Finito - Roland Zingerle - E-Book

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Roland Zingerle

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Beschreibung

Als Ex-Politiker Bernhard Weiger im Klagenfurter Altersheim "Herbstruhe" stirbt, hinterlässt er der Polizei ein rätselhaftes Gedicht, das Beweise für einen Mord durchklingen lässt, welcher sich vor langer Zeit ereignet haben soll. Da Chefinspektor Leopold Ogris daraus nicht schlau wird, engagiert er den Hobby-Ermittler und Bierführer Hubert Pogatschnig als externen polizeilichen Berater, zumal sich dieser schon beim Lösen ähnlicher Rätsel in der Vergangenheit als äußerst geschickt erwiesen hat. Pogatschnig kann den Inhalt des Gedichts weitgehend entschlüsseln und findet im Zuge dessen heraus, dass die Mutter des Kärntner Landesrates Martin List vor 27 Jahren mit dem dubiosen Verschwinden einer jungen Studentin in Zusammenhang gebracht wurde, ein Fall, der nie aufgeklärt werden konnte. Außerdem findet Pogatschnig heraus, dass der Polizist, der damals die Ermittlungen leitete, ebenso im Altersheim Herbstruhe lebt, wie auch Lists Mutter. Immer tiefer taucht er in einen Sumpf aus politischer Vertuschung, Scheinheiligkeit und menschlicher Niederung ein und setzt damit eine Ereigniskette in Gang, an deren Ende er selbst steht. Zur Serie: Über die Einhaltung von Gesetzen wacht die Polizei – aber nicht nur! In Klagenfurt am Wörthersee haben sich Hubert Pogatschnig (zunächst Großhandelsvertreter, später Bierführer) und Ludwig Melischnig (Bierführer-Assistent) die Aufklärung von Kapitalverbrechen zur Aufgabe gemacht. Dabei besteht der besondere Reiz für die beiden darin, schneller zu ermitteln als die Polizei. Von den Medien als "Zwei für die Gerechtigkeit" gefeiert und von der Kripo unter dem Kommando von Leopold Ogris als "Deppen-Duo" verachtet, machen sich die beiden Hobby-Detektive die Vorteile des Tratsches zunutze: Sie suchen dort nach Hinweisen, wo Informationen ausgetauscht werden, nämlich in Gaststätten oder Gewerbebetrieben, Vereinen oder Nachbarschaften, beim täglichen Herumkommen oder auf gelegentlichen Extratouren an Originalschauplätzen in und um Klagenfurt.

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Roland Zingerle

Finito!

Klagenfurter Kneipen-Krimi Nr. 18

 

 

 

 

 

Prolog

 

Gesetz und Verbrechen unterliegen dem Henne-Ei-Prinzip. Zwar scheint das Verbrechen älter zu sein, da Gesetze ansonsten nicht nötig geworden wären, doch hätte man schwerlich je ein Verbrechen erkannt, wäre damit nicht irgendein Gesetz gebrochen worden.

Gesetze regeln das menschliche Zusammenleben und über ihre Einhaltung wacht die Polizei. Aber nicht nur: In Klagenfurt haben sich der Bierführer Hubert Pogatschnig und sein Assistent Ludwig Melischnig die Aufklärung von Kapitalverbrechen zur Aufgabe gemacht. Dabei besteht der besondere Reiz für die beiden darin, schneller zu ermitteln als die Polizei. Von den Medien als „Zwei für die Gerechtigkeit“ gefeiert und von der Polizei unter dem Kommando von Chefinspektor Leopold Ogris als „Deppen-Duo“ verachtet, machen sich die beiden Hobby-Detektive die Vorteile des Tratsches zunutze: Sie suchen dort nach Hinweisen, wo Informationen ausgetauscht werden, nämlich in den Gaststätten in und um Klagenfurt…

Mittwoch, 12.30 Uhr, Sicherheitszentrum Klagenfurt.

 

Tock, tock, tock – tock.

 

Der Grund, warum Hubert Pogatschnig mit dem letzten Klopfen etwas gezögert hatte war, dass der gesamte Mut, den er sich für das Anklopfen vorgenommen hatte, nach den ersten drei Klopfern aufgebraucht war. Unwillkürlich hatte er Angst, die ersten drei Klopfer wären zu laut, zu provokant gewesen und ebenso unwillkürlich erinnerte ihn sein Klopfen nun an das Leitthema von Beethovens fünfter Sinfonie; der Schicksalssinfonie.

