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Das Ende aller Welten naht! Ragnarök wurde abgewendet, aber damit ist das Gleichgewicht längst nicht wiederhergestellt. Das Zeitgefüge gerät immer mehr ins Schwanken, die Grenzen zwischen den Welten werden zusehends durchlässiger und ermöglichen unheilvollen Wesen und sogar Geistern den Zutritt zum Zentrum der Neun: der Welt der Menschen. Während die Dunkle Königin Bandorchu sich zum letzten Krieg gegen die Anderswelt rüstet, schickt sie Boten aus, um eine Spur ihres Getreuen, des Mannes ohne Schatten, zu finden. Seit der verhängnisvollen Schlacht auf Island wurde er nicht mehr gesehen. Ist er endgültig vernichtet worden? Oder ist sein Schatten auf der Suche nach ihm durch die Zeit unterwegs? Ein anderer ist von Island entkommen: Alebin/Darby O'Gill, der mörderischste aller Elfen, und er sinnt auf entsetzliche Rache. In Lyonesse, einem magischen Reich Großbritanniens, will er sich auf die Vernichtung und Zerstörung der Anders- und der Menschenwelt vorbereiten und den Untergang der Zeiten beschleunigen … Zwei umfangreiche Romane in einer Ausgabe – Spannung pur! Geh mit auf die große Reise um die Welt, lerne berühmte Städte kennen, springe von Kontinent zu Kontinent und erfahre die wahre Geschichte der vielen mythischen Helden, Götter und Schöpfer. Band 8 von 10 der größten Urban-Fantasy-Saga.
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Seitenzahl: 790
Titelseite
Die Autoren:
Impressum
Karte
Was bisher geschah
Dramatis personae
Roman 15 Der Schatten des Getreuen
Prolog Feuer und Asche
1. Vampire in München
2. Ein Tuch in der Wüste
3. Mord am Stachus
4. Der Zorn des Windes
5. Auf den Spuren des Mystikers
6. Die Reise zurück 1
7. Hunger
8. Der Weg zurück 2
9. Jagd
10. Schlangenfrau
11. Das alte Labyrinth
12. Atlantis
13. Das Archiv
14. Gesammelte Rache
15. Der Schmied
16. Die hellsingenden Töchter
17. Der Archivar
18. Ladon
19. München leuchtet wieder
20. Heimkehr
Epilog Neutralität
Roman 16 Die Bestie von Bodmin Moor
Prolog
1. Schatten auf dem Heidekraut
2. Hinab in lichtlose Tiefen
3. Wispernde Weiden
4. Rocky Zwölf
5. Leprechaun
6. Warten auf Harry
7. Böses Erwachen
8. Springer auf C4!
9. Das Wirtshaus im Moor
10. Der Fluch von Whispering Willows
11. Hallowe’en
12. Das versteinerte Kind
13. Jahrestag
14. Entführer
15. Hundert Herzschläge
16. Sieg! Sieg!
17. Winterdämmerung
18. Wie alles begann
19. Der Preis für den König
20. Aufstieg und Fall
21. Merlin’s Cave
22. Und die Welt wird ein Blütenmeer
Epilog
Anhang – Die Länder der Anderswelt, Teil 2
Wie es weitergeht …
Ragnarök wurde abgewendet, aber damit ist das Gleichgewicht längst nicht wiederhergestellt. Das Zeitgefüge gerät immer mehr ins Schwanken, die Grenzen zwischen den Welten werden zusehends durchlässiger und ermöglichen unheilvollen Wesen und sogar Geistern den Zutritt zum Zentrum der Neun: der Welt der Menschen.
Während die Dunkle Königin Bandorchu sich zum letzten Krieg gegen die Anderswelt rüstet, schickt sie Boten aus, um eine Spur ihres Getreuen, des Mannes ohne Schatten, zu finden. Seit der verhängnisvollen Schlacht auf Island wurde er nicht mehr gesehen. Ist er endgültig vernichtet worden? Oder ist sein Schatten auf der Suche nach ihm durch die Zeit unterwegs, sogar bis Atlantis?
Ein anderer ist von Island entkommen: Alebin/Darby O’Gill, der mörderischste aller Elfen, und er sinnt auf entsetzliche Rache. In Lyonesse, einem magischen Reich Großbritanniens, will er sich auf die Vernichtung und Zerstörung der Anders- und der Menschenwelt vorbereiten und den Untergang der Zeiten beschleunigen …
Uschi Zietsch publiziert seit 1986 erfolgreich in verschiedenen Genres und kann auf weit über zweihundert Veröffentlichungen zurückblicken. www.uschizietsch.de
Stephanie Seidel ist ausgebildete Fotografin, hat lange in der Britischen Botschaft in Bonn gearbeitet und viele Jahre für die Endzeit-Serie Maddrax geschrieben.
Ragnarök ist – vorerst – abgewendet. Die Schlacht auf dem Idafeld hat viele Opfer gefordert, unter anderem haben die Innamorati, Julia und Fabio Oreso, Nadjas Eltern, ihr Leben gegeben, um Fenrir aufzuhalten. Bei der Explosion des Vatnajökull ist der Getreue, der sich innerhalb des Vulkans befand, verschwunden. Man hofft, dass er nicht überlebt hat.
Nadja hat auf der Suche nach ihrem entführten Sohn Talamh Anne Lanschie und Robert Waller, inzwischen Vampir, wiedergesehen. Mit ihrer Hilfe gelangt sie ins sagenhafte Reich des Priesterkönigs Johannes, wo Anne sich mit ihrem Vater Sinenomen auseinandersetzen muss, dem Ur-Vampir, der die Herrschaft über das Reich errungen und es ins tiefste Verderben geführt hat.
Endlich in Sicherheit im Baumschloss der Crain, wird Nadja ins japanische Elfenreich gerufen – eine finstere Macht greift dort nach beiden Welten. Sie hat Rian und David in ihrer Gewalt und einen mächtigen Verbündeten: Cagliostro!
Dank Toms Hilfe, der kurzerhand nach Tokio reist, kann das Schlimmste abgewendet werden, doch Nadja kommt wieder nicht zur Ruhe: Erneut ist ihr Sohn entführt worden, nun hat Königin Bandorchu ihn in ihrer Gewalt. Gemeinsam mit David macht sie sich auf den Weg nach Tara, um sich im Austausch gegen ihren Sohn anzubieten.
Nadja Oreso steht weiterhin im Brennpunkt der Geschehnisse. Sie ist nun legendär, da sie dem Sohn des Frühlingszwielichts das Leben geschenkt hat. Das bedeutet aber nicht, dass sie deswegen hofiert wird.
Talamh, der Sohn des Frühlingszwielichts, ist noch ein winziges Baby und hält trotzdem schon alle in Atem.
Dafydd/David Bonet weiß noch nicht, ob er seine Seele, die Nadja ihm geschenkt hat, weiterwachsen lassen oder sich angesichts des nahenden Krieges in der Anderswelt auf seine elfischen Wurzeln besinnen soll.
Der Getreue war seit Ragnarök verschwunden. Und nun macht er sich auf den langen Weg. Nach Atlantis.
Der Kau und Cor, der Spriggans – die beiden sind im Dienst Bandorchus unterwegs, um böse Taten zu vollbringen, und werden dabei enorm behindert – von ihrem Entführungsopfer.
Alebin/Darby O’Gill ist zurück. Auch er hat Ragnarök überlebt, leckt seine Wunden und geht nun daran, die Herrschaft über alle Welten zu erringen.
Die Bestie von Bodmin Moor gehört zu den Alien Big Cats. 1997 wurden Pfotenabdrücke entdeckt, die einem Pumaweibchen mit Jungtier zugeordnet wurden. Das ist natürlich nur die Sicht der Menschen.
Die Welt versank in Donner und Nebel, als Ragnarök über sie hereinbrach, Götter und Unsterbliche auf dem Idafeld gegen den Untergang kämpften und noch nichts von der letzten, alles entscheidenden Auseinandersetzung im Gletschervulkan ahnten.
Fenrir war soeben gefallen, und der Wolfsvater verlangte nach Rache.
»Ich bin der Gott des Feuers!«, donnerte der Titan aus Glut und Flammen inmitten des Berges, während draußen die Welt den Atem anhielt. »Du kannst mich nicht aufhalten.«
»Ich kann und ich werde«, versetzte der Getreue, doch seine Stimme bebte. »Ich entziehe dir, was dich am Leben erhält.«
Loki lachte dröhnend, doch nicht vor Freude. Bitterkeit und Schmerz lagen darin, aber auch ein gurgelnder Laut des Blutdurstes. »Ich bin mächtiger als alles, was denkbar ist, und nicht zuletzt dank dir. Oder hast du das inzwischen vergessen, so wie deine ursprüngliche Gestalt?«
»Ich habe nichts vergessen, alter Freund. Nichts von alldem, was wir einst teilten, was wir schufen …«
»… und vernichteten. Wie kannst du mich nun angreifen?«
»Ich greife dich nicht an. Ich halte dich auf, wie ich es bereits sagte.«
»Und wie willst du das anstellen?«
Ein winziges Zögern. »… indem ich dich vernichte.«
Der Getreue zog seine gesamte Macht zusammen. Tiefe Trauer umhüllte seine brennende Gestalt und bewahrte ihn vor der Zerstörung. Nur, wie lange? Es gab keinen Ausweg mehr. Lokis Tod war auch der seine.
