Erinnerungen III - Georg Papke - E-Book

Erinnerungen III E-Book

Georg Papke

0,0

Beschreibung

Nun war ich in Westdeutschland angekommen - für mich eine ganz neue Welt. Alles war anders: die Menschen, die Umgebung und das Geld. Ich rechnete immer noch 1:5!Aber das Schlimmste war, dass ich glaubte, mich überall aus Dankbarkeit unterordnen zu müssen. Jetzt hieß es, zuerst das Selbstbewußtsein wieder aufzubauen, das mir die Stasi wohl recht beschädigt hatte.Es gelang!

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 316

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Ein Neuanfang ist nicht immer leicht. Besonders, wenn man sich unvermittelt in einer ganz neuen Welt wieder findet. Aber nur an Aufgaben kann man wachsen! Und das ist mir gelungen.

GLIEDERUNG:

1.00 Angekommen

2.00 Jochen und mein Trabi

3.00 Flüchtlingslager Gießen

4.00 Rückmeldung in Berlin

5.00 Das Nachspiel

6.00 Mein erster Job

6.01 Jobsuche

6.02 Nebentätigkeit

7.00 Erstes Autos im Westen

7

.

01 VW-Käfer

7

.

02 Renault

7

.

03 ID 19

8.00 Erster Urlaub Sylt

8.01 Campingplatz Sylt

8.02 Krabben fischen

8.03 Ein ganze Flasche Köm

9.00 Elfriede und Jürgen

10.00 Partnersuche!

11.00 Stockzahnball

12.00 Verlobung

13.00 1. FKK-Urlaub in Agde

14.00 Hochzeit

15.00 Unsere Hochzeitsreise

16.00 Götz, der 1. Sohn

17.00 Familien-Urlaub mit Götz

18.00 Arbeitsplatz-Wechsel

18.01 Kloster Zwiefalten

18.02 Meine neue Tätigkeit

19.00 Nicolai, der 2. Sohn

20.00 Urlaub alleine mit Götz

21.00 Familienurlaub Tigring

22.00 Unser 1. Wohnwagen

23.00 Götz lernt Fahrrad fahren

24.00 Sommerurlaub in Agde

24.01 Agde in Südfrankreich

24.02 Wieder Agde

24.03 Erster WW -Urlaub

25.00 Nici lernt Fahrrad fahren

26.00 Fahrrad-Ausflug Urach

27.00 Winterurlaub

28.00 Unser Familienleben

29.00 Urlaub mit Kinder alleine

30.00 Alb-Wanderung mit Kindern

31.00 Bregenzer Wald

32.00 Mit Fahrräder in Ju. He.

33.00 Technik-Freaks

33.01 Motorradfahren

33.02 Auto fahren

34.00 Ein Neuanfang

34.01 Ein neuer Versuch

34.02 Hoffnung

35.00 Hauskauf 81

35.01 Neu oder gebraucht?

35.02 Renovierung u. Einzug

36.00 Urlaub in Dänemark

37.00 Vaters Tod

38.00 Götz

38.01 Götz bis zum ABI

38.02 Wehrersatzdienst

38.03 Weltreisen

38.04 Berufsfindung

39.00 Götz zum Studium

39.01 Marth

39.02 Und danach?

39.03 Kastanienhof

40.00 Nici

40.01 Nici bis zum ABI

40.02 Ersatzdienst Nici

40.03 Nici zum Studium

40.04 Nici Auszeit

41.00 Nici wieder zum Studium

41.01 Kaiserslautern

41.02 Und danach?

42.00 Marokko mit WW

42.01 Vorbereitung

42.02 Anreise

42.03 Ashila

42.04 Meknes

42.05 Meski

42.06 Wüstenfahrt

42.07 Bei Einheimischen

42.08 Rückfahrt

42.09 Marakesch

42.10 Agadir

42.11 El Jadida

42.12 Heimfahrt

42.13 Besuch aus Marokko

43.00 Deutschland mit WW

43.01 Markdorf mit WW

43.02 Oberschwaben

43.03 Schwäbischer Wald

43.04 Saarland, Pfalz

43.05 Schwarzwald, Elsass

44.00 Ungarn-Rundfahrt

44.01 Vorbereitungen

44.02 Wien

44.03 Budapest

44.04 Weiter zum Plattensee

44.05 Heimreise

45.00 Mauerfall 89

45.01 Sensationelle Nachricht

45.02 Nach der Mauer

46.00 1.Wiedersehen mit Jochen

46.01 Rückblick

47.00 Ostdeutschland mit WW

47.01 Naumburg u. Leipzig

47.02 Weimar mit WW

48.00 Israel mit Fahrrad 91

48.01 Vorbereitungen

48.02 Anreise

48.03 Alleine nach Cäsaria

48.04 Auf nach Jerusalem

48.05 Endlich Jerusalem

48.06 Gemeinsam n.Ashkelon

48.07 Nach Beer Sheva

48.08 Mispe Ramon

48.09 Kibbuz Shisafon

48.10 Elat

48.11 Totes Meer

48.12 Wieder Jerusalem

48.13 See Genezareth

48.14 Nach Akko

48.15 Haifa

48.16 Zurück zum Flughafen

48.17 Heimflug

49.00 Pommernreise

50.00 Treffen nach 50 Jahren

51.00 2. Weimar-Treffen 2010

1.0 Angekommen

Nun war ich im Westen angekommen.

Gelandet bei meinen Eltern, die schon Jahre vorher hierher nach Baden-Württemberg geflüchtet waren. Sie lebten in dem kleinen Dorf Pliezhausen am Neckar nahe Reutlingen.

Die Reise war insgesamt für mich recht glatt und gut gelaufen, auch wenn es genügend Stolpersteine gegeben hatte.

Auch war Freitag, der Dreizehnte, für mich doch kein Unglückstag. Sondern – wenn man so will – sogar eher ein Glückstag.

Daran wollte ich auch künftig denken.