 

Ta-ta-ta-taaa.

 

Zögernd öffnete er die Tür zum Gemeinschaftsbüro von Chefinspektor Leopold Ogris und seiner Stellvertreterin, Bezirksinspektor Anna Wratschko, blieb aber auf der Schwelle stehen und sah sich vorsichtig im Büro um. Beide, Chefinspektor und Bezirksinspektorin, blickten verwundert von ihren Schreibtischen auf.

 

Wenige Stunden davor hatte Hubert Pogatschnig einen mysteriösen Anruf von Chefinspektor Ogris bekommen. Dieser hatte ihn gebeten, ehestmöglich in das Sicherheitszentrum zu kommen, Ogris müsse etwas mit ihm besprechen. Mysteriös daran war nicht nur die Weigerung des Chefinspektors, etwas über den Inhalt dieser Besprechung zu sagen, sondern auch dessen unbestimmbare Stimmung. Bei all seiner Phantasie konnte sich Pogatschnig nicht einmal im Ansatz ausmalen, was ihn bei diesem Treffen erwarten würde. Doch da es keinen Grund für eine Absage gab, stimmte er zu und kündigte sein Kommen während seiner Mittagspause an.

Seit er das Sicherheitszentrum betreten hatte, rechnete er irgendwie damit, ein Uniformierter würde plötzlich aus irgendeiner Mauernische hervorspringen und ihn festnehmen. Auch hier in Ogris’ Büro befürchtete Pogatschnig Ähnliches, weshalb er nun vorsichtig war. Er nahm nicht an, dass der Chefinspektor ihn zu einem Kaffeeklatsch gebeten hatte, oder um ihn zu loben oder etwas Angenehmes mitzuteilen; das war einfach nicht dessen Art. Andererseits war sich Hubert Pogatschnig aber auch keiner Schuld bewusst.

 

„Komm herein“, sagte Chefinspektor Leopold Ogris nun, um Pogatschnig von seiner Unschlüssigkeit zu befreien.

Auch jetzt klangen die Worte des Polizisten gefühlsneutral. In dem Wissen, dass er nun erfahren würde, was ihn hier erwartete, wenn er eintrat, überschritt Pogatschnig die Schwelle, zog die Tür hinter sich zu und gab Bezirksinspektorin Wratschko und Chefinspektor Ogris die Hand. Ogris bot ihm einen Platz auf dem Sessel vor seinem Schreibtisch an und Anna Wratschko postierte sich hinter ihrem Vorgesetzten. Ihrer geringen Körpergröße wegen hatte es den Anschein, als wäre sie nur geringfügig größer als Ogris, obwohl sie stand und er saß.

„Du wirst dich wahrscheinlich wundern“, begann der Chefinspektor und Pogatschnig unterbrach:

„Das kannst du laut sagen!“

Ogris lächelte milde; auch das war völlig untypisch für ihn. Er zog ein schmales, längliches Briefkuvert aus einer Schublade seines Schreibtisches und schob es Hubert Pogatschnig hin. Dieser nahm es zögernd und zog zwei Gegenstände daraus hervor. Zum einen, einen flachen, messingfarbenen, abgegriffenen Schlüssel, der in ein Zylinderschloss passte. An ihm hing ein länglicher Anhänger aus rotem Plastik, in dessen Sichtfenster die Abbildung eines Wappens zu sehen war.

Der zweite Gegenstand war ein Blatt Papier, das sorgfältig zu einem dreiteiligen Leporello gefaltet war. Die darauf geschriebenen Worte waren in einem Block strukturiert; Pogatschnig erkannte dadurch, dass es ein Gedicht war, noch bevor er ein Wort davon gelesen hatte. Die Buchstaben waren mit einer Schreibmaschine getippt worden, was einen altertümlichen Eindruck erweckte, auch wenn das Papier keine Spur einer Vergilbung aufwies.

