Interessante Begegnungen - Georg Papke - E-Book

Interessante Begegnungen E-Book

Georg Papke

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Beschreibung

Wem meine ERINNERUNGEN mit fast 1200 Seiten zu viel sind, der mag sich hier bedienen. Immerhin sind mir fast 200 Kurzgeschichten aus meinem Leben eingefallen, die ich hier nun präsentieren möchte.

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Inhaltsverzeichnis

GLIEDERUND:

1.00 Hinterpommern

1.01 Reise in die Vergangenheit

1.02 Erste Nacht in Polen

1.03 Begrüßung auf unserem Hof

1.04 Beschwerlicher Schulweg

1.05 Zuckersamen

1.06 Wespennest am Wegrand

1.07 Die Kleinbahn

1.08 Nachbar Kamin

1.09 Walters Bienen

1.10 Getreide einfahren

1.11 Rolf, mein Hund

1.12 Neckische Fohlen

1.13 Unser Backofen

1.14 Mein Vater als Bäcker

1.15 Mein Backofen

1.16 Die Dreschmaschine

1.17 Der Gänserich

1.18 Das Schlachtfest

1.19 Schlitten fahren

1.20 Kesselexplosion

1.21 Wundersame Begegnung

1.22 Iwan - unser treuer Helfer

1.23 Iwans Schnaps-Idee

1.24 Iwans Prophezeiung

1.25 Erste Begegnung mit Russen

1.26 Iwans Abschied

1.27 Rückkehr nach Mackensen

1.28 Meine Susi

1.29 Der Eber

1.30 Das Russen-Ponny

1.31 Opa Wittke

1.32 Kein Strom - was nun?

1.33 Frauen in Gefahr

1.34 Kein Mehl mehr!

1.35 Streichhölzer

1.36 Das Karussell

1.37 Meine Holzpistole

1.38 Husaren-Streich

1.39 Unsere Speisekammer

1.40 Schnupftabak

1.41 Flucht nach Anklam

2.00 Anklam

2.01 Flüchtling

2.02 Die Puppenstube

2.03 Ich als Tagelöhner

2.04 Schlagsahne

2.05 Johann und Krishan

2.06 Kraftprobe mit Jochen

2.07 Die Entlohnung

2.08 Die Gesellenprüfung

3.00 Gefährliche Situationen

3.01 Storch im Moor

3.02 Fahrrad-Unfall

3.03 5 Rippenbrüche

4.00 Usedom

4.01 Ein Schlüsselerlebnis

5.00 Weimar

5.01 ABF

5.02 Das Studium

5.03 Mein Stipendium

5.04 Zimmersuche

5.05 Die Nachbarin

5.06 Grippe

5.07 Der Kirschbaum

5.08 KZ Buchenwald

5.09 Dorf-Fasching

5.10 Hochschul-Fasching

5.11 Fasching im alten Schloss

5.12 Panzergelände

5.13 20 Mark West

5.14 Praktika In der Pampa

5.15 Das Nivellement

5.16 Der Kranführer

5.17 Der Ausweis-Trick

5.18 Die Diplomarbeit

5.19 Tollwut

5.20 Sonja

6.00 Leipzig

6.01 Villa Saßstraße

6.02 Nette Nachbarn

7.00 Italien

7.01 Mit dem Roller durch Italien

7.02 Herberge Mailand

7.03 Nachtlager auf einer Wiese

7.04 Im Tal bei Florenz

7.05 Ravenna

7.06 Vor Venedig

8.00 Auf dem Darß

8.01 Treffen in Prerow

8.02 Der Aufpasser

8.03 FKK-Verbot

8.04 Die böse 7

8.05 Skatkarten

8.06 M M

8.07 Kaiser Wilhelm

8.08 Berufe raten

8.09 Der Reißverschluss

9.00 Hiddensee

9.01 Hiddensee zum Kenenlernen

10.00 Berlin

10.01 Wanzen

10.02 Roller-Unfall

10.03 Neue Arbeitsstelle

10.04 Demo am 1.Mai

10.05 Trabi- Panne

10.06 Die Auszeichnung

10.07 Der Stasi-Mann

10.08 Der falsche Fluchthelfer

10.09 Der Nachschlüssel

10.10 Elfriede

11.00 Flucht 1963

11.01 Eine ungewisse Reise

11.02 Im Zug nach Budapest

11.03 Prof. Letzkowsky

11.04 Bukarest

11.05 Sofia

11.06 Das Transitvisum

11.07 Mein erster Flug

11.08 Warna

11.09 Nessebar

11.10 Nachtschwärmer

11.11 Freitag der Dreizehnte

11.12 Belgrad

11.13 Zug nach Österreich

11.14 Angekommen

12.00 Reutlingen

12.01 Auffanglager Gießen

12.02 Erste Arbeitsstelle

12.03 Elfriede und Jürgen

12.04 Familie

12.05 Kinder

12.06 Fahrrad fahren lernen

12.07 Technk Freaks

12.08 Motorrad fahren lernen

12.09 Panzergelände Reutlingen

12.10 Urlaub in Dänemark

12.11 Das Schachspiel

12.12 Mein Traumauto

12.13 Winzer Glaßer Oppenheim

12.14 Mit WW nach Ronchamp

12.15 Mit WW in Eisenach

12.16 Alarmanlage

12.17 Taschengeld

12.18 Wohnmobil

12.19 Wer ist der Boss?

12.20 Der Professor

12.21 Mein erster Bild-Vortrag

12.22 Mein erstes Buch

13.00 Österreich

13.01 Nachbarn

13.02 Briefträger Rudi

13.03 Mutter Ersatz

13.04 Das Campingbettchen

13.05 Hand her!

13.06 Auf der Badeplattform

14.00 Sylt

14.01 Erster Urlaub auf Sylt

14.02 Krabben fischen

14.03 Eine ganze Flasche Köm

14.04 Meine Heimfahrt

15.00 Frankreich

15.01 Erster Urlaub zu dritt

15.02 Anhalter

15.03 Der Papagei

15.04 Toro Piscine

15.05 Das falsche Vorzelt

15.06 Das Marineboot

15.07 Madame Annie

16.00 Rügen

16.01 Die schwarze Blonde

16.02 Die Ungarin

16.03 2 kuhle Typen

17.00 Marokko

17.01 Tee beim Onkel

17.02 Teppich-Kauf

17.03 Sonnenstich

17.04 Campingnachbarn

17.05 Bei einheimischer Familie

17.06 Nachtmarkt in Marakesch

17.07 Plan für Kameltreiber

17.08 Der Teeverkäufer

17.09 Der Schmuck-Verkäufer

18.00 Ägypten

18.01 Die Pyramide von Gizeh

18.02 Vater und Sohn

18.03 Das Pfänderspiel

18.04 Kamelreiten

19.00 Israel

19.01 Radtour durch Israel

19.02 Reifenpanne

19.03 Erste gemeinsame Nacht

19.04 Unsere Rundfahrt

19.05 Steifes T-Shirt

19.06 Reise-Hygiene

