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Joachim Gauck genießt in Deutschland höchstes Ansehen. Der Politiker und Bürgerrechtler äußert sich leidenschaftlich zu seinem großen Lebensthema: Freiheit. Er weiß, wie Menschen unter Diktatur und Unterdrückung leiden. Er hat aber auch erlebt, wie ein Volk aufbegehrt und sich die Freiheit erobert.
Konzentriert und dicht hat Gauck seine Gedanken zu Freiheit und Demokratie, zu Menschenrechten und Toleranz zusammengefasst. Er spricht über die faszinierenden Möglichkeiten, die sich unserer Gesellschaft und jedem Einzelnen eröffnen, wenn wir die Freiheit zu nutzen wissen. Und über die Notwendigkeit, diese Chancen jetzt zu ergreifen.
Eine präzise und kritische Zeitanalyse, eine gesellschaftspolitische Agenda, deren Kernsatz lautet: »Wenn wir Freiheit gestalten wollen, gibt es nicht allzu viele Varianten. Ich jedenfalls kenne keine, die der westlichen Variante von Eigenverantwortung vorzuziehen wäre.«
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Seitenzahl: 25
Joachim Gauck
Freiheit
Ein Plädoyer
Kösel
Copyright © 2012 Kösel-Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Umschlag: Weiss / Werkstatt / München
ISBN 978-3-641-08138-6
www.koesel.de
Zum Geleit
Wer heute danach fragt, was unsere Gesellschaft ausmacht, was sie prägt und ihr Gestalt verleiht, wird auf diese drei Wesensmerkmale stoßen: Freiheit, Verantwortung und Toleranz. Inwiefern sie zugleich Grundlage einer globalen Leitkultur sein können, werde ich zu umreißen versuchen - will aber gleich vorab erklären: Ich bin weder ein Prophet noch ein Weisheitslehrer. Vielmehr werden Sie einen Zeitzeugen erwarten können und natürlich - auf eine ganz einfache Formel gebracht - einen Liebhaber der Freiheit.
Freiheit
Ich bin in diesem Land viel unterwegs, und nicht selten beschleicht mich dabei das Gefühl, einer gewissen Minderheit anzugehören. Nicht etwa, weil ich aus Mecklenburg komme. Das ist es nicht, was dieses Minderheitengefühl erzeugt. Es ist vielmehr meine tiefe Überzeugung, dass die Freiheit das Allerwichtigste im Zusammenleben ist und erst Freiheit unserer Gesellschaft Kultur, Substanz und Inhalt verleiht. Bei vielen Menschen aber, die mir im Land begegnen, vermute ich eine geheime Verfassung, deren virtueller Artikel 1 lautet: »Die Besitzstandswahrung ist unantastbar.« Ich habe nichts gegen Besitz, auch nichts gegen materielle Sicherheit. Das alles ist erfreulich, vor allem, wenn man darauf verzichten musste wie meine Generation, die Krieg und Nachkriegszeit erlebt hat. Aber wie kommt es, dass wir Deutschen ein erkennbar anderes Verhältnis zum Grundprinzip der Freiheit haben als etwa die US-amerikanische Nation oder unser polnisches Nachbarvolk?
Eine historische Erklärung führt unsere Neigung, auf gutem Fuß mit unserer jeweiligen Obrigkeit zu stehen, auf den Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) zurück. Damals konnte eineganze Generation Deutscher hingemordet und missachtet, geschändet, vertrieben und all ihrer Rechte beraubt werden. Nach dem Westfälischen Frieden hätten die Landesherren ihren Untertanen die lang entbehrte Sicherheit, Rechtssicherheit und Überlebenschance garantiert - von daher rühre die tiefe Dankbarkeit der jeweiligen Obrigkeit gegenüber.
Ich kann und will diesen Erklärungsversuch nicht fachlich beurteilen, Tatsache ist jedenfalls, dass sich bei den Deutschen ein besonderes Verhältnis zur Freiheit entwickelt hat.
Heinrich Heine hat es einmal in ein Bonmot gefasst, das ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. In seinen »Englischen Fragmenten« heißt es:
»Der Engländer liebt die Freiheit wie sein rechtmäßiges Weib. Er besitzt sie, und wenn er sie auch nicht mit absonderlicher Zärtlichkeit behandelt, so weiß er sie doch im Notfall wie ein Mann zu verteidigen. Der Franzose liebt die Freiheit wie seine erwählte Braut. Er wirft sich zu ihren Füßen mit den überspanntesten Beteuerungen. Er schlägt sich für sie auf Tod und Leben. Er begeht für sie tausenderlei Torheiten. Der Deutsche liebt die Freiheit wie seine Großmutter.«
Ich kann nicht behaupten, dass mich Heines Worte getröstet hätten. Inzwischen weiß ich aber, dass er nur bedingt recht hatte. Denn der 17. Juni 1953 und das Jahr 1989 haben mich gelehrt, dass sich auch Deutsche für die Freiheit »schlagen« können.
So hat 1989 mein Leben in einer wunderbaren Weise verwandelt. Ich war plötz