Pogatschnig las den Text:

 

„dann wird gerechtigkeit anbrechen

finde es lass glas zerbrechen

wenn’s hört wie glas zerbricht.

das graue das stets dasselbe spricht

ihn überführt du glaubst es nicht

der mörder bekannt ist sein gesicht

des grauen das sie verkauft einst hat

die alte list sie weiß den pfad

soll nicht in meine ewigkeit

ein mord gescheh’n vor langer zeit

finde die spur und bleib daran

geh die sache anders an

nimm dies gedicht hast keine zeit

als fährte zur gerechtigkeit“

 

„Wir wissen auch nicht, was das soll“, beantwortete Chefinspektor Leopold Ogris die Frage, die in Hubert Pogatschnigs Gesicht geschrieben war, als dieser vom Blatt aufsah. „Vergangenen Sonntag starb ein gewisser Bernhard Weiger im Altersheim ‚Herbstruhe’ hier in Klagenfurt. Herr Weiger hat vor vier Jahren diesen Umschlag bei einem Notar hinterlegt und verfügt, dieser müsse nach seinem Ableben unverzüglich der Kriminalpolizei übergeben werden.“

Hubert Pogatschnigs Neugier war entfacht gewesen, als Ogris ihm das Kuvert gegeben hatte, jetzt stand sie in hellen Flammen.

„Wer war dieser Bernhard Weiger?“, fragte er.

„Ein hohes Tier in einer der Vorläuferparteien der ABC“, erklärte Chefinspektor Ogris.

 

Die ABC! Seit Landesrat Martin List von der ABC-Partei mit Hubert Pogatschnigs Ex-Freundin Christiane Schulz zusammen war, überfuhr Pogatschnig immer ein grauslicher Schauer, wenn er den Namen ABC nur hörte! Das konnte er dem Chefinspektor aber schwer erklären, immerhin wusste dieser bis heute nichts von Pogatschnigs zweijähriger Beziehung mit Schulz, die während dieser Zeit Ogris’ Stellvertreterin gewesen, nun aber die Assistentin von dessen Vorgesetztem war.

 

„Soweit bekannt ist“, fuhr der Chefinspektor indessen fort, „war Weiger ab Mitte der achtziger Jahre nicht mehr politisch tätig. Bis zu seiner Pensionierung managte er eine Werbeagentur; wir werden diese Dinge recherchieren, sollten sie relevant werden.“

„Was ist denn relevant?“, fragte Hubert Pogatschnig. Sein Instinkt sagte ihm, dass da noch Dinge waren, die ihm der Chefinspektor verschwieg.

„Das wissen wir nicht“, gestand Bezirksinspektorin Wratschko nüchtern.

Pogatschnig legte das Gedicht neben den Schlüssel auf den Tisch vor sich und steckte beide Hände in die Säcke seiner Bierführer-Montur.

„Seit wann habt ihr die Sachen?“, fragte er.

„Seit Montag“, antwortete die Bezirksinspektorin. „Seither bemühen wir uns, einen Sinn darin zu entdecken.“

„Leider vergebens“, ergänzte Ogris.

„Hat die Polizei keine Spezialisten für solche Dinge?“

Der Chefinspektor erwiderte:

„Die Polizei hat Spezialisten für fast alles, aber die meisten davon sind heillos überlastet. Bis wir eine Antwort vom Bundeskriminalamt bekommen, könnte es zu spät sein.“

„Könnte was zu spät sein?“

„Das Gedicht deutet ein Verbrechen an“, erinnerte Ogris, „und, dass wir keine Zeit haben.“

Hubert Pogatschnigs Gesicht begann automatisch zur grinsen.

„Ja, wie“, meinte er mit selbstgefällig belegter Stimme, „und deshalb wendet ihr euch an mich?“

Der Chefinspektor nickte.

„Damals, als dich der Giga-Guy mit seinen Rätsel-SMS’ durch die Stadt gehetzt hat, hast du uns alle in den Schatten gestellt“ (Siehe Klagenfurter Kneipen-Krimi Nr. 5: „Der Strecker von Welzenegg“.), erklärte er, seltsamerweise ohne Groll, was Pogatschnig ebenso seltsamerweise störte. „Ich bin geneigt, dich als den größten Spezialisten anzusehen, der mir für die Entschlüsselung dieses Briefes derzeit zur Verfügung steht.“

Jetzt war Pogatschnig baff. Er hätte zumindest einen sarkastischen Unterton erwartet oder ein ironisches Grinsen – aber nichts dergleichen! Ogris hatte das Kompliment ernst gemeint! Konnte es sein, dass der Chefinspektor alt wurde? Doch dieser ging noch weiter:

„Das Landespolizeikommando Kärnten möchte dich als externen Berater vorübergehend unter Vertrag nehmen.“

„Unter Vertrag?“, fragte Pogatschnig tonlos, „mit Geld und allem Drum und Dran?“

„Selbstverständlich bekommst du ein Berater-Honorar“, bestätigte Ogris. „Wenn du willst, rede ich auch mit deinem Arbeitgeber, dass er dir für die Zeit, in der du für uns arbeitest, Urlaub gibt. Immerhin stehen höhere Interessen auf dem Spiel.“

Hubert Pogatschnig war nicht fähig, etwas zu sagen. Dass Chefinspektor Ogris ihm einen Berater-Vertrag anbot, noch dazu einen bezahlten – das konnte einfach nicht stimmen! Er hob eine Hand und watschte sich damit selbst einmal links und einmal rechts ab.

Der Chefinspektor wandte sich zu seiner Stellvertreterin um und tauschte mir ihr einen fragenden Blick.

„Ich wollte nur sichergehen, dass ich nicht träume“, erklärte Pogatschnig, „doch es scheint wahr genug, um schön zu sein. Wo soll ich unterschreiben?“

Mittwoch, 13 Uhr, Gasthaus Pumpe, Lidmanskygasse, Klagenfurt.

 

Als Ludwig Melischnig die Verbindung trennte, war er so grantig, dass er den Fleischklumpen in seinem Mund ohne weiteres Kauen hinunterschluckte.

„Was ist denn los?“, fragte Bettina Ogris, die mit ihm am Tisch saß.

„Der Hubert“, murmelte Melischnig und schüttelte sein Mobiltelefon, als könnte Pogatschnig dies spüren, „der nimmt sich jetzt Urlaub, weil er bei deinem Papa unter Vertrag ist, sagt er. Als eksterna (Melischnig meint: externer; Anm.) Berater, sagt er. Und ich soll mit auf Urlaub gehen, aber gratis. Aber der kann mich einmal; pfa!“

Bettina verstand nicht, was Melischnig meinte, kannte ihn aber gut genug um zu wissen, dass eine nähere Befragung keinen Sinn hatte, solange er erregt war.

„Und ich muss jetzt im Lager schöpfen, derweil der Herr Hubert beim Ermitteln ist“, fuhr dieser fort.

„Warum?“

„Weil ich keinen Lkw-Führerschein hab. Und wenn der Hubert nicht fahrt, kann ich nicht mit ihm mitfahren und dann muss ich im Lager schöpfen, bis dass er wieder da ist. Soa Oasch (mundartlich für: so’n Arsch; Anm.)!“

„Na, komm“, versuchte es Bettina erneut, „es gibt Wichtigeres, als die Arbeit.“

„Ich weiß ja eh“, lenkte Melischnig ein und stieß verbittert seine Gabel in ein schuldloses Stück Fleisch seines bereits zweiten großen Pumpe-Gulaschs. Lustlos kaute er darauf herum und schluckte es hinunter. Schade um das gute Gulasch!

„Ich habe damit eigentlich nicht das Essen gemeint“, fuhr Bettina Ogris fort.

Einem aufmerksameren Zuhörer wäre der gemessen distanzierte Unterton in ihrer Stimme aufgefallen. Ludwig Melischnig hingegen sah nur überrascht von seinem Teller auf.

„Hm?“

„Ludwig“, Bettina rückte vorsichtig näher an ihn heran und ihre Finger schlossen sich um seinen Oberarm. „Ich … ich wollte dich eigentlich etwas fragen, heute. Ich weiß, der Zeitpunkt ist jetzt schlecht, aber … ich schiebe die Sache schon so lange hinaus und nie scheint der richtige Zeitpunkt zu sein, deshalb frage ich dich einfach jetzt.“

Sie sah ihn an, fragte aber nicht.

„Was denn?“

Melischnig war in einer Mischung aus Misstrauen und Vorangst erstarrt.

„Glaubst du“, begann Bettina zögernd, „glaubst du nicht auch, dass wir unsere Beziehung irgendwie in einen festeren Rahmen gießen sollten?“

„Wie, was gießen?“

„…formalisieren…“ Bettina suchte nach einem besseren Wort.

Melischnig war dabei nicht gerade hilfreich:

„Häh?“

„Heiraten“, platzte sie heraus. Die Gäste der umliegenden Tische sahen verwundert zu ihr auf. Bettina wollte im Erdboden versinken!

