Flucht in der Nacht - Emmanuel Bove - E-Book

Flucht in der Nacht E-Book

Emmanuel Bove

0,0

Beschreibung

"Flucht in der Nacht" und "Einstellung des Verfahrens" sind so etwas wie das literarische Vermächtnis von Emmanuel Bove, abgefasst zwischen 1942 und 1944 im Exil in Algier. Die beiden Romane schließen inhaltlich aneinander an, und beide spielen vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs: Der Ich-Erzähler aus "Flucht in der Nacht" bricht mit einem Dutzend Kameraden aus einem deutschen Kriegsgefangenenlager aus und schlägt sich, zuletzt nur noch mit einem Gefährten, bis nach Frankreich durch. Doch auch nach seiner Rückkehr ins besetzte Paris, an den Hauptschauplatz von "Einstellung des Verfahrens", kommt der Bove'sche Antiheld nicht zur Ruhe. Seine persönliche Tragödie wird zur Groteske: Hin und her gerissen zwischen heroischen Anwandlungen und Paranoia, dem Wunsch nach Einsamkeit und der Unfähigkeit dazu, lähmender Entschlusslosigkeit und panischer Aktivität, Hilflosigkeit und maßlosen Ansprüchen, ist er mit seinem Drang nach Freiheit und Sicherheit – obwohl ihm die Flucht nach Spanien gelingt – letztlich zum Scheitern verurteilt. Emmanuel Bove, für seine gleichsam chirurgische stilistische Präzision von der Kritik hoch gerühmt, schildert diesen menschlichen Niedergang ungeschönt subjektiv als ein Scheitern nicht nur an der Welt, sondern vor allem an sich selbst. "Ich weiß: das Wort ›groß‹ ist einem Schriftsteller sehr selten angemessen und oft schon gar nicht den sogenannten ›großen‹ Schriftstellern. Aber Bove ist groß." (Peter Handke) Zum Weiterlesen: "Emmanuel Bove. Eine Biographie" von Raymond Cousse und Jean-Luc Bitton ISBN 9783860347096

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 226

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über dieses Buch

»Flucht in der Nacht« und »Einstellung des Verfahrens« sind so etwas wie das literarische Vermächtnis von Emmanuel Bove, abgefasst zwischen 1942 und 1944 im Exil in Algier. Die beiden Romane schließen inhaltlich aneinander an, und beide spielen vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs: Der Ich-Erzähler aus »Flucht in der Nacht« bricht mit einem Dutzend Kameraden aus einem deutschen Kriegsgefangenenlager aus und schlägt sich, zuletzt nur noch mit einem Gefährten, bis nach Frankreich durch. Doch auch nach seiner Rückkehr ins besetzte Paris, an den Hauptschauplatz von »Einstellung des Verfahrens«, kommt der Bove’sche Antiheld nicht zur Ruhe. Seine persönliche Tragödie wird zur Groteske: Hin und her gerissen zwischen heroischen Anwandlungen und Paranoia, dem Wunsch nach Einsamkeit und der Unfähigkeit dazu, lähmender Entschlusslosigkeit und panischer Aktivität, Hilflosigkeit und maßlosen Ansprüchen, ist er mit seinem Drang nach Freiheit und Sicherheit – obwohl ihm die Flucht nach Spanien gelingt – letztlich zum Scheitern verurteilt.

Emmanuel Bove, für seine gleichsam chirurgische stilistische Präzision von der Kritik hoch gerühmt, schildert diesen menschlichen Niedergang ungeschönt subjektiv als ein Scheitern nicht nur an der Welt, sondern vor allem an sich selbst.

