Es war in Berlin - Gabriele Beyerlein - E-Book

Es war in Berlin E-Book

Gabriele Beyerlein

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Beschreibung

"Wir zwei, wir leben nicht das gleiche Leben." Die Arbeiterin Clara Bloos, die ums Überleben kämpft, und die reiche Baronesse Margarethe von Zug – unterschiedlicher könnten die beiden kaum sein, und doch sind ihre Schicksale miteinander verbunden, lieben sie doch denselben Mann. Band 3 der mehrfach preisgekrönten Berlin-Trilogie. Die Geschichte zweier junger Frauen aus dem Deutschen Kaiserreich vor dem Hintergrund der sozialistischen und der bürgerlichen Frauenbewegung um 1900.

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Seitenzahl: 951

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Gabriele Beyerlein

Es war in Berlin

Roman

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

1

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3

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7

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9

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Einige historische Erläuterungen

Im Roman erwähnte historische Persönlichkeiten:

Quellen:

DIE BERLIN-TRILOGIE von Gabriele Beyerlein

In Berlin vielleicht von Gabriele Beyerlein

Berlin, Bülowstraße 80 a von Gabriele Beyerlein

EDITION GEGENWIND

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Impressum neobooks

1

Die Spindelndrehten sichinrasender Geschwindigkeit.Derbreite WagenderSpinnmaschine fuhr aus und hieltin derEndposition, währenddieSpindeln sich weiterdrehten unddieWollfäden immer fester spannen. Dann stopptendieSpindeln,dieFäden wurden niedergedrückt,derWagen fuhr zurückin dieGrundposition,dieSpindeln wickelten dabei das Garn auf. Und wiedervonvorn. Ohne Unterlass,vondem Transmissionsriemen angetrieben, tatdieMaschine unter lautem Geratter ihre Arbeit.Siewurde nicht müde.

Clarasbrennende Augen huschten unablässig über Fäden und Spindeln, vor und zurück, nach rechts und nachlinks.DreihundertSpindeln hatte sie zu kontrollieren, keinen Wimpernschlag lang durfte sie dieses wirbelnde Spiel ausdenAugen lassen.Da, linksaußen, war ein Faden gerissen. Mit einigen Schritten war sie zur Stelle, folgte dem Wagenin derSpurderSchienen, auf denen er lief. Als erfasteingefahren war, beugte sie sich weit über ihn und erwischte das Endedeszerrissenen Garns, zogesheran. Vorderwieder ausfahrenden Maschine zurückweichend, ergriff sie das Fadenendederentsprechenden Spindel, legtediebeiden Teile ein Stück übereinander, nicht zu viel und nicht zu wenig. Sofort wurden sie durchdieDrehungderSpindeln verbunden. Sorgfältig hielt siedas Garnbeim Aufwinden so, dass sich keine Schlaufen bildeten.Dort in derMitte war schon wieder ein Faden gerissen, sie musste sich beeilen, ihn zu erhaschen, ehe er sich umdenNachbarfaden schlang und Schaden anrichtete.

Mechanisch tatenClarasFingerdienotwendigen Griffe, stetsdiegleichen, wie ein Automat. Immer wieder lief sie,dieAugen aufdieSpindeln gerichtet, vor ihrer HälftedesSelfaktors,derSpinnmaschine, hin und her. Immer wieder folgte siederBewegungdesgroßen Wagens vor und zurück. Immer wieder reckte und beugte sie sich über ihn, angelte nach gerissenen Fäden und legte siean.Und wiedervonvorn. VorderMaschine nach rechtsdieSchritte hin bis zu Franz – dem neuen Maschinenführer,deram Maschinenblock stehenddenSelfaktor wartete und ebendieeisernen Teile reichlich mit Öl schmierte – und dann wieder nachlinks dieSchritte zurück zum äußerstenRand.

DieSchritte zu ihm hin waren ihr lieber. Jedes Mal schaute sie kurz, ob sie vielleicht einen Blickvonihm erhaschte – bevor er zum nächsten Selfaktor hinüberwechselte, denn er hatte zwei Maschinen einzurichten, zu warten und zu überwachen …

Ohrenbetäubender Lärm erfülltedenFabriksaal. Zahllose rasselnde Maschinen zum Strecken und SpinnenderWollevon denVorfäden bis hin zum feinsten Kammgarn standen hier dichtandicht. Unaufhörlich drehten sichdieWellen unterderHallendecke,die von derDampfmaschine imKeller derFabrik angetrieben wurden, kreischend griffen Zahnräder ineinander, quietschend stießen Stangen vor und zurück, lederne Treibriemen heulten. Viele Tausende von Spindeln ließen ein hohes Surren ertönen. Vom Keller drangen das Pfeifen des Dampfkessels und das Stampfen der Dampfmaschine herauf, vom Erdgeschoss dröhnte das Getöse des lautesten und gewaltsamsten aller eisernen Ungetüme unter den Maschinen der Fabrik: des Öffners, der den ersten Arbeitsgang an der rohen Wolle vollführte und das ganze Gebäude zum Zittern brachte. Nur ein ersehnter Ton unter all diesem nervenzerrenden Krach stellte sich nicht ein: das helle Gebimmel der Mittagsglocke.

Kurz schauteClarazur großen Wanduhran derStirnseiteder Halle:nochfasteine Stunde! Seufzend blies sie sich eine Strähne ausderStirn,diesich aus ihrer straff aufgesteckten Frisur gelöst hatte. Morgens, wenn siein dieFabrik kam, trug sie ihre dunklen Haare zu einem langen Zopf geflochten. Franz hatte heute Morgen danach gelangt und gesagt, noch nie habe er einen so dicken Zopf gesehen.AberwährendderArbeit waresVorschrift,dieHaare aufzustecken – wie leicht konnten sich offene Haare sonst umdieSpindeln winden. Und wie leicht konnte sich ein im hastigen Hin- und Herlaufen fliegender Zopf im Treibriemendernächststehenden Maschine verfangen,von der ClaranurderschmaleGangtrennte! Wervonso einem Riemen erfasst wurde,derwurde mit unwiderstehlicher Machtin dieHöhe gerissen und gegendieDecke geschleudert, und wenn er dann wieder herabfiel, blieb kein Knochen heil. Vor Jahren war ein junges Mädchen so zu Tode gekommen, aus sträflichem Leichtsinn, erklärtendieAufseher,diejeder neuin dieSpinnerei eintretenden Arbeiterin warnend davon erzählten, damit sie sichinAcht nahmen. Dieser Treibriemen unddervielen ungeschützt sich drehenden Maschinenteile wegen waresebenfalls Vorschrift,dieSchürze über demRockmit doppelter SchleifeinKniehöhe fest zurückzubinden, damit kein wehender Rock und kein Schürzenzipfel in die Maschine geriet. Durch diese Art der Kleidung wurde es Clara noch heißer, als es ohnehin schon war.

Ein Schweißfilmstandihr aufderStirn und verklebte dort mit dem Staubder in derLuft schwebenden feinen Wollhärchen unddesAbriebsderLederriemen. Schweiß rann ihrinRinnsalendenRücken unddieSeiten hinunter.Eswar heiß und feuchtin der Halle, dieLuft war geschwängertvonWasserdampf, wiedieWolleesmochte.DieOfenhitze mischte sich mitderMaschinenwärme unddenAusdünstungenderWolle undderArbeitenden, und zu allem Überfluss schien auch nochdieWintersonne tiefin die Halleherein. Wiederwirbelnde Staubinihren Strahlen tanzte! Kaum sahmanhindurch.

Gern wäreClarazu einemdergroßen Fenster gelaufen und hätteesaufgerissen,denKopf kurzin dieklare Winterluft gesteckt.Aberdas ÖffnenderFenster wie das UnterbrechenderArbeit war durchdieFabrikordnung untersagt – wie so vieles, was gutgetan hätte. ObdieArbeiterinnen unterderunnatürlichen Schwüle im Raum litten, was spielte das für eineRolle,wenn nurdieWollediefeuchte Wärme hatte,diesie brauchte, wenn nurdieFäden nicht rissen!

»Diese Hitze!«, rief Franz ihr über das Maschinengetöse zu, als sie wieder neben ihm zu stehen kam.Erblies scherzhaftdieBacken auf, wischte sich theatralisch mit dem HandrückendieStirn und schlenkertedieHand, als würde erdieSchweißtropfen abschütteln.

Sie lachte. »Das kannstdulaut sagen! Ich komme um vor Durst.« Sie achtete darauf, dass sie dem AufseherdenRücken zuwandte, damit dieser nicht sah, dass sie sich mit Franz unterhielt. Privatgespräche währendderArbeit waren verboten, aber bei dem Lärm konntederAufseher sie nicht hören.

»Wären wir Orchideen, wir würden hier drinnen gedeihen, bei dem Treibhausklima, das wär eine reine Pracht!«, rief er zur Antwort und grinste ihr zu.

»Aberso gehen wir ein wiediePrimeln«, rief sie zurück und freute sich, dass sie eine so gute Entgegnung gefunden hatte.

»Bist ja das reinste Blumenfräulein!« Wieder grinste er, dann beugte er sich tief überdenMaschinenblock und justierte eine Schraube.

