0,00 €
Gratis E-Book downloaden und überzeugen wie bequem das Lesen mit Legimi ist.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 79
The Project Gutenberg eBook, Englands Wirtschaftskrieg gegen Deutschland, by Gustav Stresemann
This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have to check the laws of the country where you are located before using this ebook.
Title: Englands Wirtschaftskrieg gegen Deutschland
Author: Gustav Stresemann
Release Date: November 15, 2015 [eBook #50459]
Language: German
Character set encoding: ISO-8859-1
***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK ENGLANDS WIRTSCHAFTSKRIEG GEGEN DEUTSCHLAND***
Note:
Images of the original pages are available through the Staatsbibliothek zu Berlin. See
http://digital.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht/?PPN=PPN76952186X
Von
Dr. Gustav Stresemann
Mitglied des Reichstages
Deutsche Verlags-Anstalt Stuttgart und Berlin 1915
Alle Rechte vorbehalten Druck der Deutschen Verlags-Anstalt in Stuttgart Papier von der Papierfabrik Salach in Salach, Württemberg
Auf deiner Insel, neidisches England, du bist der Urfeind.
Schmidtbonn
Seit den Zeiten, in denen französische Eroberungslust unter Ludwig XIV. die deutsche Pfalz verwüstete, den Zeiten, von denen die Ruinen des Heidelberger Schlosses zeugen, gilt über Napoleon I. und seinen kleinen Namensträger Napoleon III. hinweg bis in die Zeiten der französischen Revanchepolitiker, der Augenblickserscheinung eines Boulanger und der Politik eines Delcassé, Frankreich schlechthin als der Erbfeind der deutschen Nation. Allen Deutschen war der Gedanke gegenwärtig, daß um das Deutsche Reich, welches auf den Schlachtfeldern errungen war, noch einmal auf den Schlachtfeldern gestritten werden müßte, um seine Existenz zu bewahren. Westwärts war der deutsche Blick in diesem Sinn gerichtet, und wenn in Stunden der Erinnerung an deutsche militärische Großtaten die Herzen sich weiteten und der Deutsche zum Ausdruck bringen wollte, daß er sein Vaterland schützen werde gegen jeden Angriff, der von außen käme, dann sprach er von der Wacht am Rhein und davon, daß Deutschlands schönster Strom mit dem Herzblut des deutschen Volkes verteidigt werden würde.
50 Jahre des Friedens hat uns Moltke als das Höchstmaß dessen genannt, was uns beschieden sein würde, bis wir wieder zum Schwerte zu greifen hätten. Ehe noch dieses halbe Jahrhundert verflossen war, ist der Weltkrieg ausgebrochen, der gegenwärtig in allen Erdteilen Kämpfer aufruft. Von dem ersten Augenblicke an, in dem es klar war, daß wir diesen Kampf zu bestehen hätten, da scholl wie in alter Zeit die Wacht am Rhein aus den Kehlen der Deutschen. Aber die Augen und der Sinn richteten sich nicht so sehr gegen Westen hin, wo Frankreich seine Heere aufgestellt hatte, um Revanche zu nehmen für Sedan und Metz und den Einzug in Paris, auch nicht so sehr nach dem Osten hin, wo Millionenheere bereit standen, um über deutsche Gaue herzufallen, wie nach der Nordsee, nach England.