19.07 Im Kibbuz

19.08 Arbeitspläne

19.09 Even

19.10 Mein Nachbar

19.11 Dattelernte

19.12 Am Toten Meer

19.13 Der Schweizer

19.14 Zwei stramme Soldaten

19.15 Israelische Familie

19.16 Wildgänse

19.17 Bergwanderung

19.18 Das Reservat

19.19 Schnupper-Wochenende

19.20 Busfahrt nach Hebron

19.21 Kontrolle in Hebron

19.22 Busfahrt nach Ramallah

20.00 Tunesien

20.01 Erste Tunesienreise

20.02 Hotel-Angestellte

20.03 Einkäufe

20.04 Mat Mata

21.00 Indonesien

21.01 Gruppenreise Indonesien

21.02 Ergreifendes Erlebnis

21.03 Gastfreundlicher Kapitän

21.04 Erste Alleinreise nach Bali

21.05 Das Armband

21.06 Große Prozession

21.07 Quartier-Suche

21.08 Das Kinder-Fahrrad

21.09 Der Fahrrad-Verleih

21.10 Das Gelöbnis

21.11 Das Neugeborene

21.12 Junge Souvenir-Verkäufer

21.13 Erklärungsversuch

21.14 Besuch bei Gerhard

21.15 Kremation

21.16 Nyepi-Fest

21.17 Zimmersuche

22.00 Ungarn

22.01 Geldwechsel

22.02 Der alte Mann

22.03 Vorsicht, Stasi!!!

23.00 Griechenland

23.01 Die Friedenstaube

24.00 Thailand

24.01 Schwimmendes Hotel

25.00 Indien

25.01 Mein Handycoup

25.02 Wieder Vater und Sohn

25.03 Der Tsunami

25.04 IST

25.05 Statussymbol

25.06 Urlaubs-Verlängerung

25.07 Alleine nach Indien

25.08 Beim Nadi Reader

25.09 Zitrone am Strand

25.10 Der Wahrsager

25.11 Zufall oder Schicksal?

1.00 HINTERPOMMERN

1.01 Reise in die Vergangenheit

1945 waren wir, auf Grund des Vier-Mächte-Abkommens aus Hinterpommern vertrieben worden und unser Hof war von Polen besiedelt worden.

Schon immer hatte ich den Wunsch, noch einmal meine Heimat besuchen zu können.

Nun war es so weit. Inzwischen hatten sich durch den Mauerfall die politischen Verhältnisse grundlegend geändert. Nun musste ich keine Angst mehr haben, von der Stasi verhaftet und eingesperrt zu werden.

1992 zogen wir, mein Großer und ich, mit unserem Wohnwagengespann los auf eine Reise nach Hinterpommern, dem jetzigen Polen. Mein Ziel war es, meinen Geburtsort Mackensen und speziell unseren Hof noch einmal wieder zu sehen.

Über Berlin und Frankfurt /Oder reisten wir nach Polen ein. Unser erstes Ziel sollte Gorzow sein, dort wollten wir alte Krankenstühle abliefern, die ein polnischer Schlosser per Anzeige gesucht hatte.

1.02 Erste Nacht in Polen

Herr Krazinsky erwartete uns schon auf der Straße, denn wir hatten uns per Telegramm angekündigt und waren auf die Minute pünktlich. Sofort dirigierte er uns durch die Hofeinfahrt in den Hinterhof.

Warum, das war uns in dem Moment unklar, aber es könnte sein, dass wir auf der Straße belästigt oder gar überfallen werden könnten. Jedenfalls fügten wir uns, ohne zu fragen.

Über unsere mitgebrachten Krankenfahrstühle freute er sich außerordentlich, denn er war arbeitslos und konnte sich so ein paar Sloty dazu verdienen. Frau Krazinsky betrieb einen kleinen Kiosk in der Stadt. Das beste Geschäft machte sie mit Bier, denn die Polen waren es gewohnt mit Bier den Tag zu beginnen.

Natürlich wurden wir zum Abendbrot eingeladen und saßen noch lange und diskutierten, denn mit der Zeit wurde die Verständigung immer besser. So gegen Mitternacht gingen wir in den Hof, um es uns in unserem Wohnwagen gemütlich zu machen. Kaum waren wir eingeschlafen, da wurden wir durch ein eigenartiges Geräusch auch schon wieder geweckt! Etwas Schweres musste auf unser Autodach gefallen sein. Ohne Licht zu machen schaute ich hinaus, es war aber nichts Verdächtiges zu sehen.

Nur Frau Krazinsky stand im Nachthemd in der Türe. Nachdem aber nichts weiter passierte, legte ich mich wieder hin.

Am nächsten Morgen wurde das Geheimnis gelüftet:

Die Tochter von Krazinskys hatte mit ihrer Freundin im Nachbarhof, also genau neben uns, aber hinter einer großen Mauer gezeltet. Anscheinend hatten sich Buben angeschlichen und wollten mit ein paar Tannenzapfen zu den Mädchen Kontakt aufnehmen. Frau Krazinsky hatte sie aber wohl durch ihr Erscheinen in die Flucht getrieben. Das zu hören beruhigte uns wieder.

1.03 Begrüßung auf unserem Hof

Tatsächlich wurden wir auf unserem Hof auch sehr freundlich aufgenommen, nachdem wir versichert hatten, als Touristen gekommen zu sein und nur einen Besuch machen zu wollen. Inzwischen waren hier nämlich immer wieder Deutsche aufgetaucht, die kamen um ihren Besitz zurück zu fordern.

Es war Sommer und die polnische Bäuerin führte uns stolz über das Grundstück.

Freudestrahlend pflückte sie ein paar Augustäpfel von einem kleinen Bäumchen, das direkt neben dem Wohnhaus stand. Der Baum war neu, den mussten wohl die neuen Besitzer selbst gepflanzt haben.

Ich biss sofort hinein und stellte fest, dass sie hervorragend schmeckten.

Da besann ich mich und sagte zu ihr, dass wir im großen Obstgarten nebenan auch einen Frühapfelbaum gehabt hätten. Aber sie schüttelte nur ungläubig den Kopf.