Blumenfräulein. Das war ein Kompliment, oder? Franzens Eltern hatten früherineiner Gärtnerei im Westen Berlins gearbeitet, als Kind hatte er mit ihnenin derGärtnerei gewohnt und Gärtner werden wollen.Aberdann hattedieGärtnerei geschlossen, weil das Grundstück zu Bauland geworden war. So war Franzineine Spinnerei gegangen und hatte sich zum Maschinenführer hochgearbeitet, er hatteeserzählt, alsOlgaihn gefragt hatte.Olgaunterhielt sich mit jedem,derihr gefiel, da kanntedienichts.

Olgahatte ihren Platz aufderrechten SeitevonFranz,an deranderen HälftederSpinnmaschine. Und natürlich trug sie ihr HemdamHalsausschnitt wieder offen und so weit, dassesihr überdieSchulter glitt und wer weiß was sehen ließ.

Linksaußen warderFaden gerissen. Rasch tatClaraihre Pflicht. Als sie kurz wieder zu Franz sah, hantierte er mitderÖlkanne. Musste nicht rechts ein Garnkörper aufderSpindel höher geschoben werden, umdierichtige Aufwicklung zu erhalten – dort dicht neben Franz? Sie eilte hinüber.Datrat ihr nackter Fuß auf einen öligen Fleck, sie rutschte aus, schrie auf, ruderte wild mitdenHändenin derLuft, kamdenZahnrädern der nächsten Maschine bedenklich nahe, dann fiel sie und schlitterte an Franz vorbei so weit über den glitschigen Boden, dass sie Olga zwischen die Beine segelte. »So pass doch auf!«, schrie diese auf, kämpfte vergebens um ihr Gleichgewicht und stürzte schließlich über Clara.

Einen Augenblick lagen sie beide benommenamBoden.ClaraschlossdieAugen. TrotzdesSchrecks und des dumpfen Schmerzes durchdenAufprall genoss sie beinaheden Moment desLiegens. Endlich eine unverhofftePause.

»Na,dieholde Weiblichkeit mir zu Füßen, das lass ich mir gefallen!«, rief Franz mit breitem Lachen.

»Das könnte dir so passen!«, entgegneteOlga,streckte ihmdieZunge heraus und rappelte sich aufdieKnie. »Hilf mir lieber beim Aufstehen!«

Franz hieltOlgamit fettem GrinsendieHand hin, um ihr aufzuhelfen.OlganahmdieHand, aber einen endlosen Augenblick verharrte sie vor ihm aufdenKnien, viel weiter vorgebeugt als nötig. Sein Blick bliebinihrem Ausschnitt hängen. Undanseinem Gesicht sahman,dass dieser Blick tief reichte, wahrscheinlich bis zum Bauchnabel.Oderdoch eher weiter oben hängen blieb. Dann endlich zog FranzOlgahoch und gab ihr einen derben Klaps aufdenHintern.Olgakreischte auf.Aber dieHand,dieauf ihrem Hinterteil liegen geblieben war und sich dort unverkennbar wohlfühlte, schüttelteOlganicht ab.

Rasch sahClaraweg undstandauf. Mit einem kurzen Blick zum Aufseher hin,deraufdieSzene aufmerksam geworden war und bereits näher kam, eilte sieanihren Platz zurück.

»Dahab ich wohl Öl verschüttet«, meinte Franz. »Ich mach's auch wieder gutan dengefallenen Mädchen. Heut Abend auf dem Heimweg spendier ich euchin derBierhalle eine erstklassigeBerlinerWeiße!«

EineBerlinerWeißevonFranz. Eben noch hätte sie sich nichts Besseres vorstellen können.Abernicht mit dieserOlgagemeinsam, so, wiediesich aufführte!»Wiedudir das vorstellst«, rief sie abwehrend. »Daheim warten sie auf mich.«

Franz machte nichtdenEindruck, als täte ihmdieAbfuhr leid. Er hatte nur noch Augen fürOlga.Wasdiesagte, konnteClaranicht verstehen.Aberdasseseine Zustimmung war, das sah sie.

»Und wenndumeinetwegen noch mal fällst, dann hab ich nichts dagegen,duweißt schon, wie ich's meine«, rief FranzOlgazu und lachte anzüglich.

»Bevor ich deinetwegen fallen würde, müssteesbei dir erst mal ordentlich stehen«, gabdiezurück.

Clarawandte sich ab. Sie hatte genug.

Zornig beugte sie sich überdieSpindeln. Fünf Fäden waren gerissen, aber nicht alle hingen mehr lose herab, dort, dort und dort hatten sie sich mitdenNachbarfäden verbunden. Doppelfäden warenesnun,die von deneinen Spindeln aufgewickelt wurden, währenddieanderen sich leer drehten. WennderAufseher das merkte – eine Katastrophe! Garnkörper mit Doppelfäden waren Ausschussware, dafür würde sie Lohnabzug bekommen. Hastig riss siedieDoppelfäden durch, versuchte sie wiederan denbeiden richtigen Spindeln anzulegen, nur schnell, schnell, damitesnicht auffiel! Doch da drüben bildeten sich Schlingen, wie sollte sie das verhindern, sie konnte nicht überall zugleich sein.Dieein, zwei Minuten,diesie durchdenSturz verloren hatte, ließen sich nicht einholen, pflanzten sich als Fehlerfort.

Dannstand derAufseher neben ihr. Mit einem Blick erfasste erdie Situation.»Doppelfäden!«, blaffte er siean.»Und dann auch noch einfach drüberspulen, als wäre nichts! Das istderGipfel! Ist dir überhaupt klar, wasduhier produzierst?DieWeberei reklamiert dann, dass wir schlechtes Kammgarn liefern, undderRuf unserer Spinnerei ist ruiniert. Ein Viertel Abzug!«

Ein Viertel Tageslohn Abzug! Zweidreiviertel Stunden umsonst geschwitzt, umsonst sich geschunden

ClarapresstedieZähne zusammen. Nur ja nichts sagen. Wenn sie sich jetzt rechtfertigte, dass sie nichts dafür könne, weil sie ausgerutscht sei, dann bekam sie wegen Aufsässigkeit noch einen Abzug dazu.

Früher, beim alten Fabrikherrn, waresanders gewesen, da hatte ein menschlichererTongeherrscht.Dahätte sie nicht versucht, einen Fehler zu vertuschen, weildieAufseher auch mal ein Auge zugedrückt hätten, wennman aneinerPannewirklich nicht schuld war.AberseitderSohndieFirma übernommen und neue Aufseher eingestellt hatte, hagelteesnur so Abzüge und Strafen.

Sie konnte sich das Lamento ihrer Mutter schon vorstellen, wenndie vondem Abzug erfuhr. AchtMarkverdienteClara ineiner Woche, wenn sie keine Strafen zahlen musste, und auf jeden Pfennig kames an– unddieVersicherungen gingen auch noch runter.DieMutter glaubte, sie könne jede Woche achtMarkverdienen, und wennesweniger wäre, dann wäreesClarasSchuld.Aberwas wusste ihre Mutter schon davon, wiees ineiner Fabrik zuging,diehatte nieineiner gearbeitet! Sie würdederMutter nichts davon sagen, vorerst.

Amnächsten Samstag allerdings, wenn siedenLohn ausbezahlt bekam, würdeessich nicht verheimlichen lassen.

Und das alles wegen Franz. Franz,derso verwegen aussah, wenn erdieMütze ausderStirn schob.Aber der Olga in denAusschnitt starrte und ihraufdenHintern klatschte und so anzüglich daherredete und sichvon deranmachen ließ, dassmansich schämte.

Freilich, Sprüche machten alle Männerin derFabrik, unddiemeisten Mädchen und Frauen lachten darüber. Sie fandesnicht wirklich zum Lachen.Vondaheim war sie so was jedenfalls nicht gewöhnt.

Gefallene Mädchen!So nanntendiebesseren Leute Mädchen,diesich mit einemManneingelassen hatten, und rümpftendieNasen.Gefallene Mädchen!Wasbildetedersich überhaupt ein! FürOlgamochte das ja stimmen, fürdiemit Sicherheit.Abersie selbst jedenfalls, sie war keingefallenesMädchen, sie hatte noch keinenansich rangelassen und sie wollteesauch gar nicht und erst recht nicht diesen Franz oder einen anderen Rohling ausderFabrik.

Aberwo sollte sie einen kennenlernen, wenn nichtin derFabrik? Ihre Eltern erlaubten ja nicht, dass sie samstagabends zum Tanzen ging wie alle anderen Mädchen.Weilsie vom Dorf waren aus Schlesien,vonwo sie erst vor ein paar Jahren hergezogen waren. Und weil sieesmitderKirche hielten und weilderPfarrer predigte, dassesSünde sei vorderEhe.Es.Dabei wollte sie das sowieso nicht, nur ein bisschen Tanzen und ein bisschen Vergnügen – das konnte doch nicht zu viel vom Leben erwartet sein!Aber derVater würde sie jaamliebsten einsperren, obwohl sie doch längst siebzehn war. Und vormachen konntemanihm nichts.Derarbeitete selbstineiner Spinnerei und wusste, wiedieRedenin derFabrik waren, und kannte genug solche wie Franz undOlga.

Fieberhaft arbeitete sie. Ihre Finger flogen.DieGedanken noch mehr. Und dann endlich ertöntedieerlösende Glocke.

