3Die Ego-State-Therapie als Beispiel für ein Teilekonzept
3.1Ego-State-Therapie – ein Mixtum compositum
3.2Ego-States: ontologische oder epistemologische Konstrukte?
Der Dissoziationsbegriff
4Die Musterbildung und ihre Veränderung
4.1Musterbildung in der Hypnosystemik
4.2Was sind Muster und woraus bestehen sie aus der Sicht des NLP?
4.3Vom Muster zum Persönlichkeitsanteil
4.4Das Seitenmodell
5Kritische Anmerkungen zur Arbeit mit inneren Anteilen oder: Das Leid der Verdinglichung
5.1Umgang mit der Vielfalt
5.2Verdinglichung
6Wie wir geworden sind – geprägte Muster
7Seiten/Anteile zur hilfreichen Utilisation von Problemtrance-Mustern nutzen
7.1Hilfreiche Utilisation der Problemtrance-Muster
Was tun?
Was wir nicht tun
Wie gehen wir jetzt genau vor?
7.2Zentrale Aspekte des Teilemodells
8Aufbau einer steuernden Instanz
8.1Wo im Gehirn sitzt die Steuerungsinstanz?
8.2Die Rolle des Beobachters und die Kybernetik zweiter Ordnung
8.3Der innere Beobachter in der Hypnosetheorie des Ernest Hilgard
8.4Identifikation und Disidentifikation
8.5Die steuernde Instanz aus der hypnosystemischen Sicht: der Systemorganisator
9Die Arbeit mit dem inneren System
9.1Das Unbewusste in der Hypnotherapie
9.2Das Warenhaus und seine Abteilungen
Zwischen Loyalitätsbildung und Individuation
Funktionale Anteile in der IFS und bei Virginia Satir
10Komplexitätsreduktion durch »belebte« innere Systemaufstellung: Täter – Opfer – Retter
10.1Mit Anteilen arbeiten heißt Unterschiede bilden
10.2Fallbeispiel: Die Konstruktion des inneren Systems der Anteile
10.3Das Drama-Dreieck
10.4Die Grundkonstellation der Choreografie: Täter – Opfer – Retter
10.4.1Der Täter
10.4.2Das Opfer
10.4.3Retter
10.4.4Systemorganisator
11Einführung von Musterunterbrechungen
11.1Die Verwandlung des Symptoms in eine Lösung
11.2Verschiedene Formen der Musterunterbrechung
11.2.1Unterbrechung des Musters: »Täter«-Erleben im Klienten
11.2.2Unterbrechung des Musters: »Opfer«-Erleben im Klienten
12Das Verhältnis von Vergangenheit und Gegenwart
13Zusammenfassung der wichtigsten Ideen für eine hypnosystemische Teilepsychologie
14Hypnosystemische Teilearbeit bei sog. Borderline-Klienten
14.1Die extreme Gefühlsambivalenz
Zwei Anteile: der Kampf zwischen Nähe und Distanz
14.2Therapieschritte
Schritt 1:Drei Seiten im inneren System
Schritt 2:Stärkung des bewussten Ichs
Schritt 3:Stärkung durch Ressourcenabsorption
Schritt 4:Musterunterbrechung
Schritt 5:Die Frage nach der Schutzfunktion
Schritt 6:Die kindliche Opferseite des Klienten entdecken
Schritt 7:Konferenzgestaltung an einem sicheren Ort
Ausklang
Literatur
Über den Autor
»Meine Seele ist ein verborgenes Orchester; ich weiß nicht, welche Instrumente, Geigen und Harfen, Pauken und Trommeln es in mir spielen und dröhnen lässt. Ich kenne mich nur als Symphonie« (Fernando Pessoa 2006, S. 310).