Schwimmen im nächsten Jahr durch das Schwarze Meer – was ich im schlimmsten Falle schon erwogen hatte - brauchte ich also nicht! Dafür musste ich mich jetzt hier frei schwimmen! Nun hieß es, sich zurecht zu finden. Gut, ich hatte hier wenigstens meine Familie, von den ich aber über 11 Jahre getrennt gelebt hatte, denn ich war schon mit 18 Jahren nach Weimar zum Studium gegangen, während meine Eltern damals noch in Mecklenburg wohnten.

Sie „fingen“ mich nun zwar sofort auf, aber „schwimmen“ musste ich schon selber.

Angekommen war ich nun, aber das nur physisch, denn ich hatte einen ungeheuren Nachholbedarf auf fachlichem Gebiet.

Hier war einfach alles anders.

Andere Materialien, auch andere Arbeitsbedingungen, andere Menschen und eine andere Umgebung.

Man konnte quasi aus dem Vollen schöpfen!

Anderes Geld – zu dem ich anfangs gar keinen Bezug hatte; immer noch rechnete ich 1:5!

Viele andere Menschen, die sich ganz anders verhielten, als ich es bisher gewohnt war.

Natürlich konnte ich zu Hause wohnen und mich auch von meiner Mutter etwas verwöhnen lassen. Doch das wollte ich nur für den Übergang gelten lassen.

Nun hieß es, sich zurecht zu finden. Doch es beschlich mich immer wieder ein ganz ungutes Gefühl. Vor lauter Dankbarkeit, dass ich der Diktatur entronnen war, glaubte ich mich immer und überall unterordnen zu müssen. Mit dieser demütigen Haltung passte ich so gar nicht in die rücksichtslose Ellenbogengesellschaft in Westdeutschland.

Na ja, würde ich wohl schon noch lernen – hoffte ich.

2.00 Jochen und mein Trabi

Was war jetzt am wichtigsten?

Zuerst an Jochen schreiben, damit er das Päckchen öffnete. Alles Weitere stand ja darin.

Das war am Montag, dem 16.9. 63; ein Tag nach meiner Ankunft. Heute, Montag, wäre in Berlin mein erster Arbeitstag nach dem Urlaub gewesen. Ob die mich wohl schon vermissten?

Eine Woche nach meinem Brief hatte ich bereits Antwort von Jochen, dass er sich vor 3 Tagen einen Trabi zugelegt hätte. Seit August ihn aber schon zur Probe fahren würde. Bis Ende September müsse er noch 1.600 Mark zurückzahlen, weil er sich das Geld geborgt habe. Das werde er aber noch in dieser Woche begleichen, weil er gerade Geld bekommen hätte.

Dies war für mich eine verschlüsselte Botschaft, die mir sehr, sehr wichtig war. So war ich wenigstens meine Sorge los, dass mein Kredit bei meinem Arbeitskollegen in Berlin abgezahlt war. Bei Jochen war das Geld eigentlich immer etwas knapp. Seit er verheiratet war, sicher erst recht. Aber, was er versprach, das hielt er auch. Und Jochen war damit relativ billig zu einem Trabi gekommen. Das war mir auch recht. Denn Jochen war ein Waisenkind, bei Stiefeltern aufgewachsen, wo er es nicht so prächtig hatte.

Mit meiner Schenkung hatte ich ihm auch mal etwas Gutes antun können.

3.00 Flüchtlingslager Gießen

Danach musste ich mich nun um mich und meine eigenen Papiere kümmern, ehe ich nach Arbeit suchen konnte.

Was hatte der Grenzbeamte gesagt, ich sollte nach Gießen ins Flüchtlings-Auffanglager gehen, damit ich ordnungsgemäß neue Papiere bekommen konnte.

Zwei Tage ruhte ich mich zu Hause erst mal aus, dann fuhr ich am 18.9.63 mit dem Zug nach Gießen.

Obwohl die Grenzen zwischen der DDR und Westdeutschland überall absolut dicht waren, gab es dort trotzdem erstaunlicherweise einige „Flüchtlinge“.

In der Anmeldung saß eine ältere streng aussehende, aber nette Sekretärin. Sie nahm meine Personalien auf und schickte mich mit vielen Formularen, die ich auszufüllen hatte, in das nächste Wartezimmer.

Dort saßen schon ein paar junge Männer aus Sachsen in bunten Cowboy-Hemden und Jeans und plauderten fröhlich.

Da kam die Sekretärin von der Anmeldung ins Zimmer schaute mich an und sagte recht barsch: „Kommen Sie mit!“

Sie meinte es aber gut, denn sie nahm mich beiseite und riet mir, hier vorsichtig zu sein. Es gäbe hier eine Menge undurchsichtige Gestalten!

„Hören Sie zu, aber erzählen Sie hier niemandem Ihre Geschichte, es gibt jede Menge Spitzel,“ schärfte sie mir ein.

Wieso sagte sie es gerade mir? Sah ich so vertrauenswürdig aus?

Sie wird ihre Gründe gehabt haben.

Als ich wieder in den Warteraum kam saßen die jungen Männer aus Sachsen immer noch da und erzählten gerade wie sie über die Grenze gekommen waren.

Sie seien einfach nach Berlin gefahren, hätten in einer Kneipe ein paar Bier getrunken und dann am Abend zur Grenze und „nieber gemacht“!

Nah, wer das glaubt?!

Ich jedenfalls nicht, denn lange genug hatte ich in Berlin ganz nahe an der Sektorengrenze gewohnt - es waren keine 200 Meter!

Dort hätte ich es nie probiert! Wenn man auch nur in die Nähe der Grenze kam, blickte man sofort in mehrere Maschinenpistolen-Läufe. Das wusste ich noch zu genau von dem „Grenzbummel“ mit meinem ehemaligen Studienkollegen Ohmi vor ein paar Wochen. Ich gab dazu aber keinen Kommentar ab, sondern hörte immer nur interessiert zu.

Die Prozedur hier dauerte 2 Tage. Alle Geheimdienste von USA, Frankreich, England und BRD waren vertreten.