Wie durch Zauberhand standen alle Maschinen still. Ein Aufseufzen ging durchdie Halle.Im nächsten Augenblick stürzten alle Arbeiterinnen und Arbeiter zur Tür. Im Pulkderanderen drängteClara dieTreppe hinunter, ihren KorbamArm. Ein Stau bildete sich, weil auch ausder Halleim ErdgeschossdieMädchen, Frauen und Männer quollen, ein Schieben und Drücken, dann endlich war sie im Freien. Tief atmeteClaraauf. Luft! Kalte, klare Winterluft,in derschon ein HauchvonVorfrühling lag.DieSonne schienin denHof und brachtedieletzten Schneereste zum Schmelzen.

Auf einer aus ein paar Steinen und Brettern errichteten provisorischenBankließClarasich nieder und hüllte sichinihr warmes Umschlagtuch.

Sie blinzelte gegendieSonne. War da drüben nicht Franz? Wie er dortstandund sichdieMütze ausderStirn schob … Ihr Herz schlug schneller, ob sieeswollte oder nicht.

Zwei andere junge Arbeiter kamen aus dem Fabrikgebäude, gingen auf Franz zu. Gemeinsam verließendiedreidenHof.Diejungen Männer,diehatten Geld,dieverdienten ja das Doppeltevondem, was sie verdiente, und gaben aus, was sie hatten.Diebrachten sich nicht ihrEssenmitin dieFabrik, sondern gingen zu einem privaten Mittagstisch oderineine Kneipe, wennesnach Hause zu weit war, und aßen Fleisch und tranken Bier. Und konnten sich sogar leisten, zwei Mädchenin dieBierhalle einzuladen.Aberim Grunde waren sie nuraneiner interessiert,dieihnen alles zeigte, was sie hatte – unddievor allem mehr tat, alsesnur zu zeigen. Ach, was solltees! AnFranz noch einen Gedanken zu verschwenden, lohnte ja doch nicht.Clarahielt ihr Gesicht mit geschlossenen Augenins Licht.DieSonne brannte alle Gedanken weg, bis nichts mehr da war außer diesemRot,das hinter ihren Lidern flimmerte.

Wohlig streckte siedieBeinevonsich. Sie war froh, dassderWeg nach Hause zu weit war, um ihnineiner Stunde Mittagspause hin und her zurückzulegen. So erwartetedieMutter nicht, dass sie mittags heimkam.

Endlich einen Augenblick ausruhen, genießen. Frische Luft atmen. Und endlich wieder fühlen, dassmanlebte.

Langsam kroch ihrdieKältevon denFüßen aufwärts unterdendünnenRock,biss ihrin die Haut.Sie schlangdieArme umdenOberkörper, zog das Umschlagtuch fester, rieb sichdieSchultern. Obwohl sie immer stärker fror, blieb sie sitzen. Wie ruhigeswar. Kein Maschinenlärm mehr, keine Stimmen, nur das TschilpenderSpatzen.

Wie früher daheiminSchlesien. Immer so bleiben.

Als sie sich schließlich vor Kälte zitternd erhob, warderHof leer.Claramachte sich zum »Speisesaal« auf, einem düsteren Raum im KellergeschossderFabrik,indemdieDampfmaschinestand.Widerstrebend stieg siedieStufen hinunter. Wäre nur endlich Frühling, dassmanwiederdieganze Mittagspause im Freien verbringen könnte!

Sie stießdieTür auf. Stickige Wärme, ein übles Gemischderverschiedensten Gerüche, Tabakqualm, Kohlenstaub und lautes Stimmengewirr schlugen ihr entgegen.DerRaum war so düster und dunsterfüllt, dass ihre sonnengeblendeten Augen kaum etwas sahen.Fastblind bahnte sie sichdenWeg zwischendenlangen Bänken hindurch undan denKohlehaufen vorbei zum vor Hitze glühenden HeizkesselderDampfmaschine und stellte ihre Blechkanne darauf. Dann ließ sie sich auf dem nächsten freien Platzaneinemderrußgeschwärzten Holztische nieder,andem mehrere junge Mädchen saßen.

»Na,Clara,hastduheut wieder nur Kartoffeln?«, fragteOlga.

Clara hatte nicht gemerkt, dass sie sich ausgerechnet neben die gesetzt hatte. Doch jetzt aufstehenundsich einen anderen Platz suchen, das ging nicht.

»UndKaffee«, erwiderteClara,»aberden machich grad heiß.« Vor einer wieOlgaließ sie sich nicht anmerken, dass sie auch gernmaletwas anderes zu essen hätte.SiebeganndiePellkartoffeln zu schälen.

Sorgsam bewahrte siedieSchalenineinem Stück Zeitungspapier auf.Diekleinen Brüder würden sich freuen, wenn siedieihnen aufderHerdplatte rösteteund mitetwas Zucker bestreute –dieeinzige Nascherei,die esdaheim gab.

»Da,darfstmal miteintauchen«, erklärteOlgaundschob ihr das Blechgeschirr hin,indem cremig gerührterQuark Claraverheißungsvoll anlachte. Ihr lief das Wasser im Mund zusammen.Siewollte ablehnen,abersie brachteesnicht fertig, fuhrmitihrer Kartoffelin den Quark.Wie kühlundfrisch das schmeckte.Obsie wohl noch einmal durfte?Aberausgerechnetvon Olga…

Raschstandsie aufundholte ihre Kaffeekanne vom Heizkessel.Sietrankundtrank. Süßundherb zugleich rann das heiße Getränk aus Kaffee-Ersatz durch ihre Kehle. Drei gehäufte Esslöffel Zucker hatte sie hineingemischt. Zucker zum Kaffee aus Zichorienwurzel wardereinzige Luxus,mitdemdieMutternieknauserte –undwennmanbeim Kaufmann dafür anschreiben lassen musste. Wie ließe sich auch sonst ein Arbeitstagvonmorgensumsechsbisabends um sechs durchstehen?

»Clarahat heut eine Einladung zurBerlinerWeiße ausgeschlagen!«, verkündeteOlga denanderen. »Franz wollte siemit mirgemeinsamin dieBierhalle ausführen.Aber Clarawill nicht. Was sagt ihr dazu?«Olgalachte.

Clarastieg das Blutin denKopf. Dennoch zuckte siedieSchultern und versuchte gleichfalls ein Lachen. »Na und! Ichmachmir nichts aus ihm.«

»Dahör mal einean«,schaltete sich Emmi ins Gespräch ein, ohne ihren Strickstrumpf sinken zu lassen. »Wo er doch gar nicht schlecht aussieht! Schultern hatder und Muskeln, diekönnten mir schon gefallen. Und wenn er sodieMütze zurückschiebt –derhat das gewisse Etwas, da gibt's nichts. So einen lässtmandoch nicht stehen!Oderhastdu amEnde längst einen Bräutigam,Clara,und wir wissen nichts davon?«

»Was,Clarahat einen Bräutigam? Und, was ist? Wie ist er? Jetzt aber los, erzähl!«, riefendieanderen Mädchen und beugten sich vor.

»Was ihr nur habt«, wehrteClaraab.

VonStundezu Stunde wurdedieLuft dumpfer. Wennmanwenigstens einmal einen Schluck Wasser trinken dürfte!Aber dieArbeitan derSpinnmaschine duldete keine Unterbrechung.DerNachmittag – fünf StundenamStück – nahm kein Ende.

Wie benommen tatClaraihre Arbeit. Eben noch hatte das Anspinnen für eine neue Partie eine gewisse Abwechslung gebracht.Damusstemansich zwar beim Abnehmen und Einsortierenderaufgespulten Garnkörper,derKötzer, beim Aufstecken frischer Papierhülsen aufdieSpindeln und beim Anlegenderneuen Fäden auch beeilen, abermankonnteeswenigstens im eigenen Rhythmus machen, musste sich nichtan dieBewegungderMaschine anpassen und nicht auf dieses wirbelnde Spiel starren. Doch nun hatte sie wieder das Spinnen zu überwachen. Mechanisch erfülltendieFinger ihre Aufgaben, ganzvonselbst registriertendieAugen jede Störung, unwillkürlich reagierten ihre Muskeln. Immer dasselbe.DerLärm schien zuzunehmen, lauter und lauter zu werden. Unerträglich dröhnte erin denOhren und wollte ihren Kopf schier zersprengen. Schultern und Rücken schmerzten,dieBeine waren schwer,dieZehen taten weh. Mehr als einmal hatte sie sich diesean denaufdenBoden geschraubten Eisenschienen gestoßen, auf denenderWagen fuhr. Und noch mehr als zwei Stunden bis zum Feierabend.

Kein Blick mehr für Franz. Nur nochdieseine: aushalten, durchhalten!Daplötzlich scheppertedieGlocke. UnddieMaschinestandstill. Einen Augenblick wurdeClaraschwarz vor Augen. Taumelnd hielt sie sichamWagendesSelfaktors fest. Dann schaute sie zur Wanduhr: Erst vier.

Stimmen erhoben sich, fragten nach dem GrundderUnterbrechung.DerOberaufseher rief laut: »Schluss für heute!DerHerr Direktor hat Kurzarbeit angeordnet. Täglich neun Stunden, dabei bleibtesfürs Erste. Morgen früh wieder um sechs! Und jetzt gründlichdenArbeitsplatz aufgeräumt und reinegemacht! Vorher verlässt keinerdieFabrik.«

»Kurzarbeit?«, gellte eine Frau, deren Augen vom Staubrotentzündet waren. »Ohne uns was zu sagen! Vier Kinder hab ich großzuziehen und meinMannist krank und kann nichtin dieFabrik! Kann mir einer sagen, wie ichdiehungrigen Mäuler daheim stopfen soll?«

Andere Stimmen mischten sichin denProtest, dochClaradachte nichts als: Gott sei Dank. Für heute kann ich entkommen.