Auch für Gunther Schmidt und seinen Lehrer Helm Stierlin war das Selbst keine Einheit, keine »unteilbare psychische Monade« (Stierlin 1994, S. 52), sondern der Mensch ist für sie aus vielen Anteilen zusammengesetzt, so wie das Atom keineswegs die letzte unteilbare Einheit, sondern ein komplexes Gebilde aus Hunderten von Teilen ist. »Die alte Annahme, das Selbst sei eine Einheit, eine »unteilbare psychische Monade«, erweist sich in der psychotherapeutischen Praxis als unhaltbar. (…) Analog zur Teilchenphysik brauchen wir eine ›Anteilspsychologie‹« (ebd., S. 105 ff.).
Gunther Schmidts Ansatz, den er in seinen Schriften und Seminaren zur »Inneren Familie«, zum »Inneren Parlament« vorstellt, nutzt Erkenntnisse der systemischen Therapie und der Hypnotherapie nach Milton Erickson. »In diesen Überlegungen werden Symptome personalisiert und damit Teil eines inneren Systems. Im inneren System verhalten sich die Teile wie in einem äußeren System, entsprechend kommt es auch zu ähnlichen Prozessen von Koalitionen, Ausschluss, symmetrischer Eskalation etc. Deshalb schlägt Schmidt vor, diesen Prozess durch einen inneren Konferenzleiter zu beruhigen und die Kooperation hilfreich zu gestalten« (Hanswille u. Kissenbeck 2008, S. 112).
In seinem Theorieansatz verweist Schmidt immer wieder auf die Befunde der modernen Hirnforschung. Für ihn sind unwillkürliche Prozesse (in etwa gleichzusetzen mit unbewussten Prozessen) der mittleren Amygdala-Ebene (s. Roth 2001; 2007), die quasi automatisiert ablaufen, nicht grundsätzlich ein Problem oder Manko eines Menschen; ressourcenorientiert betrachtet sind sie auch Stärken und Ausdruck von Fähigkeiten – zum Beispiel der Fähigkeit, in einer komplexen Welt zu überleben. Sie werden erst dann zum Problem, wenn wir den Eindruck haben, keine Wahlmöglichkeiten mehr zu besitzen, »sodass sich die bewusste, willkürliche ›Ich‹-Seite eines Menschen als ausgeliefertes Opfer wahrnimmt und sich in Hilflosigkeit gestürzt fühlt, was wieder gerade die Angstprozesse verstärkt« (Schmidt 2005, S. 27).
Auf der neuronalen Ebene können wir alle Wahrnehmungsund Erlebnisprozesse als Ausdruck der Aktivitäten neuronaler Netzwerke im Gehirn beschreiben, wobei über unzählige synaptische Verbindungen viele Nervenzellen, auch über weite Strecken hin, zu neuen Mustern von Neuronenverbänden verknüpft werden. Diese Wahrnehmung des bewussten Erlebens geschieht durch Aufmerksamkeitsfokussierung, was nichts anderes ist als eine selbstorganisierte Form des assoziativen Zusammenfügens von sinnlichen Erlebniselementen. »Verbunden werden z. B. visuelle Elemente (innere/äußere Bilder/Filme), auditive Elemente, innere und äußere Dialoge, kinästhetische, gustatorische und olfaktorische Eindrücke, Alters- und Größenerleben, Atemmuster, Körperkoordination mit Verhalten, Bewertungen und Bedeutungsgebungen synchron verbunden« (ebd., S. 34). Die Verbindungen bzw. Verkopplungen heißen »Muster«. Unser Erleben ist das Ergebnis solcher auf willkürlicher und unwillkürlicher Ebene zusammengefügter Muster – ein synchronisiertes Feuern von neuronalen Netzwerken. Schmidt schlägt vor, nicht mehr von »Wahr-Nehmung«, sondern von »Wahr-Gebung« zu sprechen, denn jede Wahrnehmung wird vom Wahrnehmenden autonom als Fokussierungsleistung selektiv gestaltet. An diesem Punkt des hypnosystemischen Denkens möchte ich in diesem Buch mit meiner »Einführung in die hypnosystemische Teiletherapie« einsteigen.
