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Wolf S. Dietrich

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Beschreibung

Auf Langeoog wird häufig Treibgut angespült. Das ist nichts Besonderes. Eines Tages jedoch machen drei Freunde am Strand der Insel einen ungewöhnlichen Fund: etliche Pakete, klein und gut verschweißt. Als Langeooger sind sie sich der Tradition bewusst, wonach Treibgut demjenigen gehört, der es einsammelt. Also behalten sie die Pakete. Als sich herausstellt, dass die Nordsee ihnen eine große Menge Heroin vor die Füße gespült hat, treffen zwei von ihnen eine verhängnisvolle Entscheidung: Statt zur Polizei zu gehen, wollen sie die Drogen zu Geld machen. Das hat Folgen. Tödliche Folgen. Und ruft Kommissarin Rieke Bernstein vom LKA auf den Plan.

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Inhalt

CoverÜber dieses BuchÜber den AutorTitelImpressumPersonenverzeichnisProlog1 – 20182 – 20183 – 19984 – 20185 – 20186 – 19987 – 20188 – 20189 – 199810 – 201811 – 201812 – 199813 – 201814 – 201815 – 199816 – 201817 – 201818 – 199819 – 201820 – 201821 – 199822 – 201823 – 201824 – 199825 – 201826 – 201827 – 199828 – 201829 – 201830 – 201831 – 201832 – 201833 – 201834 – 201835 – 2018Ich danke

Über dieses Buch

Auf Langeoog wird häufig Treibgut angespült. Das ist nichts Besonderes. Eines Tages jedoch machen drei Freunde am Strand der Insel einen ungewöhnlichen Fund: etliche Pakete, klein und gut verschweißt. Als Langeooger sind sie sich der Tradition bewusst, wonach Treibgut demjenigen gehört, der es einsammelt. Also behalten sie die Pakete. Als sich herausstellt, dass die Nordsee ihnen eine große Menge Heroin vor die Füße gespült hat, treffen zwei von ihnen eine verhängnisvolle Entscheidung: Statt zur Polizei zu gehen, wollen sie die Drogen zu Geld machen. Das hat Folgen. Tödliche Folgen. Und ruft Kommissarin Rieke Bernstein vom LKA auf den Plan.

Über den Autor

Wolf S. Dietrich studierte Germanistik und Theologie und war als Lehrer tätig. Weitere berufliche Stationen bildeten die eines Wissenschaftlichen Mitarbeiters an der Universität Göttingen und die des Didaktischen Leiters einer Gesamtschule. Heute lebt und arbeitet er als freier Autor in Göttingen und an der Nordsee. Wolf S. Dietrich ist Mitglied im Syndikat, der Autorengruppe deutschsprachiger Kriminalliteratur.Weitere Informationen finden Sie auf www.nordsee-krimi.de

W o l f  S.  D i e t r i c h

F R I E S I S C H E S

G I F T

Rieke Bernsteins dritter Fall

Kriminalroman

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Originalausgabe

Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Kerstin Ostendorf

Titelillustration: © shutterstock/evannovostro; © nuruddean/shutterstock; © Torsten Reuter/shutterstock

Umschlaggestaltung: Massimo Peter-Bille

eBook-Erstellung: hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7325-6145-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Personenverzeichnis

Rieke Bernstein, Kriminalhauptkommissarin beim LKA

Uwe Pannebacker, Polizeioberkommissar

Mareike Cordes, Polizeikommissarin

Hinnerk Ubbenga, Polizeikommissar

Jan Eilers, Gerit Jensen, Kriminalbeamte vom Festland (»Inselverstärkung«)

Swantje Petersen, Studentin mit Elternhaus auf Langeoog

Florian Andresen, Volontär

Hannah Holthusen, Journalistin

Stefan Hilbrich, Immobilienunternehmer

Yvonne Hilbrich, geb. von Hahlen, seine Frau

Alexander Hilbrich, Sohn von Yvonne und Stefan Hilbrich

Tom Thieland, Elektriker, Freund von Alexander

Reto Steiner, Gast aus der Schweiz

Lisa Cordes, Serviererin

Oliver Sulfeld, Dealer

Reinhard Hilbrich, Geschäftsmann, Vater von Stefan Hilbrich (1998)

Johannes von Hahlen, Vater von Yvonne (1998)

Frank Sörensen, Privatdetektiv (1998)

Prolog

Er hob die Kamera an, um Lichtverhältnisse und Bildaufteilung zu prüfen. Selbst für das Telezoom war die Entfernung noch zu groß. Super, dachte er, wenn der Bulldozer die Richtung beibehält, muss ich nicht so weit über den Strand marschieren. Probeweise veränderte er die Brennweite. Das knallgelbe Fahrzeug rollte auf Ketten, und aus der erhobenen Schaufel rieselte bei jedem Schwenk seitlich Sand heraus. »Perfekt«, murmelte er und drückte mehrfach auf den Auslöser. Ihm war, als habe die Maschine ihr Tempo erhöht. Das Objektiv sorgte für ein bildfüllendes Format und verstärkte den Eindruck, dass der Bulldozer direkt auf ihn zukam. Er hielt den Auslöser fest, um eine Serie zu schießen. Das elektronisch erzeugte Geräusch des Verschlusses war nicht mehr zu hören, so laut dröhnte der Motor.

Er ließ die Kamera sinken. Noch immer rollte das Raupenfahrzeug auf ihn zu. Aber der Fahrer musste ihn doch sehen! Vorsichtshalber trat er einige Schritte zur Seite. Das Fahrzeug änderte seinen Kurs und hielt wieder auf ihn zu. Ungläubig starrte er auf das dröhnende Ungetüm. Schließlich lief er los, versuchte, der Gefahr zu entgehen, indem er sich quer zur Fahrspur bewegte. Der Bulldozer stoppte. Erleichtert wandte er sich um. Doch dann beobachtete er entsetzt, wie das Kettenfahrzeug auf der Stelle drehte. In der nächsten Sekunde heulte der Motor auf, und die Raupe beschleunigte in seine Richtung. Der hat es auf mich abgesehen, erkannte er und rannte wieder los.

Er war trainiert, lief hundert Meter in weniger als dreizehn Sekunden. Der nachgiebige Sand machte ihm jedoch zu schaffen, kostete Kraft und Zeit. Schon atmete er schneller als bei einem Wettkampf. Lange würde er dem tödlichen Gefährt nicht ausweichen können. Die Verfolgung konnte nur einen einzigen Grund haben. Er wünschte sich verzweifelt, er hätte sich einfach herausgehalten. Doch dafür war es jetzt zu spät. Er tastete nach seinem Handy, zog es im Laufen aus der Tasche und tippte auf das Telefonsymbol. Ich muss jemanden anrufen, nein, den Notruf wählen. In dem Augenblick stieß sein rechter Fuß gegen ein Hindernis. Ein stechender Schmerz zuckte durch alle Zehen und schoss durch das Bein bis zur Hüfte. Er geriet aus dem Tritt, taumelte, drohte zu stürzen, fing sich wieder, stolperte weiter, obwohl ihm der Schmerz Tränen in die Augen trieb. Das Telefon entglitt ihm, bohrte sich in den Sand. Hastig hob er es auf und stürmte weiter.