EinerderArbeiter forderte lautstark Aufklärung, wie langedieKurzarbeit andauern werde, doch er wurde vom Oberaufseher abgefertigt: »Das wirstdudann schon sehen. Seit wann ist dir dennderHerr Direktor Rechenschaft schuldig? Und jetzt haltdenMund! Sonst arbeitestdumorgen nur fürdieStrafe,diedir abgezogen wird. Das gilt für alle!«

Das laute Schimpfen verstummte und wandelte sichinein leises Murren. »Das könnendiedoch mit uns nicht machen«, klagte Emmi,die an dernächsten Maschinestand,flüsternd. Ihre Stimme zitterte. »Wie soll ich denn jetzt mit dem Lohn auskommen, wo's doch so schon vorn und hinten nicht reicht!« Emmi hatte ein Kind und keinen Vater dazu.

Claraerwiderte nichts. Kurz sah sieindas verzweifelte Gesichtderanderen, blickte rasch wieder weg. Dann kehrte sie hastigdieAbfälle zusammen, säubertedieMaschine und ging, ohne auch nur noch ein einziges Wort zu wechseln. Endlich frei.

Erst aufderengen Straße hielt sie inne und wickelte sichinihr Umschlagtuch. Zwei geschenkte Stunden lagen vor ihr. Doch wie sie nutzen? Wenn sie nach Hause ginge, so würde sievon derMutterin dieHeimarbeit eingespannt werden.Odersie müsste bügeln.Denganzen Sonntag hatte sie mitderMutter gemeinsam Wäsche gewaschen, körbeweise wartete diese darauf, geplättet zu werden. So oder so hätte siedieSchuftereiin derFabrik nur gegendieSchufterei zu Hause eingetauscht.

Sie wandte sich zum Fabriktor um. Im Pulkderanderen sah sie Franz mitOlgaherauskommen.Olgahatte sich bei ihm eingehängt und lachte zu ihm empor. Und jetzt legte er seinen Arm um ihre Hüfte und ließdieHand unter dem Umschlagtuch verschwinden.

Clarawandte sich ab und liefdieStraße hinunter, bog um eine Ecke, verließdieüblicheRoutenach Hause. Vor Franz undOlgaherzugehen, nein, dazu hatte sie nun wirklich keine Lust.

Gassen, durchdiesie noch niemals gegangen war, altes heruntergekommenes Gemäuer, Hoftore,die denBlickindüstere baufällige Höfe freigaben,indenen morsche Schuppen und schadhafte Holzvorbauten beinahe jeden Winkel ausfüllten, windschiefe Häuser aus längst vergessenen Jahrhunderten –Claraseingeschlagener Weg führte sie durchdieältesten QuartieredesZentrums.

Eine Idee bildete sichinihr: Ums Schloss wollte sie spazieren und beiderBaustelle zuschauen, wiederneueDomentstand, danndieLinden hinab flanieren undin derFriedrichstraßedieGeschäfte ansehen und ihre Freiheit genießen. Was für ein guterTag!Und dann kam nochderbeste AbendderWoche. Heute war Donnerstag, und donnerstagabends passte sie immer aufdieKinder ihrer älteren Freundin Jenny auf, während diesein dieArbeiterinnenschule ging, und durfte zum Dank bei Jenny essen, bis sie satt war. Jenny war mit einem Eisengießer verheiratet,dergut verdiente, und deshalb gabesbei Jenny immer herrliche Sachen zu essen, oft sogar Fleisch. Bei dem bloßen Gedanken liefClaraschon das Wasser im Mund zusammen.

Gemächlich schlenderte sie weiter, rieb dabeidieHände aneinander.DieSonnestandschon so tief, dassdieGasse im Schatten lag. Und so wohltuend sie zunächstdieWinterluft nachderstickigen HitzederFabrik empfunden hatte – nun wurde ihr kalt. Wenn sie einen Mantel hätte!

Sie seufzte. Ein Wintermantel, das warderTraum,densie seit Jahren mit sich herumtrug. In einem Mantel aus dichtem Wolltuch müsste sie nie mehr frieren. Und niemand würde ihr aufderStraße ansehen, dass sie keine Bürgertochter war, sondern nur ein Fabrikmädchen. UndamSonntag könnte siein derStadt spazieren gehen und müsste nicht zu Hause sitzen bleiben, weil sie nichts Warmes anzuziehen hatte, womitmansichamSonntag blicken lassen konnte.

Sie hatte ja Geld. EineMarkdurfte sie jede Wochevonihrem Lohn behalten, wenn sie das verdiente Geld bei ihrer Mutter ablieferte. Davon musste sie ihre Kleidung bezahlen und alle kleinen Vergnügungen,diesie sich gönnte. Sie gönnte sichfastnie etwas, auch keine Abfallwurst oder einen Hering zu Mittag wie manchederArbeiterinnenin derSpinnerei. So viel Geld als möglich trug sie aufdieSparkasse.

Wennmanheiraten wollte, dann brauchtemanmindestens dreihundertMarkfürdenallernötigsten Hausrat, hatte Jenny gesagt, darunter ging gar nichts. Jenny wusste so was. Jenny wusste überhaupt sehr viel.

Clarabog um eine Ecke und blieb erschreckt stehen.DieStraße war überfülltvonMännerninblauen Arbeitsblusen,diemit besorgten Gesichtern schweigend auf und ab gingen oder sichinbald ernstem, bald erregtem Gespräch vor demToreines schmalen Fabrikgebäudes versammelt hatten. DasToraber wurde bewachtvonzwei finster dreinblickenden Schutzleuten. Frauen beugten sich ausdenFensternderumliegenden Häuser und schauten neugierig auf das Geschehen.

»Was ist hier los?«, fragteClaraeine junge Frau,die – ineiner gegenüberliegenden Hofeinfahrt stehend – das Ganze beobachtete, einen kleinen JungenamRockschoß, ein Baby auf dem Arm.

»DieArbeiterderFabrik dort streiken«, erwiderte diese. »Drechsler sindes,denenderStücklohn um ein Drittel gekürzt worden ist.Aberdas sind alles Organisierte, Genossen,dielassen sich das nicht bieten,diehaben spontan zum Streik aufgerufen. Na, wenn das mal gut geht! Ich will ja nichts gesagt haben, aber …«DieFrau stockte und wies zum AusgangderStraße, stieß einen Schrei aus. »Ich hab's ja geahnt!« Damit fasste sie nachderHanddeskleinen Jungen, drehte sich um und verschwandin derToreinfahrt,denKleinen hinter sich herziehend.

Clara blickte die Straße hinunter, wohin die Frau gezeigt hatte. Sie schluckte. Berittene Polizei näherte sich von dort, immer mehr Schutzmänner auf hohen Pferden wurden es, die mitten unter die Menschen ritten und die Gruppen zertrennten. Und vom anderen Ende der Straße kamen auch welche.

Polizei.Eswar, als setze etwasinihrem Kopf aus. Weg hier!, dachte sie nur noch, weg hier!Aberwenn sie rechts oderlinks dieStraße hinunterlief, würde sie genaudenSchutzmännernin dieArme laufen. Und vor denen fürchtete sie sich mehr, als sie sagen konnte.

Sie verzog sichin dieToreinfahrt, ging immer weiter, kamineinen engen Hof, hörte sie nicht ein Schreien ausderGasse? Pfiffe?

Wie leicht konnteman inetwas hineingeraten, aus demmannicht mehr herauskam.Abersie konnte sichjanicht ewigindiesem düsteren Hof verstecken. Wer konnte wissen, wie lange das da draußen noch so weiterging! Unschlüssig sah sie sich um.

»Was suchstdudenn?«, riefen ihr ein paar spielende Kinder zu.

»Gibteshier einen zweiten Ausgang?«, fragte sie.

»Ist wohldiePolente hinter dir her?«, fragte ein Junge und grinste mitfühlend.Dieanderen Kinder lachten.Eswar ein nettes Lachen.

Willig führtederJunge sie durch dunkle Flure, finstere Winkel und enge Höfe, vorbeianstinkenden Latrinen und wirren HaufenvonGerümpel.Ineiner Ecke lallte ein Betrunkener, eine Frauenstimme zeterte hinter blinden Fensterscheiben, lautes Fluchen antwortete ihr, irgendwo schrie sich ein BabydieSeele aus dem Leib.

»Na, was krieg ich dafür?«, fragtederJunge und wies auf ein offenesTor,hinter demmaneine schmale Gasse sah,die denBlick frei gab aufdenMolken-Markt. Ein Pferdeomnibus ratterte überdenPlatz.

»Danke!«, erwiderteClara. »Abergeben kann ich dir nichts. Ich hab nichts.«

DerJunge nickte und grinste. »Hab ich mir schon gedacht. Wieduaussiehst.«Erzwinkerte ihr verschwörerisch zu: »Lass dich nicht erwischen!« Damit verschwand er.

Eswar ruhig aufderStraße. Als würde nicht ein paar Meter weiter Aufruhr herrschen und vielleicht sogar Kampf.

Claraschauderte zusammen.DieLust auf einen freien Nachmittagin derStadt war ihr vergangen. Heim wollte sie, nur noch heim.