»Ich bitte dich ein letztes Mal!«, rief er in das Glosen, doch der Titan konnte oder wollte ihn nicht hören. Er war dabei, den Vulkan zu erwecken und sich selbst aus den Felswänden des Bergs zu befreien. Die Hitze war unerträglich. Magma schoss aus immer neuen Erdspalten in Fontänen empor.
»Loki«, flüsterte der Getreue. »Warum tust du mir das an? Uns beiden!«
»Weil«, antwortete der Gott unerwartet ein letztes Mal, »du mir bereits alles genommen hast. Und wenn ich sterbe, soll dein Tod meine letzte Rache sein, und deine Sühne. Du und ich. So war es doch immer, nicht wahr?«
»So hätte es wieder sein können …«
»Das ist unmöglich, und du weißt das!«
Selbst für den Getreuen war es lange her. Odin hatte nie begriffen, dass er einst mit Loki einer Macht begegnet war, die bedeutend älter war als er. Fast so alt wie diese Welt. Loki war schon ein Gott gewesen, bevor Odin ihm durch Blutsbrüderschaft die Aufnahme ins Reich der Asen antrug. Der einfältige Narr hatte ein Auge geopfert, um Weisheit zu erlangen, und besaß einen Thron, mit dem er alle Welten überschauen konnte – aber das Naheliegende übersah er immer noch.
Lange Zeit hatte Loki über seinen gelungenen Streich gelacht, er war als Trickster stets der unerreichte Meister darin gewesen. Er hatte seinem Blutsbruder nie die Wahrheit gesagt, erst recht nicht über seine echte Unsterblichkeit. Genauso wie die Olympier und viele andere waren die Götter des Nordens nicht von Anbeginn unsterblich gewesen, sie alle hatten bestimmter Essenzen oder Quellen bedurft. Loki hatte ihnen dazu verholfen, und niemand ahnte, dass es immer ein Teil von ihm selbst gewesen war, den er ihnen gab.
Doch nun … stand er vor dem Ende. Nicht einmal er währte ewig, und er wusste es. Was ihm dereinst gegeben wurde, konnte ihm auch wieder genommen werden.
Aber nur einer war dazu in der Lage.
»All dies hätte verhindert werden können … aber was rede ich da! Dazu kommt es doch nie«, schloss der Getreue. »Solange ich existiere, kann die Ordnung nur durch das Chaos erhalten werden, doch das Chaos ist unberechenbar und zerstörerisch. Einmal entzündet, kann ein Weltenbrand nicht mehr aufgehalten werden. Ich kann immer nur versuchen, die Dinge im Gleichgewicht zu halten und einigermaßen gerade zu rücken. Ich will nicht behaupten, dass ich all das verstehe, doch das ist auch nicht meine Aufgabe.«
Und ihm blieb keine Wahl mehr. Loki hatte sich von ihm abgewandt und was sie beide jemals verbunden hatte, war nun zerrissen.
Nur mehr wenige Augenblicke. Er musste jetzt handeln. So weit war er während seiner gesamten Existenz noch nie gegangen, und es erfüllte selbst ihn mit abgrundtiefem Entsetzen.
Aber er hatte die Macht, und er würde sie einsetzen.
Der Getreue packte den Saum seines Umhangs und hob die Arme. Als hätte er nun Flügel, erhob sich seine finstere Gestalt inmitten des flammenden Infernos, flatterte gegen den anbrandenden Feuerwind.
Dann sprach er das Wort.
Nicht mehr als ein Fetzen schwarzes Tuch blieb übrig. Unbemerkt von der Welt wurde es mit einem letzten Flammenstoß aus dem Berg getrieben, hoch oben durch einen schmalen Riss, vom Wind aufgenommen und davongeweht.
»Auf mit dir, Schlafhörnchen!« Robert stieß die Tür zum Schlafzimmer mit dem nackten Fuß auf und balancierte das Tablett Richtung Bett. Ein stilechtes English Breakfast, inklusive der Rose in der kleinen Vase. Es war keine echte Rose, sondern eine aus Stoff, das fand Robert kitschiger – wenn schon, denn schon.
Annes schwarze Locken wurden als Erstes sichtbar, als sie sich langsam aus Kissen und Bettdecke kämpfte. Dann ihr verschlafenes, leicht verknittertes Gesicht mit den lasziv halb herabhängenden Lidern über glutvollen Augen und den sinnlich gewölbten Lippen. Zuletzt ein schwarzes Spitzen-Etwas, das ihren Oberkörper eher betonte denn verhüllte.
Unglaublich, welche Wirkung das immer noch auf ihn hatte, als wäre es das erste Mal. Robert räusperte sich trocken, stellte das Tablett auf dem Nachttisch ab und suchte nach dem Betttisch, den er vor wenigen Tagen in einer Resterampe für einen Euro mitgenommen hatte. In weiser Voraussicht.
»Frühstück im Bett … ich glaub’s nicht.« Anne verzog missmutig das Gesicht. »Geht es noch spießiger?«
»Oh ja!«, antwortete er mit strahlendem Lächeln. »Leider sind der karierte Bademantel und die Tennissocken in der Wäsche, aber morgen …«
»Untersteh dich!«
Ihr entsetzter Ausdruck reizte ihn zum Lachen. Sie nahm das tatsächlich ernst. Dabei hatte er morgen vor, das Frühstück gänzlich nackt zu präsentieren und nicht wie heute in Boxershorts mit albernen gelben Quietscheentchen drauf. Ein Kauf in geistiger Umnachtung von Anne, übrigens, den sie schon lange bitter bereute.
Robert klappte das Tischchen auf und stellte das Tablett darauf, dann kroch er zu Anne ins Bett zurück. »Greif zu, es ist alles frisch und noch brutzelnd warm. Kaltes Spiegelei ist ekelhaft.«
Halbherzig trank Anne einen Schluck Kaffee und stocherte in Speck und Ei. »Ich hab keinen Hunger.«
»Meine liebe Dämonenmuse«, belehrte er sie, »im Gegensatz zu mir bist du am Leben und musst deinem Körper Nahrung zuführen. Gut, es muss nicht viel sein, und Blut täte es auch, aber ich weiß doch, wie gern du früher gegessen hast. Und ich kann mit den Augen mitessen und mich dran erinnern, wie es war.« Manchmal konnte er auch noch etwas schmecken, einen guten Rotwein etwa, Schnaps oder scharf Gewürztes. Alles, was seinen feinen Geruchssinn, besser als der eines Wolfes, anregte. Manchmal überkamen ihn die Gelüste danach, auch wenn er hinterher heimlich alles wieder auswürgen musste. Aber davon blieb wenigstens kein schlechter Geschmack zurück, weil es nicht verdaut wurde.
Ihm zuliebe aß Anne schweigend, während Robert die Tageszeitung vom Tablett nahm – die durfte natürlich auch nicht fehlen – und halb interessiert die Schlagzeilen sichtete. Unter »Lokales« las er vor: »Weitere Opfer der Kälte. Gestern Nacht wurden am Stachus zwei weitere Leichen Obdachloser geborgen, die nach bisher unbestätigten Vermutungen in der Nacht erfroren …« Er schlug die nächste Seite auf. »Aha, laut Wetterbericht wird der starke Frost noch anhalten, für heute Nacht werden minus fünfzehn Grad erwartet. Trotzdem war der Weihnachtsmarkt zum ersten Advent ein voller Erfolg. Der Absatz von Glühwein erreichte astronomische Höhen …«
Anne schwieg immer noch. Robert ließ die Zeitung sinken. Eine klare Dezembersonne fiel durch das Sprossenfenster herein, und von unten klang gedämpfter Autolärm herauf.
Robert liebte diese Altbaumansarde am Radlsteg, mitten im Herzen Münchens, mit ihrem uralten knarrenden Parkett, hohen Decken und Sprossenfenstern; liebte die ausgelatschten Holzstiegen und wuchernden Grünpflanzen im Treppenhaus, den Geruch nach Bohnerwachs und altem Holz, den bröckelnden Putz und den fehlenden Aufzug zum fünften Stock. Nur noch hartgesottene Münchner lebten hier, die ihr gesamtes Leben schon in dem Haus verbracht hatten, dazu ein paar Studenten und seit kurzer Zeit Robert und Anne. Die oberste Etage gehörte ganz ihnen, niemand konnte sie stören. Kein Namensschild wies auf ihre Anwesenheit hin. Post ging an ein Postfach sowie eine Packstation.
Als Anne nämlich nach der Rückkehr Roberts heruntergekommene Junggesellenbude gesehen hatte, hatte sie auf der Stelle kehrtgemacht und erklärt: »Ich schlafe heute im Hotel, und morgen ziehen wir um.«
Recht hatte sie. Die alte Wohnung war nur noch ein Museumsstück, der abgeschlossene Lebensabschnitt eines Mannes, der nicht mehr existierte. Robert hatte sich das Telefon geschnappt, ein paar frühere Kontakte genutzt und in wenigen Tagen den fünften Stock gekauft. Da er bar bezahlen konnte und nicht erst zur Bank musste, waren Verkäufer und Käufer sich schnell handelseinig und die Formalitäten innerhalb von zwei Wochen der notwendigen notariellen Frist erledigt. Die alten Seidentapeten mochten zerschlissen sein, aber sie hatten Charme, der Parkettboden wurde geschliffen und lackiert, lediglich das Badezimmer wurde vollständig, natürlich im angepassten Stil, renoviert. Den Rest beließen sie, wie er war. Die Einrichtung und der Hausstand waren rasch bei Antiquitätenhändlern und auf Versteigerungen gefunden. Manche Sachen kosteten nur ein paar Euro, andere ein paar tausend. Das einzige Auswahlkriterium lautete: Was gefällt. Es war toll, reich zu sein.
