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Bachelorarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Medien / Kommunikation - Multimedia, Internet, neue Technologien, Note: 1,0, Technische Universität Chemnitz (Professuren Medienkommunikation/Mediennutzung), Sprache: Deutsch, Abstract: Am 27. Juli 2009 veranstaltete Harald Schmidt seine erste Pressekonferenz im sozialen Netzwerk Twitter. Am darauf folgenden Tag zitierte und kommentierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung die Äußerungen des Showmasters ausführlich, der sich anschließend über Twitter für die Berichterstattung bedankte. Welch wunderbare Möglichkeiten das Web 2.0 doch für journalistische Arbeit bietet. Dumm nur, wenn man sich dabei jede Recherche spart und auf einen seit Monaten bekannten Fake-Account reinfällt. Bereits im April 2009 klärte der Internet-Showmaster Rob Vegas selbst auf, dass er sich hinter Harald Schmidts Twitter-Account verbirgt, der zu den meistverfolgten im deutschsprachigen Raum zählt. Derartige Fakes sind Social-Network-Anbietern sowie deren Nutzern immer wieder ein Ärgernis. Etliche User treiben online im Schutze der Anonymität Schabernack oder lassen sich sogar zu kriminellen Handlungen verleiten. Doch hat jeder, der im Internet eine andere Identität annimmt oder seine reale einfach nicht jedem preisgibt, zwangsläufig Böses im Sinn? Was motiviert Personen dazu, Fake-Profile anzulegen? Und wie sollten Anbieter sozialer Netzwerke mit ihnen umgehen? Im Rahmen der Bachelorarbeit sollen Antworten auf diese und weitere Fragen gefunden werden. Dabei wird durch Definieren von Web 2.0, Social Software und Identität sowie durch Eingehen auf das Phänomen der Selbstdarstellung im Internet und die Möglichkeit von Identitätsspielen zunächst eine theoretische Grundlage geschaffen. Anschließend werden mit Fake-Accounts im Zusammenhang stehende Begrifflichkeiten sowie der Terminus Fakes selbst betrachtet. Des Weiteren stehen Motivationen und Intentionen bei der Erstellung von Fake-Profilen und allgemeine Meinungen zu besagten Accounts im Fokus der Arbeit. Es wird außerdem untersucht, wie verschiedene Social-Network-Betreiber mit der Problematik Fake-Accounts umgehen und welche weiteren Vorgehensweisen möglich sind. Ein Fazit schließt die Arbeit ab. Um Informationen und Meinungen zum Thema Fake-Accounts zu erhalten, wurde eine Online-Umfrage durchgeführt, an der 304 Studierende der Technischen Universität Chemnitz teilnahmen. Der Fragebogen der Umfrage sowie einige auf Grundlage der Resultate erstellte Grafiken sind der Arbeit angehängt. Daneben wurde ein E-Mail-Interview mit Alicia Istanbul durchgeführt, die von einem Social-Network-Anbieter als Faker verkannt und gesperrt wurde. Auch das Interview sowie Screenshots zweier Twitter-Accounts befinden sich im Anhang.
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Experimentelle und künstliche Identitäten im Internet
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Am 27. Juli 2009 veranstaltete Harald Schmidt seine erste Pressekonferenz im sozialen Netzwerk Twitter1. Am darauf folgenden Tag zitierte und kommentierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung die Äußerungen des Showmasters ausführlich (vgl. Winterbauer 2009), der sich anschließend über Twitter für die Berichterstattung bedankte (vgl. Twitter 2009c). Welch wunderbare Möglichkeiten das Web 2.0 doch für die journalistische Arbeit bietet. Dumm nur, wenn man sich dabei jede Recherche spart und auf einen seit Monaten bekannten Fake-Account reinfällt. Bereits im April 2009 klärte der Internet-Showmaster Rob Vegas selbst auf, dass er sich hinter Harald Schmidts Twitter-Account verbirgt, der zu den meistverfolgten im deutschsprachigen Raum zählt (vgl. Lückerath 2009). Derartige Fakes sind Social-Network-Anbietern sowie deren Nutzern immer wieder ein Ärgernis. Etliche User treiben online im Schutze der Anonymität Schabernack oder lassen sich sogar zu kriminellen Handlungen verleiten. Doch hat jeder, der im Internet eine andere Identität annimmt oder seine reale einfach nicht jedem preisgibt, zwangsläufig Böses im Sinn? Was motiviert Personen dazu, Fake-Profile anzulegen? Und wie sollten Anbieter sozialer Netzwerke mit ihnen umgehen?