Viele Dinge, vor allem den praktischen Umgang mit dem Teilekonzept in der Therapie, habe ich an anderer Stelle bereits ausführlich beschrieben und erlaube mir, darauf zu verweisen. Ich lade Sie ein zu einer Reise durch die innere Teilewelt – ein ziemlich anspruchsvolles Unternehmen, wenn ich ehrlich bin: Irgendwie müssen wir die Hypnotherapie von Milton Erickson, das systemische Denken und die therapeutische Arbeit mit Anteilen unter einen Hut bekommen, ohne dass es zu sehr knirscht.
Dieses Buch habe ich für all die geschrieben, die schon ein wenig mit Teilekonzepten in der Psychotherapie, in der Beratung und im Coaching vertraut sind, die neugierig sind zu erfahren, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede es in den diversen Denkansätzen gibt, und für die mehr systemisches Denken hilfreich ist bei dem Versuch, besser zu verstehen, wie das »Gehirn die Seele macht« (Roth u. Strüber 2018).
Noch eine Bemerkung in eigener Sache:
In meiner Ausbildung zum hypnosystemischen Therapeuten bei Gunther Schmidt und Bernhard Trenkle leitete sich mein Einstieg in den Kosmos der inneren Teilewelt aus einem systemischen Symptomverständnis, einer Beobachtung von Symptomtrance-Phänomenen und der Bedeutung der Kybernetik zweiter Ordnung ab – alles Erklärungsmodelle, die sich lange mit meiner psychoanalytischen Primärsozialisation und dem Teilemodell der Ego-State-Therapie von John und Helen Watkins, wie ich sie durch meinen Lehrer Woltemade Hartman kennenlernte, stritten. In diesem Sinne schreibe ich das vorliegende Buch als eine bekennende »multiple Persönlichkeit« mit der Leidenschaft fürs Hypnosystemische, aber auch für die Ego-State-Therapie – zwei wertvolle Ansätze für die Arbeit mit inneren Anteilen in einem Klienten. Um meinen Beitrag für die »Anteilepsychologie« (Stierlin 1994) zu leisten, nehme ich in diesem Buch ausschließlich den hypnosystemischen Standpunkt ein und versuche, daraus ein Teilekonzept entlang meiner Erfahrungen mit dieser Form des Denkens zu entwickeln. Es geht mir nicht darum, ob das eine oder andere Konzept besser oder wahrer ist. Es muss zum Therapeuten1 und vor allem zum Therapieauftrag des Klienten passen.
Beim Denken haben mir viele Diskussionen mit lieben Kollegen geholfen – bei meiner Hospitation in der SysTelios Klinik 2017 und mit den Mitgliedern der Ego-State-Arbeitsgemeinschaft Deutschland, denen ich herzlich dafür danken möchte.
1 Zur Vereinfachung im Text wähle ich die »männliche« Form, aber es sind damit immer beide Geschlechter gemeint.
Allen Teiletherapie-Konzepten liegt die Idee der »Multiplizität« zugrunde.
Die wesentlichen und bekanntesten Therapieschulen sind:
•die hypnosystemische Therapie (Gunther Schmidt),
•die Systemische Therapie mit der Inneren Familie (IFS) (Richard Schwartz),
•die Ego-State-Therapie (John und Helen Watkins),
•die Transaktionsanalyse (Erik Berne) und
•die Schematherapie (Jeffrey Young).
Daneben finden sich Anklänge an das Teilemodell bei Vertretern der Palo-Alto-Gruppe, wie der Familientherapeutin Virginia Satir, dem Gestalttherapeuten Fritz Perls und den Neurolinguisten Richard Bandler und John Grinder.