Jeder stellte ganz präzise Fragen zu meiner Flucht. Z.B. ob an einer bestimmten Stelle eine Türe oder ein Fenster im Gebäude gewesen sei, usw.!

Damit überprüften sie scheinbar meine Glaubwürdigkeit oder/und sie wollten damit ihre eigenen Informationen aktualisieren.

Am Ende wurde ich gebeten, meine Story nicht an die Presse zu verkaufen. Damit wollte man meinen Fluchtweg eventuell noch für andere Personen nutzen, so wie es mir schon in der Botschaft in Belgrad gesagt worden war. Zum Schluss wurde ich als neuer Bundesbürger verabschiedet und erhielt Papiere mit denen ich mir einen ordentlichen Ausweis in Tübingen ausstellen lassen konnte. Das war für mich schon wichtig, denn ich wollte keineswegs als illegaler Zuwanderer gelten.

4.00 Rückmeldung in Berlin

Als ich wieder in Reutlingen war, fiel mir das letzte Gespräch mit der ehemaligen Sekretärin Elfriede in Berlin ein. Sie hatte mir doch auf den Kopf zu gesagt, dass ich dann aus Westdeutschland wenigstens mal schreiben sollte.

Also schrieb ich.

Auf meinen Brief kam kurz darauf die Bitte, meine Reise ganz genau zu beschreiben und an eine Westberliner Adresse zu Bekannten von ihr zu schicken. Die kämen regelmäßig zur Leipziger Messe und könnten dann den Brief übergeben.

Ich schrieb einen laaaaaaangen Brief, mit allen Details meiner Flucht. Ganz besonders hatte ich auf die Tücken hingewiesen, wie z.B. den Spitzel in Belgrad. Das sollte ihnen nicht passieren.

Dann hörte ich aber nichts mehr aus Berlin.

5.00 Das Nachspiel

Bereits am 16.10.63, also genau einen Monat nach meinem Urlaub, erhielt ich Post von einem Kollegen meiner ehemaligen Baustelle. Es war Jürgen Schulze, genau der Kollege, den man immer für einen Spitzel gehalten hatte. Er schrieb mir:

„Nach meinem nicht regelmäßigen Erscheinen in Berlin habe man alle möglichen Spekulationen angestellt. Von krank, ertrunken, Pocken, bis Flucht über Istanbul oder Athen sei vermutet worden.“

Aber auf Jugoslawien war man wohl nicht gekommen! Er schrieb, dass er nicht beauftragt sei, sondern aus eigenem Anlass schreibe. Eigentlich wollte er mir nur mein Baustellen-Notizbuch nachschicken.

Meine Adresse hätte er „über 7 Ecken von meiner ehemaligen Freundin“ erhalten. Die kannte aber meine neue Adresse eigentlich gar nicht und er kannte wiederum mein ehemalige Freundin nicht! Es passte also nichts richtig zusammen. Ohne nachzuhelfen konnte diese Verbindung gar nicht zustande gekommen sein!

Wissen wollte er von mir, über welches Land ich geflüchtet sei. Und wo ich meinen Trabi gelassen hätte. Also nach dem Trabi hatten sie doch gesucht! Damit meine Antwort nicht in der „Kaderleitung“ landen sollte, könnte ich unter falschem Absender an ihn privat schreiben. Da war mir ganz klar, dass dahinter nur die Stasi stecken konnte. Also hieß es für mich weiter auf der Hut zu sein! Jedenfalls schrieb ich nicht zurück!

Natürlich hatte meine Flucht auch noch ein gehöriges Nachspiel für Jochen und Sofia in Berlin, das ich aber erst 1990 bei unserem ersten Wiedersehen in Weimar von Jochen persönlich erfuhr.

Die Stasi ging davon aus, dass er von meine Flucht gewusst haben müsste und deshalb verhörten sie ihn mehrfach. Als aber am Ende nichts heraus kam – denn er wusste ja wirklich nichts – ließ man ihn in Ruhe. Man legte ihm aber nahe, sofort jeden Kontakt zu mir abzubrechen. Andernfalls hätte es berufliche Konsequenzen für ihn. Er war zu dem Zeitpunkt Abteilungsleiter in einem Ausbaubetrieb und hatte Aussicht Betriebsleiter zu werden. Also brachen wir jeglichen Kontakt sofort vollständig ab.

Am 28.1.64 kam mir ein Gedanke – wohl ein Tipp von „meiner Großmutter.“ Ich schrieb an die VP-Inspektion Berlin-Mitte und bat um die offizielle Abmeldung. Ich würde dafür meinen Personalausweis zurückschicken. Natürlich erhielt ich darauf keine Antwort.

Aber auch die Gegenseite blieb weiterhin nicht untätig. Nach dem Brief meines Arbeitskollegen Schulze aus der Bauleitung war erst eine Weile Ruhe.

1967 oder 68 , wir wohnten schon in Pfullingen, klingelte das Telefon. Es meldete sich Iwan, der junge Bulgare, aus Berlin. Ob es aber wirklich Iwan war oder nur jemand in seinem Namen anrief, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Denn ich war gerade nicht zu Hause und Ruth, meine Frau, hatte das Gespräch entgegen genommen und den Anrufer einigermaßen abgewimmelt. Daraufhin meldete sich aber keiner mehr. Seither hatte ich aus der Richtung tatsächlich Ruhe.

6.00 Mein erster Job

6.01 Jobsuche

Inzwischen hatte mir mein Bruder 1000 DM geliehen, damit kaufte ich mir für 850 DM eine gebrauchtes Auto. Ich fand günstig einen alten VW Käfer, mit dem ich aber nie so recht warm wurde, weil ich doch Vorderrad-Antrieb vom Trabi gewohnt war.

Dann ging es an die Arbeitssuche.

Doch da gab es ein Problem. Ich hatte ja keine Papiere mitgenommen – wie sollte ich mich nun ausweisen, wie sollte ich beweisen, dass ich in Weimar mein Diplom gemacht hatte.

Da viel mir ein, ich hatte ja meinem Bruder Wolfgang bei seinem letzten Besuch im Sommer bei mir in Berlin einige Dokumentenfilme mitgegeben auf denen ich alle meine Dokumente fotografiert hatte.