Schnur stracks ging ich durch den großen Garten und blieb vor einem Baum stehen. Zugegeben, er sah als einziger Baum nicht mehr sehr ansehnlich aus. Immerhin war er jetzt fast 50 Jahre älter! Er trug aber sogar noch an einem dicken Ast ein paar Augustäpfel, vielleicht als Beweis und extra für mich.

Etwas ungläubig musste sie nun zugeben, dass es stimmte. Aber nun wollte sie wissen, woher ich das wüsste.

Ja, sagte ich, das war früher mein Lieblingsbaum, weil er die ersten Äpfel im Jahr trug und die ganz besonders gut geschmeckt haben. Da staunte sie nur.

Aber auch die anderen Bäume gab es noch, wie z.B. den Pflaumenbaum am Ententeich, wo ich mich immer ärgerte, dass die besten Pflaumen in den Ententeich fielen. Oder der Grauchen-Baum. Das waren graue Birnen, die nach ein paar Tage im Heu butterweich wurden und wunderbar geschmeckt haben. Sogar der wilde Birnenbaum, der genau auf der Grenze stand, war noch da. Die konnte man frisch vom Baum kaum essen, weil sie einem den Hals abschnürten. Aber als Dörrobst, das immer nach dem Backen in den Backofen geschüttet wurde, waren sie ganz besonders gut geeignet. Sie gaben dem Essen Klit o Beere (Klöße und Birnen) im Winter eine ganz besondere Geschmacksnote.

1.04 Beschwerlicher Schulweg

Wir wohnten in Mackensen nicht direkt im Dorf, sondern etwas außerhalb. An einer geraden Straße entlang des Leba-Tales standen 10 Bauernhöfe, links und rechts der Straße. Sie hatten jeweils nach oben und nach unten die dazugehörigen Grundstücke.

Der Weg ins Zentrum betrug etwa 2 km, das war auch der Weg in die Schule. Meistens nahm ich eine Abkürzung durch die Felder. Dann ging ich am Rande unserer Kiesgrube den Berg hinauf, auf einem 30 bis 40 cm breiten Feldrain zwischen den Feldern hindurch bis auf den Feldweg, der zum Zentrum führte. Das war bei schönem Wetter kein Problem, aber es regnete ja auch manchmal und im Winter schneite es und es wehte ein steifer Wind. Als ich an so einem Wintertag auf dem Heimweg war schneite es so stark, dass ich die Hand nicht vor Augen sehen konnte. Als ich auf den Berg hinter unserem Hof ankam war es ganz besonders schlimm. Ich schloss die Augen und stapfte tapfer vor mich hin. Doch plötzlich schoss es mir durch den Kopf: Die Kiesgrube!!!

Ich öffnete die Augen und stand direkt am Rande der 30 Meter hohen Kiesgrube. Das war gerade noch einmal gut gegangen.

1.05 Zuckersamen

In die ersten Klassen in Mackensen ging ich mit Gerhard Hamel, einem Nachbars-Sohn in die gleiche Klasse. Gerhard musste öfter vom Kolonialwaren-Laden, direkt neben der Schule, etwas mit bringen. Einmal waren es 3 Pfund Zucker in 3 Tüten. Es war sehr warm und hungrig waren wir auch. Heute würde man sie einfach in eine Tragetasche stecken, doch die gab es damals nicht.

Wir hatten fast den beschwerlichen Weg hinter uns, da übermannte es uns und wir mussten den Zucker probierten. Zuerst nur mit einem nassen Finger, dann mit zwei Finger und bald mit der ganzen Hand. Endlich war der Heißhunger gestillt. Doch dann stellten wir fest, dass die Tüte deutlich leerer war gegenüber den anderen.

Was tun?

Da kam uns eine geniale Idee. Wir verteilten den Zucker so lange auf die drei Tüten, bis alle gleich voll waren.

Frau Hamel, die meistens sehr genau war, hat davon aber nichts gemerkt!

1.06 Wespennest am Wegesrand

Auf meinem Schulweg auf Feldwegen gab es immer viel zu beobachten. Am interessantesten aber fand ich die Wespen, die direkt neben dem Weg in einem alten Mauseloch ihr Nest gebaut hatten. Ob die wohl auch schon viel Honig eingetragen haben könnten, ging mir durch den Kopf?

Eines Tages war meine Neugier doch zu groß und ich fing an zu graben. Bald stieß ich auch auf das Nest. Doch womit ich nicht gerechnet hatte, trat nun ein. Alle Wespen dieses Volkes stürzten sich nun auf mich und begannen mich zu stechen! Da soll nur einer behaupten, dass Wespenstiche nicht schmerzen!

Nachdem ich mindestens 10 Stiche weg hatte, floh ich, wobei mich noch ein Schwarm eine ganze Strecke verfolgt hat.

Ich habe jedenfalls nie mehr Wespennester ausrauben wollen.

1.07 Die Kleinbahn

Ich war in der ersten Klasse in der Schule, da nahm mich mein Vater mit zur Verwandtschaft nach Leba. Wir fuhren mit Pferd und Wagen, denn es war etwa 20 km weit. Irgendwo wollten wir ein Bahngleis überqueren, doch die Schranken direkt neben dem Bahnhof, waren zu, so dass wir warten mussten. Die Lock stand genau vor uns und so hatte ich die Möglichkeit, so eine Maschine aus nächster Nähe zu betrachten. Sie war riiiiiiiesig! Und machte einen Mordskrach, als sie anfuhr. Das beeindruckte mich außerordentlich.

Einige Zeit später fragte der Lehrer in der Schule, wer den Unterschied zwischen einer Kleinbahn und einem D-Zug kenne.

Niemand gab eine Antwort.

Da meldete ich mich und sagte, dass die Kleinbahn riesig groß ist. Nicht nur der Lehrer grinste, sondern alle Schüler lachten mich aus!

Darauf erklärte ich, dass ich erst kürzlich selbst neben einer Kleinbahn gestanden hätte und die war wirklich riesig! Dagegen sah ich täglich von unserem Hof aus auf der anderen Seite des Leba-Tales in einer Entfernung von etwa 5 km den D-Zug vorbei fahren. Der sah dagegen winzig klein aus, wie ein Spielzeug.

1.08 Nachbar Kamin

Unsere Nachbarn hatten vier Kinder: Hedwig, Hans, Walter und Georg. Allerdings waren sie alle schon um die 20 Jahre alt. Trotzdem hatte ich mich mit Walter angefreundet. Wenn ich zu Hause Ärger hatte ging ich einfach zu Walter, dann war die Welt wieder in Ordnung. Und meine Eltern wussten, dass ich gut aufgehoben war. Am liebsten war ich mit ihm in seiner Werkstatt, wo es immer etwas zu basteln gab. Aber auch bei seinen Bienen war ich immer dabei. Manchmal half ich Walter aber auch bei der Arbeit.