Das von Sigmund Freud entwickelte Instanzenmodell der Psyche mit Es, Ich und Über-Ich ist, wenn man so will, auch ein erstes modernes Konzept innerer Anteile. Die theoretische Weiterentwicklung der Psychoanalyse zur Objektbeziehungstheorie durch die sog. »britische Schule« in der Mitte des letzten Jahrhunderts beschäftigte sich mit der Introjektion und Identifikation von Erfahrungen mit äußeren Objekten und beschrieb diese Form der Verinnerlichung als prägend für internale Strukturen eines Menschen (= Objektrepräsentanzen oder innere Objekte). Wenn wir Muster bzw. »inneren Anteil« definieren als biografisch entstandene, neuronal verankerte Reaktionsbereitschaft, dann wurden mit den oben erwähnten unterschiedlichsten Therapieansätzen in den letzten Jahrzehnten ähnliche Konzepte entwickelt: Fühl-Denk-Verhaltensprogramme von Luc Ciompi (1982; 1988), Ego-States (Watkins u. Watkins 2003), Schemamodi (Young 2005), Seiten/Anteile (Schmidt 2004) oder die jeweils typischen Konstellationen von Selbstrepräsentanz, Objektrepräsentanz und Affekt, den sog. S-A-O-Units in der Objektbeziehungstheorie nach Otto Kernberg (1978). Der wesentliche Unterschied bei aller Ähnlichkeit dieser Konzepte besteht in der beschriebenen Komplexität der einzelnen »Zustände« oder Anteile. »Während in der Konzeptualisierung Kernbergs die Triade aus gerade aktualisiertem Selbst- und Objektbild und zugehörigem Affekt das jeweils aktuelle psychische Erleben bestimmt (ähnlich übrigens wie die Fühl-Denk-Verhaltens-Programme bei Ciompi), nehmen in anderen Theorien diese States eher den Charakter von Teilpersönlichkeiten an« (Wagner u. Russinger 2016, S. 69).
Deissler und Gergen (2004, S. 11) bezeichnen die »innere Vielstimmigkeit« als eine Prämisse postmoderner Beratung und Therapie: »Damit ist die Auffassung gemeint, dass ein Mensch kein einheitliches (monolithisches) Selbst hat, sondern sich aus vielen Selbsten bzw. eigenständigen Anteilen des Selbst zusammensetzt, die sich in unterschiedlichen Kontexten zeigen (…). Diese unterschiedlichen Selbste können in unterschiedlicher Qualität miteinander im Gespräch sein.«
Aus den therapiespezifischen unterscheidbaren Auffassungen von »Teiletherapie«, die heute auf dem Markt sind, lassen sich dennoch idealtypische Interventionsschritte ableiten, auch wenn jede »Teiletherapie« andere Schwerpunkte setzt. Die Schritte im Einzelnen sind:
1)Identifikation eines oder mehrerer Anteile im psychischen Innenraum: In der Regel fokussiert der Klient auf »Problem-« oder »Ressourcenanteile«.
2)Externalisierung: Benennung, Symbolisierung, Personifikation durch den Klienten
3)Interaktion mit dem Anteil: Wahrnehmung, Befragung, Begegnung
4)Reframing: »Würdigung« der positiven Absicht
5)System: Förderung der Interaktion zwischen den Teilen
6)Integration: Corporate Identity, Synergie
7)Metaebene: Reflexion auf der bewussten Ebene
Aus konstruktivistischer Sicht geht es mir in diesem Buch nicht um eine etwaige empirische Nachweisbarkeit des Konzepts von inneren Teilen oder Seiten eines Klienten, sondern um dessen Viabilität für beraterische und psychotherapeutische Ziele. Das Teilekonzept ist aus meiner Sicht wie jede Psychotherapie ein Mittel zum Zweck – und der wohlgemeinte Zweck ist die Ermöglichung und Steigerung von Wahlfreiheit beim Denken und Handeln im Klientensystem. Wenn ich im Sinne von Maturana und Varela (2009) ganz konstruktivistisch nach der Möglichkeit der strukturellen Koppelung frage, also danach, ob das »Teiledenken« nahtloser und hilfreicher an die Sprachwelt des Klienten andockt als z. B. psychoanalytisches Denken, dann würde ich das nach meiner langjährigen Erfahrung unbedingt bejahen. Umgangssprachliche Metaphern wie »Zwei Herzen schlagen in meiner Brust« (Hamlet), »Ich bin manchmal gar nicht meiner Meinung« (Woody Allen) oder »Mein inneres Hin und Her« lassen sich gut nutzen, um dem Klienten psychoedukativ das Denken in Teilen nahezubringen. Wenn beim Klienten erst mal die Angst verflogen ist, dass er deswegen gleich als verrückt erklärt werden könnte, eröffnet das Teilemodell einen kreativen Spielraum für beide – den Patienten und den Therapeuten.