Mit denen ging ich in Reutlingen zu einem Fotografen und ließ mir DIN A 4 -Abzüge machen. Eine andere Möglichkeit der Abzüge gab es damals wohl noch nicht.

Dazu erklärte ich beim Notar eidesstattlich, dass alle Unterlagen genau den Originalen entsprachen und nicht gefälscht seien.

Damit stellt ich mich dann bei verschiedenen Architekturbüros vor. Als ich dazu jeweils die Story von den fehlenden Originaldokumenten erzählte, hatte ich keine Probleme.

Meine Arbeitssuche ging schnell und verlief positiv, denn Arbeitskräfte waren gerade Mangelware. Aber kein Büro entsprach meinen Vorstellungen. Die einen waren nur Ein-Mann-Betriebe, wo man schnell zum Hansel für jeden Dreck gemacht würde. Die großen Büros dagegen waren mir zu unpersönlich und es gab keine geregelte Arbeitszeit mit vielen unbezahlten Überstunden. Auch Bauleitungen waren dabei. Leider waren aber gerade keine Bauleiterstellen im Ausland frei und neue Projekte gab es nicht. Bei den kleinen Baustellen roch es ganz verdächtig nah Bestechung. Denn mir wurde schon vorher erklärt, dass man keine Autoschlüssel als Geschenk annehmen dürfe.

Dann fand ich unter anderem auch ein Angebot beim Uni-Bauamt in Tübingen. Da wurden gerade einige, riesige Universitätsbauten geplant. Die Arbeit schien interessant und ich nahm die Stelle an.

Der Job war allerdings doch recht langweilig, denn jeder strickte irgendwo an einem Detail, ohne zum Gesamtprojekt einen rechten Bezug zu haben. Aber das Problem löste sich schnell von selbst. Eines Tages bestellte man mich in die Personalabteilung. Dort wurde mir erklärt, dass es in Westdeutschland eine Vorschrift gäbe, nach der Republik-Flüchtlinge 5 Jahre lang nicht beim Staat beschäftigt werden dürften.

Um Klarheit zu bekommen fuhr ich nach Stuttgart zum Bundesnachrichtendienst. Dort öffnete mir der Pförtner nur ein kleines Fenster und fragte:

“Was wollen Sie?“

„Einen kompetenten Beamten sprechen.“

„Worum geht es?“

„Genau das möchte ich mit dem Beamten besprechen!!!“

Danach wurde ich in einen Raum gelassen, in dem nur ein Schreibtisch und zwei Stühle standen. Irgendwie kam ich mir so vor, als wenn ich bei der Stasi war, denn genau so wurden deren Büros auch beschrieben. Nach einer Weile kam dann durch eine andere Türe tatsächlich ein anderer Beamter. Der machte allerdings einen sehr netten Eindruck auf mich und fragte sofort nach meinem Problem.

Ich wollte genau wissen, ob etwas gegen mich vor lag. Denn schon wieder beschlichen mich heimliche Ängste, es könne mich jemand wieder auf Schritt und Tritt verfolgen. Und ich sagte gerade heraus, dass ich das was ich in der DDR und in Belgrad erlebte hatte, nicht noch einmal durchmachen wolle!

Er beruhigte mich und erklärte mir, dass meine Entlassung reine Formsache sei. Es gäbe diese Vorschrift wirklich. Ich werde aber keineswegs verdächtigt oder gar beschattet. Nach Ablauf der 5 Jahre könne ich ohne Probleme wieder zum Staat gehen.

Damit war ich zufrieden und fuhr beruhigt wieder nach Hause.

Also suchte ich mir bei einem Freien Architekten in Reutlingen eine neue Arbeitsstelle. Es war das Architekturbüro Schaber, das neben seinem Büro für ein großes Gemeinschaftsprojekt gerade neue Leute suchte.

So landete ich im „Planungsbüro Kreiskrankenhaus Reutlingen“. Es bestand aus dem Büro Schaber, Büro Schirm und dem Landkreis Reutlingen, mit Sitz im Landratsamt in Reutlingen. Alle zusammen waren wir anfangs 5, später 8 Leute.

Die Kollegen waren nett und die Arbeit war zwar hart machte aber viel Spaß, so verging schnell die Zeit. Weil wir direkt neben der Baustelle saßen, konnten wir auch den Baufortschritt täglich mit verfolgen. Natürlich sprach ich knifflige Dinge immer direkt mit den Handwerkern ab, das hatte ich in Berlin so gelernt.

Wie gesagt hatten wir zwei Chefs: Schaber, der sich selbst für einen genialen Entwerfer hielt war am Anfang schon gefragt. Wobei aber die Ideen von Schaber oft gar nicht realisierbar waren, weil sie mit einem viel zu dicken Stift dargestellt waren.

Bei Wettbewerben, bei denen sein eigenes Büro mitmachte, erstellte er immer die Fassaden-Zeichnungen. Bei einer Wettbewerbs-Beurteilung war ihm bescheinigt worden, dass der Entwurf zwar sehr gut, aber die Fassaden total unrealistisch dargestellt wären.

Schirm, der zweite Chef, der mehr für die Ausführung und für das Detail zu haben war, betätigte sich dann mehr bei den Ausführungszeichnungen.

Die erste Zeit bestand darin mehrere Vorschläge für den Gemeinderat zu erarbeiten, um die Genehmigung zu erhalten.

Dabei ging manche halbe Nacht drauf. Herr Schaber kam oft erst gegen 20.00 Uhr frisch geduscht dazu, um zu „helfen“.

Die erste Frage war dann immer: „Habt ihr nicht Hunger?“

Er würde jetzt für jeden ein Brathähnchen holen – wobei er sich dann immer selbst zwei mal zählte.

Er hatte seine Portion auch immer zuerst gegessen und schaute dann ganz neidisch auf unsere Teller.