Zum Scheuern des Küchenfußbodens benutzten Kamins immer ganz feinen Sand. Soda gab es wohl noch nicht. Diesen speziellen Sand holte Walter aus einer kleinen Kiesgrube neben dem Gut Kramp, obwohl es ihn in unserer Kiesgrube an einer Stelle auch gab. Oberhalb dieser Kiesgrube war ein kleines Wäldchen.

Wir fuhren mit Pferd und Wagen hin und durften einfach aufladen. Dabei brach natürlich immer wieder Erde oben ab und stürzte hinunter, das war gefährlich, denn man konnte verschüttet werden. Auch Büsche und kleine Bäume stürzten mit herab. Doch einmal traute ich meinen Augen nicht. Da rollte mir ein Totenkopf direkt vor die Füße.

Ich erschrak, aber Walter klärte mich schnell auf. Dort oben gab es nämlich einen alten Friedhof, der aber schon lange nicht mehr benutzt wurde. Aber die Gräber waren noch da.

Das war für mich ein recht schauriges Erlebnis.

1.09 Walters Bienen

Walters Hobby aber waren die Bienen. Er hatte so ungefähr 20 Bienenstöcke hinten im Garten. Weil die Bienen damals noch sehr aggressiv waren, war es ratsam genügend Abstand zu halten. Da wir uns meistens aber hinter den Bienenstöcken aufhielten, bestand kaum Gefahr, dass man gestochen wurde. Außerdem benutzte Walter, wenn er einen Stock öffnen musste, ein Gerät mit dem man Rauch erzeugen konnte. Das vertrieb dann die Bienen.

Als wir einmal zu den Bienen gingen fragte mich Walter, ob ich gerne Kirschen esse, was ich bejahte. Es war gerade Frühsommer und die ersten Kirschen wurden reif. Da meinte er, ich könne so viele Kirschen pflücken, wie ich wolle und zeigte auf die kleinen Bäumchen, die aber genau vor den Bienenkästen standen. Ohne zu Zögern ging ich zu den Bäumchen und begann zu Pflücken und zu Essen. Das ging eine ganze Weile sogar gut, denn ich bemühte mich so ruhig wie möglich zu verhalten. Aber natürlich war ich nun in den Bereich der Bienen eingedrungen und das duldeten sie nicht. Nach einer Weile wurde ich am Arm gestochen. Ich streifte die Biene ab und aß weiter. dann der zweite Stich am Bein. Ich steifte die Biene ebenfalls einfach ab. Als mich dann aber die Dritte hinten am Hals stach zog ich mich doch langsam zurück, nachdem ich mir aber noch zwei Hände voll gepflückt hatte..

Walter staunte, dass ich es so lange ausgehalten hatte. Er ging mit mir an das nächste Zwiebelbeet, riss eine Zwiebel aus und rieb mir damit die Stich-Stellen ein. Im Nu waren die Schmerzen weg - zumindest redete ich mir das ein. Die Stellen waren natürlich noch lange geschwollen.

1.10 Getreide einfahren

Wenn das Getreide auf den Feldern reif war wurde es gemäht, gebunden und zu Hocken aufgestellt, damit es trocken werden sollte. Dann wurde es eingefahren. Dazu wurden die Pferdewagen extra verlängert, damit man viel laden konnte. Die Männer reichten mit langen Gabeln die Garben auf den Wagen und meine Mutter nahm sie ab und legte sie in den Wagen. Wenn dann die Oberkante des Wagens erreicht war legte man sie mit dem unteren Ende auskragend über den Rand, damit möglichst viel geladen werden konnte. Ich durfte dabei meiner Mutter immer helfen. Ganz wichtig war, dass man gerade geladen hat, damit nicht unterwegs Garben herunter fielen oder das ganze Fahrzeug umkippte. Auf etwa 3 Meter Höhe war dann meistens Schluss, sonst wären wir beim Heimfahren nicht unter den Straßenbäumen hindurch gekommen. Zum Schluss wurde dann ein langer Baum längs über den Wagen gelegt, der vorne und hinten mit Stricken mit dem Wagen verbunden wurde. Meine Mutter und ich durften dann meistens auf dem Wagen bleiben und mit nach Hause fahren. Da ging es in der Höhe schon knapp zu. Manchmal mussten wir uns ganz flach hin legen, um nicht von den Ästen der Straßenbäume herunter gerissen zu werden. Das hatte mir immer Spaß gemacht, obwohl es richtig schwere Arbeit war.

Als ich viel Später bei Frau Lankow arbeitete war sie auch die Laderin. Und ich durfte ihr dabei immer helfen. Das machte mich dann richtig stolz, wenn wir mit dem vollen Wagen heim fuhren.

1.11 Rolf, mein Hund

Wir hatten immer einen Hund auf dem Hof, der zwar nie angebunden, aber draußen in der Hundehütte sein zu Hause hatte. Eigentlich war Rolf da, um nachts auf den Hof aufzupassen. Und außerdem war er auch ein guter Warner vor streunenden Füchsen, die gerne hinter die Hühner gingen. Er war aber auch mein treuer Begleiter. Auf Schritt und Tritt ging er mit mir. Sogar in die Schule wäre er mitgegangen, wenn ich ihn nicht auf halbem Wege immer heim geschickt hätte. Dafür stand er dann aber meistens wieder da, wenn ich aus der Schule nach Hause kam. Er gehorchte mir aufs Wort und wäre für mich durch dick und dünn gegangen. Natürlich musste er mir abends helfen, die Kuhherde von der Weide nach Hause in den Stall zu treiben. Das war manchmal ganz schön schwierig, denn die jungen Stärken waren oft sehr übermütig und probierten auszubrechen. Aber Rolf brachte schnell wieder Ordnung in die Herde. Dafür durfte er beim Abendbrot auch bei mir zu Füßen liegen. Denn er wusste genau, dass bei mir immer etwas für ihn abfiel.

Später, als ich Geschwister bekam, trat er etwas in den Hintergrund. Er hatte offensichtlich ganz klar die Rangfolge erkannt.

1.12 Neckische Fohlen

In der Freizeit war ich oft bei den Erwachsenen mit auf dem Feld. Wenn es leichte Arbeiten waren, half ich gerne mit. Manchmal hatte ich aber keine Lust und hielt mich nur in ihrer Nähe auf. Es war Kartoffel-Erntezeit und wir waren auf dem hintersten Feld Richtung Leba. Weil wir noch keine Maschine hatten, wurden die Kartoffeln mit der Hand geerntet. Das war eine schwere und mühsame Arbeit. Es war sehr warm deshalb hielt ich mich beim Brunnen auf und spielte mit dem Wasser. Da kam mir der Gedanke, dass ich im Trink-Trog der Tier ein angenehmes Bad nehmen könnte. Also füllte ich den Trog mit frischem Wasser aus dem Brunnen, zog meine Hose aus, hing sie auf einen Pfahl und dann hüpfte ich ins Wasser. Das war richtig angenehm!

