2,99 €
Das Staatsarchiv Hamburgs verrät uns, was kein (Staats-)Historiker zu wissen scheint: Noch im 18. Jhd. sind die christlichen Stiftungen (Heiligen-Geist-Hospital, Johannis-Klöster u. a.) die mit Abstand größten (!) Immobilien- und Kapitalbesitzer. Zumindest in Hamburg und Lübeck, aber vermutlich überall in Deutschland. Was natürlich sehr verwunderlich ist, da ja angeblich im 16. Jhd. (die Reformation und) eine sog. Säkularisation (d. h. Enteignung) der Kirchengüter stattgefunden haben soll. Allerdings entsteht ja sowohl die katholische als auch die evangelische Landes-Kirche auch überhaupt erst im 19. Jhd. Vorher war das Christentum und auch die Gesellschaft unstrittig genossenschaftlich-kommunitaristisch organisiert, was aber nur ganz wenige Experten wissen (z. B. H.-J. Bohnsack, Die Finanzverwaltung der Stadt Hamburg, 1992) und insbesondere den Wirtschaftshistorikern trotz diverser Nobelpreise merkwürdigerweise völlig unbekannt geblieben ist. Hat es also die Reformation (und die Säkularisation des 16. Jhds.) nie gegeben? Ist das ganze etwa eine Fiktion von devoten Staats-Beamten? Und ist die vorsätzliche Ignoranz demnach elementarer Bestandteil der sog. „wissenschaftlichen“ Geschichtsschreibung der staatlichen Universitäten? Die Antwort darauf finden wir ganz leicht schon im Inhaltsverzeichnis des Hamburger Staatsarchivs: Das Heiligen-Geist-Hospital hatte „beträchtlichen Grundbesitz“ und ist „1830 seines Landbesitzes zugunsten der Stadt verlustig gegangen.“ Das St. Johanniskloster „lag an der Stelle des heutigen Rathauses“, „1830 ging die Verwaltung des Landbesitzes“ an die Stadt über. (Zitierfähige Angaben in meinem Buch Roman Landau, „The Crime of the Century“) Da steht es also schwarz auf weiß. Das was angeblich schon 1529 unter dem Beifall der Bevölkerung veranstaltet worden sein soll, findet tatsächlich erst 1830 statt. (!) Und gleichzeitig schweigen sich alle Geschichtsbücher über diese Enteignung aus. Man darf dabei nicht vergessen, daß damals Armenfürsorge, Bildung, Wissenschaft, Kunst und Kultur fast ausschließlich in den Händen dieser in Wahrheit bürgerlichen (! und völlig unkatholischen) Stiftungen lagen.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Das Staatsarchiv Hamburgs verrät uns, was kein (Staats-)Historiker zu wissen scheint: Noch im 18. Jhd. sind die christlichen Stiftungen (Heiligen-Geist-Hospital, Johannis-Klöster u. a.) die mit Abstand größten (!) Immobilien- und Kapitalbesitzer. Zumindest in Hamburg und Lübeck, aber vermutlich überall in Deutschland. Was natürlich sehr verwunderlich ist, da ja angeblich im 16. Jhd. (die Reformation und) eine sog. Säkularisation (d. h. Enteignung) der Kirchengüter stattgefunden haben soll.
Allerdings entsteht ja sowohl die katholische als auch die evangelische Landes-Kirche auch überhaupt erst im 19. Jhd. Vorher war das Christentum und auch die Gesellschaft unstrittig genossenschaftlich-kommunitaristisch organisiert, was aber nur ganz wenige Experten wissen (z. B. H.-J. Bohnsack, Die Finanzverwaltung der Stadt Hamburg, 1992) und insbesondere den Wirtschaftshistorikern trotz diverser Nobelpreise merkwürdigerweise völlig unbekannt geblieben ist.
Hat es also die Reformation (und die Säkularisation des 16. Jhds.) nie gegeben? Ist das ganze etwa eine Fiktion von devoten Staats-Beamten? Und ist die vorsätzliche Ignoranz demnach elementarer Bestandteil der sog. „wissenschaftlichen“ Geschichtsschreibung der staatlichen Universitäten?
Die Antwort darauf finden wir ganz leicht schon im Inhaltsverzeichnis des Hamburger Staatsarchivs:
Das Heiligen-Geist-Hospital hatte „beträchtlichen Grundbesitz“ und ist „1830 seines Landbesitzes zugunsten der Stadt verlustig gegangen.“ Das St. Johanniskloster „lag an der Stelle des heutigen Rathauses“, „1830 ging die Verwaltung des Landbesitzes“ an die Stadt über. (Zitierfähige Angaben in meinem Buch Roman Landau, „The Crime of the Century“)
Da steht es also schwarz auf weiß. Das was angeblich schon 1529 unter dem Beifall der Bevölkerung veranstaltet worden sein soll, findet tatsächlich erst 1830 statt. (!) Und gleichzeitig schweigen sich alle Geschichtsbücher über diese Enteignung aus.
Man darf dabei nicht vergessen, daß damals Armenfürsorge, Bildung, Wissenschaft, Kunst und Kultur fast ausschließlich in den Händen dieser in Wahrheit bürgerlichen (! und völlig unkatholischen) Stiftungen lagen.