»Ich weiß: das Wort ›groß‹ ist einem Schriftsteller sehr selten angemessen und oft schon gar nicht den sogenannten ›großen‹ Schriftstellern. Aber Bove ist groß.« (Peter Handke am 10. Januar 1994)

Der Autor

1898 als Sohn eines russischen Lebemanns und eines Luxemburger Dienstmädchens in Paris geboren, schlug sich Emmanuel Bove mit verschiedenen Arbeiten durch, bevor er als Journalist und Schriftsteller sein Auskommen fand. Mit seinem Erstling »Meine Freunde« hatte er einen überwältigenden Erfolg, dem innerhalb von zwei Jahrzehnten 23 Romane und über 30 Erzählungen folgten.

Nach seinem Tod 1945 gerieten der Autor und sein gewaltiges Œuvre in Vergessenheit, bis er in den siebziger Jahren in Frankreich und in den achtziger Jahren durch Peter Handke für den deutschsprachigen Raum wiederentdeckt wurde. Heute gilt Emmanuel Bove als Klassiker der Moderne.

Mehr zum Autor und seinem Werk unter www.emmanuelbove.de

Der Übersetzer

Thomas Laux, geboren 1955 in Düsseldorf. Studium der Germanistik und Romanistik, Staatsexamen, Promotion 1987 in Romanistik. Literaturkritiker und Übersetzer aus dem Französischen (u. a. Bove, Henri Thomas, Hervé Guibert, Jacques Chauviré).

Flucht in der Nacht

Roman

Aus dem Französischenvon Thomas Laux

Edition diá

Vorwort

»Flucht in der Nacht« und »Einstellung des Verfahrens« sind die letzten Werke von Emmanuel Bove. Wir haben uns entschieden, sie in einem Band vorzulegen, da man sie genauso gut im Zusammenhang lesen kann wie jedes für sich, beginnt doch die Geschichte von »Einstellung des Verfahrens« dort, wo »Flucht in der Nacht« endet. 1

Jeder der beiden Romane wurde zunächst für sich veröffentlicht: der erste 1945 bei den Éditions Charlot in Algier, der zweite 1946 bei Robert Laffont in Paris. Diese Angaben sind nicht unerheblich. »Flucht in der Nacht« erscheint im letzten Drittel des Jahres 1945, doch Emmanuel Bove stirbt in Paris bereits am 13. Juli 1945. Edmond Charlot, dessen Archive während des Algerienkrieges von der OAS gesprengt wurden, kann nicht mit Sicherheit sagen, ob Bove noch ein Exemplar seines Buches in die Hand bekam; fest steht aber, dass er an seiner Veröffentlichung beteiligt war. Anderthalb Monate vor seinem Tod notierte der fiebernde und abgemagerte Bove, der aus seinem Zimmer nicht mehr herauskam, unter dem letzten Brief, den wir von ihm haben: »Ich publiziere.« Möglicherweise bezieht sich dieser Satz auf »Die Falle«, aber unerheblich ist er deshalb keineswegs. Bove, der zwischen 1940 und 1942 in die Gegend um Lyon geflüchtet war, hatte sich immer geweigert, im besetzten Frankreich zu veröffentlichen. Seine Absicht war es, nach England zu gelangen, und es ist kein Zufall, dass »Flucht in der Nacht« General de Gaulle gewidmet ist.

Es verschlägt ihn schließlich nach Algier, wo er im November 1942, kurz vor der Landung der Alliierten, ankommt. Dort bleibt er bis zum Oktober 1944, um dann in die französische Hauptstadt zurückzukehren. Die beiden hier vorliegenden, seit ihrer Erstveröffentlichung nicht wieder aufgelegten Romane verfasst er in Algier. Dort knüpft er auch zahlreiche Kontakte mit Schriftstellern und Künstlern, insbesondere mit André Gide, Saint-Exupéry, Max-Pol Fouchet, Albert Marquet, Henri Jeanson und Philippe Soupault. Sein Gesundheitszustand indessen verschlimmerte sich dort nur noch: »Boves Leben war fast ein Dahindämmern. Manchmal hielt er sich die Hand vors Gesicht, eigentlich nicht so sehr, um einen Hustenanfall zu ersticken, sondern um eine durch den Schmerz hervorgerufene Grimasse zu verbergen. Oft verschwand er zu einem Krankenhausaufenthalt, aber er sprach nicht über sein Leiden«, erinnert sich Enrico Terracini.