AufderBlumenrabatte steckten schondieSchneeglöckchen und Krokussediegrünen Blattspitzen ausderErde. UnddieChristrosen blühten.Clarablieb stehen, schaute. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Sie liebte diese Beete im ersten Hof ihrer Mietskaserne, aufdie denhalbenTag dieSonne schien. Überhaupt dieser Hof mit seiner kleinen Rasenfläche und seinemvonBlumenbeeten eingefassten Zierbrunnen, seinen Fliederbüschen,dieimMaiso wundervoll dufteten, und seiner rosenumrankten Laube,in der dieHerrschaften imSommer Teetranken unddiebeiden alten Damen aus dem drittenStock desVorderhauses ihre Stickereien anfertigten. Einmal nur für eine Stundeindieser Rosenlaube sitzen dürfen!

Aber derAufenthalt im Garten war nurdenHerrschaften aus dem Vorderhaus gestattet, sostand esauf dem Schild im Eingang unter demstillen Portier–derTafel,die dieBewohnerdesVorderhauses aufführte – gemeinsam mit alldenanderen Verboten,diedas Herumstehen, das Rufen und laute Redenin denTreppenhäusern und Tordurchfahrten untersagten und das Spielenin denHöfen und überhaupt alles, was Freude machte.Diealte Frau Riefke,dieMutterdesHauswarts, hatte ihren LehnstuhlamFensterderHauswartswohnung im Erdgeschoss rechts und schautedenganzenTag in denGarten. Und sobaldmanauch nur stehen blieb, sagte sie ihrem Sohn Bescheid und schon kam Riefke gerannt und kanzelte einen ab.

Kurz warfClaraeinen Blick zu dem besagten Fenster, obdieGardine sich schon bewegte.Dasah sie eine junge Frau mit Kinderwagen durchdieEinfahrt kommen, ein Kindan derHand, und als diesein denHof trat, erkannteClara,dassesihre Freundin Jenny war.»Clara! Clara!«, riefderkleineMoritz,riss sichvonseiner Mutter los und lief ihr entgegen. »Kommstduheut zu uns? Erzählstdumir wiedervonRübezahl?«

Claragingin dieKnie, breitetedieArme aus und fingdenDreijährigen auf.»Abersicher doch«, erwiderte sie und strich dem KleinendieHaare ausderStirn. Hinter dem Fenster wurde mit einemStock an dieScheibe geklopft und gedroht. Sie erhob sich mit dem Kind auf dem Arm und nickte Jenny zu: »Gleich kommt Riefke!«

Diese verdrehtedieAugen. »Könnt ihr nicht lesen?«, äffte siedenKasernenhoftondesHauswarts nach.»Odermuss ich erst andere Saiten aufziehen?« Sie schüttelte sich und lachte. »Riefke kann nun maldenFeldwebel nicht ablegen.Aberwir sind nichtseineRekruten –dersoll mir nur dumm kommen!« Sie warfdenKopfin denNacken.

ClarasahdieÄltere voller Bewunderungan.Jenny ließ sichvonniemandem einschüchtern. Dennoch schob siedenKinderwagen auf dem Plattenweg rasch weiter. Erst im DunkelderDurchfahrt zum zweiten Hof verzögerte sie ihren Schritt und fragte:»Aberwarum bistduschon zu Hause?Esist doch noch nicht einmal fünf?«

»Wir haben Kurzarbeit«, erwiderteClaraund tratin denzweiten Hof,derähnlich geräumig war wiedererste, doch im Gegensatz zu diesem nichtdiegeringste Begrünung aufwies. Nur ein bisschen vertrocknetes Unkraut zwängte sich zwischendenFugendesKopfsteinpflasters zu beiden SeitendesWeges hindurch.An dieMauer zum rechten Nachbargrundstück, überdiedas sägezahnförmige Dach undderSchornstein einer Fabrik hinausragten, drängte sich ein Schuppen,indem eine kleine Kohlehandlung sowiederStall unddie Remiseeines dürftigen FuhrunternehmensFuhren allerArt,schnell, billig, preiswertuntergebracht waren. Daneben Mistgrube und stinkende Müllkübel, davor die Teppichklopfstange. Die Wäscheleinenpfosten standen ein Stück entfernt aufderlinken SeitedesHofes vor dem SeitengebäudederMietskaserne mit dem Abgang zur KellerkneipeZum unterirdischen Paule. Weiße TafeltücherderVorderhaus-Bewohner wehtenin derWinterluft.

Trotz seiner Kargheit unddesLärms,der von derFabrik vom Nachbargrundstück herüberdrang, mochteClara denzweiten Hof:Hierwaresnicht so düster wieinihrem eigenen Hof, dem dritten.Hiertrafmanoft auf Gesellschaft und niemand verbot einem, sich zu unterhalten. Im Augenblick freilich war sie mitderFreundin und ein paarHimmel und Höllespielenden Kindern allein.

»Kurzarbeit? Einfach so?« Jenny sah sie fragendanund blieb stehen.

Claranickte. »Uns hat keiner was erklärt.«

»Und morgen heißtesdann,derAbsatz für Wolle ist eingebrochen und ihr müsst fürdenhalben Lohn arbeiten!«, erregte sich Jenny. »Ich kenne das, ich hab das alles schon erlebt, vor Jahren, als ich als Mantelnäherinin derFabrikin derSpandauer Straße gearbeitet habe. Und das Garn unddieNähnadeln wollten sie uns auch noch vom Lohn abziehen. Pass bloß auf,Clara,dasseseuch nicht auch so geht!«

»Was sollmanda schon machen«, antworteteClara.

»So darfstdunicht reden!« Jenny ereiferte sich immer mehr.»Dumusst kämpfen! Wir habenesauch geschafft, damals. Wir haben uns einfach geweigert, zu so einem Schandlohn zu arbeiten. So jung ich war und sobitterangewiesen auf das bisschen Geld, ich war dabei. Mit zwei anderen gemeinsam haben michdieArbeiterinnen als Delegation zum Unternehmer geschickt. Undderhat tatsächlich klein beigegeben. Denk immer dran: Eine Arbeiterin oder ein Arbeiter alleine ist nichts.Aberalle gemeinsam,diesind eine Macht.Duweißt doch:Alle Räder stehen still, wenn dein starker Armeswill!Ach, wenn ichineurer Fabrik wäre, dann würde ich agitieren! Ich würde schon Stimmung machen, das darfstdumir glauben!«

»Sei froh, dassduzu Hause bist und deinen Haushalt versorgen kannst und deine Kinder, und dassdueinen gutenMannhast und ein schönes Leben und dich nichtin derFabrik schinden musst«, erwiderteClara.

Jenny seufzte und warfClaraeinen seltsamen Blick zu,dendiese nicht zu deuten wusste. »Bin ich ja auch«, erwiderte sie gedehnt. »Einerseits.Aberwenn ich …«

»Entschuldigen Sie bitte«, wurden sieindiesem Augenblickvoneiner sehr kultivierten Frauenstimme angesprochen. »Dürfte ich Sie wohl um eine Auskunft bitten?«

»Ja?«Clarawandte sich um. Eine hochgewachsene jungeDame standdaineinem halblangen Wintermantel aus edelstem Kaschmir, das erkannteClaragleich, nicht umsonst arbeitete sieineiner Wollspinnerei und ihre Mutter vernähte schließlich die losen Fäden an Kaschmirschals. Einfach ein Traum war dieser Mantel mit seiner engen Taille, dem großen Pelzkragen und dem Pelzbesatz entlangderVorderkante unddesSaums. Darunter sah ein mit Atlasbändern und -schleifen drapierterRockaus schwerem Samt hervor und Stiefelettenvonatemberaubender Zierlichkeit.DieHändederjungenDamestecktenineinem Pelzmuff.

Obeswohl Nerz war? Sie wusste nicht, wie Nerz aussah, nur, dass er besonders teuer war. Und teuer war dieser Pelz bestimmt.

Dakönnte eine Arbeiterin ihr Leben lang schuften und würde eine solche Kleidung doch nicht bezahlen können. Undineinem Geschäft für abgelegte Herrschaftskleidung gabesso etwas auch nicht zu kaufen, und wenn doch, dann waresnoch immer unbezahlbar.Aberso schön …

Claraunterdrückte ein sehnsüchtiges Seufzen und schaute zu dem Mädchen weiter, das drei Schritte hinterder Dame ineinem einfachen schwarzen Wollmantel dastand und unruhigvoneinem Fuß aufdenanderen trat. Offensichtlich waresdas Dienstmädchen und ebenso offensichtlich wünschteessich weit weg.

Auchdie Damesah nicht eben glücklich aus. Sie zog ihre weiß behandschuhte Rechte aus dem Muff, schob sichdenhalben Schleier zurück,der an dermodischen Pelzkappe befestigt war, und lächelte mühsam. Dann nestelte sie einen Zettel hervor. »Ich habe hier eine AnschriftvoneinerAnnaBrettschneider,dieich aufsuchen möchte.Aberehe ich lange suche, wäre ich für Ihre Auskunft dankbar.Hiersteht nurHinterhofaber nicht welcher – undesgibt ja wohl noch zwei?« Damit machte sie eine Kopfbewegung zur nächsten Tordurchfahrt hin, durchdie manaufdenletzten Torbogen und dicht dahinter auf das vierte, das letzte HinterhausderMietskaserne sah.