Auch die Besprechungen mit den Ärzten fanden immer erst nach Feierabend statt, weil ja die Ärzte früher keine Zeit hatten. Für die Überstunden versprach er uns dann am Ende zusätzlichen Urlaub. Doch das vergaß er bald wieder.

Die Planung für das Krankenhaus und die Ausführung der einzelnen Gebäude war zwar sehr umfangreich, ging aber 1969 so langsam dem Ende entgegen. Schaber deutete schon gelegentlich an, dass er mich bald in sein eigenes Planungsbüro holen wolle. Doch davon hielt ich gar nichts. Der Laden gefiel mir nicht. Und so überlegte ich mir eine Alternative. Ich bewarb mich beim Staatlichen Hochbauamt und kündigte bei Schaber. Prompt kam er und legte mir so viel Geld zu, dass ich bei ihm etwas mehr bekam, als im Hochbauamt bekommen würde. Das nahm ich zwar noch zwei Monate mit, ging dann aber doch zum Staatlichen Hochbauamt - trotz Werben durch Herrn Schaber.

6.02 Nebentätigkeit

Eines Tages fragte mich mein Arbeitskollege Zilz, ob ich an einem Neben-Job interessiert sei. Da könne man viel Geld verdienen, das er für seine junge Familie dringend bräuchte. Er kenne ein Planungsbüro für Stadtplanung, das einen Auftrag bekommen hätte, ein Feuerwehrgeräte-Haus in Bad Urach zu planen. Selbst habe es aber nicht die Leute dafür. Das Büro lag mitten in der Stadt Reutlingen und hätte genug Platz für unser beiden Arbeitstische. Der Chef war ein junger, netter Architekt und die Arbeit sagte uns auch zu. Also schlossen wir per Handschlag mit Herrn Burkhard eine Vertrag und begannen unmittelbar danach unsere Tätigkeit, indem wir unmittelbar nach Dienstschluss ins Büro Burkhard gingen. Die Arbeit machte Spaß und war interessant, da merkte man gar nicht die doppelte Belastung. Denn jeden Tag wurde es fast 20 Uhr bis ich endlich nach Hause kam. Das steckten wir beide aber locker weg.

Unsere eigentliches Büro war am Anfang im Landratsamt. Dort fragte mich eines tages ein Kollege, ob ich nicht nebebei ein kleines baugesuch für ihn zeichnen könnte. Auch da sagte ich zu, obwohl ich nun gar keine Freizeit hatte. Aber was macht man als junger Mensch nicht alles ,ohne dass es einem zu viel wird.

Jedenfalls war ich damit eine Sorge los, das liebe Geld.

Ich sagte daraufhin meiner Mutter, dass ich wieder selbstständig sein wolle und suchte mir in der Stadt eine Einzimmer-Wohnung, wo ich in Ruhe eine Teil meiner Nebentätigkeit machte. Auch neue Möbel konnte ich mir jetzt leisten. Mein Zimmer war zwar möbliert, es fehlte aber doch noch an Kleinigkeiten. Die konnte ich mir jetzt leisten. Couchtisch und Sitzgelegenheiten bastelte ich mir aus einem gekauften Rohrsystem alle selbst.

Jetzt war sogar manchmal noch etwas Zeit zum verschnaufen.

7.00 Meine ersten Autos im Westen

7.01 VW Käfer

Mein erstes Auto in Westdeutschland war also ein VW Käfer in schwarz und noch mit geteiltem Heckfenster. Der war unverwüstlich und sehr robust, hatte aber Hinterrad-Antrieb, an den ich mich erst gewöhnen musste. Im Gegensatz dazu hatte mein erstes Auto, der Trabi, Hinterantrieb gehabt. Schwierig wurde es im Winter, zumal ich damals keine Winterreifen fuhr, wohl aus Kostengründen. Aber ich kam trotzdem durch den Winter.

Mein erster Käfer

7.02 Duphine von Renault

Mein nächster fahrbarer Untersatz war Dank Wolfgang Bayer, meinem Schwager, inzwischen eine ganz liebe „Dauphine“ von Renault. Wolfgang fuhr zu dem Zeitpunkt selbst diesen Auto-Typ und war ganz begeistert davon, weil man an dem Auto alles selbst machen konnte.

Renault Dauphine, mein 2. Auto

Leider hatte die Dauphine aber nur drei Gänge statt vier, wie die meisten Fahrzeuge zu dem Zeitpunkt Das stellte sich im Kolonnen-Betrieb als sehr nachteilig heraus, denn dann musste man ständig schalten. Ich hatte den Wagen recht günstig gebraucht von einer Stuttgarterin gekauft, die nur wenige Kilometer gefahren war. Das Schmuckstück hatte sogar Weißwandreifen, was sehr selten war. Der einzige Nachteil war aber, dass alle französischen Autos sehr schnell und stark rosteten. Das merkte zuerst Wolfgangs an seiner Dauphine. Weil die senkrechten Holme schon stark angerostet waren goss er sie kurzerhand einfach mit Beton aus! Dadurch bekam der Wagen eine „satte“ Straßenlage! Damit wäre er heute nicht mehr durch den TÜV gekommen. Aber damals sah der wohl gerne auch über solche Details hinweg. Auch an meiner Dauphine stellten sich bald Roststellen ein, die ich aber sofort behob.

7.03 ID 19

Eines Tages fuhr ich in einem Vorort an einer Autowerkstatt vorbei. ich hielt und wollte mir einige Gebrauchtwagen ansehen. Vor einem Citroen ID 19 blieb ich unwillkürlich stehen und betrachtete ihn ganz genau. Er erinnerte mich an Berlin, wo ich zum ersten mal so ein Auto gesehen hatte. Schon damals hatte mich seine revolutionäre Konstruktion fasziniert. Wieder stand ich vor dem Fahrzeug und bewunderte es, genau wie damals!!!

Genau in dem Moment stand der Chef hinter mir und fragte, ob mir der Wagen gefalle. Da ich das bestätigte, bot er mir sofort eine Probefahrt an. Nach der Probefahrt, die vorsorglich er selbst steuerte, war ich noch mehr begeisterter! Zwar hatte er bereits ein andere Türe, was man an der anderen Farbe sah, aber technisch sei der Wagen General überholt, wurde mir versichert.