»Den Begriff ›hypnosystemisch‹ habe ich um das Jahr 1980 vorgeschlagen, um ein Modell zu charakterisieren, das versucht, systemische Ansätze für Psychotherapie und Beratung (Coaching, Teamentwicklung, Organisationsentwicklung) mit den Modellen der kompetenzaktivierenden ericksonschen Hypno- und Psychotherapie zu einem konsistenten Integrationskonzept auszubauen (welches auch hilfreiche Aspekte aus anderen Ansätzen mit einbezieht, die mit diesen Konzepten kompatibel sind und sie bereichern, z. B. aus Psychodrama, Körpertherapien u. a.)« (Schmidt 2005, S. 7).
Da beide Therapieansätze laut Schmidt von teilweise identischen Grundannahmen ausgehen, sprach für ihn vieles dafür, die beiden Modelle seelischen Erlebens in der »hypnosystemischen Therapie« zusammenzuführen. Für uns Psychotherapeuten war es Ende des letzten Jahrhunderts sehr befruchtend, dass sich durch das innovative Denken des US-amerikanischen Psychiaters und Hypnotherapeuten Milton Erickson (1901–1980) zwei neue Perspektiven eröffneten: Die bis dato geltende psychoanalytische Tradition wurde infrage gestellt (z. B. die Bewertung der Dissoziation und die Rolle des Unbewussten), und das althergebrachte Verständnis von »Hypnose« wurde modernisiert und dadurch radikal verändert. Für Milton Erickson verfügt das Unbewusste über einen unendlichen Schatz an Kreativität und Ressourcen, der Zugang zu diesem kreativen Unbewussten ist aber durch unseren analytischen Verstand verschüttet. Daher galt es, Wege zu finden, die vorherrschende Position des Verstandes in den Hintergrund zu stellen – z. B. durch Tranceinduktion. Dies passt zur modernen Hirnforschung, die von Neuroplastizität spricht.
Nach Schmidt stehen drei gemeinsame identische Grundannahmen der zwei Modelle im Vordergrund:
•In der systemischen wie in der Hypnotheorie Milton Ericksons werden alle Lebensprozesse als Ausdruck von regelhaften Mustern beschrieben. »Unter ›Muster‹ wird dabei verstanden die Verkoppelung, Assoziation, Vernetzung von diversen sogenannten Elementen des Erlebens. Damit sind z. B. gemeint Kognitionen, Verhaltensbeiträge, die Art der Kommunikation, emotionale Reaktionen, aber auch physiologische Reaktionen wie Atmung, Körperhaltung etc., ebenso Faktoren wie Ort, Zeit, Beteiligte einer Situation etc.« (Schmidt 2005, S. 7–8).
•Beide Modelle verstehen lebende Systeme als sich selbst autonom organisierend: Autopoiese.
•In beiden Therapiemodellen gibt es ein fast gleichlautendes Verständnis davon, wie Veränderung im Therapieprozess geschieht. Vereinfacht gesagt: durch das Einführen von Unterschieden in den Mustern der Klienten. Damit wirksame Veränderungen angeregt werden, muss dann auch nicht ein ganzes Muster verändert werden, sondern es genüge meist, Unterschiede in einem oder mehreren Elementen, oder in den Verknüpfungsstellen in ihm einzuführen (ebd., S. 8).
Hypnosystemische Psychotherapie ist demnach eine Arbeit sowohl mit interaktionellen (systemisches Modell) als auch internalen und intrapsychischen Mustern (Hypnotherapie). Veränderung geschieht in der hypnosystemischen Arbeit durch Unterschiedsbildung in den Mustern, und somit durch die Neuausrichtung der Aufmerksamkeit auf ein anderes, d. h. zielführenderes Erleben, Fühlen oder Verhalten des Klienten.