»So istes«,erwiderte Jenny. Und dann zuClara:»KennstdueineAnnaBrettschneider?«

Clara nickte. »Früher hat sie in unserem Haus gewohnt. Sie hat fünf Kinder und keinen Mann mehr, meine Brüder stecken manchmal mit denen zusammen, aber meistens müssen die ja Tüten kleben. Sie wohnen jetzt im vierten Hinterhaus im Keller.«

»Das sagt alles!« Jenny seufzte tief. Dann runzelte siedieStirn und sahdiefremdeDameherausforderndan.»Was wollen Sie dennvon AnnaBrettschneider?«

»Ich will nichtsvonihr.Esist umgekehrt«, erwiderte diese abwehrend. Eine leichte Röte warinihre Wangen gezogen. »Sie hat eine Bittschrift wegen einer Nähmaschineanunser Wohltätigkeitskomitee gerichtet. Mein Auftrag istes,abzuklären, ob wirklich Bedürftigkeit vorliegt. Wenn Sie mir also …«

»Bedürftigkeit!« Jenny lachte, ein Lachen sobitterund verächtlich, dassClaraförmlich zusammenzuckte. »Ich kenne sie nicht, dieseAnnaBrettschneider, aber eines dürfen Sie mir glauben, meine hochwohlgeboreneDame:Wenn eine imKellerim letzten Hinterhaus wohnt und fünf Kinder hat und keinen Ernährer, dann ist sie bedürftig! Und was so eine braucht, das ist gottverdammt noch mal keine Wohltätigkeit, sondern Gerechtigkeit!Abergehen Sie nur hin, gehen Sie und überzeugen Sie sich!« Damit ließ Jennydie Dameeinfach stehen, rissClara Moritzvom Arm und schobdenKinderwagen so heftig aufdenrechten Hauseingang zu, dass ihre Bewegungen vorZornzu sprühen schienen.

DieWangender Damewaren inzwischen dunkelrot. Wenn sie nun beleidigt war und umkehrte, nur weil Jenny sie vordenKopf gestoßen hatte! Dann wäredieeinzigeChancevertan,AnnaBrettschneiders Not zu lindern. WoAnnadochvonnichts anderem redete, als dass sie eine Nähmaschine bräuchte, um für einen Zwischenmeister Blusen oder Oberhemden zu nähen, damit sie ihre Kinder besser durch Hausindustrie ernähren könnte als mit diesem elenden, miserabel bezahlten Tütenkleben.WeilsiedieKinder ja nicht alleine lassen konnte, umineiner Fabrik zu arbeiten, so klein, wiedieKinder noch waren, und weil sie doch allesamt hungerten und schon ganz elend aussahen …

»Jenny meintesnicht so«, murmelteClaraentschuldigend. Bittend blickte siediefremdeDame an. »AnnaBrettschneider ist ganz bestimmt bedürftig! Und wenn Sie ihr eine Nähmaschine schenken, dann helfen Sie ihr aus höchster Not. Kommen Sie, ich zeige IhnendenWeg.«

»Danke, sehr freundlich«, antwortetedie Dame.Ihre Stimme klang auf einmal recht belegt. Vor ihr her gingClaradurchdieTordurchfahrtin dendritten Hof. »Mein Gott!«, riefdieFremde aus. »Isteshier eng und düster!«

ClarasBlick ging gleichgültig durchdenetwa vier Meter breiten, langgestreckten Hof,deraußerdenaufgereihten Müllkübeln und einigen windschiefen Verschlägenan derHauswand keinerlei Einrichtung bot. Wenndie Damesich schon überdendritten Hof aufregte, was mochte sie dann erst zum vierten sagen? Schulterzuckend erwiderte sie: »Im Winter scheint hier kein Sonnenstrahl herunter, aber imSommerschon.In denvierten Hof scheintdieSonne nie.« Sie redete sichinFahrt, auf einmal fand sieesgut,der Damedas alles zu erklären: »Früher, hab ich gehört, war dieser Hof genauso groß wiediebeiden vorderen.Aberdann hatderBesitzer noch das zusätzliche Hinterhaus reinbauen lassen, dadurch wurdeesso eng.«

Das seidiereine Profitgier gewesen,die denHausbesitzer zum Bau dieses schmalen weiteren Hinterhauses getrieben habe, hatte Jenny gesagt. Mitdenkleinen Wohnungen fürdiearmen Leute ließe sich mehr Geld verdienen als mitdengroßen Wohnungen fürdieReichen. Und was scherees denHausbesitzer, wenn durchdenBaudeszusätzlichen Gebäudesdiewinzigen Wohnungen und Werkstätten im letzten Hinterhaus zu finsteren Löchern würden, er müsse ja nicht drin wohnen, er hätte sechs Zimmer im Vorderhaus, und beiderWohnungsnot bekäme erseinemiesen Rattenlöcher trotzdem los.Aberso sei das nun mal im Kapitalismus undeswürde immer schlimmer werden, immer mehr würdendieMassen verelenden bis zum großen Zusammenbruch.Oderso ähnlich.

Claraverstand nicht alles, was Jenny ihr immer überdieKapitalisten erklärte.Abersie hatte genug verstanden, um zu wissen, dassmandavon nichts zu einer vornehmenDamesagen durfte,dieüber das Schicksalvon AnnaBrettschneider entschied. Auf einmal wurdeClara angst, sie könnte bereits durch ihre Bemerkungdie Dameverärgert undAnnageschadet haben. Deshalb beeilte sie sich zu beteuern:»Aberim neu eingebauten Hinterhaus istesgut, da wohnen nämlich wir. Allesmodern, sogar fürjedes Stockwerk auf halber Treppe zwei Wasserklosetts. Im letzten Hinterhaus müssendieLeute ja nochin denHof zur Abortanlage. Früher hatAnnaBrettschneider sich auch bei uns eine Wohnung leisten können, Küche und Stube, genau wie wir.Aberseit ihrMannsie verlassen hat, musste sie nach hinten ziehen,in den Keller ineinen einzigen Raum. Wie sollmanauch mit Tütenkleben das Geld verdienen für eine so teure Wohnung wie unsere! Mit einer Nähmaschine könnte sie wenigstens aus demKellerraus, meint sie. Jetzt kommen Sie, wir können hier entlang!«

Sie führtedie Dameüberdendritten Hof nachlinksund dann zwischen dem Haus und dem Seitenflügel durcheinenSpalt indenvierten Hof. Schmal war er wie eine enge Schlucht, keine drei Schritte breit. Rußgeschwärztdiefensterlose Rückwanddes dritten Hinterhauses, rußgeschwärzt auchdieFront des letzten Hauses. Fünf Stockwerke ragten die Gebäude in die Höhe und schlossen das Licht aus. Es war fast so dunkel,als sei schon Nacht. TrotzderWinterluft hing ein übler Geruchindem hohen Schlauch. Ein kleines Mädchen lief mit einem randvoll gefüllten Pisspott zur Haustür heraus und strebte denAppartementszu,den an dieMauer zum Nachbargrundstück gebauten Klosetts. Aus dem Pott schwapptees der DamevordieFüße. Diese wurde blass und hielt sich ihr spitzengesäumtes Taschentüchleinan dieNase. WenndieimSommerhierher käme unddenGestank riechen würde,derdann hier herrscht, würde sie glattinOhnmacht fallen, dachteClara.

Sie grinste vor sich hin und stießdieTür des Treppenverschlages auf,der in den Keller desletzten Hinterhauses hinunterführte.DerGeruch nach Moder, Kohlsuppe, Zwiebeln, Petroleum, Pisse und kaltem Rauch,derihnen entgegenschlug, nahm selbst ihr beinahedenAtem. Dunkel waresaufdersteilen Stiege, nur eine einzelne rußige Petroleumlampe brannte unten im langen Kellerflur. Vorsichtig stiegClara dieschmalen Treppenstufen hinunter. Hinter sich hörte sie einen unterdrückten AufschreiderfremdenDameund etwas wie ein Würgen. Eine FormvonGenugtuung stieginihr auf. FürAnnaBrettschneider konnte das nur gut sein.Die Damewollte sehen, obAnnaBrettschneider wirklich bedürftig war. Sollte sieessehen!

Claraeilte im düsterenGangvorwärts, zähltedieTüren ab, klopftean dievierte – sie wusste, sie gehörte zu dem Kellerloch, dasAnnamit ihren Kindern und einer Schlafgängerin bewohnte –, und öffnete sie, ohne auf eine Antwort zu warten.AnnaBrettschneider saß im trüben Schein einer Petroleumfunzel mit ihren beiden Großen, dem siebenjährigen Ludwig und dem sechsjährigen Hans, über Tüten und Leimtopf gebeugtamTisch. Überall stapelten sichdiefertigen Tüten unddiePacken braunen Papiers. Aus einem Pappkarton drang das Wimmern eines Babys. Zwei kleine, bleichgesichtige Mädchen hatten sichindas Bettzeug gewühlt, das den neben einem BettamBoden liegenden Strohsack bedeckte, hatten sichdieDecken überdenKopf gezogen und starrten ihnen daraus entgegen.

AlsClaradas letzteMalhier gewesen war, hattenandieser Stelle noch zwei Betten gestanden. Nun war das eine wohl versetzt worden wiefast derganze Hausrat. Auf dem Herd kochte ein Kessel mit Wäsche, wabernder Dunst hingin derLuft, das einzige Kellerfenster gingineinen finsteren kleinen Luftschacht,dieverschimmelten Wände schimmerten vor Feuchtigkeit.