Außer den Büchern, Fotos und was mit seiner Arbeit zusammenhing, nahm Robert nichts aus der alten Wohnung mit.
Und damit waren sie schon im Winter, im Hier und Jetzt angekommen. Robert stand auf, nahm Tablett und Tischchen weg, setzte sich an den Bettrand und ergriff Annes Hand.
»Möchtest du auf die Insel zurück?« Sie hieß eigentlich Lan-an-Schie und stammte von der Isle of Man, und während des Schreibprozesses an Roberts Buch hatten sie die meiste Zeit dort gelebt. Robert mochte die winzige Insel und war gerade dabei, ein Cottage zu kaufen; davon hatte er Anne aber noch nichts erzählt.
Sie schüttelte den Kopf. Täuschte er sich, oder hing da tatsächlich eine Träne an der schwarzen Wimper? War das seine kühle, beherrschte Muse? Die nie die Fassung verlor, stets aus der Distanz betrachtete? Und sie konnte … weinen? Das hatte er bisher nicht gewusst, nicht einmal angenommen.
»Anne …«, stieß er erschrocken hervor.
Waren noch nicht alle Wunden abgeheilt? Hatte er etwas übersehen? Es hatte sie beide schwer erwischt gehabt, mit tiefen Verletzungen hatten sie sich durch ein Portal aus dem zum Grauen pervertierten, ehemals paradiesischen Reich des Priesterkönigs Johannes geschleppt. Gerade noch im letzten Moment waren sie dem Zorn Sinenomens, Annes Vater, entkommen. Anne hatte sie beide in die Anderswelt, in die Nähe ihrer Elfenheimat gebracht, wo sie eine Heilquelle kannte, unter der eine Ley-Linie verlief. Tage hatten sie dort verbracht, bis die Wunden sich schlossen und die Kräfte zurückkehrten. Anne war dabei übler dran gewesen als Robert, der seinen Ekel überwinden musste und nach Tieren jagte, deren Blut er trank. Einen Teil dessen, was er in sich aufgesogen hatte, gab er an Anne weiter. Robert überbrückte seine Schuldgefühle damit, indem er sich einredete, es seien Elfentiere, und er hatte auch in harter Selbstdisziplin keines von ihnen getötet. Immer nur so viel genommen, dass es keinen Schaden gab.
Aber ihn schüttelte heute noch die Erinnerung daran, mit welch wachsender Gier er den Tieren – meistens Gazellenartige – nachgestellt hatte und dann die Fangzähne in der pochenden Kehle vergrub. Er hatte bereits getötet, Elfen im Reich des Priesterkönigs, und trug die Schuldgefühle deswegen immer noch mit sich herum. Aber die Sache mit dem Blut war weitaus schlimmer. Beinahe wäre er selbst zum Tier geworden, und er hoffte inständig, dass er sich wieder in der Gewalt hatte. In München, in der Menschenwelt, war er inzwischen zum routinierten Blutbank-Dieb geworden. Er stahl aus der Zentrale, Krankenhäusern, wo sich eine Gelegenheit ergab. Auch wenn das wenig moralisch war, war es die beste Alternative, und er legte immer einen großen Geldschein hin, um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen. Zum Glück brauchte er es nicht öfter als einmal im Monat – noch. Wie und wann Anne sich versorgte, fragte er nie. Er wusste allerdings, dass sie, klug genug, derzeit nicht tötete. Auf der Isle of Man war das schon anders gewesen.
Robert hätte sie gern an sich gezogen, ihren Kopf an seine Brust gedrückt, doch er wusste, dass ihr das menschliche Trostspenden unangenehm war. Also streichelte er nur schüchtern ihre Hand und wiederholte: »Anne …«
»Es ist alles in Ordnung«, murmelte sie.
Das sah er ganz und gar nicht so. »Nichts ist in Ordnung, Anne. Anstatt das zu sagen, hättest du mir früher eine geknallt und mich vom Bett gestoßen. Seit wir hier in München sind, wirst du jeden Tag matter und teilnahmsloser. Vielleicht sollten wir doch auf die Insel fliegen, zu deinem Ursprung …«
»Ich kann nicht dorthin!«, unterbrach sie, beinahe in gewohnter Heftigkeit. Aber dann fügte sie leiser hinzu: »Noch nicht. Und … du musst hier sein, wegen deines Buches.«
Sie waren sozusagen gerade zum Termin eingetroffen. Das Buch war draußen, der Redakteur wünschte ein Gespräch, und die Presse rannte dem Verlag die Tür ein. Bereits in den ersten beiden Tagen waren hunderttausend Exemplare über den Ladentisch gegangen und nach einer Woche die erste Million abgesetzt. In den nächsten Wochen waren Lizenzen mit beachtlichen Vorschüssen hereingeflattert.
Robert war nie stolzer gewesen, sein erstes eigenes Buch in Händen zu halten.
Ja, es war toll, reich zu sein. Und berühmt, aber ohne, dass es jemand wusste. Robert war froh, dass Anne sich mit dem Pseudonym durchgesetzt hatte. Er konnte seinen Ruhm still genießen, ohne im Rampenlicht zu stehen, das er schon immer gehasst hatte. Und jetzt in seiner neuen Existenz war es ohnehin besser, so unsichtbar wie möglich zu sein.
Was die Geheimniskrämerei betraf, wurde Robert bereits mit Thomas Pynchon verglichen, und sein Buch wurde sogar auf dieselbe literarische Ebene gestuft. Das erhöhte seinen Stolz noch mehr.
Und tröstete ihn über den Kummer hinweg, der ihn quälte.
Robert schüttelte die Erinnerungen aus dem Kopf. Es ging jetzt um Anne, nicht um ihn. Er wollte seine leidenschaftliche, temperamentvolle Geliebte wiederhaben, sich mit ihr streiten und versöhnen, ein Wechselbad der Gefühle, Achterbahn rauf und runter. Daran war er so gewöhnt und wollte nicht mehr darauf verzichten.
»Rede mit mir«, forderte er sie auf. »Ich weiß, das ist nicht deine Art. Aber du hast dich sehr verändert. Also kommt es darauf auch nicht mehr an.«
Ihr leerer Blick glitt zum Fenster. »Es ist unvorstellbar. Ich habe mich gegen meinen Vater gestellt«, wisperte sie fast unhörbar. »Nun bin ich verstoßen …«
»Du hast eigenverantwortlich entschieden«, erwiderte Robert sofort. »Dein Vater hat kein Recht, deinen Gehorsam zu fordern.«
»Das verstehst du nicht, Robert. Er ist ein mächtiger Herrscher und …«
»Anne! Hör auf mit diesem Elfenprotokoll! Du lebst schon so lange, und die meiste Zeit unter Menschen. Seit Jahrtausenden handelst du auf eigene Rechnung, hast die Verantwortung übernommen. Du bist etwas ganz besonderes, die erste und einzige Tochter von Sinenomen, dem Ursprung der Vampire. Aber du bist noch mehr als er: Du bist der Ursprung der Musen. Es mag sein, dass er ein mächtiger Herrscher ist und vielleicht einer der mächtigsten Dämonen überhaupt, aber du bist auf deine Art nicht minder mächtig als er. Und du hast ein Anrecht auf seinen Respekt. Er hätte dir zuhören sollen. Und egal, wie mächtig einer sein mag – ein hilfloses Baby schlachten zu wollen ist das abgrundtief Abscheulichste, was man tun kann, selbst für einen Dämon. Das ist unverzeihlich und du konntest es keinesfalls zulassen, denn du bist nicht so wie er.«
Annes Augen richteten sich auf ihn. Er erwiderte ihren Blick eindringlich.
»Ich glaube«, fuhr Robert fort, »dein Vater hat sich selbst genauso überlebt wie Fanmór. Sie sind beide zu starr geworden. Sie werden ihre Macht verlieren, du wirst sehen, selbst wenn die Unsterblichkeit zurückkehrt. Alle Völker der Anderswelten sind im Wandel begriffen, und nichts kann das mehr rückgängig machen.«
»Und was ist mit Bandorchu?«, fragte sie ein wenig spöttisch.
»Sie hat sich bereits vor tausend Jahren gewandelt«, antwortete er. »Vermutlich ist sie sogar der Auslöser, der Beginn der Neuzeit.«
»Du meinst, sie wird siegen?«
»Ich will es nicht hoffen. Aber ich befürchte es, ja. Wenn Nadja, David und Rian nicht gegensteuern können, sehe ich schwarz.«
Ein Schatten fiel über ihr Gesicht, das brachte sie aufs Thema zurück. »Ich bin völlig auf mich allein gestellt, denn ich habe alle verraten. Meinen Vater, Bandorchu …«
»… aber nicht dein Volk, denn du bist nicht nur Dämonin, du bist auch Elfe. Die Herrscher mögen dich verstoßen haben, dein Volk aber nicht. Und ich bin …« Er atmete tief durch, weil es ihm peinlich war, wie pathetisch sich die folgenden Worte anhören mussten. »Ich bin unglaublich stolz auf dich. Was du getan hast, erfordert großen Mut, Weisheit und Einsicht. Und ein hohes Maß an Ehrgefühl.«
»Und das ist alles deine Schuld!«, sagte sie nicht im Spaß.