Unaufhaltsam kam die Raupe näher. Die Maschine dröhnte in seinen Ohren, er spürte ihre Vibration, sogar der sandige Boden zitterte. Erneut schlug er einen Haken, rannte in Richtung Meer. Wenn er die Wellen der Nordsee erreichte – würde ihm der Bulldozer folgen? Oder war der nasse Untergrund zu weich?

Trotz der Verletzung hetzte er voran, versuchte gleichzeitig, auf der Tastatur seines Handys die Ziffern für den Notruf zu treffen. Hatte er überhaupt Empfang? Das Display verschwamm vor seinen Augen, ließ keine Einzelheiten erkennen. Auf gut Glück tippte er auf die Ziffern. Inzwischen hatte sich das Raupenfahrzeug auf wenige Meter genähert. Wenn er einen Blick über die Schulter warf, sah er den Fahrer, eine dunkle Gestalt, gesichtslos, eine Sturmhaube über dem Kopf.

Obwohl sein Atem rasselte, die Lunge von der Anstrengung schmerzte, ging es plötzlich leichter voran. Statt in den losen Sand trat er nun auf feuchten, aber festen Boden. Der Spülsaum der Wellen war nicht mehr weit. Noch zwanzig oder dreißig Meter bis zum Wasser. Vielleicht kann ich tauchen, dachte er, mich unsichtbar machen und so dem mörderischen Fahrzeug entkommen.

Das Motorengeräusch riss ihn in die Wirklichkeit zurück. Hörbar stieg die Drehzahl an, offenbar griffen die Ketten des Bulldozers auf dem stabilen Untergrund besser. Erneut verringerte sich der Abstand. Verzweifelt suchte er nach einem Ausweg, erwog, sich einfach fallen und zwischen den Ketten überrollen zu lassen. Vielleicht ließ der Unbekannte von ihm ab, wenn er sich ergab? Nein, ein Blick auf das brüllende Monstrum machte die Hoffnung zunichte. Nur die Nordsee kann mich retten, dachte er und rannte noch schneller.

1

2018

»Was willst du auf der Insel?« Hannah Holthusen verschränkte die Hände hinter dem Kopf und lehnte sich zurück. Aufmerksam betrachtete sie den jungen Volontär, der ihr gerade von der Schönheit Langeoogs vorgeschwärmt hatte. Sie saß an ihrem Schreibtisch, er stand vor ihr und zappelte herum wie ein aufgeregtes Kind.

Florian Andresen war noch keine zwei Wochen in der Redaktion, hatte aber schon fast alle Herzen erobert. Nur nicht das des Chefredakteurs, der vom jugendlichen Elan des Volontärs irritiert war. Zum einen behagte ihm die Sprache nicht, in der sich der Nachwuchs-Journalist ausdrückte, zum anderen war er von den Themenvorschlägen genervt, die Florian fast täglich in die Redaktionskonferenz rülpste, wie der Chef einmal säuerlich angemerkt hatte. Hannah dagegen gefiel seine unbekümmerte Art. Florian war groß und schlank, hatte ein hübsches Gesicht und trug eine wild wuchernde weißblonde Mähne. Obwohl er mit vierundzwanzig Jahren älter war, als sie ihn bei der ersten Begegnung geschätzt hatte, hätte er ihr Sohn sein können. Er wirkte wie siebzehn, aber das lag möglicherweise an Hannahs Unfähigkeit, deutlich jüngere Menschen altersmäßig richtig einzuschätzen.

Florian hob eine Hand mit ausgestrecktem Zeige- und Mittelfinger. »Zwei coole Themen«, verkündete er strahlend. »Vielleicht findet sich ein drittes. Dafür lohnt sich die Reise allemal, meinst du nicht? Erstens gibt es eine gewaltige Sandaufspülung – mehr als eine halbe Million Kubikmeter Sand werden aus dem Meer an den Strand gespült. Küstenschutzmaßnahme. Da kommen kilometerlange Rohrleitungen zum Einsatz. Und schweres Gerät: Schaufellader, Bagger, Bulldozer und so’n Zeug. Das gibt schon mal imposante Bilder. Zweitens fehlt auf der Insel Wohnraum. Geldsäcke vom Festland zahlen astronomische Preise für Eigentumswohnungen. Eine halbe Million für fünfzig Quadratmeter, das kann sich kein Insulaner leisten. Familiengründung kannst du vergessen. Hotels, Restaurants und Geschäfte kriegen kein Personal, weil es für die Leute keinen bezahlbaren Wohnraum gibt. Wenn das so weitergeht, können eines Tages nur noch Camper die Insel besuchen.«

»Wieso Camper?«, fragte Hannah, obwohl sie die Antwort ahnte.

Florian hielt in seinen Bewegungen inne und breitete die Arme aus. »Ist doch klar. Wenn die Gastronomie im Arsch ist und du nichts kaufen kannst, musst du morgens deine Frühstücksbrötchen selber backen, mittags Ravioli aus der Dose essen und abends in die mitgebrachte Knackwurst beißen.«

Hannah lächelte. »Und du willst den kulinarischen und gastgewerblichen Niedergang der Insel verhindern?«

»Genau.« Der Volontär nickte ernsthaft. »Man muss die Leute aufrütteln, den Immobilienhaien das Handwerk legen, das Ruder herumreißen.«

»Aber warum auf Langeoog? Gilt das, was du gesagt hast, nicht für alle Ostfriesischen Inseln? Borkum, Juist, Norderney, Spiekeroog …«

»Natürlich. Und nicht nur für die. Auch für die Nordfriesischen. Auf Sylt zum Beispiel –«

»Okay.« Hannah hob abwehrend die Hände. »Du kannst nicht die ganze Welt retten. Hab schon verstanden, Langeoog ist nur ein Beispiel. Und nun soll ich dafür sorgen, dass dir der Chef die Reisekosten genehmigt?«

»Ich brauche nicht viel. Fahrkarten für die Bahn nach Esens, für den Bus nach Bensersiel und für die Fähre nach Langeoog. Und natürlich zurück.«

»Und wo willst du übernachten?«, fragte Hannah skeptisch. »Die Inseln sind nicht gerade billig. Wir haben Saison. Da sind Unterkünfte erst recht teuer.«

Florian zuckte mit den Schultern. »Jugendherberge. Oder irgendwo bei Leuten. Ich komm schon unter.«

»Daran zweifle ich nicht.« Hannah schmunzelte. »Reichen dir drei Tage? Einen streicht dir der Chef sowieso. Aus Prinzip. Also beantragen wir vier Tage, damit du drei bekommst. Okay?«

Florian Andresen hob beide Daumen, umrundete Hannahs Schreibtisch und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. »Du bist die Beste! Danke!« Er wirbelte herum und stürmte zur Tür. »Ich bringe dir was mit«, rief er über die Schulter und verschwand.