»Anna«,sagteClara,»ich bring dir eineDamevom Wohltätigkeitsverein. WegenderNähmaschine.«

AnnaBrettschneider sprang auf, wischte sichdieHändean derSchürze ab, putzte dann mitderSchürzedenStuhl, auf dem sie eben noch gesessen hatte, triebdieJungenan,aufzustehen und sich zu verbeugen, knickste vorderfremdenDameundbatsie, sich zu setzen, kam dabei ins Stammeln, verhaspelte sich immer mehr, begann zu husten undrang inheller AufregungdieHände. HektischeroteFlecken bildeten sich auf ihren eingefallenen Wangen.

Plötzlich ertrugClara esnicht mehr. Wortlos drängte sie sichan der Dameund deren vorderTür wartendem Dienstmädchen vorbei, ranntedenFlur entlang, stürmtedieTreppe hinauf. Im Hof blieb sie nach Atem ringend stehen.

Wie schnellesgehen konnte. Vor gut einem Jahr hatteAnnaBrettschneider noch einenManngehabt und wieClarasFamilie im dritten Hinterhaus gewohnt, sogar im zweitenStock.Eine blitzblanke Küche und eine wohnliche Stube hatteAnnaBrettschneider gehabt, einSofa,drei Betten, eine Wiege und zwei Schränke aus Nussbaumholz – und ein schwarzes Sonntagskleid mit Brosche,indem sie ausgesehen hatte wie eine Bürgerin. Und nun das.

IhrMannhatte sie verlassen, war eines Morgens scheinbar zur Arbeit gegangen wie jedenTagundamAbend nicht wiedergekommen und auchan denfolgenden Abenden nicht. Und alsAnnaBrettschneider nachgeforscht hatte, da hatte sie erfahren, dass erseineArbeit gekündigt hatte, und keiner wusste, wohin er gegangen war. Vielleicht nach Amerika. Jedenfalls hatteAnnanie wiedervonihm gehört. Und so hattesiedagestanden mitdenvier kleinen Kindern und dem fünften im Bauch, und wohin so was führte, das konntemansehen. Wie eine Greisin schauteAnnaaus, weil sieTagund Nachtinihrem Kellerloch saß und Tüten klebte, und war doch noch nicht einmal dreißig.

Ambesten,manheiratete gar nicht. Ließ sich überhaupt nicht erst ein mit einem Kerl. Wennes dochirgendwo einen gäbe, mit demesanders war! Einen, bei dem das Glück auf sie wartete –dieLiebe,dieniemals aufhörte,diehielt für immer und ewig. Einen, bei dem siewüsste, dass sienicht so endete wieAnnaBrettschneider.

»Kurzarbeit?«,regte sichdieMutter auf und ließdenKaschmirschal sinken, auf dessen Rückseite siedielosen Fäden vernähte.»Aberdas geht nicht! Wie soll jetzt das Geld reichen?«

»Was soll ich denn machen?«, erwiderteClara.»So ist das eben.«

»Und warum kommstduerst jetzt?Mirwächst hierdieArbeit überdenKopf mitdenSchals, fünfzig Stück mehr hat mirderMeister letztesMalaufs Auge gedrückt, und wenn ich das nicht bis Samstag schaffe, dann verliere ichdieArbeit. Und statt mir zu helfen, trödelstdu in derWeltgeschichte herum!«DieStimmederMutter wurde immer schriller. »Und mit Lisa ist heute auch nichts anzufangen,diekommt überhaupt nicht vom Fleck mitderNäherei!«

»Esist ja nur, weildieFinger so wehtun, dass ichdieNadel kaum halten kann«, sagte Lisa leise und beugtedenblonden Lockenkopf noch tiefer überdieArbeit.

Claranahm einen Schal und zog eine Nadel aus dem Nadelkissen, setzte sich zur Mutter undderjüngeren Schwesteran denKüchentisch und beganndenersten Faden zu vernähen. »Was ist mit deinen Fingern?«

Lisas blaue Augen füllten sich mit Tränen. Wortlos streckte sieClara dieHände mitdenHandflächen nach oben hin. ÜberdieFingerkuppen zogen sich dunkelrote, dick geschwollene Striemen.

»Wer war das?«, schrieClaraentsetzt auf und gab sogleich selbstdieAntwort:»DerLehrer?«

Lisa nickte und schniefte.»Weilich meine Hausaufgaben nicht gemacht hatte.Weilich doch nähen musste bisin dieNacht und heut Morgen schon wieder.« Sie schaute kurz zur Mutter, sofort wieder weg.

Diese erregte sich: »Eine Gemeinheit ist das, so ein roher Mensch!DerHerr Wendler daheim im Dorf,derwar ganz anders.Dubist doch auch oft ohne Hausaufgabenin dieSchule,Clara. Derhat da mehr Verständnis dafür gehabt. Auch, wennman dieKinder mal für ein paar Wochen daheim behalten hat zum Arbeiten. Und wenn er geprügelt hat, dann aufdenRücken und nicht aufdieFinger oderdenHintern, weil er gewusst hat, dassman dieFinger braucht zum Haspeln und Spulen unddenHintern zum Sitzen beiderlangen Heimarbeit.«

»Wir sind jetzt aberin Berlinund nicht mehrinSchlesien!«, erwiderteClaragereizt. DassdieMutteresnie begriff! »Undin BerlinsinddieLehrer nun einmal scharf und duldenesnicht, dassmanohne Hausaufgaben daherkommt oder vor Müdigkeitin der Bankeinschläft!Dulieferst Lisa ans Messer, wenndusie so lange nähen lässt, dass sie ihre Hausaufgaben nicht machen kann! Und jetzt sitzt sie hier schon wieder und näht, statt ihre Schulsachen zu erledigen! Wie soll sie sich denn da morgenin dieSchule trauen! Eine Strafarbeit hat sie doch bestimmt auch auf?« Fragend sah sie ihre Schwesteran.

Lisa nickte. »Dreißigmal schreiben:Ich muss meine Hausaufgaben immer sauber und ordentlich erledigen.UnddieAufgabenvongestern nachmachen unddieneuen dazu.«

»Dann holstdujetzt dein Heft und schreibst!«, bestimmteClara.»Sonst ergehtesdir morgenin derSchule schlecht. Nähen tustduheut nicht mehr! Ichmachdas, und wenn ichdieganze Nacht sitzen muss!« Herausfordernd und zornig starrteClaraihre Mutteran.

Diese erwidertedenBlick nicht, sah kopfschüttelnd auf ihre Näherei. »Wozu das gut sein soll, so viel Schule!«, murmelte sie starrsinnig. »Ich bin auch nur drei Jahre gegangen und davon nicht einmaldieHälfte vom Jahr, weil ich ja immerdenBauern auf dem Feld geholfen hab. Lesen hab ich trotzdem gelernt, fürs Gesangbuch reicht's. Unddiemeisten Lieder kann ich auswendig. Wasmanmit neun noch nicht kann, lerntmanauch mit elf nicht mehr.«

»Wie kannstdudas sagen!«, fuhrClaraihre Mutteran.»SollesLisa nicht einmal besser haben alsduund als ich? Wenn sie ordentlich lerntin derSchule, kann sie vielleicht einmal Schreibfräuleinineinem Kontor werden und muss sich nicht so schinden!«

»Schreibfräulein! Kontor!«, erwidertedieMutter wegwerfend. »Wo sie doch eh einmal heiratet! Bei deinen Brüdern, da würde sich's lohnen.Aberdas Geld reicht sowieso nicht dafür. Nee, Lehre, das ist nichts für unsereins. Das ist nur was fürdieBesseren. Und jetztrednicht so viel, näh lieber!«

»ImmerdieJungen!Diemüssen nie etwas tun!Diebehandelstdu,als wärenes diereinsten Kronprinzen«, regteClarasich auf. Doch dann verstummte sie und beugte sich überdieNäherei.Eshatte ja doch keinen Zweck.

Eine Zeit lang nähten sie schweigend. Lisa schrieb eifriginihr Heft. Hin und wieder warf sieClaraeinen dankbaren Blick zu.Claralächelte zurück.

Eswar schön, eine Schwester zu haben. Wenigstens eine noch.Anneund Hilde,diebeiden anderen Schwestern,dieimAlterzwischen ihr und Lisa gelegen hatten, waren vor acht Jahren gestorben,injenem schrecklichen Winter,indemdieDiphtherie im Dorf gewütet hatte.

DerSchmerz überdenTod dieser beiden Schwestern vor acht Jahren … Nein, nicht daran rühren!Sie hatte ja noch Lisa. Nur noch Lisa. Unddiemusste ihr bleiben.

»Eine Gemeinheit ist dasvondem Lehrer!«, ließ sichdieMutter wieder vernehmen. »Hausaufgaben! Wenn dochdieMitarbeit daheim gebraucht wird!DenEltern das Recht zu nehmen, über ihre Kinder zu bestimmen!«

HaltdenMund, Mutter, dachteClara.HaltdenMund oder ich schreie.

DieTür wurde aufgerissen,diedrei kleinen Brüder stürmten herein,dieBackenrotgefroren vom Spielen aufderStraße. »GibtesschonEssen?«,rief Heinz,derÄlteste. »Wir habenHunger«,sekundierte Männe,derZweite.»Hunger«,echote Kalle,derJüngste.