Gespannt war ich auf den Preis?

Er würde mir den Wagen für 1.800 DM verkaufen, das sei ein Schnäppchen, meinte er!

Noch am gleichen Tag wurde ich stolzer Eigentümer eines Citroen ID 19!

Citroen Id19, mein 3.Auto

8.00 Erster Urlaub auf Sylt

8.01 Campingplatz Sylt

Im Nu war der erste Sommer wieder da, der Sommer 64. Nach der vielen Arbeit hatten wir alle einen Urlaub verdient. So auch ich, obwohl ich erst ein knappes halbes Jahr bei dieser Truppe war. Aber Herr Schaber hatte ja vollmundig für die vielen Überstunden zusätzlichen Urlaub versprochen.

Doch als ich den Urlaub beantragen wollte, war mein Chef gar nicht erreichbar. Also wandte ich mich an Herrn Schirm, den zweiten Chef. Der genehmigte mir natürlich sofort eine Woche zusätzlichen Urlaub. Er versprach mir, dies mit meinem Chef Schaber zu klären.

Ich beschloss mit dem Zelt nach Sylt zu fahren. Also fuhr ich unbeschwert und gut gelaunt für zwei Wochen auf die „Insel“, um mal so richtig wieder auszuspannen.

Ich lud mein Wägelchen voll und fuhr gen Norden. Es war eine wunderbare Fahrt, denn damals waren die Straßen noch nicht so voll. Ich schaffte es an einem Tag, erwischte gegen Abend auch noch einen Autozug von Nibüll und stand rechtzeitig vor Sonnenuntergang zum Zeltaufbau in Westerland auf dem Campingplatz von Sylt. Ich hatte Glück, denn das Wetter war fast die ganze Zeit recht schön. Für schlechtes Wetter hatte ich einen dicken Strickpullover und eine Lederjacke dabei, die ich mir auf der Anreise in Stuttgart gekauft hatte.

Der Campingplatz war recht einfach, lag dafür aber direkt hinter der Düne. Und davor war ein FKK-Strand – nicht schlecht, dachte ich. Kannte das ja schon von Prerow.

Meine Ausrüstung war bescheiden, was ich ja von der DDR gewohnt war. Zelten muss einfach urig sein, sonst kann man ja zu Hause bleiben. Natürlich gab es einen Waschraum und sogar Duschen mit warmem Wasser, jedoch die nur gegen bare Münze. Als ich eines morgens in den Waschraum kam stand da schon ein Mann. Auf meinen Morgengruß kam aber keine Antwort. Nachdem mir das mehrmals passiert war fragte ich einen anderen Mann, ob der taubstumm sei. „Nein“,sagte der, „Das ist ein Schwabe.“

Erst viel später konnte ich mir erklären, warum der Mann so stumm war. Er hatte einerseits das Problem, dass er die Norddeutschen nicht verstand und andererseits hatte er Angst man würde über ihn lästern, schon wegen des Morgengrußes „Grüß Gott“, was ja in Norddeutschland gar nicht üblich ist. Also schwieg er lieber.

Ich hatte nette Nachbarn, es waren meist junge Studenten, zu denen ich mich ja ohnehin noch recht hingezogen fühlte. Meistens waren wir am Strand, bauten eine Strandburg gegen den leichten Wind, spielten Volleyball oder klönten miteinander. Mit Dieter hatte ich mich besonders angefreundet und weil er kein Auto hatte unternahmen wir auch manchen Ausflug miteinander mit meinem Auto.

Einen Tag fuhren Dieter und ich ganz an die Nordspitze der Insel, vorbei an ellenlangen einsamen Sandstränden, bis nach List. List war damals ein kleines idyllisches Nest mit einem Fischerhafen. Jeden Morgen kamen die Fischkutter zurück vom Fang und verluden die Fische und Krabben sofort in Kühlfahrzeuge. Natürlich konnte man auch fangfrische, gekochte Krabben sofort an einem Stand kaufen. Neugierig wie wir waren, kaufte jeder eine Tüte Krabben und machten uns an die „Arbeit.“ Denn für einen ungeübten Krabbenesser ist das wahrlich eine Arbeit. Entweder isst man den halben Panzer mit oder es bleibt die Hälfte Fleisch drin noch stecken. Dazu kommt noch, dass einem die Einheimischen gerne auf die Finger schauen und das macht dann noch unsicherer. Also wir schafften unsere Tüten leer zu essen und wurden nun neugierig, wie die wohl gefangen werden. Ich schlug vor doch mal zu probieren mit einem Krabbenfischer mitzufahren. Dieter war begeistert. Darauf ging ich an der Mole entlang und suchte mir den größten Kutter aus. Auf meine Frage, ob wir wohl mal mitfahren könnten, musterte uns der Kapitän recht genau und sagte dann zu.

„Wenn ihr wollt, könnt ihr heute Abend mitfahren. Seid aber pünktlich um 8.00 Uhr hier, dann geht es los.“

Freudig fuhren wir nach Hause und genehmigten uns noch eine Nase Schlaf, denn der Nachtschlaf würde ja wohl ausfallen.

Als es Abend wurde zog aber ein kräftiges Gewitter auf. Es goss so kräftig, dass alle Straßen unter Wasser standen. Wir warteten ab. Als der Regen etwas nachließ fuhren wir los. Eigentlich kamen wir schon etwas zu spät an. Aber der Kapitän beruhigte uns, denn bei Gewitter fahre man ohnehin nicht hinaus.

8.02 Krabben fischen

So gegen 20.30 hatte sich das Gewitter verzogen und der Motor wurde angeworfen. Der ganze Kutter begann sich zu schütteln. Dass das Material so eine Erschütterung auf die Dauer überhaupt aushält, war da unser Gedanke. Meistens geht es gut, aber manchmal gibt es auch Pannen und Probleme.