Wir finden aber auch Unterschiede, die sich vor allem in der Praxis bei den Therapieinterventionen auswirken können:
•Trance ist das Vorherrschen von unwillkürlichem Erleben.
–Hypnotherapeutisch gesehen bedeutet das aber etwas ganz Umfassendes, nämlich die Fokussierung der Arbeit auf die unwillkürlichen Prozesse.
–In Erweiterung dazu heißt hypnosystemisches Arbeiten: Erkunden, wie die unwillkürlichen Prozesse in eine optimale Koordination mit willkürlichen Prozessen kommen können.
Ich will nun das Letztere weiterdenken, denn es hat eine massive Auswirkung auf die Frage, wie nun in der Hypnosystemik »Veränderung« im Klienten entsteht? Die Schritte sind hierbei: Annehmen der unwillkürlichen Prozesse, mitgehen mit ihnen und sie dann so behandeln, dass sie in eine optimale Kooperation mit den willentlich bewussten Prozessen kommen können – sodass das System mehr integriert und die Synergie zwischen Teilkräften der Person zur Weiterentwicklung zur Verfügung steht. Das heißt, es reicht nicht aus, nur mit den unwillkürlichen Prozessen zu arbeiten, sondern man muss diese auch mit den willkürlichen verbinden. Ich bitte Sie, das im Gedächtnis zu behalten, denn es wird ein entscheidender Punkt werden, wenn ich Ihnen meine Konzepte einer hypnosystemischen Teiletherapie vorstelle.
Wenn wir nun unsere Teiletherapie nach diesen Grundmustern der Hypnosystemik ausrichten wollen, sollten wir prüfen, wie wir die oben gemachten Grundaussagen in die Praxis umsetzen können, um so Vorbilder zu generieren, die wir bei einer hypnosystemischen Teiletherapie nutzen können. Und immer wieder erkunden wir die Möglichkeiten, wie die unwillkürlichen Prozesse in eine optimale Koordination mit willkürlichen Prozessen kommen können, wir orientieren uns nicht nur an den in der Trance generierten Mustern (Bilder, Gefühle, Körperempfindungen), sondern stärken eine bewusste Steuerung dieser Prozesse durch die höheren Bewusstseinsebenen des präfrontalen Kortex, dem bewussten Ich des Klienten. In diesem Sinne arbeitet die Hypnosystemik auf zwei Ebenen:
•die Kreativität des Unbewussten fördern, die Intuition der Weisheit des Organismus (bottom-up) nutzen und
•diese Prozesse durch bewusstseinsfähige Regulationszentren (top-down) steuern und eingrenzen.
Aber davon später mehr.
Hypnosystemische Praxis ist einer Reihe von Grundüberzeugungen verpflichtet, die ich im Folgenden kurz aufführen möchte.2
1)Im Mittelpunkt steht die Kooperation zwischen Patient und Therapeut. Durch Aufmerksamkeitslenkung (Tranceübungen) gibt der Therapeut dem Klienten Hilfestellungen bei der Selbstentdeckung seiner einzigartigen und persönlichen Realitätskonstruktionen. »Ich zeige dir, wie der Weitsprung geht, aber springen musst du selbst.« Ziel ist ein Verständnis der eigenen Psycho-Logik und Selbst- sowie Weltkonstruktion.
2)Die durchgehende Grundhaltung des Therapeuten ist Wertschätzung auf Augenhöhe. Wenn ich nicht schlauer, klüger und wertvoller bin als der andere, sondern nur anders, dann kann ich auch nicht wissen, was dem Patienten guttut, was er braucht, um zu genesen. Alles, was ich tun kann, ist, Angebote zu machen (Realitätenkellner). »Es gibt keine Abwehr, sondern nur unpassende Interventionen«, lautet einer der Grundsätze hypnotherapeutischen Handelns nach der Schule Milton Ericksons (s. dazu ausführlich Hantke 2002).
3)Das vom Patienten angebotene Problem beinhaltet schon die Lösung