»Dann geht erst einmal einkaufen!«, bestimmteClaraund sahdieMutter fragendan:»Was brauchstdu?Ich esse heute nicht mit,duweißt ja, ich gehe zu Jenny.« Und dann, einer plötzlichen Eingebung folgend, fügte sie hinzu: »Lisa nehme ich mit und teile mit ihr meinEssen,dann hastduhier zwei Esser weniger.« Lisa strahlte.

Jenny würde schon nichts dagegen haben. Hoffentlich jedenfalls.

»Dann holt zehn Pfund Kartoffeln und ein Pfund Steckrüben und fürdenVater eine kleine Brühwurst«, trugdieMutterdenBrüdern auf.

»Dawill ichdiePelle davon ab!«, sagte Heinz sofort.

»Nein! Ich, ich!«, riefendiejüngeren Brüder durcheinander.

»Schlagt euch drum«, antwortetedieMutter mit Gleichmut. »Und für morgen bringt ihr ein Pfund weiße Bohnen, damit ich sie einweichen kann über Nacht. Und lasst anschreiben, sagt, ich zahle dann, wenn ich mein Geld fürdieSchals hab. Unddann geht zumUnterirdischenPauleundlasst euch zweiLiterWasser vom Wurstkochen geben, nehmtdenTopfmit.Das soll euer Vater zahlen,dersitztdabestimmt schon wiederundtrinktseinBier.Abersagt ihm, mehr als sechs Pfennige darfdieBrühe nicht kosten, sonst zahlt er noch zu viel, weil erdiePreise nicht kennt.«

DieJungen nahmendenTopfundstürmten wieder davon, nurderkleine Kalle blieb zurückunddrängte sichan dieMutter. Doch diese konnte ihn nicht aufdenSchoß nehmen, sie musste ja nähen. So kauerte er sich ihr zu Füßen hin, steckte sichdenDaumenin denMund, umfasste einen ZipfelvonihremRockundlehnte seinen Kopfanihre Knie.

Jemand müsste sich umdenKleinen kümmern!, dachte Clara.Aberwie denn, wenn keine Zeit war? Wie gutes MoritzundStinehatten, wie Jennydiebeiden knuddelteundherzte, sogarmitihnen spielte.Undsie,Clara,tatesauch, wenn sie aufdiebeiden aufpasste. Nur für ihren eigenen Bruder hatte sie kaum ein paar Minuten.

So wie ihre Mutter, ein Kind nach dem andern, so wollte sieeseinmal nicht haben.Und jemehr Kindermanhatte, desto mehr Arbeit musstemanannehmen, um sie durchzubringen,unddesto weniger Zeit hattemanfür sieunddenHaushalt.

Jenny sagte, sie werde nicht mehr bekommen als höchstens noch eines.Weil esbeim dritten Kind schon eng werdeundohne Heimarbeit nicht mehr geheundbeim viertendieNot anfange.

Aberwie sie das machen wollte, dassesnicht mehr wurden?

Wenn meine beiden Schwestern nichtanDiphtherie gestorben wären, dachteClara,undzwei kleine Brüder bald nachderGeburt,und wenn nichteines eine Totgeburt gewesen wäre, dann wären wir zehn. Dann müssten wir auch imKellerhausen.

Mein Gott, was denke ich da! Hilde undAnne… Josef und Tobias … das totgeborene Mädchen, das nie einen Namen bekommen hat und nicht die heilige Taufe …

Schnell bekreuzigte sie sich.

DenPackenmitdensorgfältiginein Tuch eingeschlagenen Schals unter dem Arm stiegClaramit LisadieTreppe zum zweitenStockhinauf und gingdenlangen Flur entlang.Links dieStuben, rechtsdieKüchen. Nur eine einzige trübe Funzel brannte, aber einige Türen standen offen und ließen Lichtin denFlur.Mansah Familien beim Abendessen und FrauenamHerd oderan derNähmaschine, hörte Kinder lachen, streiten und schreien, wieClara es auchaus ihrem Haus gewöhnt war. Jennys Wohnung aber war anders. Sie lagamEndedesfensterlosen Flures, hatte ineinander gehend Küche, Kammer und Stube und war ganz getrenntvon denanderen.DieKüche schön groß, eine richtige Wohnküche mit einem Fenster zum zweiten Hof! Und daneben Jennys gute Stube mit zwei schönen großen Fenstern ebenfalls zum zweiten Hof, da kam beiTagrichtig viel Licht herein und Luft sowieso.DieKammer befand sich aufderanderen SeitederKüche mit einem Fenster zum dritten Hof. Hier war es dunkler, aber was machte das, in der Kammer wurde ja nur geschlafen! Eine Wohnung war das, wie sie auch ein Kleinbürger haben könnte, ein Handwerker oder ein Eisenbahner oder ein kleiner Postbeamter,derhinter dem Schalter saß.

AberHeinrich, JennysMann,war ja auch kein einfacher Arbeiter, sondern was Besseres. Ein gelernter Eisengießer war er mit einer richtigen Lehre und hatte während seiner Militärzeit als Bursche bei einem adligen Oberst gedient und feines Benehmen gelernt, und jetzt war er Vorarbeiterineiner Maschinenfabrik und verdiente gut. Jenny hatte einfach Glück.

Clara klopfte und öffnete die Tür, trat in die Küche, stockte. Gewöhnlich, wenn sie kam, um auf die Kinder aufzupassen, war Heinrich schon weg, aber nun saß er am langen Küchentisch, rauchte eine Pfeife und las Zeitung. Und ausgerechnet heute hatte sie Lisa dabei, wo sie doch gar nicht wusste, ob es ihm recht war, dass sich zwei an seinem Tisch satt aßen!

Unsicher grüßte siedengroßenMannund sagte dann zu Jenny gewandt,die– schoninihrem guten schwarzen Kleid, aber mit vorgebundener Schürze –amSpültischstand:»Ich hab heute Lisa mitgebracht, wennesdir recht ist. Sie muss noch Hausaufgaben machen und daheim hat sie nicht sodieRuhe. Und wir teilen uns dasEssen,aber wir essen auch nicht mehr als sonst ich allein.«

»Quatsch nicht!«, erwiderte Jenny, ohne das Abspülen zu unterbrechen. »DasEssenreicht für euch beide, Sauerkraut und Kartoffelbrei, eine Blutwurst, eine Leberwurst und auch noch ein Stück Bauchspeck. Ihr könnt alles aufessen. Einer meiner Kostgänger hat heut Mittag nicht sodenrechten Appetit gehabt, hat wohl gestern zu tief ins Glas geschaut.« Sie lachte.

»Das kannstdulaut sagen«, stimmte Heinrich zu. »Ich predige ihm immer, er soll keinenSchnapssaufen, mitderBranntweinsteuer unterstützt erdenKlassenstaat!Aberdas istindiesen Schädel nicht reinzubekommen, wahrscheinlich hat er sich sein bisschen Grips schon weggesoffen. Wir sollten uns nach einemErsatzfür ihn umsehen, Jenny. Einen guten Genossen.«

»Das wäre mir recht«, sagte Jenny.»Aberdas ist deine Sache. Bringdumittags aus deiner Fabrik zumEssenmit, wendufür richtig hältst. Hauptsache nur, er zahlt pünktlich und benimmt sich. Ich will keine Zoten, wegen dem Kleinen. Wenn ich denke, was ich als Kind alles mit anhören musste, als ich daheimin derGastwirtschaft bedient habe – das sollen meine Kinder nicht hören. Nur wenndieSozis heimlich bei uns getagt haben, da hab ich gern die Ohren gespitzt.«

Heinrich nickte. »Sag ich doch: einen guten Genossen. Ich hab da auch schon einen im Auge.Derliest pünktlichdenVorwärtsund ist auch sonst sehr gebildet,denhalbenFaustkannderauswendig.«

»DiehalbenWeberwären mir lieber«, antwortete Jenny.

»Hast auch recht«, stimmte er zu. »Ich werdesihm ausrichten. Na also, dann will ich mal, nicht dass ich noch zu spät zur Versammlung komme. Schön, dassduda bist,Clara,undduauch, Lisa. Sonst könnte meine Jenny nichtinihre Arbeiterinnenschule, und dann istdieganze Woche nichts mit ihr anzufangen, so sauer ist sie dann.«Ergrinste und gab Jenny einen schallenden Kuss.

»Essei denn,duwürdest mal zu Hause bleiben und auf deine Kinder aufpassen«, meinte Jenny.

»Also hör mal!«, erregte er sich und zogdieAugenbrauen zusammen.»Duweißt genau, mein Abend gehörtderPartei! Soll ich etwa mitdenKindern zu Hause sitzen, Schlaflieder singen und Windeln wechseln?«

»Warum nicht?«, fragte Jenny und sah ihn herausforderndan.

ClarahieltdenAteman.Wasdiesich traute, ihre Freundin! EinemMannwie Heinrich eine solche Antwort zu geben!

Heinrich liefrot an.Doch ehe er explodierte, fuhr Jenny seelenruhigfort:»Eines Tages,in derklassenlosen Gesellschaft, aufdiewir alle warten, eines Tages sind alle Menschen gleich!Dukennst doch deinenBebel:Frau und Arbeiter haben gemein, Unterdrücktezusein. Dem Sozialismus gehörtdieZukunft, das heißtin



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