In seinem Taschenkalender notiert Bove am 28. März 1945: »Krank geworden.« Soll heißen: todkrank. Bis zu diesem Datum ist der Kalender über und über mit Notizen vollgeschrieben. Ab dem folgenden Tag, für die Dauer der etwa hundert Tage, die ihm noch zu leben bleiben, sind die Seiten leer, abgesehen von seinem Geburtstag, dem 20. April. Da schreibt er: »47 Jahre«, dreimal unterstrichen und mit einem Ausrufezeichen versehen. Danach endgültiges Schweigen. Schmerzliche Details, die sein extremes Schamgefühl belegen.

Als »Einstellung des Verfahrens« erscheint, ist Bove schon über ein Jahr lang begraben und sein Werk mit ihm. Dem Zeitgeist sind andere wichtiger. Im Namen der wiedererlangten Freiheit und der aufziehenden Revolution in Algerien drängt man sich, den neuen Ikonen – Sartre, Camus, Aragon – die Reverenz zu erweisen. Von nun an heißt es, weg mit ihnen, den Boves, Calets, Hyvernauds, Guérins und ihresgleichen, die den Anstand über die literarische Eitelkeit stellen, die mit der Ablehnung der Heuchelei bei sich selbst beginnen. Denn Tatsache ist, dass der Status des »großen« Schriftstellers nur selten mit einer ungeschönt klaren Selbstsicht einhergeht.

»Einstellung des Verfahrens« ist nicht nur der Titel von Boves letztem Roman. Er könnte als Überschrift für sein gesamtes Werk gelten, um nicht zu sagen: für seine ganze Existenz. Ohne Zweifel hat der Autor in der Situation, in der er sich befand, dies auch so empfunden. Die vier letzten Romane (»Ein Mann, der wußte«, »Die Falle«, »Flucht in der Nacht« und »Einstellung des Verfahrens«) bilden für sich allein ein ganzes Programm. Sie sind während des Krieges verfasst und haben den Krieg auch als Hintergrund. Man kann sie auf dieser Ebene lesen, man darf an sie, vor allem an die beiden letztgenannten, aber auch als einen einzigen großen Initiationsroman herangehen.

Der Protagonist aus »Flucht in der Nacht« und »Einstellung des Verfahrens« ist nicht weniger entschlusslos, als es die »Helden« der ersten zwanzig Bücher waren. In den Romanen zuvor war die jeweilige Hauptfigur allerdings ein Zauderer a priori, einer, der sich ebenso sehr aus Unfähigkeit wie aus Prinzip allem Handeln verweigerte. Hier nun steht er gewissermaßen auf der anderen Seite der Unschlüssigkeit, das heißt nach vollbrachter Tat, der – übrigens unbeabsichtigten – Tötung zweier deutscher Wachposten. Nun könnte man meinen, diese Tat befreie den Ich-Erzähler. Doch ganz im Gegenteil führt sie nur dazu, seine Unentschlossenheit ins Unermessliche zu steigern und ihn in einen existentiellen Horror zu stürzen, aus dem er – vom Gang der Handlung übrigens nur unzureichend kaschiert – nicht mehr herauskommt. Seine Zweifel und infantilen Ängste steigern sich bis zur Paranoia und einer extremen Lebensangst, die, zuvor nur potentiell vorhanden, nunmehr konkret und definitiv wird. Als ob der Umstand, nur ausnahms- und zufälligerweise gehandelt zu haben, etwas Unwiderrufliches ausgelöst hätte, als wäre jegliche Tat ein Verbrechen, um nicht zu sagen: das Verbrechen schlechthin. Das Grauen, das lange Zeit abgewehrt werden konnte, dringt nun durch alle Poren der Persönlichkeit und zersetzt die Identität des Ich-Erzählers. Von da an ist der Wurm in der Frucht, und diese wird zerfressen, bis nichts mehr übrigbleibt. Die äußere Welt wird nur noch als Alptraum erlebt – der halluzinatorische Aspekt der Erzählung hängt möglicherweise auch mit Boves Gesundheitszustand zusammen –, und die Menschheit, aus der sie besteht, erweist sich als unabänderlich feindselig.