Hannah seufzte und wandte sich wieder dem Monitor zu. Der Text, den sie über den Haushalt der Stadt Wittmund für das kommende Jahr verfasst hatte, passte nicht in den vorgegebenen Container des Seitenlayouts. Obwohl sie fünf Spalten zur Verfügung hatte, würde sie ihn kürzen müssen. Außerdem war ein Foto aus der Sitzung der Dezernenten unterzubringen. Und ein Kasten mit den Eckdaten: Aufwände, Erträge, Schuldenstand. Zahlen, die Außenstehenden wenig sagten, aber zur professionellen Berichterstattung gehörten. Der Stadt ging es finanziell nicht schlecht, so konnte Hannah über die Erschließung neuer Baugebiete, Fördermaßnahmen im sozialen Bereich und Zuwendungen für Schulgebäude, den Straßenbau und die Feuerwehr berichten. Trotzdem wäre ihr ein anderes Thema lieber gewesen. Auf Langeoog zu recherchieren war allemal spannender, als sich mit dem Zahlenwerk des Haushaltsentwurfs auseinanderzusetzen. Florian hatte wirklich gute Ideen. Mit seinen forschen Auftritten in der Redaktionskonferenz ärgerte er zwar den Chef, aber Hannah erinnerte er damit immer an ihre eigenen Erfahrungen während der ersten Jahre bei der Zeitung. Sie wandte sich vom Bildschirm ab und beobachtete gedankenverloren die Wolken, die unter dem blauen Himmel vorüberzogen.

Angefangen hatte sie bei der Ostfriesen-Zeitung in Leer. Von dort war sie zur Emder Zeitung gewechselt, wo sie durch ihre Recherchen auf Borkum an einen Kriminalfall geraten war, bei dem ein Vergewaltigungsopfer grausame Rache genommen hatte. Wegen ihrer Alkoholsucht hatte sie das Blatt verlassen müssen und war nach monatelanger Arbeitslosigkeit beim Ostfriesischen Kurier in Norden gelandet. Dessen Archiv war für sie eine Fundgrube für Recherchen gewesen, mit denen sie die Kriminalbeamtin Rieke Bernstein bei Ermittlungen auf Norderney unterstützt hatte.

Ich muss mich unbedingt bei Rieke melden, dachte Hannah. Sie weiß noch gar nicht, dass ich jetzt in Wittmund beim Anzeiger für Harlingerland bin.

Obwohl sie sich beim Kurier nichts hatte zuschulden kommen lassen, war eines Tages ihr Ruf beschädigt worden. Ein missgünstiger Kollege war aufgetaucht, der von ihren Abstürzen in der Vergangenheit wusste und ihr das Leben schwer gemacht hatte. Hannah war mit den Jahren dünnhäutiger geworden, und ihr hatte die Energie gefehlt, den Kampf aufzunehmen, darum hatte sie gekündigt. Beim Anzeiger war sie neben der Redaktionsarbeit für die Betreuung der Volontäre zuständig. Erfrischende junge Leute wie Florian Andresen brachten nicht nur Abwechslung in ihren Alltag, sondern auch Herausforderungen mit sich. Mal war mütterliche Fürsorge gefragt, mal Lebenserfahrung, mal journalistische Kenntnisse. Oft entwickelte sich ein freundschaftliches Verhältnis. Florian war ihr besonders ans Herz gewachsen.

Sie schüttelte den Kopf und versuchte, sich wieder auf ihren Text zu konzentrieren. Doch sie konnte nicht verhindern, dass Bilder von weißen Stränden unter blauem Himmel an der türkisfarbenen Nordsee vor ihrem inneren Auge erschienen. Am liebsten hätte sie den Volontär bei seinen Recherchen begleitet.

*

Der Anblick der Langeoog III erfüllte Florian mit einer Mischung aus freudiger Erregung und erwartungsvoller Neugier. Nicht zum ersten Mal würde er eine der weißen Fähren zu den Inseln nehmen, aber die Hochstimmung befiel ihn am Anleger jedes Mal, spätestens, wenn er das Schiffsdeck betrat. Bei jeder Überfahrt stellte sich dieses Gefühl von Freiheit und Abenteuer ein, das er schon als Kind empfunden hatte, zu Beginn der großen Ferien, beim Aufbruch zu einer der Ostfriesischen Inseln. In seiner Kindheit waren ihm die Wochen am Strand endlos vorgekommen. Später, als er mit Freunden unterwegs gewesen war, waren die Aufenthalte kürzer geworden. Sie hatten auf Juist und Norderney, Langeoog und Spiekeroog die Nächte durchgefeiert und die Tage verschlafen. Meistens hatten sie die Rückreise schneller als geplant antreten müssen, weil das Geld nicht gereicht hatte. Nach dem Abi am Auricher Ulricianum war er allein aufgebrochen, um die Inseln zu erkunden. Dabei hatte er erstmals Flora und Fauna wahrgenommen und die Schönheit der Inseln entdeckt. Seine Beobachtungen und Erlebnisse hatte er aufgeschrieben und in Videos dokumentiert und auf Floris Inselblog ins Netz gestellt. Dafür hatte er viel Beifall bekommen. So war sein Entschluss entstanden, Journalist zu werden.

Beim Anzeiger für Harlingerland hatte er es gut getroffen. Hannah Holthusen war zwar schon über vierzig, aber total in Ordnung. Mit ihr konnte er über alles reden. Auch über Privates. Sie hatte ihm mit Tipps und Tricks den Start in die Berufspraxis erleichtert und – als sich Antonia von ihm getrennt hatte – in einem langen Gespräch erklärt, warum es besser war, eine Beziehung zu beenden, als sich ohne Ende zu quälen.

An diesem Morgen gehörte er zu den ersten Fahrgästen, die an Bord gingen, nachdem Urlauber und Insulaner das Schiff verlassen hatten. Obwohl es noch recht kühl war, ließ er sich im Außenbereich auf dem Oberdeck nieder, verstaute seinen Rucksack unter der Bank und sah sich um. Hier leisteten ihm nur wenige Reisende Gesellschaft, die meisten drängten ins Innere der Fähre. Während die überwiegend erholt aussehenden und teilweise braun gebrannten Rückkehrer nicht unbedingt heiter wirkten, war in den Gesichtern der Mitreisenden der Ausdruck froher Erwartung zu lesen. Ihnen ging es wohl wie früher ihm, seiner Schwester und seinen Eltern, wenn sie voller Vorfreude auf dem Weg in die Sommerferien gewesen waren.

Noch grummelten die Schiffsdiesel im Leerlauf. Ein Blick auf die Uhr zeigte Florian, dass die Langeoog III gleich ablegen würde. Die Überfahrt dauerte eine Dreiviertelstunde. Nach der Fahrt mit der Inselbahn vom Anleger in die Stadt hätte er immer noch mehr als einen halben Tag zur Verfügung, um eine Unterkunft zu finden und sich nach Gesprächspartnern für die Recherche umzuhören.

Sein Smartphone meldete den Eingang einer WhatsApp-Nachricht. Sie kam von Hannah. Hallo, Florian, morgen hast du eine Verabredung mit dem Bürgermeister von Langeoog. Im Rathaus, Hauptstraße 28. Um 11:30 Uhr. Du hast Glück, dass Uwe Garrels kurzfristig zu einem Interview bereit ist. Geh nicht zu spät hin und mach deine Sache gut!