Im Rahmen der vorliegenden Bachelorarbeit sollen Antworten auf diese und weitere Fragen gefunden werden. Dabei wird durch Definieren von Web 2.0, Social Software und Identität sowie durch Eingehen auf das Phänomen der Selbstdarstellung im Internet und die Möglichkeit von Identitätsspielen zunächst eine theoretische Grundlage geschaffen. Anschließend werden mit Fake-Accounts im Zusammenhang stehende Begrifflichkeiten sowie der Terminus Fakes selbst betrachtet. Des Weiteren stehen Motivationen und Intentionen bei der Erstellung von Fake-Profilen und allgemeine Meinungen zu besagten Accounts im Fokus der Arbeit. Es wird außerdem untersucht, wie verschiedene Social-Network-Betreiber mit der Problematik Fake-Accounts umgehen und welche weiteren Vorgehensweisen möglich sind. Ein Fazit schließt die Arbeit ab.
Um Informationen dazu zu erhalten, was im Allgemeinen unter Fake-Accounts verstanden wird, aus welchen Gründen sie erstellt werden, welche Einstellungen ihnen gegenüber vor-
1http://twitter.com
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herrschen und wie Website-Anbieter mit ihnen umgehen sollten, wurde mithilfe der freien Software testMaker (vgl. Milbradt et al. 2007) eine Online-Umfrage durchgeführt. An dieser nahmen 304 Studierende der Technischen Universität Chemnitz teil. Der Fragebogen der Umfrage sowie einige auf Grundlage der Resultate erstellte Grafiken sind dieser Arbeit angehängt. Daneben wurde ein E-Mail-Interview mit Alicia Istanbul durchgeführt, die von einem Social-Network-Anbieter als Faker verkannt und gesperrt wurde. Auch das Interview sowie die Screenshots zweier Twitter-Accounts befinden sich im Anhang.
Um an das ThemaFake-Accountsheranzuführen, wird zunächst auf die Bedeutung des Phänomens Web 2.0 und der im Rahmen dessen an Einfluss gewinnenden Social Software eingegangen. Außerdem wird der Begriff der Identität beleuchtet und mit Aspekten der Selbstdarstellung im Internet in Zusammenhang gebracht. Danach erfolgt eine Überleitung zur Thematik der experimentellen und künstlichen Identitäten im World Wide Web.
Was genau der Begriff Web 2.0 bedeutet und ob die Bezeichnung überhaupt gerechtfertigt ist, gilt in der Fachwelt als umstritten. Software-Nummerierungskonventionen entsprechend impliziert die Versionsnummer22.0 größere Veränderungen im Vergleich zum früheren Web sowie eine klare Abgrenzung zur Vorversion. Während in der Software-Welt für gewöhnlich in so genannten Changelogs neue Funktionen oder behobene Fehler vermerkt sind, ist eine klare Unterscheidung von altem und neuem Web schwierig, da die Übergänge eher fließend sind. Kritiker der Bezeichnung Web 2.0 bemängeln, dass vieles als Innovation angepriesene zumindest in ähnlicher Form schon seit Jahren online möglich ist. Beispielsweise das einfa-
2EineVersionsnummer besteht im Allgemeinen aus einer Release-Nummer und einer Level-Nummer, wobei die Release-Nummertdurch einen Punkt getrennttvor der Level-Nummer steht. Bei gravierenden Änderun-
gen an einem Software-Element erhöht man die Release-Nummer um 1 und setzt die Level-Nummer gleichzei-
tig auf 0 (vgl. Balzert 1998, S. 238).
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che Publizieren eigener Inhalte sei keine Neuerung der letzten Jahre, sondern werde schon lange mithilfe privater Homepages praktiziert (vgl. Hein 2007, S. 10 f.). Trotz teils problematischer Abgrenzungen zum früheren Web weist das Web 2.0 einige Merkmale auf, die eine Unterscheidung rechtfertigen. Internetseiten des neuen Web sind in der Regel dynamischer: Inhalte werden regelmäßig aktualisiert und auf die Bedürfnisse der User zugeschnitten. Der Nutzer nimmt generell eine zentralere Rolle ein als im alten Web (vgl. ebd., S. 12 f.)Xc](ºZ]v]Àv^µ(Áv̵vZuvol]Àµv]n-Pv]Pv/v]vUÀ}vvvvµZ}(]]vlvvv^~ebd.,S.13). So wird die klare Trennung zwischen Produzenten und Konsumenten von Webinhalten zunehmend aufgehoben. Neben Interaktivität zählt auch Multimedialität zu den wichtigen Charakteristika des Web 2.0. Jeder kann problemlos Fotos sowie Audio- und Video-Beiträge im Internet veröffentlichen und verbreiten (vgl. ebd., S. 13 f.).