Wir hatten nicht nur den größten Fischkutter rausgesucht, sondern auch den cleversten Kapitän erwischt! Der wusste genau, wo die meisten Krabben zu finden waren. Dazu getraute er sich sogar in dänische Hoheitsgewässer, machte die Bordbeleuchtung aus und „fischte sozusagen im Dunkeln“. Wir waren dem Land so nahe, dass wir bereits die beleuchteten Fenster einzeln erkennen konnten.

Dann wurde auf jeder Seite des Kutters ein riesiges Schleppnetz ausgeworfen, das so alle Stunde einmal eingeholt wurde.

Die Ausfahrt und das erste Schleppen des Netzes dauerte eine ganze Weile. Der Kapitän meinte, wenn es uns langweilig werden würde könnten wir ruhig in die Kombüse gehen. Im Kühlschrank wäre genügend zu essen und wenn wir müde wären, könnten wir uns auch in die Kojen hauen.

Wir zogen uns tatsächlich zurück, aßen etwas und legten uns hin, denn oben war es jetzt nach dem Regen empfindlich kalt geworden. Aber jedes Mal wenn der Kapitän das Netz hochzog vibrierte das ganze Schiff dermaßen, dass wir beide wach wurden und im nächsten Moment wie die Soldaten an Deck standen.

Jetzt gab es viel zu tun, denn es musste schnell der eingeschwenkte Sack am Ende des Schleppnetzes geöffnet, danach wieder zugeknüpft, ausgeschwenkt und wieder ins Meer gelassen werden.

Dann wurde der Fang sortiert. Die großen Fische getrennt nach Arten in die Kisten und die kleinen wieder über Bord. Die größte Arbeit war das Krabben aussortieren. Dazu gab es zwar eine Sortiermaschine, aber es blieb noch viel Handarbeit, denn es befand sich sehr viel anderes Krabbelzeug darunter. Die lebenden, glasigen Krabben wurden dann ans Heck getragen, wo bereits ein Kessel mit kochendem Wasser brodelte. In dem Moment wie man sie hinein schüttet sind sie sofort tot und nehmen eine rosa Farbe an. Dann wurden sie wieder heraus gefischt und in Fischkisten verteilt, die am Heck gestapelt wurden.

Die zwei Mann Besatzung waren heil froh, dass wir ihnen so kräftig geholfen hatten. Mit über 50 Kisten voller abgekochter Krabben fuhren wir am nächsten Morgen wieder Richtung Heimat.

Doch dann begann der Motor zu stottern! Kurze Inspektion! Ein Kapitän muss auch von der Technik etwas verstehen. Der Motor lief wieder, aber nicht auf allen Zylindern, also konnten wir nur mit halber Kraft fahren. So gegen 10.00 Uhr, anstatt sonst 8.00 Uhr, liefen wir erst wieder in den Hafen von List ein. Die Tiefkühlwagen standen schon da und so wurde schnell umgeladen.

Für uns war die Fahrt auch zu Ende. Wir bedankten uns beim Kapitän dafür, dass er uns mitgenommen hatte. Er bedankte sich bei uns für die ausgezeichnete Hilfe und drückte jedem eine dicke Tüte Krabben und ein Paket frischen Fisch in die Hand.

„Oh ne, bloß keine Krabben, ich kann die nicht mehr riechen“, sagte ich zu ihm. Er beruhigte mich:“ Schlaft erst mal richtig aus und lasse die Krabben kalt werden, dann schmecken sie euch schon wieder.“

Als wir wieder an Land waren schaute ich Dieter an und musste kräftig lachen. Er lief als hätte er die Hosen voll. Bei jedem Schritt knickte er leicht ein. Dann fing er an über mich zu lachen, denn ich lief offensichtlich ebenso. Kaum zu glauben, dass man nach einer Nacht auf einem Kutter sich schon einen Seemannsgang angewöhnt hat!

Das verlief sich aber bald wieder.

Auf dem Campingplatz wurden wir schon sehnsüchtig erwartet. Hatten wir gestern durch den Regen doch ganz vergessen uns bei den anderen abzumelden. Wir erzählten unsere Erlebnisse und aßen gemeinsam die beiden Tüten Krabben aus, sie schmeckten sogar uns schon wieder.

8.03 Eine ganze Flasche Köm

Dann kamen auch mal ein paar schlechtere Tage. Es war ein rechter Wind aufgekommen und die Sonne hatte sich versteckt. Ich entschloss mich zu einem ausgedehnten Strandspaziergang. Nach etwa 3 Stunden war ich wieder an unserem Strandabschnitt mit den Strandkörben. Direkt unterhalb des Strandwärters, der ein Häuschen oben auf der Düne hatte, saßen zwei Mädchen im Strandkorb, dick in Bademäntel eingepackt.

„Na, ihr müsst wohl bei dem Wetter die Strandkorb-Gebühren hier absitzen?“, konnte ich mir bei einem hämischen Grinsen nicht verkneifen.

Prompt kam zur Antwort:“Wenn wir jetzt einen „Köm“ hätten, dann ginge es ihnen besser!“

„Das ist kein Problem, da hinter der Düne auf dem Campingplatz ist eine Kneipe. Da gibt es ganz bestimmt einen“, antwortete ich. Da griff die eine in die Tasche und gab mir 5 Mark mit der Bitte, doch eine Flasche zu holen. Ich sagte zu, wollte aber erst zum Zelt, um etwas zu essen.

Also gut. Ich ging ans Zelt, aß etwas, legte noch 5 Mark dazu und kaufte eine große Flasche „Klaren“. Damit tiegerte ich wieder zum Strand.

„Ob nun die beiden Hübschen wohl noch da sein würden“, ging mir dabei durch den Kopf.

Sie saßen tatsächlich noch in ihrem Strandkorb und warteten. Als ich die Flasche präsentierte strahlten sie. Die eine beugte sich aus dem Strandkorb und winkte mit der Hand. Kurz darauf stand der Strandwärter neben uns, schaute auf die Flasche und strich sich genüsslich durch den Bart.