Florian spürte, wie ihm Hitze in die Ohren stieg. Termin beim Bürgermeister! Natürlich musste er ihn um eine Stellungnahme bitten. Immerhin ging es um wesentliche Belange seiner Gemeinde. Praktisch, dass Hannah Holthusen für ihn angefragt hatte. Eigentlich hätte er selbst daran denken müssen! Sie würde ihm das zwar nicht vorhalten, peinlich war es trotzdem. Rasch tippte er eine Antwort. Danke, Hannah! Du bist die Beste!

Zufrieden steckte er das Handy ein und beugte sich über die Reling. Die Einschiffung der Passagiere schien beendet zu sein. An der Gangway warteten zwei Matrosen auf Nachzügler. Oder darauf, dass der Uhrzeiger ihnen das Signal gab, die Brücke einzuziehen. Weiter vorn wurden letzte Pakete oder Gepäckstücke verladen. Aus einem Lautsprecher meldete sich eine Stimme, die den bevorstehenden Start der Langeoog III verkündete.

In diesem Augenblick tauchte vor dem Abfertigungsgebäude eine junge Frau in einer türkisfarbenen Jacke mit einem blauen Rucksack auf. Im Laufschritt näherte sie sich der Gangway und winkte den Matrosen zu. Ihre roten Haare wehten im Wind und leuchteten in der Morgensonne. Die Männer lachten, einer deutete auf die Uhr und rief seinem Kollegen etwas zu, das Florian nicht verstand. Sekunden später hastete die Rothaarige über die Brücke aufs Schiff. Unmittelbar hinter ihr zogen die Matrosen die Gangway ein, dann lösten sie die Taue von den Pollern. Der Schiffsführer ließ einen Signalton hören. Die Maschinen kamen nun hörbar auf Touren, unter seinen Füßen wurden die Vibrationen stärker. Langsam setzte sich die Fähre in Bewegung und glitt rückwärts am Anleger entlang aus dem Hafenbecken. Florian lehnte sich zurück, schloss die Augen und atmete tief ein. Der unverkennbare Charakter der Nordseeluft, ihr leicht salziger Geschmack, dazu das Geschrei der Möwen und das sanfte Schwanken der Fähre, die im freien Wasser den Bug in Richtung Norden drehte, riefen Erinnerungen wach. An unbeschwerte Ferientage am Strand mit zehn, verbotene Lagerfeuer in den Dünen mit fünfzehn und sexuelle Eskapaden auf dem Campingplatz mit achtzehn Jahren. Heute war er beruflich unterwegs, würde einen Bürgermeister interviewen und zwei Artikel schreiben, die unter seinem Namen im Anzeiger für Harlingerland erscheinen würden. Die Vorstellung gab seinem Selbstwertgefühl Auftrieb.

Schritte auf dem Deck, die sich ihm näherten, ließen ihn die Augen öffnen. Gerade zeigte die Fähre nach Osten, sodass ihn die Strahlen der Morgensonne trafen. Florian kniff die Augen zusammen, veränderte seine Position und blinzelte gegen das Licht. Die Rothaarige in der türkisfarbenen Jacke ging an ihm vorbei, ohne ihn zu beachten. Sie trug dunkelgrüne Jeans und passende Stiefeletten. Zwei Reihen hinter ihm nahm sie ihren Rucksack ab und ließ sich nieder. Unauffällig wandte er sich um, richtete den Blick aufs Meer und musterte sie aus den Augenwinkeln. Üppige Locken umrahmten ihr Gesicht. Die Haarfarbe schien echt zu sein, auch die kräftigen Augenbrauen leuchteten dunkelrot. Ihre Haut war von der typischen Blässe der Rothaarigen, und auf Nase und Wangen entdeckte er Sommersprossen. Auffällig war ein großer Mund mit vollen Lippen. Die Farbe ihrer Augen lag irgendwo zwischen blaugrau und grün. Eine anziehende Frau, kaum älter als er. Sie nickte ihm zu und lächelte. »Moin.«

Florian fuhr zusammen. Er fühlte sich ertappt und beeilte sich zu antworten. »Moin. Moin.«

Sie lachte. »Sabbelmors.«

War das eine Abfuhr oder nur der lose Schnack einer Küstenbewohnerin? Unsicher senkte Florian den Blick, suchte fieberhaft nach einer Entgegnung. Doch ihm fiel nichts ein, was charmant oder intelligent genug war, um die Schöne zu beeindrucken oder wenigstens zu einem belanglosen Geplauder zu bewegen. Dabei war er selten um eine Antwort verlegen. Das erneute Signal aus dem Nebelhorn der Fähre lieferte ihm ein Stichwort. »Das war knapp.«

Sie hob lächelnd die Schultern. »Die Fährleute kennen das schon. Wenn ich mal pünktlich bin, wundern sie sich.«

»Also fährst du öfter nach Langeoog?«

»Ich wohne da. Manchmal besuche ich Leute auf dem Festland.« Sie sah ihn fragend an. »Und du?«

»Recherche. Ich bin …« Journalist, wollte er sagen, besann sich aber. »… beim Anzeiger für Harlingerland.«

»Ach ja. Meine Eltern lesen die Zeitung.« Ihre Miene bekam, so schien es Florian, einen spöttischen Ausdruck. »Und was gibt’s auf Langeoog Spannendes zu recherchieren?«

»Ich will … Wir wollen über die Strandaufspülung berichten. Und über Probleme der Langeooger Einwohner, bezahlbaren Wohnraum zu finden.«

»Das ist allerdings ein Thema«, bestätigte sie ernst. »Wird bestimmt nicht einfach. Die meisten Neubauten sind teure Ferienwohnungen, die von den Eigentümern nur wenige Wochen im Jahr bewohnt werden. Das Geschäft macht hauptsächlich einer. Und der lässt sich nicht in die Karten gucken.«

Florian sprang auf. »Kannst du mir was über ihn erzählen?«

Die Rothaarige neigte den Kopf. »Ich weiß nicht mehr als alle anderen. Es ist schwer, an den Typen ranzukommen. Und mit Presse hat der nichts am Hut.«

»Darf ich?« Florian deutete auf den freien Platz neben der Insulanerin.

Sie schob ihren Rucksack unter den Sitz und streckte die Hand aus. »Ich bin Swantje.«

»Danke!« Er setzte sich und drückte ihre Hand, die mit feinen Sommersprossen übersät war. »Florian. Freut mich.« Er strahlte sie an. »Du bist ein echter Glücksfall.«

Swantje lächelte spöttisch. »Vielleicht. Vielleicht auch nicht.«

»Doch, doch«, beeilte Florian sich zu versichern. »Als Insulanerin kennst du dich auf Langeoog aus, hast Kontakt zu vielen Leuten und kannst mir Tipps geben. Zum Beispiel, wie der Typ heißt, von dem du gesprochen hast, und wo ich ihn finde. Außerdem …« Er brach ab, weil ihm das Kompliment zu plump und zu dick aufgetragen erschien. Außerdem bist du eine schöne Frau, hatte er sagen wollen. Stattdessen fuhr er nach einer kleinen Pause fort: »… finde ich dich … echt nett.«

»Danke!« Aufmerksam betrachtete sie ihn. In ihren Augen sah er die Farben der Nordsee. Blau, Grau und Türkis. Für einen Augenblick verblasste sein journalistisches Interesse an der Insel. Es wurde überdeckt von dem Wunsch, ihren Blick festzuhalten, darin zu versinken und so bald nicht wieder aufzutauchen.