Er drückte den Rücken durch. »Das macht mich noch mehr stolz. Anne, du bist alles, was ich will, jemals wollte. Als wäre ich mein ganzes Leben auf der Suche nach dir gewesen. Du bist das, was mir immer gefehlt hat. Und ich denke, auch du hast jetzt erst wahrhaftig zu dir gefunden. Du bist vollkommen.«
»Vollkommen verrückt, dich nicht in tausend Einzelteile zu zerlegen und zu verspeisen.« Sie seufzte. »In gewisser Weise hast du recht. Ich war immer allein. Mein Vater hat mich so erzogen und er duldete keinen Kontakt zu anderen. Erst, als er Catan für mich aussuchte, um eine neue Dynastie zu gründen …« Es schüttelte sie.
»Wieso? Er ist doch recht attraktiv, so als Panther, meine ich …« Er grinste, als endlich Leben in ihre Augen zurückkehrte. »Wäre bestimmt eine interessante Erfahrung.«
»Kenne ich schon«, gab sie achselzuckend zurück. »Werwölfe, Chimären …«
»Uh!« Abwehrend hob er die Hände. »Ich will’s nicht wissen!«
»Aber keinen Vampir«, fügte sie ernst hinzu. »Keinen … wie dich.« Ihr Blick bohrte sich in seinen, tauchte auf den Grund seiner Seele. Obwohl Robert gestorben war, besaß er immer noch seine Seele. Auf eine seltsame Weise war er wiedergeboren worden, auch wenn sein Körper der eines Toten war und nur vom frischen Blut anderer an der Existenz erhalten werden konnte. Aber er konnte im Tageslicht wandeln und sich wie ein normaler Mensch verhalten.
»Ich bin dein Gefährte, auf Gedeih und Verderb, ein Teil von dir, wie du ein Teil von mir bist«, murmelte er. »Du hast mich zu Deinesgleichen gemacht, was das Vampirische betrifft.«
»Das erste Mal.«
»Bereust du es?«
»Nein.«
Sie gab die Antwort völlig ruhig und ohne zu zögern. Ihre tiefliegenden Augen waren nun klar wie eine Winternacht.
Robert wagte es. »Ich liebe dich, Anne. Meine Seele, die mir geblieben ist, liebt dich. Meine Erinnerung, die ich bewahren durfte, liebt dich. Wir werden uns gemeinsam ein neues Leben aufbauen, auf den Trümmern unserer Vergangenheit, die nur noch Erinnerungen sind, aber keinen Einfluss mehr haben werden. Wir gehören zusammen, so haben wir es beide entschieden. Wir beide sind unser ganzes Volk, mehr brauchen wir nicht, und wir werden residieren, wo auch immer wir wollen, und tun, was uns beliebt.«
»Machst du mir gerade einen Heiratsantrag?« Ihre Stimme klang verwundert.
»Ganz recht«, sagte er feierlich. »Ich will ein Ritual. Mir ist völlig gleich, welches. Aber ich will, dass jemand offiziell unseren Bund besiegelt.«
Sie musterte ihn kritisch. »Ich glaube, meinen Vater kann ich nicht darum bitten.«
»Dabei wäre Catan ein wirklich hübscher Trauzeuge.«
Dann prusteten sie albern los, es war befreiend.
»Aber was ich wissen will: Warum nur hast du zu diesem romantischen Moment die grässliche Entenhose an?«, rief Anne, nachdem sie wieder Luft geschnappt hatte.
»Rate mal.« Seine Augen glitzerten.
Auch in ihre Augen trat ein lüsterner Glanz, vorbei war die Niedergeschlagenheit. »Also dann, endlich runter damit«, verlangte sie raukehlig.
Plötzlich schoss Robert aus dem Bett. »Himmel, ich habe ja einen Termin im Verlag! Raus mit dir, Weib, wir müssen los!«
»Nicht ohne Dusche«, erwiderte sie, und als sie die Beine über den Bettrand schwang und aufstand konnte er nur dastehen und sie angaffen, und er hätte ihr nie im Leben widersprochen. Sie war atemberaubend, und er würde nie genug von ihr bekommen. Nicht jetzt, nicht später, nicht lebend, nicht tot.
»Zu zweit, dann geht es schneller«, schlug er schelmisch vor.
Sie hob die Brauen, doch er winkte lachend ab. »Wie Brüderlein und Schwesterlein, Ehrenwort, auch ein lüsterner Vampir hat seine Grenzen. Aber … es ist einfach schöner so.«
Dem hatte sie nichts entgegenzuhalten. Robert genoss diese Nähe, das Rauschen des Wassers, der sanfte Schaum des Duschöls auf Annes samtener Haut, den er mit weichen Händen verteilte. Eine ganz besondere Sinnlichkeit, die ihm alle Ängste und Zweifel nahm. Sie beide, zusammen. Für immer, hoffte er.
In Wirklichkeit hatten sie noch genug Zeit, aber Robert wollte das schöne Wetter nutzen und ein wenig mit Anne bummeln, bevor er geschäftlich wurde. Das war das Großartige daran: Er tat das, was er wollte, das Geld floss von allein. Und selbst wenn der Strom von heute auf morgen abriss, hatten sie beide erst mal für eine ganze Weile genug, um wie ein gutsituiertes, vermögendes Paar zu leben. »Und wenn wir pleite sind«, hatte Robert zu Anne gesagt, »ziehen wir einfach in die Anderswelt um.« Das war eine tolle Aussicht, fand er. Sie waren beide zwar nicht sonderlich gut gelitten bei den Elfen, aber galten nicht als Verbannte. Was im Reich des Priesterkönigs geschehen war, hatte keine Auswirkungen auf die Elfenreiche, und Fanmór hinderte sie bestimmt nicht, sich bei ihm niederzulassen, nachdem Anne sich von Bandorchu losgesagt hatte.
In einer Sache allerdings waren sie sich einig: Sie mischten sich in die Ereignisse nicht mehr ein. Sie hatten beide genug beigetragen und beinahe ihr Leben/ihre Existenz verloren. Wie es weiterging, lag nicht mehr in ihrer Hand.
In dicke Mäntel gehüllt schlenderten sie Hand in Hand über den Viktualienmarkt. Auch jetzt waren die Stände geöffnet und boten Schlemmereien für Advent und Weihnachten feil. Die Luft wog schwer von den Düften nach Kräutern, Glühwein, Plätzchen und Tannennadeln. Die Buden waren festlich geschmückt und beleuchtet, und die Marktschreier priesen ihre Waren an. An der Heilig-Geist-Kirche und dem Alten Rathaus vorbei erreichten sie die Fußgängerzone des Marienplatzes, als das 12-Uhr-Glockenspiel soeben erklang. Die meisten, die stehenblieben, dem Spiel zusahen und lauschten, waren Touristen; die anderen eilten geschäftig weiter. Dabei war es ein Moment zur Besinnung, exakt zu dieser Stunde, zum Innehalten für ein paar Herzschläge.
»Weißt du, München ist so schrecklich busy geworden«, sagte Robert. »Ich kenne meinen Geburtsort, als er noch die Weltstadt mit Herz gewesen war. Doch heute ist alles Talmi, und diese künstliche Schickimicki-Gesellschaft ist so hohl und leer, was überhaupt nicht in dieses nach wie vor eher gediegene und bäuerliche Ambiente passt … Da wird Vorbildern nachgeeifert, die nie erreicht werden können, weil München viel zu klein dafür ist. Hier ist nichts schillernd, keine Skyline, überhaupt nichts Bemerkenswertes aus der Moderne. Was schön war und alt, wird übertüncht und verdeckt von proportionslosen Neubauten, die allenfalls klotzig denn schick sind und auch noch die letzte Atmosphäre mit schweren Schatten erdrücken. Die Straßen sind klein und eng, es gibt keinen erkennbaren Stil, alles prallt zusammen und schwimmt irgendwo im Dazwischen, ohne Individualität zu besitzen.« Er schüttelte sich übertrieben. »Ich sag dir was, im Januar werden wir es beide satt haben und uns nach der Insel sehnen, wetten?«
»Schon möglich«, sagte Anne. »Ich denke, bis dahin … bin ich mit allem fertig geworden. Aber wie steht es mit dir?«
»Weiß nicht«, wich er aus und ging schneller. Er wollte, dass Anne gesund wurde, über sich selbst dachte er nicht nach.
»Schaufensterbummel« nannte Robert es, während sie die breite Fußgängerzone entlang Richtung Karlsplatz/Stachus gingen. Und Anne machte ausgiebig davon Gebrauch. Bei einer Boutique konnte sie nicht mehr widerstehen und zog ihn nach innen. Robert ließ sie lachend gewähren, als sie einen teuren Fummel nach dem anderen probierte. Warum auch nicht? Er konnte es sich leisten. Am Ende bat er, die Unmengen an Tüten an seine Adresse zu schicken und gab den Namen der alten Frau im vierten Stock an, die immer zu Hause war. Sie würde vermutlich ziemlich staunen, umso mehr, da Robert ein hübsches Accessoire für sie obenauf packen ließ, mit ihrem Namen und einem Dankeskärtchen versehen.
Er konnte es nicht oft genug wiederholen: Es war toll, reich zu sein. Nicht arbeiten zu müssen. (Zumindest derzeit nicht, aber es war klar, dass der Verleger bald einen zweiten Band von ihm verlangen würde.) Alles lief von selbst.
Sie steuerten nun die U-Bahn vom Stachus an, auf der linken Seite kurz vor dem Karlstor lagen der ehrwürdige Mathäser-Filmpalast und das antagonistische McDonalds, als Annes Kopf plötzlich herumruckte.
»Was ist?«, fragte Robert, augenblicklich alarmiert. Mit seinen um ein Vielfaches geschärften Sinnen konnte er ihre Unruhe und die Ahnung einer Gefahr sofort spüren.