Neugierig kamen die beiden Fohlen, die auf dieser Koppel weideten und schauten, was ich denn in ihrem Trinktrog machte. Nach einer Weile bemerkte ich, dass das ältere Fohlen, das immer schon zu Späßen aufgelegt war, an meiner Hose schnupperte. Ich scheuchte es weg, aber es kam wieder, so als wollte es mich necken. Ich scheuchte es wieder. Es lief zwar weg, aber es hatte meine Hose im Maul. Das war zu viel!

Ich raus aus dem Trog und mit lautem Hallo hinter dem Fohlen her. Mit blankem Hintern sauste ich durch den lichten Wald und über die Wiese, dem Fohlen nach. Dabei vergaß ich, dass hinter diesem lichten Wäldchen mehrere Frauen Kartoffeln sammelten. Die nun durch mein Geschrei auf mich aufmerksam wurden und aus vollem Hals zu lachen begannen. Es dauerte eine ganze Weile, bis das Fohlen endlich meine Hose fallen ließ. Schnell hatte ich sie angezogen und kam etwas beschämt wieder zurück.

Tagelang musste ich mir das Gespött der Frauen anhören, die scheinbar noch nie einen Männer-Hinter gesehen hatten!

1.13 Unser Backofen

Auf dem Bauernhof war es üblich, dass man sein Brot selbst gebacken hat. Das bedeutete, dass etwa so alle 2-3 Wochen 15 bis 20 Brote gebacken wurden. Den Teig rührte meine Mutter in einem großen Trog ein, aber zum Durchwirken wurde in der Regel mein Vater gerufen. Denn das ist eine schwere Arbeit. Meistens wurden auch noch ein paar Kuchen mit hinein geschoben. Um uns Kinder zu beschäftigen gab uns unsere Mutter immer ein Stück rohen Teig, mit dem wir machen konnten was wir wollten. Manches mal fertigten wir daraus Figuren. Im Sommer, wenn die Äpfel reif waren holte ich mir manchmal auch einen Apfel und ummantelte ihn mit Teig. natürlich kamen auch unsere Kunstwerke mit in den Ofen, aber erst ganz zum Schluss, denn sie waren ja zuerst fertig.

Und nachdem das Brot aus dem Backofen heraus war, wurde Dörrobst getrocknet, dass dann im Winter herrliche Suppen gab, die bei uns auf Platt Klit o Beere ( Klöße und Birnen) hieß.

Gebacken wurde im eigenen Backofen. Den hatte mein Vater zusammen mit dem Nachbarn Kamin vor vielen Jahren auf der Grenze zwischen unseren beiden Grundstücken neu gebaut. Das hatte seinen Grund, denn der ursprüngliche Backofen war an die Werkstatt angebaut. Durch die Unachtsamkeit eines Knechtes, der eine angekohlte Stange mit der er das Feuer geschürt hatte, an die Wand lehnte hatte beinahe dazu geführt, dass das ganze Gehöft abgebrannt wäre. Die Glut hatte das Dach in Brand gesetzt, so dass man gerade noch mit Mühe einen Vollbrand verhindern konnte. Noch als Kind hatte ich angekohlte Balken im Gebäude gesehen.

Bei unserem Rundgang durch den Obstgarten kamen wir auch automatisch an den Standort des Backofens.

Doch voller Verwunderung musste ich feststellen, dass von dem einst so stattlichen Bau mit etwa 3 x 5 Metern nur noch ein paar einzelne Steinreste übrig geblieben waren. Nur der Busch am oberen Ende des Backofens stand noch. Der war jetzt nach 50 Jahren ein stattlicher Baum mit ca. 30 Zentimeter Durchmesser!

Als ich nach dem Backofen fragte bekam ich natürlich auch hier erst keine Antwort. Sie tat einfach so, als hätte sie mich nicht verstanden. Aber ich ließ nicht locker und fragte weiter nach. Dann meinte sie, dass der Backofen baufällig gewesen sei und man musste ihn abbrechen.

Ich glaube eher, dass die Polen den Backofen gar nicht benutzt und deshalb ihn auch nicht unterhalten haben. Denn auch Backen musste gelernt sein. Sicher konnte irgend wer die teuren Schamotte-Steine gut gebrauchen und deshalb waren sie fast alle weg.

Die Reihe meiner Fragen ging in den nächsten Tagen weiter, denn ich erinnerte mich noch an so manches Ereignis.

1.14 Mein Vater als Bäcker

Da fällt mir eine Geschichte ein, die uns mein Vater erzählt hat.

Mein Vater wurde nach dem Krieg zu 2 Jahre Gefangenschaft nach Frankreich verdonnert. Weil das Essen im Lager sehr schlecht war, meldete er sich zur Arbeit aufs Land. Er kam zu einer jungen Familie, die zwar eine kleine Landwirtschaft besaßen, aber von Ackerbau und Viehzucht keine Ahnung hatten. Da war mein Vater genau der Richtige.

Als im Herbst die Ernte an stand, wurden viele Helfer aus dem Dorf und aus der Verwandtschaft erwartet. Da meinte die junge Bäuerin, dass man nun ein Problem bekäme, denn wie sollte man so viele Leute bewirten. Mein Vater sagte, dass man doch einfach Brot selbst backen sollte, einen Dorfbackofen gab es damals noch in jedem Dorf. Dazu meinte die Bäuerin, dass sie aber noch nie Brot selbst gebacken hätte.

Da sprang mein Vater ein, schließlich hatte er zu Hause ja immer mit geholfen. Er rührte den Teig ein, ließ ihn eine Weile gehen und formte dann Brote daraus. Weil er noch so viel Weizenmehl übrig hatte rührte er auch noch ein paar Kuchen ein. Das gab herrliche Streuselkuchen und mit Obst belegt, würden auch die Obstkuchen sehr gut schmecken.

Als es dann nach der Arbeit ans Essen ging, waren alle über das wohlschmeckende Brot überrascht. Mein Vater hatte nämlich dem Weizenmehl etwas Roggenmehl dazu gegeben, dadurch schmeckte es etwas herzhafter. Neugierig wurden dann aber die Helfer, als zum Kaffee auch noch Kuchen gereicht wurde. Nun wollten doch alle den Bäcker wissen, von dem die leckeren Sachen waren. Da kam heraus, dass das alles mein Vater gebacken hatte.