»Aber du willst dich jetzt nicht einschleimen, um an Informationen zu kommen. Oder?« Ihre Worte rissen ihn aus dem beginnenden Traum.

Erschrocken schüttelte er den Kopf. »Nein. Natürlich nicht. Ich will … wollte … nur …« Der Satz blieb unvollendet, denn ihm wurde klar, wie fadenscheinig seine Erklärung wirken musste.

»Was wolltest du?« Ihr kritischer Blick ruhte noch immer auf ihm, so intensiv, dass ihm unbehaglich wurde.

»Ja«, gab er zu, »ich wollte dich ausfragen. Aber dann habe ich gemerkt, dass es nicht passt.«

»Es?«

»Das Berufliche und das Private. Ich muss Informationen sammeln, aber du … bist so … sympathisch.«

»Und das geht nicht zusammen?«

»Nein. Das ist mir gerade klar geworden. Du bringst mich irgendwie aus dem Konzept.«

»Dann mache ich dir einen Vorschlag.« Swantje berührte seinen Unterarm. »Du stellst keine Fragen. Und ich erzähle dir, was ich weiß.«

Vierzig Minuten später, als die Fähre am Langeooger Anleger festmachte, wusste Florian mehr über die Insel, als er bei früheren Besuchen oder aus dem Internet erfahren hatte. In Gedanken beriet er sich bereits mit Hannah Holthusen über die Frage, ob aus den geplanten Beiträgen nicht eine Artikelserie werden konnte. Swantje verfügte nicht nur über Informationen zur Geschichte und zu den aktuellen Problemen, sie hatte offenbar auch ein fotografisches Gedächtnis. Den Immobilienkönig von Langeoog hatte sie so genau beschrieben, dass Florian glaubte, ihn erkennen zu können, falls er ihm begegnete.

»Ihn zu treffen, wird nicht einfach sein«, schloss Swantje ihren Bericht. »Er ist wie ein Phantom. Jeder kennt ihn, aber keiner sieht ihn. Ich habe ihn nur zweimal getroffen, einmal am Flugplatz, als er mit seinem Flugzeug gelandet ist, und einmal beim Richtfest einer Wohnanlage. Aber das ist schon etliche Jahre her. Heute lässt er sich nicht mehr oft blicken. Viele Langeooger sind nicht gut auf ihn zu sprechen. Vielleicht kannst du mit seinem Sohn reden. Alexander. Der ist in unserem Alter.«

»Alexander …?«

»Hilbrich. Der Vater heißt Stefan.«

»Lebt der Sohn auch auf der Insel?«

Swantje nickte. »Ja, bei seiner Mutter. Der alte Hilbrich soll ’ne Neue haben, die dreißig Jahre jünger ist. Er ist wohl öfter bei ihr in Wilhelmshaven als hier bei seiner Familie.« Sie stand auf und griff nach ihrem Rucksack. »Wir müssen. Sonst landen wir wieder in Bensersiel.«

Zwischen lärmenden Urlaubern verließen sie die Fähre. Sie folgten dem Strom der Menschen zum Hafenbahnhof der Inselbahn, deren farbenfrohe Waggons bereits auf Feriengäste warteten.

Wenig später setzte sich der Zug in Bewegung und rollte ratternd, aber in gemächlichem Tempo in Richtung Ortschaft.

»Wo finde ich Alexander Hilbrich?«, fragte Florian, nachdem er und Swantje einen Stehplatz im Gedränge gefunden hatten. Das Fahrgeräusch des Zuges, Gespräche um sie herum und Kindergeschrei sorgten für einen gehörigen Lärmpegel. Sie schüttelte den Kopf. »Nicht hier.«

Schweigend sah Florian abwechselnd aus dem Fenster, hinter dem die grüne Insellandschaft vorbeizog, und auf seine Begleiterin, die den Blick nach draußen gerichtet hatte. Sie sah hinreißend aus, und es drängte ihn, sie nach persönlichen Dingen zu fragen. Nachname, Adresse, was sie machte, wenn sie nicht zu Besuchen aufs Festland fuhr. Wenigstens nach ihrer Handynummer. Doch im Augenblick schien sie sehr weit von ihm entfernt zu sein. Erst als der Zug langsamer wurde und in den Bahnhof einfuhr, wandte sie sich ihm wieder zu. »Wo wirst du wohnen?«

»Jugendherberge«, antwortete Florian und grinste verlegen. »Hoffe ich jedenfalls.«

Swantje nickte. »Domäne Melkhörn. Liegt ziemlich weit draußen. Mindestens fünf Kilometer. Du solltest dir ein Fahrrad mieten. Am Bahnhof gibt’s einen Verleih. Einzelreisende kommen in der DJH fast immer unter. Wenn nicht, kannst du dich hier melden.« Sie zog einen Kugelschreiber aus der Jackentasche, griff nach seiner Hand und schrieb etwas in seine Handfläche. Beglückt sah er zu, wie sie eine Telefonnummer notierte. »Meine Tante. Sie hat eine Frühstückspension. Da geht bestimmt was. Wo auch immer du unterkommst – ich wünsche dir einen guten Schlaf. Für heute Nacht ist Sturm angesagt.«

»Danke!« Ratlos starrte Florian auf die Ziffern. Schließlich überwand er seine Hemmungen. »Und wie kann ich dich erreichen?«

»Wir müssen aussteigen«, antwortete Swantje lächelnd. »Unsere Wege trennen sich hier.«

2

2018

Zuerst war es nur ein dumpfes Grollen, das von irgendwoher in Swantjes Träume drang. Gerade hatte sie die Melkhörndüne erklommen, den höchsten Punkt der Insel, der seit frühester Kindheit oftmals Ziel ihrer Ausflüge war. Von dort war ihr Blick über die Insel gewandert, hatte die Jugendherberge gestreift und war, wie so oft, am Wasserturm hängen geblieben. Doch etwas war falsch. Von Norden her näherte sich eine bedrohlich düstere Wand, begleitet vom zunehmenden Getöse der Wellen. Das Bild verschwamm, wurde dann schwarz-weiß. Aufgewühlte graue See, ein heller Strand mit dunklen Flecken. Gegenstände. Holzteile, Kanister, Flaschen. Ein alter Mann stapfte von einem Gegenstand zum nächsten, hob ihn prüfend auf, ließ ihn fallen oder schob ihn in einen Sack, den er hinter sich durch den Sand zerrte. Sie kannte den Mann. Es war Leif Petersen, ihr Großvater. »Opa!« Sie wollte ihn warnen, denn die Flutwelle kam näher, drohte, den Strand und alles, was sich darauf befand, zu verschlingen. Doch sie bekam keinen Ton heraus. Ein Blitz löschte das Foto aus, erhellte für Sekundenbruchteile den Raum. Der Donnerschlag ließ Swantje aufschrecken.