Aber wer sollte sie hier, am helllichten Tag angreifen? Und warum?
Der Getreue, durchzuckte es ihn kurz. Er ist von Island und den Toten zurück …
Undenkbar wäre es nicht. Bandorchu könnte dem Kapuzenmann den Auftrag gegeben haben, die abtrünnige Lan-an-Schie und den zum Vampir gewordenen Grenzgänger zu sich zu holen, um irgendwelche Dienste von ihnen zu erpressen, oder sie hinzurichten, oder eines nach dem anderen. Und da Robert keinesfalls zulassen würde, dass seinetwegen Menschen zu Schaden kämen, wäre auch der Zeitpunkt günstig, ihn ohne große Anstrengung zum Mitkommen »zu überreden«.
Doch da war niemand, der nichtmenschlich wirkte, so angestrengt Robert sich auch umsah. Seine Vampiraugen konnten die meisten Larven durchschauen, hier gab es keine. Alle Leute waren hundertprozentig menschlich.
»Ich weiß nicht genau …« Annes Stimme drang von Ferne an sein Ohr. Sie war stehengeblieben und hielt den Kopf leicht schief, als ob sie lauschte. Ihr Blick war nach innen gerichtet. »Mir ist, als hätte ich etwas gespürt … etwas sehr Altes …«
»Und wo?«
»Das versuche ich gerade herauszufinden. Es war nur ein kurzer Impuls.« Sie verharrte noch eine Weile, dann schüttelte sie den Kopf. »Es ist fort. Wahrscheinlich habe ich mich getäuscht.«
Robert war dennoch beunruhigt. »Du täuschst dich nie, Anne.«
»Danke für das Kompliment.« Sie hakte sich bei ihm unter. »Ich habe Hunger. Haben wir noch Zeit, essen zu gehen?«
Er freute sich, dass sie das fragte. Es schien ihr wirklich besser zu gehen. Vielleicht sollte er sich als Therapeut, spezialisiert auf Vampirdepressionen, ein zweites Standbein aufbauen. »Sicher. Ich habe vorhin, als du beim Anprobieren warst, den Termin auf fünfzehn Uhr verschoben.«
»Eine Woche auf den Bestsellerlisten, und schon entwickelst du Starallüren!« Ihre Stimme klang so, als ob es ihr gefiel. Kein Wunder, Elfen besaßen einen enormen Standesdünkel, und Dämonen vermutlich erst recht.
»Noblesse oblige«, grinste er übermütig. »Adel verpflichtet.«
Chefredakteur Norbert Spatz begrüßte sie herzlich, und er hatte auch allen Grund zur Freundlichkeit. Weitere Presseanfragen, euphorische Rezensionen und reißender Absatz – wenn das kein Grund zur Freude war!
Er versuchte Robert zu überreden, sich der Öffentlichkeit zu zeigen, doch er weigerte sich nach wie vor. Der Verlag hatte ein Phantombild hergestellt, das der Presse gezeigt wurde, und er antwortete grundsätzlich nur schriftlich über den Verlag. Ein Verlagsmitarbeiter sollte seinen Text bei der Pressekonferenz vorlesen.
Als sie damit durch waren, kam Redakteur Spatz auf ein anderes Thema zu sprechen.
»Nun – auf unseren Lorbeeren ausruhen sollten wir uns deswegen aber nicht«, fing er zur Einleitung an. »Wir sollten uns demnächst für das zweite Projekt zusammensetzen. Ich nehme an, Sie haben sich bereits Gedanken darüber gemacht.«
»Gedanken, ja«, antwortete Robert unverbindlich.
»Sehr schön! Wann wäre es Ihnen denn recht?«
»Ich weiß nicht … ich wollte mich in den nächsten vier Wochen ausschließlich mit privaten Dingen beschäftigen. Ich bin völlig ausgelaugt nach dem Schreibmarathon und möchte auch wieder Zeit für Persönliches haben.«
»Selbstverständlich. Haben Sie sich schon einen Zeitrahmen für nächstes Jahr überlegt? Nur damit ich weiß, wann ich den Roman in das Programm für übernächstes Jahr einplanen kann.«
»Keinesfalls Frühjahr, eher Herbst. Ich will in Ruhe arbeiten können, Termindruck hatte ich lange genug. Vielleicht sogar erst das Frühjahr in zwei Jahren.« Robert ignorierte das enttäuschte Gesicht des Redakteurs, fügte aber hinzu: »Ich möchte mich auch ein wenig rar machen und nicht vorzeitig verschleißen.«
»Hmm … gewiss.« Norbert Spatz wusste ganz genau, dass Robert recht hatte, aber er sah in diesem Moment vermutlich eine Menge Geldscheinchen für das kommende Jahr auf Nimmerwiedersehen davonflattern. Aber das machte nichts, ein Jahr später tat es auch. Dann lächelte er wie ein Autoverkäufer. »Vielleicht kann ich Ihnen die Arbeit schmackhaft machen, indem ich Ihnen noch vor Jahresende ein Angebot unterbreite.«
»Möglich«, meinte Robert und rutschte nervös auf dem Stuhl. Allmählich wurde es ihm zu viel. Dann fiel ihm ein, dass er keinen Grund hatte, sich dem weiter auszusetzen – er war derzeit der Star des Verlags. Abrupt stand er auf, und nicht nur der Redakteur schaute ihn verdutzt an. »Tja, ich muss dann mal wieder los.«
»Oh, wie schade … ich hätte Sie gern noch eingeladen …«
»Sehr freundlich, aber ein anderes Mal.«
Spatz blieb nichts übrig, als sich ebenfalls zu erheben und Robert die Hand zu reichen. »Ich rufe Sie an. Und Sie … melden sich rechtzeitig, wenn Sie ein anderes Angebot bekommen?«
»Machen Sie sich in der Hinsicht keine Gedanken, ich werde Ihnen keinesfalls abtrünnig«, erwiderte Robert, drückte kurz und kräftig seine Hand und verabschiedete sich.
Draußen auf der Straße atmete er erst einmal auf. Dann kramte er nach einer Gitanes und zündete sie an. Eines der wenigen Vergnügen, die einem Vampir blieben, da seine Geruchssinne auf ihre Kosten kamen. Und Lungenkrebs gab es keinen. Dementsprechend hatte Robert das »gesunde Leben« in dieser Hinsicht wieder aufgegeben und durfte in die alte Gewohnheit verfallen, ohne dass er sie jemals würde bereuen müssen.
Rauchend ging er den Gehweg entlang, Richtung Leopoldstraße, deren lebhafter Verkehrslärm mit Huptönen und lauten Rufen bereits bis hierher schwappte.
»Aha«, sagte Anne.
»Mhm«, machte Robert.
Er wusste, dass sie unzufrieden war, aber das konnte er nicht ändern. Und er würde keineswegs präventive Erklärungen abgeben. Und schon gar nicht würde er sich rechtfertigen.
Kurz bevor sie in die Straße einbogen, hielt Anne ihn am Arm fest. Ihre tiefliegenden dunklen Augen loderten. »Raus damit!«
Er tat unschuldig. »Womit?«
»Das weißt du genau«, fauchte sie. »Soll ich es aus dir rausprügeln?«
»Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig«, schmetterte er sie kurz angebunden ab, riss sich los und bog anstatt in die Hauptstraße in eine weitere Nebengasse ein, die in einem Bogen in entgegengesetzter Richtung direkt zum Englischen Garten führte. Vielleicht wäre es gut, noch eine Weile flott spazierenzugehen. Einigermaßen frische Luft zu atmen, den Kopf frei zu bekommen.
Anne war für einen Augenblick so verblüfft, dass sie ein paar Sekunden brauchte, bevor sie ihm nachrannte. So schroff hatte er sich ihr gegenüber nur selten benommen, das konnte sie kaum auf sich sitzen lassen.
»Bleib sofort stehen!«, schrie sie ihn an, packte ihn erneut am Arm und riss ihn zu sich herum. Sie war eher klein, aber sie verfügte über eine gewaltige Körperkraft, bedeutend mehr als jeder Mensch. Und mehr als er. »Niemand springt so mit mir um!«
Er blieb stehen. »Ich will nicht darüber reden, geht das nicht in deinen Kopf?«
»Du wirst darüber reden, und zwar hier und jetzt, oder du wirst dich zuerst von deinem liebsten Körperteil verabschieden, dann vom zweitliebsten … und so fort, bis du nachgibst.«
Zum Glück war niemand in der Nähe. Annes Aussehen hatte sich erschreckend verändert, sie zeigte ihm offen ihre wahre Natur. Immer noch eine Frau, immer noch schön, aber auch feuerspeiend und gefährlich, mit Reißzähnen bewehrt und Augen, in denen die Hölle brannte. Ein völlig fremdes, furchterregendes Wesen stand vor ihm, dessen Krallen Robert mit nur einem einzigen Hieb in Stücke reißen konnten. So musste sie sich zuletzt ihrem Vater gezeigt haben.
Also schön, es hatte keinen Zweck, Anne würde keine Ruhe geben, und Robert hatte keine Lust, seine Einzelteile auf der Straße zusammensuchen und darauf warten zu müssen, bis sie wieder angewachsen waren. Das würde nicht nur äußerst zeitraubend, sondern auch sehr schmerzhaft – vorher und nachher. Und was die Leute erst sagen würden!
Robert sah sich schnell um, niemand in der Nähe. Er würde nicht lange brauchen.
