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Das Buch zur großen Debatte um Feminismus, Gleichberechtigung und #MeToo, Spiegel-Bestseller und Nr. 1-Bestseller in Großbritannien: Mary Beard, Cambrige-Professorin für Alte Geschichte, ist eine der bekanntesten Intellektuellen weltweit. Mit Humor und Scharfsinn erzählt sie, wie mächtige Frauen im Laufe der Geschichte behandelt und gesehen wurden, von Medusa und Athene bis zu Angela Merkel. Und zeigt, wie Frauen vor allem daran gehindert wurden und werden, Macht zu erlangen. Ein leidenschaftlicher Aufruf an Frauen, sich jetzt die Macht zu nehmen und nicht auf die nächste #MeToo-Debatte zu warten! Immer wieder mischt sich Mary Beard leidenschaftlich und streitbar in aktuelle Diskussionen ein. Frauenfeindlichkeit und Sexismus sind Themen, die sie seit langem begleiten – auch persönlich – und die anzuprangern sie nicht müde wird. »Ein kraftvolles Manifest.« New York Times »Ein moderner feministischer Klassiker.« The Observer »Mary Beard zeigt, wie Frauenfeindlichkeit funktioniert und warum sie sich so hartnäckig hält.« The Guardian »Ein unwiderstehlicher Aufruf an Frauen, sich zu Wort zu melden, Macht zu nutzen und neu zu definieren.« People Magazine
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Seitenzahl: 86
Mary Beard
Ein Manifest
»Ein schmales Buch (mit der) Sprengkraft einer handtaschentauglichen Kleinwaffe.«
Susanne Mayer, Die Zeit
Was können Frauen tun, um gehört zu werden? Mit tieferer Stimme sprechen? Über Fußball reden? Mary Beard kennt die Antwort: Nichts von all dem müssen Frauen tun! Denn die Machtverhältnisse müssen grundlegend neu definiert werden.
Die bekannte Intellektuelle und Feministin Mary Beard erzählt humorvoll und scharfsinnig, wie mächtige Frauen im Laufe der Geschichte behandelt und gesehen wurden, von Medusa und Athene bis hin zu Theresa May und Angela Merkel. Klug analysiert sie, wie Frauen daran gehindert wurden und werden, Macht zu erlangen.
Im Anschluss an die #MeToo-Debatte reflektiert Mary Beard u.a. aus ihrer persönlichen Erfahrung, was einvernehmlicher Sex ist und was nicht - und wer das definiert.
Ein leidenschaftlicher Aufruf an Frauen, sich jetzt und immer wieder zu Wort zu melden!
Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de
Mary Beard lehrt an der Cambridge University Alte Geschichte. Sie gilt in der angelsächsischen Welt als die bekannteste lebende Althistorikerin und zugleich als eine der streitbarsten. Immer wieder schaltet sie sich in aktuelle Debatten ein. Sie ist Herausgeberin des Bereichs Altertumswissenschaften für das »Times Literary Supplement« sowie Autorin und Moderatorin der berühmten BBC-Serie ›Meet the Romans‹. Für ihre große Geschichte Pompejis erhielt sie 2008 den Wolfson History Prize. Im Juli 2010 wurde Mary Beard zum Fellow of the British Academy gewählt. 2016 erschien bei S. Fischer ihr Welt-Bestseller »SPQR. Die tausendjährige Geschichte Roms«.
Ursula Blank-Sangmeister übersetzt seit 1991 lliterarische Werke aus dem Lateinischen und Sachbücher aus dem Französischen und aus dem Englischen.
[Widmung]
Vorwort
Die öffentliche Stimme von Frauen
Frauen an der Macht
Nachwort
Quellen und weiterführende Literatur
Dank
Abbildungsnachweise
Register
Zum Cover
Für Helen Morales
Die Frauen im Westen haben viel zu feiern, das wollen wir nicht vergessen. Meine Mutter wurde geboren, bevor Frauen bei britischen Parlamentswahlen ihre Stimme abgeben durften. Und sie erlebte sogar noch eine Premierministerin. Was immer sie von Margaret Thatcher gehalten haben mag, sie freute sich, dass es eine Frau bis in die Downing Street Number 10 geschafft hatte, und sie war stolz darauf, an einigen jener revolutionären Veränderungen des 20. Jahrhunderts persönlich beteiligt gewesen zu sein. Anders als Generationen vor ihr konnte sie sowohl Karriere machen als auch heiraten und ein Kind bekommen (für ihre eigene Mutter hingegen bedeutete die Schwangerschaft zwangsläufig das Ende ihres Lehrerinnendaseins). Als Direktorin einer großen Grundschule in den West Midlands war sie äußerst tüchtig. Ich bin mir sicher, dass sie für die Generationen von Mädchen und Jungen, für die sie Verantwortung trug, der Inbegriff der Macht war.