*
Vermögen ist (wie zu recht vermutet wird) eine wunderbare Sache. Es hat nämlich eine faszinierende Eigenschaft. Es vermehrt sich praktisch von allein. Bei Paul Samuelson, der das wichtigste Standardwerk zur politischen Ökonomie geschrieben hat, kann man lesen, daß man im 17. Jhd. bloß 24 Dollar benötigte, um den Indianern die Insel Manhattan abzukaufen. (Economics, 15th Edition, 1995) Und daß diese 24 Dollar andererseits, wenn man sie damals zu 6 Prozent angelegt hätte, genau dem entsprechen, was Manhattan heute wert ist, nämlich einige hundert Milliarden Dollar.
Allerdings sind diese legendären 24 Dollar „ein angenommener Wert“, den sich jemand im 19. Jhd. ausgedacht hat. Tatsächlich haben die Holländer den Indianern Waren im Wert von 60 Gulden für die Insel gegeben. (DIE ZEIT, Nr. 2, 4. Januar 2007) Unstrittig scheint aber eine Wertsteigerung von 17 Milliarden Prozent zu sein. „Das klingt astronomisch, entspricht aber einer jährlichen Rendite von bescheidenen 5,3 Prozent“, schreibt Christoph Drösser in der ZEIT. (Diese 5,3 Prozent sind übrigens ziemlich genau die Rendite, die heute mit Immobilien im Durchschnitt zu erzielen ist.)
*
Früher soll es viele eindrucksvoll-praktische Stiftungen gegeben haben. Z. B. schreibt E. Kleßmann (Geschichte der Stadt Hamburg) von einer, die den Armen regelmäßig ein Bad und ein Bier spendiert haben. Tolle Idee. Aber was ist aus diesen wunderbaren Stiftungen geworden. Niemand im Senat oder im Staatsarchiv konnte mir etwas darüber erzählen. Also ging ich deshalb ins Hamburger Staatsarchiv und blätterte in deren „Inhaltsverzeichnis“.
Zuerst guckte ich aber bei den großen kirchlichen Stiftungen nach, von denen ich wußte, daß sie enormen Landbesitz gehabt haben. Das St. Johanniskloster war früher Hamburgs größter Grundbesitzer. Und ich hatte in einem meiner Bücher (Anmerkungen zum Zivilisationsprozeß) schon vor Jahren großes Bedauern ausgedrückt, daß dieses und andere Klöster in der Reformationszeit ihr Vermögen verloren hatten. „Man kann sich kaum vorstellen, wie anders die Gesellschaft heute aussehen würde, wenn die Enteignungen der Klöster nicht stattgefunden hätten. Die Klöster könnten ihrem sozialen und ihrem Bildungsauftrag in einer Weise nachkommen, die jede staaliche Hilfe völlig überflüssig machen würde.“
Ich hatte damals die Reformation und die Reformatoren kritisiert, für ihre Bereitschaft, in ihrem antiklerikalen Fanatismus das Kind mit dem Bade auszuschütten. Umso erstaunter war ich jetzt, als ich las, daß das Kloster zwar „1529 aufgehoben“ wurde, aber seinen enormen Landbesitz erst im 19. Jhd verlor: „1830 ging die Verwaltung des Landbesitzes an die Stadt über.“ (zitierfähiger Quellennachweis in: R. Landau, The Crime of the Century, ISBN 978-3-9810723-6-5)
„1830 ging die Verwaltung des Landbesitzes“ an die Stadt über.
Ich las diese Stelle immer wieder. Wurde die Säkularisation etwa1529 bloß angekündigt, und erst 1830 verwirklicht? Aber alle Geschichtsbücher erwecken doch den Eindruck, daß damals gleich Nägel mit Köpfen gemacht worden sind, und die Kirche schon damals ihre großen Vermögen verlor.
Und wie ist es mit den anderen beiden großen Hamburger Stiftungen, dem St. Georgshospital und dem Heiligen Geist Hospital?
Auch das St. Georgshospital „wies einen ausgedehnten Grundbesitz auf“ und auch hier wurde „1830 sein Landgebiet an die Stadt abgetreten“. Und auch das Heiligen Geist Hospital „hatte beträchtlichen Grundbesitz“ und ist erst „1830 seines Landbesitzes zugunsten der Stadt verlustig gegangen.“
Das war nun allerdings wirklich erstaunlich. Wenn diese drei größten Stiftungen (christlicher Religion) erst 1830 ihrer Immobilien verlustig gingen, heißt das doch tatsächlich, daß die Säkularisation (zumindest in Hamburg) zum größten Teil erst 1830 (!) so richtig vollzogen worden ist. Dabei behaupten doch alle Historiker, daß die Säkularisation des kirchlichen Vermögens schon 1525 stattgefunden haben soll.Der ganze Vorgang des Jahres 1830 scheint den Geschichtsbüchern völlig unbekannt zu sein. Nirgendwo (!) außer hier im Staatsarchiv konnte ich einen Hinweis auf diesen gewaltigen Eigentumstransfer finden, der in seinem Umfang mindestens dem des Holocaust entsprechen dürfte.
Ich habe mir dann die Grundstücke des Johannisklosters genauer angesehen. Ihm gehörten tatsächlich hunderte von Grundstücken in den allerbesten Lagen der Stadt. Jemand der heute ein einziges dieser Grundstücke besitzen würde, müßte wohl nie wieder arbeiten.
Warum konnte eine so gewaltige Eigentumsübertragung so geräuschlos abgewickelt werden? Immerhin war der Ertrag des Vermögens ausdrücklich für die Armen vorgesehen. Warum haben die Armen nicht protestiert?
1830 ist nach herrschender Lehre die Zeit des sog. Vormärz. Da hat es nach Meinung der Historiker zwar Unruhen in Deutschland gegeben, aber die sollen sich angeblich nur auf den Wunsch nach einer Verfassung bezogen haben. !!?