»Ich kann es nicht mehr, verstehst du?«, schrie er zurück. Mit dem Finger tippte er sich gegen die Schläfe. »Da ist nichts mehr drin! Keine Inspiration, kein Antrieb, keine Formulierung. Es ist alles weg!«
Er hob die Arme und ging weiter, auf den großen städtischen Park zu. »Seit ich tot bin, habe ich mit Ach und Krach den letzten Schliff vornehmen können. Aber das war’s!«
Anne beruhigte sich und nahm ihr normales Aussehen an. »Dann brauchst du eben noch Erholung …«, begann sie.
»Ja, für die nächsten paar tausend Jahre«, unterbrach Robert. »Machen wir uns doch nichts vor, Anne – es ist vorbei. Ich bin kein Mensch mehr. Deine Musenkräfte wirken nicht mehr. Ich werde niemals wieder ein Buch schreiben! Nicht einmal ein schlechtes!«
Seine Nasenflügel blähten sich leicht, als er den Park fast erreicht hatte. Sein Geruchssinn empfing die Ausdünstungen von nassem Holz, Schnee, Eichhörnchen und vielen Hunden samt ihren Menschen. Kettenöl von Fahrrädern, Sohlenleder und Plastikschirme gehörten auch dazu. Der Himmel fing an, sich zu beziehen, und der Wind brachte die Vorboten frischen Schneefalls mit sich.
Anne holte ihn erneut ein. Was für eine seltsame Konstellation, sonst war es immer umgekehrt gewesen, dass er hinter ihr herlaufen musste. »Robert …«
Er hielt an und starrte auf sie hinab. »Was?«
Sie legte ihm die Hand auf den Arm, aber diesmal nicht, um ihn hart zu packen. Es wäre fast eine mitfühlende Geste, wenn er es nicht besser wüsste. »Vielleicht …« Sie zögerte.
»Nun sag schon«, brummte er.
»Vielleicht ist auch nur immer nur dieses eine Buch in dir gewesen, Robert. Nie mehr als dieses eine, einzige, großartige und geniale Werk.«
»Oh.«
Mehr brachte er dazu nicht heraus. Das schmerzte tiefer als alles andere. Es bedeutete das Ende jeder Schreibblockade, die er sich einreden mochte, oder die Ausrede, kein Mensch mehr zu sein. Es war eine knallharte Wahrheit, an der sich nichts ändern konnte. Niemals.
»Es tut mir leid, Robert.«
»Tut es das?«
»Ja.« Sie zwang ihn, sie anzusehen. »Ja, verdammt, es tut mir leid! Ich bin eine Muse. Deine Muse! Ich habe das Herz einer Muse, das fühlt und leidet und sich freut. Denkst du, es gefällt mir, dass ich nicht mehr in der Lage bin, einen kreativen Funken in dir anzufachen? Dass er erloschen und Asche ist, für immer? Was bleibt mir dann noch, nachdem ich mit allem gebrochen habe?«
Seine Augen brannten, aber die Drüsen konnten keine Tränen mehr produzieren. Dennoch wischte er sich über die Wangen, ein verbliebener Reflex. »Und mir?«, flüsterte er.
Sie hakte sich bei ihm unter und zwang ihn, mit ihr weiterzugehen. Das Gewicht der Schuhe brachte den Schnee zum Knirschen.
»Wir finden etwas«, versprach Anne fest und sicher. »Wir werden es nicht fatalistisch hinnehmen, nur noch Vampire zu sein. Es wird sich etwas Neues ergeben. Das tut es immer, solange wir einen Sinn darin sehen. Und den habe ich noch lange nicht verloren. Sicher, ich war noch nie in einer so schlimmen Lage wie jetzt, aber es gibt immer noch Schlimmeres. Der Verlust der Unsterblichkeit, beispielsweise. Ich weiß nicht, wie viel Zeit mir bleibt – aber ich werde sie verdammt noch mal nutzen, und du mit mir! Wie du gesagt hast: Wir haben uns. Ich habe meine Entscheidung getroffen, so wie du die deine. Also dann! Schluss mit dem Selbstmitleid. Unsere Existenz hat einen Sinn, solange wir daran glauben.«
Robert fühlte sich augenblicklich getröstet. Anne war so stark. Sie würde ihn nicht verlassen. Das war alles, was zählte.
»Das tu ich, an uns beide«, schloss er und atmete tief durch. Ein Relikt, das allen Vampiren zueigen war. Atmen. Fast wie …
Dann brach es laut aus ihm hervor: »Mann, was für ein Leben!«
Der zerfledderte schwarze Fetzen trieb dahin. Trieb über die Welt und suchte nach einem Anker. Mehrmals drohte er abzustürzen, doch jedes Mal geschah es wie durch ein Wunder, dass er davor bewahrt wurde.
Winde kamen auf, aus aller Welt, und bliesen das Tuch weiter.
Sarma war der Erste, brauste von Norden her und trieb den Fetzen übers Meer, und dann übernahmen die Polaren Ostwinde und pusteten ihn voran.
Er wirbelte durch den Äther, und jede Richtung war die seine, es spielte keine Rolle. Auch die Winde ließen die Grenzen fallen, jagten sich gegenseitig über die ganze Welt und spielten dabei mit dem Tuch. Selbst der kleine Joran wagte sich dazu, während Pampero sich aufblies, Galerne und Poniente stritten miteinander und lösten ein Gewitter aus, Baguio und Karif und wie sie alle hießen … bis Zephyr und Boreas, die Göttlichen, eingriffen.
»Die ganze Welt ist durcheinander!«, fuhren sie wütend zwischen die Winde und zerstreuten sie. »Seht es euch an, Blitz und Donner, Schnee und Hagel, Taifun und Tornado! Das muss ein Ende haben!«
Es war nicht ganz so schlimm, die meisten Entladungen spielten sich hoch in den Sphären ab und entrangen den Menschen höchstens staunende Laute, wenn sie seltsame Wirbel und Lichterscheinungen sahen. Schnee und Regen waren oft schon verflüchtigt, bevor sie die Baumkronen erreichten – dennoch, das eine oder andere ungehorsame Unwetter kam durch und verwüstete so manchen Hof und kleine Wäldchen.
»Der Klimawandel«, sagten die Menschen dazu und nickten weise. »Das ist der Beweis. Zuletzt erlebten wir es über Island. Wir müssen Milch und Honig abschaffen.«
»Hört ihr?«, fauchte Boreas.
Die einen Winde säuselten: »Wir wollten doch nur helfen!«, die anderen brausten: »Wir folgen der Bestimmung!«
»Ihr folgt uns«, befahlen die Göttlichen und bliesen sie endgültig davon.
Boreas ballte ein paar Wolken zusammen und bettete das Tuch darin. Zephyr nahm es in Augenschein.
»Da ist wohl nichts mehr zu machen«, stellte Boreas fest.
»Dieser Fetzen wird kaum mehr zusammengehalten«, stimmte Zephyr zu. »Aber ich spüre noch einen Rest …«
Boreas strengte seine göttlichen Sinne an. Dann glätteten sich die Wirbel auf seiner Stirn. »Wahrhaftig«, rauschte er. »Da ist noch etwas.«
»Fast erloschen«, stellte Zephyr fest.
»Was können wir tun?«
»Ich weiß es nicht.«
»Anfachen?«
»Nein.«
»Ausblasen? – Schon gut, ein Scherz, verzwirble dich nur nicht gleich.«
Schweigend starrten sie auf den schwarzen Fetzen, der trotz der wolkenweichen Wärme zitterte. Ab und zu glühte er am Rand auf, doch jedes Mal schwächer.
»Es dauert wohl nicht mehr lange«, bemerkte Boreas.
»Das dürfen wir nicht zulassen«, sagte Zephyr.
Sie zogen sich zusammen, als glitzernder Nebel sich über ihnen herabsenkte.
Bringt ihn zum Anfang der Last.
»Zum … äh … wie?«, fragte Boreas verunsichert. Er galt normalerweise als der aufbrausendste aller Windbrüder, und zugleich als der mächtigste. Doch nicht als der klügste.
»Ich weiß, was er meint«, sagte Zephyr prompt. »Ich bin der Wind des Südens und der Wärme, Bruder, du hingegen treibst den Winter vor dir her. Dein Verstand ist ein Eiszapfen.«
Eilt euch. Mein Bruder kann sich nicht mehr lange halten.
»Also auf nach Hyperborea, wo das Paradies wartet!«, rief Boreas. »Ha, ha.« Mit seinem donnernden Gelächter jagte er die erschrockenen Wolken in die Flucht, und das Tuch verlor den Halt und trudelte dem Erdboden entgegen.
Der glitzernde Nebel wetterleuchtete, und Boreas beeilte sich, den Fetzen aufzufangen und wieder nach oben zu tragen.
»Fast dran, Bruder«, brauste Zephyr. »Doch die Reise wird nicht ganz so weit gehen.«
Boreas wiegte das löchrige Schwarz. »Ich hoffe, Zephyr weiß es wirklich«, sagte er zu dem glitzernden Nebel. »Es ist schon fast nichts mehr da.«
Deshalb bitte ich euch ja um Hilfe.
»Die wir keinesfalls verweigern«, säuselte Zephyr. »Wir sind schließlich beinahe Brüder. Und bei all dem, was geschieht, kann man froh sein, wenn man seinen Beitrag leisten darf. Nach so langer Zeit! Ich fühlte mich schon ganz kraftlos.«
Wir alle brauchen Kraft. Gebt ihm die seine zurück. Die Aufgabe meines Bruders ist längst nicht beendet, und ich wage erst wieder, die Augen zu öffnen, wenn ich ihn in Sicherheit weiß.