Kennzeichnend für das Web 2.0 ist vor allem auch der Aspekt der sozialen Vernetzung. Web 2.0-Angebote wie die Plattform MySpace3oder das Video-Portal YouTube4covµs-schließlichvon den Aktivitäten der Teilnehmer, sie selbst stellen im Grunde nur das techni-Z'µvPºÌµs(ºPµvPµvºvZuv<}v}oo(µvl]}vv^~XU^X íðXBlogs, Wikis, Podcasts, Communitys und Instant Messaging sind nur einige der wichtigsten Social-Network-Dienste und -Elemente, die dem Web 2.0 zugeschrieben werden. Social Software~omP]((À}v^}]oEÁ}lÌ]Zv]vZPo^ÇuUcu]vvDvZvl}uuµv]Ì]vU ̵uuv]v } µ( ]v v]vP]v lvvv^~oby
2007, S. 89). Darüber hinaus unterstützt sie den Aufbau und das Selbstmanagement einer Community. Obwohl Social Software kein neues Phänomen ist5, wurde sie erst mit Aufkommen des Web 2.0-Begriffs verbreitet wahrgenommen (vgl. ebd.).
3http://www.myspace.com
4http://www.youtube.com
5Erste Wikis entstanden bereits 1997, Chatssysteme wie der Internet Relay Chat existieren sogar schon seit Ende der 1980er Jahre. Den Berif(tîXìPsoPd]uK[Z]ooÇPPvîììð~ÀPoXoÇîììóU^X
15, 89).
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Doch was macht Social Software für die Benutzer so anziehend? In Angebote wie Wikipedia6investieren User immerhin viel Zeit, Energie und Wissen, ohne dafür einen finanziellen Ausgleich zu erhalten oder in Aussicht gestellt zu bekommen. Auch ist es eher die Ausnahme, dass zuvor unbekannte Künstler über Plattformen wie MySpace oder YouTube Popularität erlangen und diese auch auf das Offline-Leben ausweiten können (vgl. ebd. S. 111 f.). Alby (2007) sieht die Attraktivität von Social Software für die Nutzer zum einen in der Erwartung begründet, etwas für das Gegebene zurückzubekommen:ct]vW}(]ou]À]ov/v(}u]}vvºlUZµZ]vZvUW}(]oÀ}vn-derenangesehen und eventuell Kontakt aufgenommen wird. Wer bei Wikipedia sein Wissen einbringt,
der weiß auf der anderen Seite auch, dass er von den Beiträgen anderer profitieren kann. Dies kann
auch zu einem wirklichen Gemeinschaftsgefühl führen, bei Wikipedia zum Beispiel zu dem Gefühl, dass
man der Menschheit einen sinnvollen Dienst erweist, indem das Wissen der Menschheit allen kosten-los zur Verfügung gestellt wird. Auch ein gewisser Stolz, Teil dieser Gemeinschaft zu sein, mag dazuge-Zv^~XU^XííîX
Eine weitere Erklärung liefert Stöcker~îììòW ctÁ }µÌ]lµPloentdeckt, das auch andere interessant finden, der darf stolz auf sich sein. Er bekommt Punk-X^]vt}P]o]vµlµv(uZX^^vvZµ(ulul]µvvlvvµvP]
also ein weiterer Antrieb für die Beteiligung an Social Networks im Internet. Die Wichtigkeit dieser Anerkennung spiegelt sich in den Funktionen einer Vielzahl von Social-Software-Angeboten wieder. In vielen Communitys und Netzwerken wird die Anzahl der Kontakte und Freunde angezeigt, die als Indikator für die eigene Popularität gilt. Auf Foto- und Kunstplatt-formen wie Flickr7oder DeviantArt8werden die interessantesten und beliebtesten Bilder aller Nutzer angezeigt, unter die man seine eigenen zu bringen versucht. Außerdem sind in die meisten Social-Software-Plattformen Rating- und Kommentar-Funktionen integriert, die Usern die gegenseitige Bewertung ihrer veröffentlichten Inhalte ermöglichen. Es existieren also vielfältige Möglichkeiten, online Anerkennung zu erhaltentauch wenn diese in der Offline-Welt meist nicht viel wert ist (vgl. Alby, S. 112).