Meine Mutter wusste jedoch auch, dass das alles nicht ganz so einfach war, dass die wirkliche Gleichheit von Frauen und Männern noch in den Sternen stand und dass es sowohl Grund für Ärger als auch für Jubel gab. Sie bedauerte stets, keine Universität besucht zu haben (und freute sich selbstlos, dass ich studieren konnte). Oftmals war sie enttäuscht, dass ihre Ansichten und ihre Stimme nicht so ernst genommen wurden, wie sie es sich erhofft hätte. Und auch wenn sie mit der Metapher der »gläsernen Decke der Macht« nichts hätte anfangen können, war ihr durchaus bewusst, dass ihr immer weniger weibliche Gesichter begegneten je höher sie auf der Karriereleiter stieg.
Ich musste oft an sie denken, als ich 2014 und 2017 die beiden Vorträge vorbereitete, die diesem Buch (mit freundlicher Genehmigung der London Review of Books) zugrunde liegen. Ich dachte darüber nach, wie ich ihr, aber auch mir selbst und den Millionen anderer Frauen, die noch immer ähnliche Enttäuschungen erfahren, erklären könnte, wie tief in der westlichen Kultur die Mechanismen verwurzelt sind, die Frauen zum Schweigen verurteilen, die verhindern, dass Frauen ernst genommen werden, und die sie (manchmal im wahrsten Sinne des Wortes, wie wir noch sehen werden) aus den Machtzentren ausschließen. Hier kann die Welt der alten Griechen und Römer uns helfen, unsere eigene, gegenwärtige Welt zu erhellen. Die abendländische Kultur ist seit Jahrtausenden geübt darin, Frauen den Mund zu verbieten.
Beginnen möchte ich mit den Anfängen der überlieferten abendländischen Literatur und mit dem dort aufgezeichneten ersten Beispiel eines Mannes, der einer Frau sagt, sie solle »den Mund halten«; der ihr sagt, dass ihre Stimme in der Öffentlichkeit zu schweigen habe. Ich meine einen Augenblick, der vor fast 3000 Jahren am Anfang von Homers Odyssee verewigt wurde. Heutzutage betrachten wir dieses Werk meist als ein Epos über Odysseus und die Abenteuer und Probleme, denen er während seiner Heimreise aus dem Trojanischen Krieg ausgesetzt war. Seine Frau Penelope wartete indes jahrzehntelang treu auf ihn und erwehrte sich der Freier, die auf eine Heirat drängten. Doch die Odyssee ist ebenso die Geschichte des Telemachos, des Sohnes des Odysseus und der Penelope. Sie erzählt von seinem Aufwachsen und wie er im Verlauf der Dichtung vom Jungen zum Mann heranreift. Dieser Prozess beginnt im ersten Buch des Epos: Penelope steigt aus ihren Privatgemächern in die große Palasthalle hinab, wo ein Barde vor den Scharen ihrer Freier seine Kunst zum Besten gibt. Er singt von den Schwierigkeiten, in die die griechischen Helden bei ihrer Heimfahrt geraten. Darüber nicht eben erfreut, bittet sie ihn vor aller Ohren, doch ein anderes, fröhlicheres Lied anzustimmen. Daraufhin schaltet sich der junge Telemachos ein: »Du aber«, sagt er, »gehe ins Haus und besorge die eignen Geschäfte, / Spindel und Webstuhl … die Rede ist Sache der Männer, / Aller, vor allem die meine! Denn mein ist die Macht hier im Hause.« Also tritt sie ab und begibt sich wieder in die oberen Gemächer.
Es wirkt ein wenig lächerlich, wenn der junge Bursche, der noch nicht ganz trocken hinter den Ohren ist, Penelope, einer klugen Frau mittleren Alters, den Mund verbietet. Aber es ist auch ein schöner Beweis dafür, dass just in dem Moment, da die schriftlichen Zeugnisse der abendländischen Kultur einsetzen, die Stimmen von Frauen in der Öffentlichkeit kein Gehör finden. Darüber hinaus ist es für einen Mann, wie Homer zeigt, ein integraler Bestandteil des Erwachsenwerdens, dass er lernt, die Kontrolle über öffentliche Äußerungen zu übernehmen und den weiblichen Teil der menschlichen Spezies zum Schweigen zu bringen. Die Worte, die Telemachos verwendet, sind ebenfalls aufschlussreich. Wenn er sagt, »die Rede ist Sache der Männer«, benutzt er den Begriff muthos, aber nicht in dem uns tradierten Sinn von »Mythos«. Im homerischen Griechisch bezeichnet muthos die autoritative öffentliche Rede, nicht aber das Schwatzen, Plappern oder Tratschen, das allen zu eigen war – auch oder vor allem den Frauen.
1 Diese athenische Vasenmalerei des 5. Jahrhunderts v. Chr. zeigt Penelope an ihrem Webstuhl (das Weben war immer das Markenzeichen einer guten griechischen Hausfrau). Telemachos steht vor ihr.