Die göttlichen Windbrüder flauten betroffen ab. Beinahe wäre der Fetzen wieder abgestürzt … oder vielmehr, hinabgesegelt. Doch Boreas bewahrte geistesgegenwärtig einen letzten Hauch Auftrieb, der das Tuch festhielt und sanft nach oben schaukelte.
»Nebelbruder«, wisperte Zephyr, »wenn du Furcht empfindest …«
Meine Furcht ist nicht die eure. Und nun eilt euch. Habt dank, Windbrüder.
»Zu deinen Diensten«, antworteten die göttlichen Brüder höflich, doch der Nebel hatte sich bereits aufgelöst.
»Also, wohin nun?«, forderte Boreas seinen Bruder neugierig zur Preisgabe auf.
»Gib ihn mir.« Zephyr wollte nach dem Fetzen greifen, doch Boreas blies ihm einen wirbelnden Wall entgegen.
»Kommt nicht in Frage! Du willst dich allein auf den Weg machen!«
»Ja. Denn du musst hierbleiben, Boreas, und Wache halten.«
»Wofür denn?«
»Für alles, bei den Olympiern!«
»Die sind fort, schon vergessen?«
»Aber wir sind noch da, auch vergessen?«
»Wir sind ja schließlich Winde, wir währen ewig.«
Zephyr seufzte mit einem pfeifenden warmen Windstoß. »Schütze einfach die Sphären«, sagte er schließlich.
»Ach so!«, rief Boreas viel zu laut und löste versehentlich einen weiteren trockenen Donnerschlag aus.
»Ein Überschallknall von einem Militärflieger«, sagten die Menschen unten und sammelten die Scherben ihrer Gläser ein, die aus den Regalen gesprungen waren.
Zephyr konnte sich kaum mehr zurückhalten, er rotierte schon wie ein Tornado. Doch bevor er den Mund öffnen konnte, wiederholte Boreas flüsternd:
»Ach so.«
Er grinste seinem Bruder verlegen zu, hob die Schultern und brauste davon, wobei er gerade noch einem Airbus auf dem Weg in weite Ferne auswich. Es kam zu mäßigen Verwirbelungen, aber dergleichen waren die Piloten gewöhnt, sie manövrierten das Flugzeug sicher hindurch.
Zephyr nahm den Fetzen und trug ihn weiter zu seinem Bestimmungsort. Über der Sahara, an einem bestimmten Punkt, sprang das Tuch plötzlich aus seinem Arm und sank zu Boden hinab.
»Na schön«, säuselte Zephyr achselzuckend, »deine Wahl. Mach das mit deinem Bruder aus – ich habe getan, was ich sollte. Gib mir nicht die Schuld, wenn es schiefgeht!« Er blies die Backen auf, schlug um und wehte davon.
Sanft schaukelte das Tuch hernieder. Kreisrunde Felder breiteten sich unten über die Wüste aus, die graugelb bis mattgrün waren. Die künstlichen Oasen von Al Kufrah, die die Wüste Libyens einstmals grün machen sollten.
Ein Erinnerungsfetzen im Tuch wusste davon. Und wusste auch, warum gerade hier die Menschen den Versuch erneut unternahmen, fruchtbares Gebiet der Wüste abzutrotzen. Ein rot leuchtendes Band zog sich unter dem gigantischen Wasserspeicher unterhalb des Wüstenbodens hindurch. Kein Wasserbohrer konnte es jemals erreichen, denn es lag zu tief. Und doch bezogen alle Quellen ihre Energie davon und hatten einst das kostbare Reservoir erzeugt.
Sie war die mächtigste Ley-Linie von allen, die erste, die aus der Geistersphäre entstand, als die Erde noch jung gewesen war.
Am Rande der bewirtschafteten Kufrah-Oasen gab es Relikte alter Palmengründe, verlassen und nicht von wirtschaftlichem Interesse. Doch sie führten Wasser, und alte Palmen boten Schatten für scheue Tiere.
In einer solchen kleinen Wassersenke, die am Ufer von mattem Grün überzogen war, gesäumt von einem leise raschelnden Palmenhain, ging das Tuch nieder. Lag halb im Sand, halb im Wasser und saugte sich voll, bis das Gewebe schwarz glänzte.
Eine unscheinbare graubraune Schlange züngelte aus einem Sandloch nahe dem Wasser hervor, dann glitt sie heraus und auf das im Schatten liegende Tuch zu. Die gespaltene Zunge tastete über den Stoff, der mehrmals kurz zuckte. Die Schlange versenkte den Schwanz im Sand, öffnete den Rachen, dass die mächtigen Giftzähne hervorsprangen, und hauchte ihren kalten Atem über den Fetzen. Eine milchige Flüssigkeit tropfte von den Zähnen herab und sickerte zischend in das Gewebe ein. Dampf stieg daraufhin auf, ein rotes Glühen umgab Tuch und Schlange, das sich zuletzt in glitzernden Nebel auflöste.
Als dieser sich verzog, lag der Schattenmann am Ufer. Er war nicht körperlich, wirkte durchscheinend, aber sein Brustkorb hob und senkte sich im Atmen. Noch war er nicht viel mehr als eine dunkle Kontur, kaum greifbar, ohne erkennbare Strukturen. Ein diffuser Schatten …
Die Schlange zischelte leise, dann glitt sie lautlos zurück in ihr Loch.
Der Schattenmann verharrte still. Er war sich seiner selbst noch nicht bewusst und konnte nur fühlen. Die Ader, die tief unter ihm glutrot pulsierte. Seine Erinnerungen, die bruchstückhaft, in Lichtblitzen, durch seine Finsternis huschten. Sie ergaben keinen Sinn, konnten sich nicht zusammensetzen. Doch sie waren wichtig, jede Einzelne von ihnen.
Schmerz empfand er keinen, ebenso wenig konnte er eine Verbindung zu dieser stofflichen Hülle aufbauen, die versuchte, sich zu stabilisieren. Wofür war sie da? Um ihn aufzunehmen? Er wusste es nicht mehr.
Er spürte die Feuchtigkeit des Wassers, die durch seine Hülle strömte und ihr half, sich aufzubauen. Er wusste von der Schlange, die ihm geholfen hatte, und von dem Sandteufel, der heute Nacht auf sie lauern würde. Er fühlte den Wolkenschatten, der eilig über ihn hinwegglitt, und hörte das Flüstern des Windes. Doch er konnte ihn nicht verstehen.
War es denn überhaupt von Bedeutung? Weshalb blieb er? Warum waren die Erinnerungen wichtig?
Halte dich fest, flüsterte etwas in ihm.
Warum?
Nur du kannst es.
Was bedeutet Festhalten?
Du musst verstehen.
Was bedeutet Verstehen?
Begreife den Sinn.
Wie kann ich das?
Das Flüstern verstummte. Was brauchte es einen Schatten zu kümmern? Er war nur ein Umriss, eine leere Hülle. Etwas, das überflüssig war. Er war es zuvor niemals gewesen … ein Schatten.
Wieder eine Erinnerung, die er nicht verstand.
Er war schwer vom Wasser, schien hinabgesogen zu werden in einen tiefen Abgrund. Unmöglich, sich dagegen zu wehren; er würde verschwinden, für immer.
Ein sandfarbenes Wesen kam herangetrippelt, winzig, mit riesigen Hinterfüßen und großen Ohren. Es hüpfte mehr, als dass es lief, und würde wahrscheinlich in den Rachen der Schlange passen, wenn sie das Maul weit genug aufriss. Die kleine schwarze Nase zuckte. Das Wesen schnüffelte ihn ab, leckte Wassertropfen auf. Welch eine Erleichterung. Er spürte die zarten Füßchen, als das kleine Tier über ihn hinweglief und die Tropfen aufnahm. Dann war es plötzlich verschwunden, und er fühlte sich besser. Leichter.
Die Helligkeit ließ nach. Der Schattenmann spürte die Wanderung der Sonne und die Veränderung ihrer Farben. Der Zustand um ihn herum änderte sich. War es … Kälte?
Ja. Kälte war ihm vertraut, ebenso wie ihr Gegenteil, die Wärme, die ihm jetzt begreiflich wurde. Es war etwas Ursprüngliches, ein Teil seines Selbst.
Das Licht war fort, Dunkelheit hüllte ihn ein. Sie war nicht so tief wie die Finsternis in ihm, durchsetzt von glitzernden Punkten. Er konnte sie wie kleine Funken wahrnehmen, und auch sie waren ein Teil von ihm.
Die Kälte kroch in das Gewebe, ließ das Wasser erstarren, vermittelte ihm neue Eindrücke, die er schon lange vergessen hatte.
Der Schattenmann ruhte.
Am Morgen stand ein Mann, der ein weißes Dromedar am Zügel führte, neben ihm. Er ließ den Strick los und kniete bei dem Schattenmann nieder. Nachdem er ihn ausgiebig in Augenschein genommen hatte, griff er in eine Tasche seines dunkelblauen Übergewandes und förderte ein Döschen zutage, das er behutsam öffnete. Hauchfeiner Staub befand sich darin, von dem der Mann eine Prise zwischen Daumen und Zeigefinger nahm und diese über die schemenhafte, wie Nebel wabernde Gestalt blies.
Der Staub fiel auf stoffliches Gewebe und sickerte dann ein. Der Schattenmann atmete tiefer. Dann schlug er die Augen auf. Langsam drehte er den Kopf und richtete seinen Blick auf den Mann. Seine Augen waren völlig schwarz, starr und leer, mit einer spiegelnden Oberfläche.