6http://www.wikipedia.org
7http://www.flickr.com
8http://www.deviantart.com
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Im Zusammenhang mit Social Software spielt außerdem die Möglichkeit der Selbstreflexion eine wichtige Rolle. Nutzerprofile zählen als wesentlicher Bestandteil sämtlicher Web 2.0-Applikationen. Wie sich User im Internet präsentieren und ob die Online-Identitäten dabei mit den Offline-Identitäten übereinstimmen, soll nachfolgend betrachtet werden.
Der Identitätsbegriff wird in verschiedenen Wissenschaftsbereichen unterschiedlich gebraucht. Die Mathematik und teilweise frühe Philosophien benennen neben der Selbstreferenz die Unveränderlichkeit als wichtiges Merkmal von Identität und beziehen sich damit vor allem auf theoretische Gegenstände ohne Berücksichtigung des Faktors Zeit (vgl. Kunze 2003). In den Sozialwissenschaften und der Psychologie stehen hingegen hauptsächlich Lebewesen, insbesondere Menschen, im Zentrum der Betrachtungen, die im Zusammenhangu] ]ZhuPµvPµv µvZµvP]µvµZ ÁvXc,]lvvvsehr wohl Veränderungen bei einem Menschen geschehen, ohne dass deshalb seine Identität,Ì]ZµvPÁ]]/v]̵]ZoÀo}vP]vP^~<µoZîììóU^XóXvals beim ursprünglichen mathematischen Identitätsverständnis fließen im sozialpsychologischen Bezugsrahmen Aspekte wie Selbstdarstellung und deren Verschiedenheit in unterschiedlichen sozialen Situationen sowie die Identifizierbarkeit durch andere beziehungsweise deren Vermeidung ein (vgl. ebd.).
Im Rahmen dieser Arbeit soll die soziologische Auffassung von Identität als Definitionsgrundlage dienen. Diese schließt zudem Multiplizität und Flexibilität ein. Das heißt, Identität wird als komplexes Konstrukt verstanden, von dessen vielfältigen Elementen in konkreten Situationen bestimmte Teilmengen aktiviert werden.c]vW}vZ µ ]Wl]Àv]Z vµ ]vbÁZZ/v]U}vv À(ºP º ]vs]oÌZov Pµv-,rollen-, raum-, körper- oder tätigkeitsbezogenen Teil-/v]v^~]vPíõõõU^XîîñX Nach Angela Thomas (2007) wird die Darbietung unserer/v]]vcZÇ]Zvto^von vielen verschiedenen Faktoren bestimmt:
^Theidentity inscribed in our bodies such as gender, ethnicity and age; our individual personalities as
evidenced through our fashion sense, hair style, and other bodily markings (tattoos, piercings, make-
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up); and our psychological make-up such as our mannerisms of walk and talk. These are the cultural,
}]ov]v]À]µo]]µZ}µPZÁZ]Z}ZZ[µ}P]vvofwho we are and to de-
u]vÁZZÁu]PZulP}}(]vUvU}uo}Ç_~dZ}uîììóU^XñX
In der digitalen Welt findet jedoch keine direkte Interaktion mit diesen Komponenten der Offline-Identität statt (vgl. ebd.). Denn was beispielsweise in der Face-to-Face-Kommunikation augenscheinlich ist und situativ bedeutsame Informationen schafft, ist innerhalb der kontextreduzierten Vermittlungsbedingungen virtueller Umgebungen meist unsichtbar und daher für die kommunikative Realität irrelevant (vgl. Willems/Pranz 2008, S. 206). Das Selbst kann sich somit weitgehend losgelöst von Identitätsfaktoren wie Alter, Geschlecht, Rasse und Schichtv(ov~ÀPoX'}((uvíõóñU^XôóXclµ]vµor-jenigein Erscheinung, als der er sich selbst darstellt, wobei Kontextinformationentauch unerwünschtetu]v µZ( Àl o]v^~t]ooulWvÌ îììôU^XîìóXDies spiegelt sich auch in einem Zitat der 14-jährigen^Shadow_wider, auf das Angela Thomas verweist:^/[uv}µ](vÇ}ÇZ}ooÇP}lv}Áut/[u}}(}vX/[lot like me, but minus the tZ]vP/}v[o]l}µuÇo(_ (Thomas 2007, S. 5). Techniken der Imagepflege sind nach Reichert (2008) ein grundlegender Bestandteil der medialen Selbstdarstellung in Social Networks (vgl. Reichert 2008, S. 76). Sie umfassen Hand-oµvPvUc]À}Pv}uuvÁvUµuooUÁuvµU]vm]v]uuµvPu]i-nemImage zu bringen^~'}((uvíõôòU^XíôX]PZÁv]Pµu]µZv]zität