Schwer atmend kam sie in die Realität zurück. Was für ein Traum! Sie warf die Bettdecke zur Seite, stand auf und ging zum Fenster. Regen peitschte gegen die Scheiben, Blitze zuckten über den Nachthimmel. Das Grollen schien schwächer zu werden. An der Nordsee kamen Gewitter oft überraschend, zogen aber schnell weiter. Sie wandte sich um, ging zur Tür, öffnete sie einen Spalt und lauschte. Im Haus war alles ruhig. Außer ihr hatte sich offenbar niemand aus dem Schlaf reißen lassen.

Sie kehrte ins Bett zurück und schloss die Augen. Das kommt von Opas Geschichten, dachte sie. »Strandgut gehört den Insulanern«, hatte er ihr erklärt. »So war es schon immer. Und der Kaiser hat es bestätigt.« Mit verschwörerischem Blick hatte er ihr von Funden berichtet, die nach dem Ende des Krieges zum Überleben der Familie Petersen beigetragen hatten. Brennholz, Schuhe, Kleidung, gelegentlich auch Schmuck oder eine wertvolle Uhr. Wie hatte er sich aufgeregt, als zu Weihnachten 2016 containerweise Bauholz angeschwemmt worden war und der Zoll das Material beschlagnahmt hatte! Ihren Einwand, dass des Kaisers Strandrecht nicht mehr gültig sei und heute das Fundrecht gelte, hatte er beiseite gewischt.

Wenn er könnte, dachte Swantje, würde er noch heute nach Strandgut suchen. Aber seit er auf einen Rollator angewiesen war, musste er auf das Vergnügen verzichten. Statt im Morgengrauen mit einem alten Seesack zum Weststrand und von dort aus um die halbe Insel zu wandern, unterhielt er die Familie mit Erzählungen aus vergangenen Zeiten. Für Abenteuergeschichten aus der Kindheit während des Krieges und aus der Nachkriegszeit hatte Swantje früher nicht viel übriggehabt. Erst in den letzten Jahren hatte sie Interesse an der Vergangenheit der Insel entwickelt und den Erzählungen des alten Herrn Aufmerksamkeit geschenkt. Sie nahm sich vor, am nächsten Morgen selbst einmal nach Strandgut suchen zu gehen. Mit diesem Vorsatz schlief sie ein.

Am frühen Morgen verließ Swantje Petersen das Haus am Branddünenweg, bog in die Hauptstraße ein, passierte das Lale-Andersen-Denkmal und den Wasserturm, folgte schließlich dem Westerweg zum Strand. Zu dieser Stunde war er menschenleer, gehörte allein den Möwen. Ihre heiseren Schreie waren die einzigen Hinweise auf lebende Wesen. Elegant schwebten sie über der Uferlinie, schossen hin und wieder pfeilschnell auf die Wasseroberfläche oder ließen sich am weißen Saum der Brandung nieder, um eilig hin und her zu tippeln. Swantje wandte sich nach Norden und fiel in einen leichten Trab.

Auf Langeoog war der Strand in verschiedene Zonen eingeteilt. Neben dem Badestrand gab es Sport-, Hunde-, Drachen-, Kite- und Surfabschnitte, sogar Nichtraucherbereiche. Während sie einen Abschnitt nach dem anderen hinter sich ließ, erinnerte sie sich an den nächtlichen Traum. Opa Petersen konnte nicht der einzige Insulaner gewesen sein, der im Morgengrauen nach einer stürmischen Nacht den Strand abgesucht hatte. Waren damals Dutzende oder gar Hunderte von Einheimischen mit Säcken unterwegs gewesen, um im Sand nach Schätzen zu suchen und wertlosen Plunder zu finden? Sie nahm sich vor, ihn danach zu fragen. Strandgut würde sie jedenfalls nicht mit nach Hause bringen. Außer dem üblichen Gewirr aus Treibholz und Seetang war ohnehin nichts zu entdecken.

Auf der Höhe des Pirolatals hielt sie inne, um zu verschnaufen und ein paar Dehnübungen zu machen. Sie warf einen Blick auf ihr Handy, erwog, umzukehren, schließlich war sie schon länger als dreißig Minuten unterwegs. Doch dann wurde ihr klar, dass schon bald die Sonne aufgehen würde. Im Osten färbte sich der Himmel orange, gelb und rot. Das Erlebnis würde sie sich nicht entgehen lassen. Bis zur Höhe der Melkhörndüne würde sie noch laufen. Das graue Dach der Jugendherberge war bereits zu sehen. Swantje dachte an die Begegnung vom Vortag. Ob der junge Zeitungsreporter hier untergekommen war? Ein wenig bedauerte sie es, ihn nicht wiederzusehen. Ein sympathischer, gut aussehender Junge, dessen offener Blick ihr gefallen und dessen Verlegenheit sie gerührt hatte. Aber eine Verabredung wäre sinnlos gewesen, denn in zwei Tagen würde er die Insel wieder verlassen.

Swantje beendete das Stretching und setzte ihren Weg fort, den Blick auf den Horizont gerichtet, hinter dem schon bald die rote Scheibe der Sonne erscheinen würde. Nach einigen Schritten stieß ihr Fuß plötzlich gegen einen Widerstand, fast wäre sie gestolpert. Sie sah nach unten und entdeckte ein dunkles Päckchen in der Größe eines Taschenbuches. Weil es ordentlich eingeschweißt war, bückte sie sich und hob es auf. In dem Augenblick erkannte sie, dass ein Strandabschnitt von vielleicht zehn Metern mit solchen Päckchen übersät war. Sie lagen rund um eine zerfetzte Reisetasche. Einige wurden vom Wasser umspült, andere schaukelten auf den Wellen. Sie schätzte ihre Zahl auf zwanzig bis dreißig, vielleicht waren es auch mehr, denn etliche steckten im Sand und ragten nur zum Teil heraus. Unschlüssig betrachtete sie das Paket in ihren Händen. »Strandgut gehört den Insulanern«, hörte sie Opa Petersen sagen. Nein, dachte sie, Fundsachen gehören ins Fundbüro. Aber wie sollte sie die vielen Päckchen transportieren? Außerdem war das Rathaus um diese Zeit noch nicht geöffnet. Sie zog ihr Smartphone aus der Tasche und machte ein paar Aufnahmen, um zeigen zu können, was sie gefunden hatte. Dann konnte sich später jemand vom Fundbüro um die Abholung kümmern.

Damit das Meer sie nicht wieder zurückholen konnte, sammelte sie die Päckchen ein und trug sie in die Dünen. Mit den Händen grub sie eine Mulde, stapelte sie hinein und bedeckte sie mit Sand.

Auf dem Rückweg machte sie sich Gedanken über den Inhalt. Sie erinnerte sich an massenhaft angespülte Überraschungseier, die von glücklichen Kindern eingesammelt worden waren, aber auch an gefährliches Strandgut. Während der Kriegs- und Nachkriegszeit waren nach Opas Erzählungen gelegentlich verrostete Handgranaten, Schießwolle und Phosphorklumpen angeschwemmt worden, an denen sich Kinder und Jugendliche verbrannt hatten. Noch im vergangenen Jahr waren Urlauber verletzt worden, die gelb leuchtende Munitionsreste aus Brandbomben für Bernstein gehalten hatten.