Ein Initiationsroman, sagte ich, und das ist zu verstehen als eine Einführung in Einsamkeit und Tod. »Flucht in der Nacht« erzählt vom Ausbruch eines Dutzends französischer Kriegsgefangener aus einem deutschen Lager. Das Buch endet mit der Ankunft des Ich-Erzählers in Frankreich. Nachdem er seine Gefährten unterwegs aufgegeben oder verloren hat, kehrt er nunmehr allein zurück. Der Entwurf des Romans könnte mithin so zusammengefasst werden: von der unmöglichen Gemeinschaft zur hoffnungslosen Einsamkeit. »Einstellung des Verfahrens« zeigt den Protagonisten seinen feindseligen oder gleichgültigen Landsleuten im besetzten Frankreich ausgesetzt. Unter dem Vorwand, nicht wieder gefasst werden zu wollen – allerdings geht es im Buch nie direkt um die Deutschen –, verwendet er alle Kräfte darauf, den Teufelskreis seiner Einsamkeit zu durchbrechen. Der Roman, und so auch Boves Werk, mündet in dieses letzte Scheitern. Sich verfolgt und terrorisiert wähnend, beschließt der Erzähler, seinen Frieden und seine Sicherheit anderswo zu suchen. Man wird sehen, dass er sich einen idealen Ort dafür aussucht, denn es handelt sich um das Spanien Francos: »Ich drehte mich um. Zwei spanische Wachposten kamen auf mich zu. Ich wusste, sie würden mich ins Gefängnis bringen, aber das war mir egal: Ich war frei.«

Letzten Endes gibt es für Bove Freiheit nur im Tod. Sein eigener Körper sollte einige Monate später die Konsequenzen daraus ziehen: »Monsieur Bove verstarb heute Morgen an allgemeiner Entkräftung und Herzversagen«, heißt es auf dem Totenschein.

Raymond Cousse (1988)

1 Das Vorwort bezieht sich auf die gedruckte Ausgabe, in der die beiden Romane »Flucht in der Nacht« und »Einstellung des Verfahrens« zusammengefasst sind.

Für General de Gaulle

1

Die letzten zwölf Tage hatten wir zusammengepfercht in Viehwaggons zugebracht. Ganze Tage waren vergangen, ohne dass der Zug sich in Bewegung setzte. Dann auf einmal fuhr er an. Der Fahrtwind ließ uns erstarren. Grauer Staub fiel von den Wänden, stieg wieder vom Boden auf, kratzte in der Kehle und trocknete die Nasengänge aus. Bei einem Zwischenhalt hatte man uns erlaubt, etwas Stroh aufzusammeln, aber es war nach wenigen Stunden zu Staub zerfallen. Meine Kameraden drängten sich dicht aneinander. Ich hingegen zog es vor zu frieren. Als der Zug mit voller Geschwindigkeit fuhr und einer von uns rauchte, dachten wir alle an das Feuer, das ausbrechen konnte.

Es war dunkel, als wir im Lager von Biberbrach ankamen. Vom Bahnhof aus waren wir dreiundzwanzig Kilometer zu Fuß gelaufen. Nun ging es darum, aufgeteilt zu werden. Wir hockten auf der gefrorenen Erde und warteten darauf, dass die Formalitäten ein Ende nähmen. Doch trotz ihres berühmten Organisationstalents verzettelten sich die Deutschen. Ständig hatten wir uns anders aufzustellen. Zwar verlief alles in perfekter Ordnung, doch wir mussten die ganze Zeit im Freien warten.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!