Der Nomade öffnete den indigoblauen Gesichtsschleier des Aleshu und offenbarte ein tief gebräuntes, hageres Gesicht, dessen alte Haut sich in hunderte Fältchen legte, als er lächelte.
»Ayoub«, sagte er und wies auf sich.
Der Schattenmann öffnete den Mund und versuchte zu sprechen, was ihm erst nach einer Weile gelang. Seine Stimme klang wie der ferne Wind der Wüste. »Du bist Imuhagh«, hauchte er. »Targi.«
Der Mann der Wüste nickte und grinste breiter. »Du hast einen weiten Weg hinter dir, scheint mir.«
Der Schattenmann ging nicht darauf ein. »Fürchtest du nicht den Totengeist, der dir in den Mund kriecht, weil du dein Gesicht entblößt?«
»Ich fürchte niemanden. Und du bist weder tot noch Geist.«
»Du täuschst dich …«
»Schweig still, Schattenmann. Ich kenne dich. Ich gebe dir, was du brauchst.« Ayoub hielt die flach ausgestreckte Linke über den Brustkorb des diffusen Wesens, die Rechte presste er fest in den Sand. Bald darauf glühte die rechte Hand wie von einem inneren Licht auf, und dann schoss ein Blitz aus dem Boden hervor und schlug in den Schattenmann ein.
Der Imuhagh löste die Verbindung und sank erschöpft in sich zusammen. Um nicht zu viel Flüssigkeit zu verlieren, schlug er das Tuch um den Mund. Jeder Atemhauch war zu kostbar, um in der Wüste verschwendet zu werden. Aus trüben Augen beobachtete er, wie der Schattenmann stofflicher wurde, das unstete Flackern der Gestalt hörte auf. Eine lange Kutte bildete sich schützend um ihn, Stiefel und Handschuhe, und dann richtete er sich auf und schlug die Kapuze über. In der Finsternis darunter entstanden zwei glühende Sterne dort, wo zuvor lichtlose Augen gewesen waren.
»Ich schulde dir Dank, Ayoub«, sprach der Schattenmann mit deutlich voluminöser Stimme, die an Tiefe gewonnen hatte.
»Du schuldest mir nichts«, winkte der Imuhagh ab. Er spürte den Blick des Verhüllten tief in sich dringen.
»Du bist eine wandernde Seele«, stellte er fest. »Mir ist, als müsste ich dich kennen … doch ich bin noch kaum bei mir.«
»Wir kennen uns tatsächlich«, stimmte Ayoub heiter zu. »Wie nennst du dich in dieser Epoche, mein Freund?«
»Wie in jeder.« Ein kurzes Zögern, als wäre er unsicher, dann sagte er langsam: »Ich bin … der Getreue. Doch abgeschnitten von dem, dem ich Treue schulde … ich kann mich nicht mehr erinnern …«
»Du bist auf der richtigen Fährte.« Ayoub deutete auf den Boden. »Instinktiv hast du die lebensrettende Ader gefunden. Sie ist immer noch stark, und deswegen bin auch ich immer noch hier. Mein ganzes langes Leben bewege ich mich an ihr entlang, und ich bin es nie müde geworden.«
»Warum bist du hier?«
»Der Wind flüsterte es mir und wies mir den Weg. Ich kam, um zu helfen.«
Der Getreue schien nachzudenken. »Wie viele von deiner Sorte gibt es noch?«
Ayoub hob die Schultern. »Nicht mehr viele, glaube ich. Die Geistersphäre leert sich. Es ist sehr still geworden, seit die Erste von uns gegangen ist …«
Der Getreue stieß einen schmerzvollen Laut aus. »Island …«, flüsterte er. »Ich erinnere mich, dort gewesen zu sein …«
»Etwas geschah, das alle Sphären erschütterte«, sagte Ayoub. »Und hier verändert sich seither die Sphäre. Die Grenzen sind geöffnet …«
»Warum bist du allein, Ayoub? Wohin gehst du?«
»Ich reise zumeist allein, doch wenn ich es möchte, finde ich überall gute Gastfreundschaft. Ich gelte als heiliger Mann, und außerdem bin ich reich. Mein Clan verwaltet mein Vermögen, längst ist er sesshaft geworden und der Gier nach Reichtum erlegen. Meine Leute sind keine Berber mehr und noch weniger Tuareg. Ich aber bin Nomade geblieben, ich kann nichts anderes sein. Meine Seele wohnt schon so lange hier, sie ist ein Teil der Wüste. Und wohin ich gehe? Als ob du das nicht wüsstest.«
Der Getreue schüttelte leicht den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich müsste es wissen, aber dem ist nicht so. Die Erinnerungen kehren nur langsam wieder … die Kenntnis …«
Ayoub wies auf die Wüste. »Ich gehe nach Gewas.«
»Die Oase Gewas? Ich kenne sie. Das … das Paradies? Du weißt, dass niemand sie finden kann, der sie sucht?«
»Und deswegen bin ich unterwegs. Meine Suche ist das Ziel. Wer hat mir das wohl beigebracht? Und sage nicht, die Oase gibt es nicht – Kufrah könnte es dereinst werden, seit ich den ersten Ölturm setzen wollte und Wasser fand, auch wenn es immer wieder Rückschläge gab.« Ayoub stand auf und klopfte sich den Sand aus der Kleidung. Sein Dromedar hatte sich inzwischen satt getrunken und Büsche abgeweidet. Jetzt senkte es den langen Hals und musterte seinen Herrn aus großen, sanften dunklen Augen, die von dichten Wimpern beschattet wurden. Die Mundwinkel waren leicht nach oben gezogen, als ob es lächelte. Ohne dass Ayoub etwas sagen musste, kauerte es sich hin. Die beiden zogen schon so lange gemeinsam durch die Wüste, sie verstanden sich ohne Worte und Befehle.
»Das verstehe ich nicht«, sagte der Getreue.
»Du wirst es, sobald du zu dir selbst gefunden hast«, erwiderte Ayoub und schwang sich in den Sattel, verschränkte die Beine vorn am Hals. »Deswegen musst auch du dich auf die Suche begeben.« Mit der Gerte wies er nach Süden. »aṣ-ṣaḥrā’ al-kubrā«, sagte er melodiös, mit erstaunlich junger Stimme. »Die sehr große Wüste.« Dann wies er nach Norden, wo sich graue Berge am Horizont abzeichneten. »baḥr bilā mā. Das Meer ohne Wasser. Geh Richtung Meer, durchquere die Wüste und gelange zum Ozean. Dort findest du den Anfang und den Träger. Das ist dein Weg, so wie der meine … die entgegengesetzte Richtung ist. Sei standhaft – du hast gut und gern neunhundertfünfzig Kilometer Weg vor dir.« Er zwinkerte.
Das Dromedar stemmte sich leise grunzend hoch und ragte schneeweiß über dem Getreuen auf. Unermüdlich wiederkäute es und drehte leicht den Kopf, als wolle es die Richtung erraten, in die es seinen Herrn gleich tragen würde.
»Warum?«, fragte der Getreue ratlos.
»Das fragst du?« Ayoub lachte leise. »Sieh es als Schuld an, die ich beglichen habe. Ich gebe dir zurück, was du mir einst gemacht hast. Das ist nur fair. Leb wohl!« Er schnalzte und zog am Riemen, während ein Fuß leicht an den Hals klopfte. Das Dromedar wendete und schaukelte im flinken Pass-Trab mit seinem Herrn in die wasserlose Dürre hinein.
Hitze breitete sich aus, und der Umhang des Getreuen dampfte. Er stemmte sich hoch und stand eine Weile gekrümmt, schwankend da. Nur langsam kehrte das Gefühl in die Gliedmaßen zurück, das Bewusstsein, einen Körper zu besitzen. Diese Existenzform war schwer, aber auch sehr intensiv. Er würde sich daran gewöhnen – falls er es schaffte, zu überleben. Das war nämlich noch keineswegs gewährleistet. Im Augenblick war er dankbar, überhaupt den Weg zurück gefunden zu haben und sich soweit zu sammeln, dass er neu beginnen konnte. Aber mehr als halbstofflich war er noch nicht.
Haltsuchend taumelte er zu einer Palme und stützte sich schweratmend dagegen. Nicht viel mehr als ein Fetzen wehenden Tuches, und doch zerrte ein schweres Gewicht an ihm.
Wer auch immer dafür gesorgt hatte, dass er Hilfe bekam, dem gebührte Dank. Aber hoffentlich war es nicht verfrüht. Als die Hand des Getreuen plötzlich durch den Stamm fiel, rutschte er haltlos zu Boden. Seine Gestalt flackerte erneut, bevor sie sich wieder einigermaßen verstofflichte.
Die Geistersphäre.
Der Getreue war erleichtert, als ihm dies einfiel. Dort stand sein dunkler Turm, der ihm die Kraft zurückgeben würde, die er brauchte.
Er konnte sich nicht erinnern, wieso er hier war, was ihn an den Rand der Vernichtung getrieben hatte. Island … dort musste es geschehen sein. Aber was?
Der Turm, er war jetzt sein Anker. Erst einmal in seiner Kammer, würde sich alles von selbst ergeben und klären.
Der Getreue konzentrierte sich und tauchte in die Geistersphäre ein. Doch er erreichte nicht mehr als das Zwischenreich. Weit in der Ferne sah er seinen dunklen Turm aufragen, aber er war zu schwach, um dorthin zu gelangen. Dieser Weg blieb ihm verwehrt.