„Heiraten?!“, rief Ludwig Melischnig zurück, sodass nun auch die restlichen Gäste in diesem Raum verwundert aufsahen.

Bettina spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht schoss. Ihr peinliches Lächeln gefror zu einem Grinsen. Nach drei Fehlgriffen erwischte sie endlich ihre Handtasche und sie verließ den Pumpe wortlos mit zu Boden gesenktem Blick.

„Oje, Ludwig, hast du deine Freundin vertrieben?“ Pumpe-Wirt Christian Fischer, der zufällig Zeuge dieser Szene geworden war, legte Melischnig eine Hand auf die Schulter.

„Sie … sie hat mir einen Heiratsantrag gemacht“, stammelte dieser, „sie hat mir einen Heiratsantrag gemacht, sie hat…“

„Ich habe schon verstanden“, unterbrach ihn Christian Fischer. „Das ist allerdings neu. Seit vierzig Jahren hat meine Familie den Pumpe jetzt schon in Pacht und wir haben schon jede Menge verrückte Dinge erlebt. Aber dass eine Frau einem Mann einen Heiratsantrag macht und dann davonrennt, das war noch nie da. Wenn, dann war es immer umgekehrt.“

Mittwoch, 16.30 Uhr, Sicherheitszentrum Klagenfurt.

 

Da Chefinspektor Leopold Ogris gerade nicht im Büro war, übernahm Bezirksinspektorin Anna Wratschko das Telefonat, das seinen Apparat zum Klingeln brachte.

„Mein Name ist Ulrich Weiger“, stellte sich der Anrufer vor, „ich bin der Sohn von Bernhard Weiger, dem Herrn, der am vergangenen Sonntag verstorben ist.“

„Ich weiß, wen Sie meinen“, erwiderte die Bezirksinspektorin. „Mein Beileid.“

„Danke“, erwiderte Ulrich Weiger, ehe er zur Sache kam: „Darf ich erfahren, warum die Abwicklung der Erbschaftsangelegenheiten auf Eis gelegt wurden?“

„Es gibt da noch einige unklare Punkte“, erklärte Bezirksinspektorin Wratschko. „Die müssen wir klären, ehe wir die Erbschaft freigeben.“

„Unklare Punkte?“, fuhr Ulrich Weiger auf. „Was für unklare Punkte?“

„Ihr Vater hat notariell verfügt, dass uns nach seinem Tod ein Dokument ausgehändigt wird. Dieses Dokument wirft einige Fragen auf, die beantwortet werden müssen.“

Sie hörte ihren Gesprächspartner schnauben.

„Geht das vielleicht etwas präziser?“ Er schien seinen Ärger nur schwer unterdrücken zu können.

„Tut mir leid“, erwiderte die Bezirksinspektorin entschieden. „Hätte Ihr Vater gewollt, dass Sie diese Informationen bekommen, hätte er das Dokument Ihnen zukommen lassen und nicht uns.“

 

Das war hart, das war ihr klar. Zu erfahren, dass der eigene Vater ein Geheimnis mit ins Grab genommen hatte, welches er vor dem eigenen Sohn notariell hatte schützen lassen, war sicher nicht leicht zu verdauen. Aber es half nichts, so lagen nun einmal die Fakten.

 

„Aber ich bin sein Sohn!“, rief Ulrich Weiger, nun mehr verzweifelt als verärgert.

„Tut mir leid“, wiederholte Bezirksinspektorin Anna Wratschko und ihre Stimme verriet, dass sie das ehrlich meinte.

Ulrich Weiger legte ohne ein weiteres Wort auf.

Donnerstag, 10 Uhr, Altersheim Herbstruhe, Klagenfurt.

 

Das Altersheim Herbstruhe war ein Hort des Friedens. Die alte Bausubstanz und die damit verbundenen Lichtverhältnisse erweckten den Eindruck, Myriaden winziger Staubpartikel würden hier drinnen durch die Luft flirren, wodurch diese irgendwie stickig wirkte, doch immerhin war es angenehm warm. Versteckte Lautsprecherboxen ließen die sanften Klänge einer beruhigenden Melodie leise über den Empfangsraum rieseln; alles in allem eine Atmosphäre, in der sich Hubert Pogatschnig nur allzu gerne irgendwo zum Schlafen hingelegt hätte.