Fast jeder der am Weltkrieg beteiligten Staaten hat in der Zwischenzeit Dokumente erscheinen lassen über den Ursprung des Krieges. Jeder sucht durch Zusammen Stellung von allerlei Beweisstücken die Verantwortung für den Ursprung des Krieges dem Gegner zuzuschieben. Für den Historiker späterer Zeiten werden diese Weißbücher und Gelbbücher, und wie sie alle genannt seien, ihren wenn auch bedingten Wert haben. Helfferich hat auf Grund einer Vergleichung dieser Dokumente das Wort von Rußland als dem Brandstifter dieses Krieges geprägt. Aber der Volksinstinkt, jene unwägbare Seelen Stimmung des Volkes, von der Bismarck einst sprach, hat längst erkannt, daß es sich in diesem Weltkrieg nicht handelt um die Mordtat in Serajewo und deren Sühnung, nicht handelt in erster Linie um russischen Expansionsdrang oder französische Revanchelust, sondern daß es den Kampf gilt zwischen England und Deutschland, einen Kampf um Leben und Tod, einen Kampf um Größe oder um Untergang, nicht herausgeboren aus völkischen und politischen Gegensätzen der Nationen, nicht herausgeboren aus dem Gefühl, empfangene Niederlage auf dem Schlachtfeld zu sühnen, sondern um einen Kampf, herausgeboren aus wirtschaftlichen Beweggründen, der als der gigantischste Wirtschaftskampf aller Zeiten dastehen wird und der im deutschen Volk lodernden Zorn mit vollem Recht deshalb ausgelöst hat, weil seine Motive letzten Endes in der aus dem Hochmutsgefühl der Weltherrschaftsbestimmung entspringenden Erregung gegen einen unbequemen Wettbewerber und in einem schrankenlosen Erwerbsdrang liegen. Das deutsche Gefühl, das seit Scharnhorsts Zeiten in dem Grundsatz der allgemeinen Wehrpflicht seine höchste Ehre sieht, wendet sich mit Verachtung hinweg von einem Land, das mit Söldnern seine Kriege führt, die alte Traumjörgnatur des Deutschen fühlt sich abgestoßen von der kühlen, rechnerischen Natur eines englischen Ministers, der davon spricht, daß dieser Kampf geführt werden muß bis zur letzten silbernen Kugel. Der Gegensatz Rom-Karthago steigt im 20. Jahrhundert erneut auf, und die Welt hält den Atem an, um zu sehen, wer in diesem Ringen Sieger bleiben wird.
Mit dieser Stimmung des deutschen Volkes gegen England sind vor allem die weitesten Kreise der Industrie und des Handels einig. Als die Nachricht von der Niederlage Englands bei St. Quentin an der Börse zu Hamburg bekannt wurde, da spielten sich dort Szenen eines Freudenausbruches ab, die man dem korrekt steifen Hamburger Kaufmannsstand kaum zugetraut hätte. Um die Jahreswende 1914 hat die „Korporation eines ehrbaren Kaufmannes” zu Hamburg in einer Kundgebung an den deutschen Reichskanzler als Empfindung der Hamburger Kaufleute zum Ausdruck gebracht, „sie (die Hamburger Kaufleute) achteten nicht der Verluste an Geld und Gut zu einer Zeit, da alle Söhne und Brüder voller Begeisterung in einen Kampf ziehen, der für die Erhaltung des Vaterlandes geführt wird und der nach so schweren Opfern nicht eher beendet werden darf, als bis die Zerstörer des Weltfriedens, vor allem das in seiner Kriegführung nicht nur dem Völkerrecht, sondern jeder Gesittung und Ritterlichkeit hohnsprechenden England gezwungen worden ist, Deutschland volle Freiheit in der friedlichen Weiterentwicklung seiner internationalen und wirtschaftlichen Kräfte zu gewährleisten”.
In gleichem Sinne hat der Vorsitzende der Bremer Handelskammer, Lohmann, an demselben Tage als Vertreter dieser Handelsstadt mit ihren vielseitigen Verbindungen zu England und dessen Kolonien der staunenden Frage Ausdruck gegeben, wie blinder Geschäftsneid gegen die erfolgreiche Weiterentwicklung seines deutschen Wettbewerbers England zur Kriegserklärung gegen Deutschland veranlassen konnte. Zur Erklärung verwies er auf die Worte des englischen Admirals Monk bei der Zerstörung von Neu-Amsterdam, jetzt Neuyork: „Was wollen wir uns erst mit Gründen abgeben? Was wir brauchen, ist mehr von dem Handel, den jetzt die Holländer haben.”