Spontan beschloss das ganze Dorf, dass mein Vater ab sofort eine Bäckerei im Dorf aufmachen müsste, denn die fehlte hier.

Aber mein Vater lehnte ab und wartete lieber darauf, entlassen zu werden. Im Herbst 1947 kam er dann endlich zu uns nach Anklam in Mecklenburg.

1.15 Mein Backofen

Oft war mein Vetter Martin aus Lauenburg bei uns in den Ferien. Dann war immer etwas geboten. Er war etwas älter als ich und war ein Stadtmensch. Nicht, dass wir auf dem Lande dümmer waren, aber wir erlebten eine ganz andere, praktischere Welt.

In unserem ständigen Umtrieb kamen wir auf den Gedanken in der Kiesgrube hinter der Scheune einen eigenen Backofen zu bauen. Material war genug vorhanden und so machten wir uns daran. Aus Ziegelsteinen und Lehm war das Gebäude von etwa 1 Meter x 1 Meter schnell errichtet. Auf die Dachschräge legten wir richtige Dachziegel. So sah das Ganze richtig professionell aus. Natürlich hatten wir auch an einen Kamin gedacht.

Nun mussten wir nur noch wissen, ob der Backofen auch funktioniert. Dazu schlich ich mich in unsere Speisekammer und steckte mir nach gut Dünken alles ein, was man für einen Kuchen braucht. Im vorbei gehen nahm ich aus dem Hühnerstall noch 2 Eier mit. Nun wurde alles in einem Milchtopf angerührt, daneben natürlich auch der Backofen angeheizt. Als wir glaubten, dass die Hitze ausreichen könnte, kehrten wir die Asche heraus und stellten den Milchtopf hinein. Doch die Hitze reichte nicht aus und so mussten wir zwischendurch noch einmal kräftig nach heizen.

Genau zum Kaffee um 4 Uhr nachmittags war unser Kuchen fertig. Wir trugen ihn ganz stolz in die Küche und stellten ihn auf den Tisch.

Meine Mutter staunte und schnitt ihn auch gleich an. Doch dann die große Überraschung!!!

Der Kuchen war gar nicht aufgegangen. Meine Mutter wollte mich daraufhin belehren, dass man immer Backpulver verwenden müsse. Doch ich wehrte mich, das hätte ich nicht vergessen. Als ich meine Hand in die Hosentasche steckte spürte ich das Backpulver-Päckchen. Ich zog es heraus und sagte:

Ich habe es nicht vergessen!

Doch sagte drauf meine Mutter, Du hättest es in den Kuchen tun müssen, statt in der Hosentasche zu vergessen!

Das ist mir in meinem ganzen Leben nie mehr passiert!

1.16 Die Dreschmaschine

Es gab zwei Tore in unsere Scheune. Auf der linken Tenne hatte immer unsere Dreschmaschine gestanden. Auf meine Nachfrage, wo die denn sei kam die Antwort, sie sei kaputt gewesen. Bei uns war es üblich, dass das Getreide im Herbst ungedroschen in die Scheunen gefahren wurde. Da war meistens Eile geboten. Im Winter wurde bei uns dann das Korn gedroschen, dann war Zeit genug. Das war immer ein richtiges Fest für uns Kinder, denn dann waren meistens viele Helfer da. Mit der Hand oder mit der Forke wurden die Garben in einer Kette bis zum Dreschmaschine durch gereicht, dazu waren aus der hintersten Ecke dann schon mal mehrere Leute erforderlich. Ich stand auf der Dreschmaschine und nahm die Garben mit der Hand ab und legte sie meiner Mutter auf den Einlegetisch. Das war nicht ungefährlich, denn wenn das Gefach fast leer war, stand der Staker sehr weit unten. Nur mit einem mit ganz langem Stiel an der Forke reichte er noch zu mir auf die Dreschmaschine. Dabei musste er einmal nachstoßen, weil die Garbe wieder herunter zu fallen gedrohte. Ich hatte mich aber schon nach der Garbe gebückt und so passierte es, dass er mich mit seiner Gabel direkt im Gesicht traf. Ich hatte Glück im Unglück, denn er traf mich nur an meiner Oberlippe. Es blutete zwar, aber ich konnte nach ein paar Minuten weiter machen, indem ich immer das austretende Blut aufsaugte. Das schmeckt schon eigenartig. Meine Mutter machte dann die Garben auf und beschickte damit die Dreschmaschine. Dazu musste sie das Stroh mit der Hand etwas auseinander ziehen, damit nicht zu viel auf einem mal hinein geriet. Mein Vater war hinter der Dreschmaschine und sorgte dafür, dass immer unter allen Ausläufen Säcke standen. Wenn ein Sack voll war wurde er blitzschnell gewechselt und auf den Speicher getragen. Vorne kam dann das gedroschene Stroh heraus, das von Helfern in ca. 70 cm dicke Garben gebunden und auf den Hof getragen wurde. Das ging solange bis entweder der Hof voll oder ein Gefach in der Scheune bereits leer geworden war. Dann trug man die dicken Bündel in die Scheune zurück. Das ging einige Tage, bis alles Getreide gedroschen war. Am Ende war wieder alles in der Scheune verstaut. Übrigens war da auch Hektik angesagt, denn schließlich wollte man ja auch bald fertig sein. Und mit Schneefall war im Winter auch immer wieder zu rechnen. Das hätte dem Stroh geschadet.

1.17 Der Gänserich

Zu unserem Viehbestand gehörte immer eine Herde Hühner, Gänse und Enten. Die Gänse und Enten wurden bis auf ein Pärchen immer zur kurz vor Weihnachten geschlachtet. Die Federn ergaben weiche Betten und das Fleisch wurde verarbeitet. Das gab wunderbare Spick-Keulen und -Brüste, die geräuchert sehr gut schmeckten.

Natürlich gehörte zu jeder Gänse-Herde auch ein Gänserich, dessen Aufgabe darin bestand, die Herde zu beschützen. Zischend lief er jedem nach, der ihnen zu nahe kam. Ich hatte aber vor ihm keine Angst. Einmal bin ich ihm dann wohl doch zu nahe gekommen und er griff mich von hinten an. Er biss sich an meiner Hüfte fest und schlug mit seinen Flügeln auf mich ein. Am nächsten Tag hatte ich fürchterliche blaue Flecken und auch rechte Schmerzen. Ich nahm mir vor, ihm eine Lehre zu erteilen. Ich ging bewusst ganz nahe an ihm vorbei, aber als er wieder zubeißen wollte ergriff ich seinen Hals und schleuderte ihn so gut ich konnte, ein paar Mal im Kreis herum. Dann ließ ich ihn los! Benommen und wackelig stand er nun da. Zischte mir nach, um seiner Herde zu imponieren, griff mich aber nie mehr an!