Was mich hier interessiert, ist das Verhältnis zwischen diesem klassischen homerischen Augenblick, als einer Frau das Wort verboten wird, und der Art und Weise, wie in unserer heutigen Kultur und in unserem politischen Leben die Stimmen von Frauen in der Öffentlichkeit überhört werden, von den Bänken im Parlament bis in die Fabrikhalle. Diese Taubheit, die wir nur zu gut kennen, wird in einer alten Karikatur der Zeitschrift Punch hübsch parodiert: »Das ist ein hervorragender Vorschlag, Miss Triggs. Vielleicht möchte einer der Herren hier ihn vorbringen.« Ich möchte über die mögliche Beziehung zwischen dieser Taubheit und den Beleidigungen nachdenken, denen zahlreiche Frauen, die ihre Stimme erheben, bis in unsere Tage ausgesetzt sind, und eine der Fragen, die ich dabei im Hinterkopf habe, gilt dem Zusammenhang zwischen der öffentlichen Befürwortung von Frauenporträts auf Banknoten, Vergewaltigungs- und Enthauptungsdrohungen, die über Twitter verbreitet werden, und Penelopes Demütigung durch Telemachos.
Ich möchte hier einen genauen, sehr genauen Blick werfen auf die kulturell heikle Beziehung zwischen der Stimme von Frauen und der öffentlichen Sphäre der Reden, Debatten und Stellungnahmen. Es geht also um Politik im weitesten Sinne, von Büromeetings bis zum Plenum des Parlaments. Dieser intensive Blick wird uns hoffentlich helfen, über die schlichte Diagnose »Frauenfeindlichkeit« hinauszukommen, auf die wir, ein wenig bequem, gern zurückgreifen. Natürlich lässt sich mit »Frauenfeindlichkeit« das derzeitige Klima beschreiben. (Wenn man nach der Teilnahme an einer Fernsehdiskussion jede Menge Tweets erhält, in denen die eigenen Genitalien mit allem möglichen unappetitlich verfaulten Gemüse verglichen werden, gibt es wohl kaum ein treffenderes Wort). Wenn wir jedoch verstehen wollen, warum Frauen, selbst wenn ihnen nicht der Mund verboten wird, noch immer einen sehr hohen Preis zahlen, um Gehör zu finden – und wenn wir daran etwas ändern möchten –, dann müssen wir einsehen, dass das Ganze etwas komplizierter ist und eine lange Geschichte dahintersteht.
»Das ist ein hervorragender Vorschlag, Miss Triggs. Vielleicht möchte einer der Herren hier ihn vorbringen.«
2 Vor fast 30 Jahren fing die Karikaturistin Riana Duncan die sexistische Atmosphäre einer Konferenz oder Vorstandssitzung ein. Es gibt kaum eine Frau, die, wenn sie bei einem Meeting den Mund aufmachte, nicht irgendwann einmal wie Miss Triggs behandelt wurde.
In der griechischen und römischen Antike war Telemachos’ strenge Zurechtweisung seiner Mutter nur das erste Beispiel in einer endlosen Reihe von weitgehend erfolgreichen Versuchen, die Frauen nicht nur von der öffentlichen Rede auszuschließen, sondern diesen Ausschluss auch zur Schau zu stellen. Im frühen 4. Jahrhundert v. Chr. beispielsweise widmete Aristophanes eine ganze Komödie der »witzigen« Phantasie, dass Frauen die Regierung des Staates übernehmen könnten. Ein Teil des Witzes ergab sich daraus, dass Frauen nicht in der Lage waren, sich in der Öffentlichkeit angemessen zu äußern – genauer gesagt konnten sie ihre private Ausdrucksweise (sie redeten hauptsächlich über Sex) nicht an die hochtrabende Ausdrucksweise der männlichen Politik anpassen. In der römischen Welt kommen Ovids Metamorphosen – jenes außergewöhnliche mythologische Epos über menschliche Verwandlungen (und wahrscheinlich das literarische Werk, das nach der Bibel die abendländische Kunst am stärksten beeinflusste) – immer wieder auf die Idee zurück, Frauen im Zuge ihrer Verwandlung zum Schweigen zu bringen. So wird die arme Io vom Gott Jupiter in eine Kuh verwandelt, so dass sie nicht mehr sprechen, sondern nur noch muhen kann. Die geschwätzige Nymphe Echo hingegen wird damit bestraft, dass ihre Stimme nicht mehr ihr gehört, sondern nur noch ein Instrument ist, um die Worte anderer zu wiederholen. Auf dem berühmten Gemälde von John William Waterhouse wirft sie Narcissus begehrliche Blicke zu, kann aber kein Gespräch mit ihm beginnen, während er – der erste »Narzisst« – sich in sein eigenes Spiegelbild im Teich verliebt.