Beim 250jährigen Jubiläum der Hamburger Handelskammer klang es aus den Ansprachen Hamburger Kaufleute erneut heraus, daß Deutschland sich seinen Platz in der Welt von niemand nehmen lassen wolle, „von niemand, zum wenigsten von diesen Engländern, die diesen Krieg heraufbeschworen haben, von diesen Engländern, von denen Houston Stewart Chamberlain sagt, daß sie in ihrer Moral und als Staat morsch seien bis auf die Knochen. Neid und Niedertracht haben diesen Krieg hervorgerufen, weil wir es in der Welt, in Handel, Schiffahrt und Industrie vorwärts gebracht haben, weil wir fleißig gewesen sind und etwas gelernt haben.” Aus den Kreisen der deutschen Flotte klingt es noch stärker heraus: „Mit allen Fasern unseres Herzens müssen wir danach trachten, England zu vernichten. Wenn je ein Haß berechtigt war, so ist es der gegen England. England niederzuwerfen ist geradezu eine Kulturtat,” so sprach Vizeadmiral v. Kirchhoff in Gegenwart des Königs von Sachsen unter allgemeiner Zustimmung in Dresden.
Daß in diesem Ringen nach allen Seiten hin sich alter deutscher Waffenruhm bewähren würde auf dem Gebiet der Heereskämpfe, das hat niemand anders erwartet, daß er sich so herrlich bewähren würde auf dem freien Meere, das ist vielen in der Welt überraschend gekommen, während allerdings demjenigen, der die zielbewußte Arbeit der deutschen Flotte seit Jahren beobachtet hatte, von vornherein vor Augen stand, daß sie in glänzender Weise ihre Pflicht erfüllen würde. Mit liebevoller Anteilnahme ist der Deutsche den Waffentaten unserer jungen Flotte gefolgt, kann sich doch trotz allem, was an Poesie vergangen ist, seitdem die hohen Masten und Segel ersetzt worden sind durch die nüchternen Schornsteine, die Phantasie vielmehr knüpfen an den schlanken Rumpf eines Schiffes, das einen Namen trägt, der gewissermaßen Persönlichkeit verleiht, als wenn im Kampf der Millionen gegen die Millionen die Bedeutung der Einzelpersönlichkeit und der Ruhm einzelner Regimenter sich verliert und nur wie leuchtende Sterne Namen einzelner Heerführer hervorleuchten. Die kühnen Fahrten deutscher Unterseeboote, der Sieg des deutschen Geschwaders an der chilenischen Küste und sein heldenhafter Untergang an den Falklandsinseln, der prächtige Durchbruch der „Goeben” und der „Breslau” aus der Bucht von Messina, die Fahrten deutscher Schiffe an Englands Küste, die von Romantik umwobenen Taten der „Emden” und der „Karlsruhe”, davon wird man noch singen und sagen in späten Zeiten. Noch ist in dem Augenblick, in dem diese Zeilen niedergeschrieben werden, keine Entscheidung des Krieges gefallen, aber eines steht schon heute fest, daß etwas zugrunde gegangen ist, worauf Englands Weltherrschaft in der Welt zum größten Teil beruhte, daß zugrunde gegangen ist die Tradition von Englands Unüberwindlichkeit zur See, zugrunde gegangen die Tradition von Englands unüberwindlicher Flotte. Mit nüchternen Worten hat der Leiter der größten Dampfschiffreederei der Welt, hat Herr Ballin derjenigen englischen Zeitung, die ihm Kleinmut sowie den Ausspruch andichtete, daß die Möglichkeit eines erfolgreichen Ausganges des Kampfes gegen England ausgeschlossen sei, gesagt: „Meines Erachtens ist England heute schon besiegt, denn ein England, das in einem solchen Kriege seine Flotte versteckt und sich nicht mehr aufs Meer hinaus traut, hat aufgehört, das alte England zu sein. Es hat vor allen Dingen sich damit ein für allemal des Rechts begeben, mitzusprechen, wenn es sich um eine Frage des europäischen Gleichgewichts handelt.”