1.18 Das Schlachtfest

Im Spätherbst wurde aber nicht nur das Federvieh geschlachtet, sondern immer auch ein fettes Schwein. Das war immer ein richtiges Fest, denn es waren einige Helfer da. Morgens wurde das Schwein von meinem Vater und einigen Helfern geschlachtet. Ich habe zwar genau zu geschaut, möchte es hier aber nicht ausführlich beschreiben. Mit den Hinterbeinen nach oben wurde es dann auf eine Leiter gehängt und ausgenommen. Das war nicht sehr appetitlich. Vor allem roch es unangenehm. Das Blut wurde aufgefangen, denn daraus wurde am Ende die Blutwurst gemacht. Dann musste man auf den bestellten Fleischbeschauer warten. Erst wenn der das Tier untersucht, gestempelt und frei gegeben hatte, durfte mit der Verarbeitung begonnen werden. Nun hieß es stramm zu arbeiten, denn bis zum Abend musste alles verarbeitet sein, damit nichts schlecht wurde. Problematisch war es mit rohem Fleisch, denn es gab ja noch keine Kühlschränke.

Deshalb wurden Keulen und Speckseiten mit Kräutern eingerieben und kräftig eingesalzen, so kamen sie dann in die Räucherkammer. Einige Speckseiten wurden auch nur in Salz eingepökelt kühl gelagert und getrocknet. Alles andere wurde verarbeitet, z.B. zu Wurst. Vorrangig machten wir Salami, aber auch Leber- und Blutwurst. Verwendet wurden dazu die natürlichen Därme des geschlachteten Tieres. Sie wurden geleert, gründlich gereinigt und auf links gedreht, d. h. das Innere nach außen gekehrt. Dann wurde die vorbereitete Wurstmischung hinein gefüllt und gut verschlossen. Die besondere Kunst bestand darin, die Wurstmischung gut zu würzen und abzuschmecken. Da war dann die Erfahrung der Oma gefragt. In den Dickdarm füllte man eine besondere Mischung aus Blut, Speck und der Zunge, die dann gekocht wurde. Zum Erkalten wurde ein schwerer Stein darauf gelegt, damit sie platt werden sollte. Aber zwecks besserer Haltbarkeit wurde bei uns fast alles in die Räucherkammer gehängt und geräuchert.

Das waren dann die Vorräte sozusagen für das ganze Jahr, die in der Räucherkammer oder in der Speisekammer aufbewahrt wurden. Von dort holte man dann nach Bedarf, so wie man es brauchte.

1.19 Schlitten fahren

Die Winter waren damals in Pommern immer sehr hart und lang. Die notwendigen Arbeiten wurden dann mit dem Schlitten erledigt. Z. B. brachte täglich ein Pferdeschlitten die Milch in die Molkerei. Auf dem Hof gab es dann noch einen großen Arbeitsschlitten für kleinere Transporte innerhalb des Hofes. Der war etwa 70 cm breit und 1,50 Meterlang. Natürlich besaß ich auch einen Schlitten, der hatte aber genau die richtige Größe für mich, denn der war nur etwa einen Meter lang.

Gelegenheit zum Schlitten fahren gab es genug, denn unmittelbar hinter unserer Scheune begann ein etwa 30 Meter hoher Berg. Genauer gesagt, es war ein langgezogener Abhang, denn es war genau die Kante des Urstromtales, durch das unten in den Wiesen sich die Leba schlängelte. In diesen Hang war mit der Zeit eine tiefe Abtragung, eine Kiesgrube, entstanden. Denn aus dieser Kiesgrube wurde der ganze Kies, der für die geschotterten Straßen die es in der Umgebung gab, mit Kies versorgt.

Diesen Hang nutzte ich im Winter, um Schlitten zu fahren. dazu nahm ich meinen kleinen Schlitten, und band ihn hinten an den Arbeitsschlitten an. Dann buchsierte ich beide den 30 Meter hohen Berg hinauf. Ich fuhr aber immer schräge zum Hang, damit mir das Gefährt nicht etwa entgleiten und den Berg unkontrolliert hinab fahren konnte. Oben angekommen brachte ich beide Schlitten in Position. Dann setzte ich mich hinten auf meinen kleinen Schlitten und schob leicht an. Langsam setzten sich dann beide Schlitten in Bewegung. Erst ganz langsam und dann immer schneller. Wenn ich unten an kam hatte ich meistens eine ungeheure Geschwindigkeit drauf! Leider konnte ich aber das Gefährt nicht abbremsen. Wenn ich kurz vor dem Gemüsegartenzaun war musste ich einfach abspringen. Das Gefährt wurde dann vom Maschendrahtzaun unsanft abgebremst. Im Sommer sah man noch immer die Einschlagstellen. Das war zwar nicht ungefährlich, machte aber ungeheuer Spaß.

Ich war froh, dass das nicht mein Vater sah, sonst hätte es sicher Ärger gegeben.

1.20 Kesselexplosion

Bis 1944 hatten alle Bauern bei uns in Wollendach ihre eigene Wasserversorgung auf den Höfen und zwar mittels Schwengelpumpen. Das hatte natürlich zur Folge, dass das Wasser per Eimer überall hin getragen werden musste. Nicht nur in die Küche, sondern auch in die Ställe zum Vieh tränken. Das war täglich eine beschwerliche Arbeit.

Irgendwer kam auf die Idee, statt der Schwengelpumpe eine elektrische Pumpe zu installieren. Das war allerdings nur mit diversen Umbauten möglich. Die Pumpe war zwar schnell installiert, denn die Bohrung bis zum Grundwasser war vorhanden. Aber es gehörte ja auch nun noch ein verzweigtes Leitungs-System dazu. Um das Wasser dorthin zu bekommen, war ein Wasserkessel erforderlich, in dem dann ein Überdruck erzeugt wurde, um das Wasser bis an alle Wasserhähne zu drücken Wer sich das leisten konnte, ließ umbauen. So auch bei uns und bei meinem Onkel Willi. Wir ließen auf dem Hof, neben der bisherigen Schwengelpumpe ein Loch ausheben, und einen Keller betonieren. Darin wurden alle technischen Einrichtungen untergebracht. Mein Onkel ließ den Kessel in den Keller stellen, wohl weil auf dem Hof zu wenig Platz war. Doch leider funktionierte die Einrichtung von Anfang an nicht richtig. Und mein Opa ging in den Keller, um nach zu stellen. Dabei hat sich der Druck im Kessel so erhöht, dass es nach einiger Zeit zu einer katastrophalen Kesselexplosion kam. Dummerweise stand aber mein Opa genau daneben und wurde von der enormen Druckwelle auf der Stelle getötet.