Beim Einsammeln hatte sie festgestellt, dass die eingeschweißte Masse nachgab, wenn man darauf drückte. Sie fühlte sich an wie zu fest gewordener Teig, den man nicht mehr kneten, in den man aber mit dem Finger Mulden drücken konnte. Irgendwo hatte sie mal gesehen, dass jemand ein solches Päckchen vorgeführt hatte. Im Fernsehen. Auch damals war es an einem Nordseestrand angeschwemmt worden. In der Sendung ging es um … Plötzlich wurde ihr heiß. Im NDR hatte ein Drogenexperte der Polizei über Rauschgiftfunde an den Küsten berichtet, ein ganz ähnliches Paket geöffnet und den Zuschauern den Inhalt gezeigt. Einige Kilo Heroin waren damals aufgetaucht. Der Marktwert betrug Millionen Euro. Hatte der Sturm der vergangenen Nacht eine Reisetasche mit mehreren Kilo Rauschmitteln an den Strand gespült? Ausgerechnet hier? Ihr Herz schlug noch schneller, als sie an die Jugendherberge dachte. Schon bald würde sie zum Leben erwachen. Wenn die jungen Gäste den Strand aufsuchten, konnten sie über das Versteck stolpern. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn sie erkannten, was dort nur unzureichend verborgen war. Swantje hielt inne, zog ihr Mobiltelefon aus der Tasche und wählte die Nummer der Langeooger Polizeidienststelle.

Während sie telefonierte, schleppten einige Hundert Meter weiter östlich zwei junge Männer ihre Surfbretter durch die Dünen. Bevor sie den Strand erreichten, blieben sie stehen. Einer zog ein kleines Fernglas aus der Tasche und richtete es auf Swantje, die davon nichts bemerkte.

*

Für Florian Andresen begann der Tag mit gemischten Gefühlen. Einerseits war er froh, eine Bleibe gefunden zu haben, die nicht weit von seinem ersten Ziel des Tages entfernt war. Andererseits hatte er nicht gut geschlafen. Ihm war die Begegnung mit der schönen Rothaarigen nicht aus dem Kopf gegangen. Obwohl sie so zugänglich gewesen war, war es ihm nicht gelungen, ihre Handynummer zu bekommen. Wenn er ihren Nachnamen wüsste, wäre es kein Kunststück, sie ausfindig zu machen. Sie lebte auf der Insel, also war sie vielen Leuten bekannt. Florian nahm sich vor, nach dem Interview mit dem Bürgermeister nach ihr zu suchen. Vorher musste er sich noch den Strandabschnitt ansehen, an dem die Aufspülungen vorgenommen wurden.

Er brachte das Frühstücksgeschirr zurück, warf sich den Rucksack über die Schulter und machte sich auf den Weg zum nahe gelegenen Pirolatal, vor dem der Strand aufgespült werden sollte. Der Sand kam über kilometerlange Rohrleitungen aus dem Riff des Seegatts Accumer Ee vor dem Flinthörn, das hatte er bereits im Netz gelesen.

Erwartungsvoll wanderte Florian durch die Dünen, erreichte den Strand und ließ den Blick schweifen. Ein frischer Nordwest blies ihm kühle Meeresluft entgegen. Vor ihm breitete sich das Panorama der Nordsee aus, davor ein schier endloser Strand. Gestört wurde die Postkartenansicht durch eine riesige rostbraune Rohrleitung, aus der sandiges Meerwasser strömte, und durch zwei schwere Baumaschinen, deren donnernde Motoren das Rauschen der Wellen übertönten. Mit ihren riesigen Stahlschilden schoben sie Berge von grauem Sand auseinander und verteilten ihn über den Grund. Rechts von ihm, nach Osten hin, zeigte sich der Strand in strahlendem, scheinbar unberührtem Weiß.

In einigen Hundert Metern Entfernung bewegten sich drei Gestalten. Eine schlanke, nach Frühsport treibender Urlauberin aussehende Frau mit rötlich schimmerndem Haarschopf, deren Begleiter von Kopf bis Fuß dunkel gekleidet waren. Alle drei vollführten einen bizarren Tanz. Sie stapften in die Dünen und wieder zurück, liefen ein paar Schritte, blieben stehen und gestikulierten.

Ein seltsames Trio, dachte Florian. Die Luft war noch kühl, aber klar. Bald würden die Sonnenstrahlen für zunehmende Wärme und unter dunkler Kleidung für Hitze sorgen. Wer lief an einem solchen Tag in dunklen Klamotten über den Strand? Florian schwankte einen Moment. Sollte er sein ursprüngliches Ziel verfolgen oder der Neugier nachgeben? Schließlich gab die verwegene Hoffnung den Ausschlag, bei der Frau könnte es sich um Swantje handeln. So schnell der sandige Untergrund es erlaubte, strebte er auf die Gruppe zu. Bis er die Polizeiuniformen erkannte. Unwillkürlich blieb er stehen und kniff die Augenlider zusammen. Die Beamten hatten ihre Bewegungen eingestellt, standen breitbeinig und mit in die Hüfte gestemmten Armen der Frau gegenüber, die mit ausholenden Bewegungen etwas zu erklären schien. Florians Herz machte einen Sprung. Sie hatte ihr üppiges Haar mit einem Tuch zusammengebunden, die Morgensonne brachte es dennoch zum Leuchten. Was mochte Swantje mit der Polizei zu schaffen haben? Am sonst menschenleeren Strand? Weder sie noch die Beamten hatten ihn bisher bemerkt. Instinktiv hastete er in die Dünen, schlich sich, stets in Deckung bleibend, langsam näher. Als er Stimmen vernahm und verstehen konnte, was sie sagten, ließ er sich auf die Knie sinken und kroch vorsichtig weiter. Bis er durch den Strandhafer die Köpfe der Akteure sehen und ihre Worte verstehen konnte.

»Ich kann es beschwören«, hörte er Swantje. »Hier lagen mindestens zwanzig Stück. Ich habe sie mit eigenen Augen gesehen, eingesammelt und dort in den Dünen versteckt.« Sie zog ihr Handy hervor. »Hier. Ich habe sie fotografiert.«

»Kann es vielleicht woanders gewesen sein?«, fragte einer der Polizisten, nahm seine Mütze ab und wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn. Er war älter und ein wenig korpulent. »Ich meine, ein Stück weiter nach Osten.«

Swantje schüttelte den Kopf und deutete auf einen unförmigen Gegenstand am Saum der Wellen. »Die Päckchen müssen da drin gewesen sein. Sie waren rings um die Tasche verstreut.«

Die uniformierten Beamten sahen sich an, einer hob die Schultern. »Das Zeug ist verschwunden«, sagte der jüngere. »Wir können jetzt nichts weiter tun.«

»Aber wenn es jemand mitgenommen hat«, wandte Swantje erregt ein, »muss es noch auf der Insel sein. Man kann die Sache doch nicht auf sich beruhen lassen. Das waren bestimmt fünfzehn oder zwanzig Kilo Heroin. Damit können unzählige Menschen in Gefahr gebracht werden. Es kann Tote geben.«