Aha, die waren die ganze Zeit wohlbehütet, denn den Strandwärter kannten sie anscheinend sehr gut und der passte genau auf, dass sie nicht belästigt wurden. Jetzt war es ganz anders. Wir setzten uns zu viert in zwei zusammen gestellte Strandkörbe und ließen die Flasche herumgehen, während wir uns angeregt unterhielten. Wir stellten uns gegenseitig vor. Es waren zwei Schwester, eine hieß Rosi die andere hieß Renate, sie kamen aus Hamburg. Es waren wirklich ausgesprochen hübsche und nette Mädchen, die ich da durch dummen Zufall kennen gelernt hatte. Als die Flasche fast leer war – den Rest bekam der Strandwärter – machte Rosi den Vorschlag baden zu gehen. Renate fügte hinzu: „Wer ist zuerst im Wasser?“ Wir drei zogen uns in Windeseile aus – es stürmte aber immer noch! Das war aber jetzt völlig egal, wir hatten genügend Wärme getankt. Der Strandwärter schaute natürlich nur belustigt zu, damit uns nichts passierte. Dann verabschiedeten wir uns und gingen nach Hause.

Der nächste Tag war wieder ein wunderschöner sonniger Tag und ich ging gemeinsam mit meinen Camping-Nachbarn an den Strand. Als wir durch die Dünen gingen saßen dort Rosi und Renate in einer Sandburg. Ich begrüßte beide herzlich und wir plauderten miteinander. Unwillkürlich kamen wir nochmals auf das gemeinsame Erlebnis von gestern zu sprechen. Und wieder mussten wir alle drei herzlich lachen.

Als ich später zu den Freunden kam fragten sie mich verwundert, woher ich die beiden Mädchen so gut kenne. Ich lachte nur und sagte: „Wenn ich euch erzähle, wie ich die beiden kennen gelernt habe, glaubt ihr mir das doch nicht.“ So blieb das für immer unser gemeinsames Geheimnis.

Die Dünen bargen auch noch ganz andere Geheimnisse. Das wussten zwar die Einheimischen und die Dauergäste, doch mir war das nicht bekannt. Wenn man durch die Dünen ging, stolperte man gelegentlich über Fotografen, die interessante Bilder machten oder auch über Liebespärchen. Doch plötzlich stand ich vor ein paar nackten Männern und war überrascht! Als ich das meinen Freunden erzählte lachten sie aus vollem Hals:„Wusstest du denn nicht, dass sich in der Düne 175 nur Männer treffen“?

„Ne, das ist mir neu.“

Weil Dieter und ich uns so gut verstanden hatten fragte er mich, was ich im nächsten Urlaub vor hätte. Ob ich nicht Lust hätte mit ihm im nächsten Jahr gemeinsam Urlaub zu machen. Er wüsste ein interessantes Urlaubsziel. Im Mittelmeer etwa vor der französischen Stadt Toulon gäbe es eine urige Insel, die ein großes Naturschutzgebiet sei. Das einzige Dorf auf der Insel ist ein FKK-Dorf, das Heliopolis heißt. Das Dorf war von französischen Ärzten 1931 als erstes Nudistendorf Europas gegründet worden. Das klang interessant und nachdem wir beide keine Probleme mit Freikörperkultur hatten, sagte ich zu. Er wohnte in Hannover, hatte aber als Student kein Auto. Deshalb käme er bis nach Reutlingen mit dem Zug und ab da würden wir mit meinem Auto weiter fahren.

Schnell gingen auch die 14 Tage hier herum und ich musste wieder nach Hause. Meine Rückfahrt hatte ich so geplant, dass ich gegen Abend in Hamburg war, um einen Bummel durch die Altstadt zu machen. Ich parkte direkt auf der Reeperbahn und ging zuerst ausgiebig Fisch essen. Danach bummelte ich durch die Straßen, getraute mich alleine aber in kein Striptease-Lokal. Es war schon interessant den Betrieb hier zu beobachten, aber langsam wurde es mir langweilig. Ich ging zu meinem Auto und legte mich hin, es ging aber erst auf 23 Uhr zu. An Schlaf war bei dem Betrieb da draußen gar nicht zu denken, der Trubel hatte ja erst richtig begonnen!

Was tun? So wäre ich am nächsten Morgen sicher total gerädert und nicht in der Lage weiter zu fahren. Da fiel mir ein, dass Rosi zu mir gesagt hatte:

„Wenn Du mal in Hamburg bist, komme uns doch besuchen. Ich kramte die Adresse heraus, ging in die nächste Telefonzelle und rief an. Tatsächlich, Rosi war alleine zu Hause und freute sich über den Anruf.

„Was, Du willst im Auto schlafen? Dann komm doch bei uns vorbei, wir haben genug Platz!“

Sie beschrieb mir den Weg und ich war schon ein paar Minuten später bei ihr. Ich muss sagen, es war ein wunderbares Wiedersehen. Doch Details zu verraten, „verbietet des Sängers Höflichkeit!!!“

Am nächsten Morgen nach dem gemeinsamen Frühstück fuhr ich beschwingt weiter gen Süden, denn Rosi musste zur Arbeit.

Mein Chef war zwar von Herrn Schirm über meinen verlängerten Urlaub informiert worden, er war aber trotzdem recht sauer. Das machte mir nichts. Ich mochte ihn auch nicht. Er war mir zu arrogant, spielte sich gerne als Lehrer auf und putzte seine Leute vor Anderen runter. Und zu seinem gegebenen Wort stand er auch nicht.

9.00 Elfriede und Jürgen

Eines Tages, es war Herbst 64, saß ich nichtsahnend in meinem Büro bei der Arbeit. Da ging die Türe auf und Elfriede, die Sekretärin aus Berlin, mit ihrem Freund Jürgen standen vor mir. Natürlich war ich von dem ungewöhnlichen Besuch völlig überrascht. Dann erklärten mir beide, dass meine ausführliche Fluchtanleitung ganz ausgezeichnet funktioniert hatte. Sie hatten die Tour über Bulgarien, Jugoslawien sogar mit ihrem Trabi gewagt.