Ich erinnere mich noch ganz genau an das Begräbnis. Es waren viele Leute gekommen, denn mein Opa war recht bekannt.

Als letztes Erinnerungsstück stand noch Jahre lang der Boden des Kessels auf dem Hof. Nur gut, dass die Enkelkinder, die sogar damit spielten, die Tragödie noch nicht voll erfasst hatten, weil sie jünger waren als ich.

1.21 Wundersame Begegnung

Als wir bei unserer Polenreise von unserem Campingplatz nahe Leba durch die Dörfer fuhren wurde ich stutzig. Der Name dieses Dorfes Prebendowo hörte sich ähnlich an, wie Prebendow, der Geburtsort meines Vaters. Den hatte ich aber ganz wo anders vermutet. Ich sagte zu Götz, dass ich gleich nach unserer Rückkehr alle mitgebrachten Unterlagen studieren wolle, um das zu klären. Tatsächlich musste es sich hier um Vaters Geburtsort handeln. Ich beschloss, gleich am nächsten Tag noch einmal in diesen Ort zu fahren. Da es Sonntag war, wollte Götz gerne ausschlafen, also fuhr ich alleine.

Unter einem großen Baum stellte ich das Auto im Schatten am Dorfrand ab. Dann machte ich einen Bummel durch das Dorf, das völlig menschenleer zu sein schien. Ich machte auch Fotos, hatte aber keinerlei Verbindung zu dem was ich hier sah. Als ich wieder zu meinem Auto zurück kam, stand in der Nähe ein einzelner Mann, der mich freundlich auf Deutsch grüßte. Ich grüßte zurück und fragte, ob er auch Deutsch sprechen würde. Er antwortete mir, wie ich wolle, Deutsch oder Polnisch. Als ich näher ging und mich vorstellte meinte er, dass der Geburtsname seiner Frau auch so geheißen hätte. Und so lud er mich ein in sein Haus zu einem Kaffee. Die Frau, so etwa in meinem Alter, begann Geschichten von früher zu erzählen. Darauf erzählte ich Geschichten aus unserer Familie. Aber es gab überhaupt keine Übereinstimmung. Bis sie erzählte, dass sie auch schon einmal in meinem Heimatort gewesen sei bei einem Onkel. Der wäre aber leider durch eine Explosion ums Leben gekommen.

Darauf ergänzte ich:

Durch die Explosion des Wasserkessels im Keller!

Da fragte sie mich, woher ich das wüsste. Ich antwortete ihr, dass das mein Opa gewesen sei. So sagte ich, nun können wir uns Duzen, denn sie war die Groß- Cousine von mir.

Seither schreiben wir uns regelmäßig und ich überweise zu jedem Fest und zum Geburtstag eine Geldsumme, die so hoch ist, wie ihre ganze Monats-Rente.

1.22 Iwan - unser treuer Helfer

1944 wurde auch mein Vater zu den Soldaten eingezogen. Dafür bekamen wir einen Fremdarbeiter für den Hof zugewiesen, denn eine Frau alleine konnte den Hof nicht bewirtschaften. Es war ein älterer Mann, er hieß Iwan, und stammte aus der Ukraine, was für mich mit 11 Jahren natürlich noch kein Begriff war. Meine Mutter hatte Iwan natürlich komplett eingekleidet, als er ankam. Die Kleider von meinem Vater passten ganz genau, auch die Schuhe. Nur gingen bei der Arbeit schnell die Sohlen kaputt und es gab keinen Ersatz.

Da wusste sich Iwan aber zu helfen. Er fertigte in unserer kleinen Werkstatt geschickt mit Zugmesser und Stemmeisen neue Sohlen aus Holz, die er dann unter die Schuhe nagelte. Sie hatten sogar ein richtiges Fußbett. Auch waren sie leicht gebogen, so dass man beim Gehen sogar richtig abrollen konnte. Vor allen Dingen waren sie wärmer als dünne Ledersohlen. Iwan hatte ein eigenes Zimmer im Dachgeschoss unseres Wohnhauses. Sein Sohn Juri, so etwa 20 Jahre alt, arbeitet bei Gaddes, drei Höfe weiter. Er war an den Wochenenden immer bei seinem Vater, also bei uns auf dem Hof.

Das Leben war in dieser Zeit für alle recht bescheiden, aber wenigstens hatten wir genug zu essen. Nur Tabak war knapp und wurde zugeteilt. Das fiel Iwan schon manchmal schwer, denn er und auch sein Sohn waren starke Raucher. Nach dem Brot backen steckte Iwan immer Kirschzweige in den Backofen, um dann die trockenen Kirschblätter zu rauchen.

Meiner Mutter tat er richtig Leid. Und sie bot ihm an, in unserem Gemüsegarten doch ein paar Beete mit Tabakpflanzen anzulegen. Die Pflanzen bekamen wir beim Friedhofs-Gärtner. Das kam bei Iwan sehr gut an. War unser Verhältnis vorher schon sehr gut gewesen, so verbesserte es sich hiermit noch einmal mehr.

Der enge Kontakt zu den Fremdarbeitern war von deutschen Behörden gar nicht so gerne gesehen, aber für die Bewirtschaftung des Hofes einfach sehr wichtig, sich mit den Angestellten gut zu verstehen.

1.23 Iwans Schnaps - Idee

Eines Tages sagte Iwan zu meiner Mutter, dass die Zuckerrüben-Schnitzel im Stall für die Schweine eigentlich viel zu schade seien. Daraus könnte man einen guten Schnaps machen. Meine Mutter gab zur Antwort, dass genügend Schnitzel da seien, er könne machen, was er wolle.

Darauf nahm Iwan ein altes Fass, machte es sauber und weichte darin eine Menge Zuckerrüben-Schnitzel ein. Im warmen Stall fingen die natürlich nach kurzer Zeit an zu gären. Da meinte meine Mutter, dass Iwan jetzt die Schnitzel weg kippen müsste, weil sie schlecht zu sein schienen.

Aber Iwan meinte, dass das genau beabsichtigt sei. Nach einigen Tagen, der Gestank hatte inzwischen den ganzen Stall schon benebelt, war es dann so weit. Jetzt, meinte Iwan, müsste er die Küche für ein paar Stunden in Beschlag nehmen. Auch das gestand meine Mutter ihm zu, aber bitte erst nach dem Mittagessen.