Der ältere Polizist hob beide Hände. »Reg di nich up, mien Wicht! Wenn es sich wirklich um Rauschgift handelt, werden sich die zuständigen Dienststellen darum kümmern. Wir können nicht alle Flugzeuge und Fähren und die Boote im Hafen festhalten und durchsuchen. Wir informieren das Landeskriminalamt. Da gibt es Spezialisten, die kennen sich damit aus und wissen, was zu tun ist.« Er wandte sich an seinen Kollegen. »Komm, Hinnerk! Wir fahren zurück. Ich habe noch nicht gefrühstückt.«

Die beiden Uniformierten stapften durch den Sand davon. Nach einigen Schritten drehte sich der ältere Beamte noch einmal um. »Allerbest tohuus!«, rief er. »Ook vör dien Opa Petersen.«

Florian kroch aus seinem Versteck und stolperte aus den Dünen auf den Strand. »Moin, Swantje!«

Erschreckt fuhr sie herum und starrte ihn unwillig an. »Florian!« Ihre Miene entspannte sich. »Was machst du denn hier?«

»Recherche.« Er grinste und deutete hinter sich. »Eigentlich wollte ich zum Spülfeld vor dem Pirolatal. Fotos machen und mit den Leuten reden, die den Strand auffüllen und planieren. Aber dann habe ich dich gesehen. Und die Sheriffs. Wollten sie dich verhaften?«

»Ich habe sie angerufen, weil …« Sie winkte ab. »Ach, vergiss es! Hat sich erledigt. Außerdem muss ich mich auf den Rückweg machen.«

»Sehen wir uns wieder?«, fragte Florian rasch. Noch einmal wollte er die Chance nicht vergeben.

Sie musterte ihn nachdenklich. Schließlich schüttelte sie den Kopf. »Es hat keinen Zweck.« Sie wandte sich zum Gehen, fiel in einen lockeren Trab und verschwand in den Dünen, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Florian zog sein Smartphone aus der Tasche, startete Google und tippte Petersen, Langeoog ein. Das Display zeigte drei Ergebnisse, eins gehörte zu einer Surfschule, ein weiteres zu einem Golfklub, das dritte zu einem Restaurant. Die Suche im Internet-Telefonbuch erbrachte zwei weitere Einträge. Petersen, Leif und Petersen, Peter. Beide mit derselben Adresse. »Bingo!«, murmelte Florian. Dort, ahnte er, würde er Swantje finden. Mit den Polizisten hatte sie über fünfzehn oder zwanzig Kilo Heroin gesprochen. Florian kannte den Preis für das Rauschgift nicht. Es musste sich um Millionen handeln. Sollte diese Menge tatsächlich auf der Insel sein, wäre er einer Sensation auf der Spur. Dagegen waren Berichte über Strandaufspülung und Probleme mit bezahlbarem Wohnraum Kleinkram. In Gedanken formulierte er Schlagzeilen. Friesisches Gift. Heroin auf Langeoog. Ostfriesische Insel als Umschlagplatz? Unser Reporter Florian Andresen deckt auf. Sein Puls beschleunigte sich. An dieser Sache musste er dranbleiben. Zur Not würde er das Interview mit dem Bürgermeister sausen lassen.

Ich muss Hannah informieren, dachte er und scrollte durch die Liste seiner Kontakte. Doch dann entschied er sich anders. Wenn ich mit ihr spreche, sagte er sich, wird sie versuchen, mich davon abzubringen. Besser, ich schicke ihr später eine Nachricht.

*

»Wo lassen wir das Zeug, Alex?«, fragte Tom Thieland. Keuchend wischte er sich mit der freien Hand den Schweiß von der Stirn. Sie waren mit ihrer Ladung durch die Dünen gehastet und ins Schwitzen gekommen.

»Mach dir darüber keinen Kopp«, antwortete sein Freund. »Wir haben genug Platz. Am besten bringen wir es zu einem der Ferienhäuser in der neuen Geistersiedlung. Die haben Kellerräume. Da liegt es kühl und trocken. Verkauft werden die Hütten erst Anfang nächsten Jahres. Bis dahin haben wir den Deal erledigt. Oder wir finden einen anderen Ort für die Lagerung.«

»Geistersiedlung?«, fragte Tom irritiert. »Die neuen Häuser hat dein Vater gebaut. Ich dachte, das Wort benutzen nur seine Gegner.«

Alexander Hilbrich zuckte mit den Schultern. »Deswegen bleibt es trotzdem eine Geistersiedlung. Die Ferienwohnungen stehen nun mal elf Monate im Jahr leer. Ich find’s auch scheiße. Aber mein Vater macht fett Kohle damit.«

»Hat er dir nicht das Betreten der Häuser verboten?«

Alexander winkte ab. »Ja, schon. Nach der letzten Party im Frühjahr, bei der ein paar Sachen zu Bruch gegangen sind. Aber er ist nur noch selten hier und kriegt das nicht mit. Wir bringen die Sachen nur rein und holen sie irgendwann wieder ab. Fertig.«

»Und wenn er die Pakete findet?« Tom blinzelte skeptisch.

Alex schüttelte den Kopf. »Der kriecht nicht in irgendwelchen Kellern herum. Wenn die Handwerker mit den Küchen fertig sind, wirft er vielleicht noch einen kurzen Blick in die ein oder andere Wohnung. Das ist alles.« Mit einer Kopfbewegung deutete er auf das Surfbrett, das sie durch die Dünen schleppten. »Hauptsache, wir kommen unbehelligt hin.«

»Sieht doch harmlos aus.« Grinsend bewegte Tom das Ende, an dem er trug. »Dafür, dass es so schnell gehen musste, haben wir das Zeug gut getarnt. Zwei Surfer mit einem Brett, auf dem sie ihre Ausrüstung transportieren. Schön eingewickelt in Segeltuch. Da kommt keiner auf dumme Gedanken.«

»Wie auch.« Alexander kicherte. »Wer sollte auf die Idee verfallen, dass auf unserer harmlos-schönen Ferieninsel ein Haufen Dope unterwegs ist. Selbst wenn einer die Päckchen sehen würde, hätte er keinen Schimmer, um was es sich handelt.«

»Gut, dass du gleich geschaltet hast, als wir die Ladung gesehen haben. Wer die wohl verloren hat?«

»Vielleicht hat sie niemand verloren. Könnte sein, dass jemand die Tasche über Bord geworfen hat, weil die Polizei aufs Schiff gekommen ist. Egal. Das Geschäft machen wir jetzt.«

»Was meinst du, was es bringt?«

Alex zuckte mit den Schultern. »Wird sich zeigen. Mindestens eine Million. Auf der Straße das Doppelte. Aber wir müssen zusehen, dass wir das Zeug im Paket loswerden. Einzelverkauf ist zu riskant.«

»Und du hast keine Angst, dass die Bullen anfangen rumzuschnüffeln, mit Spürhunden und so?«

»Unsere Dorfpolizisten doch nicht. Die haben nichts gesehen. Sie wissen ja nicht mal, was in den Päckchen drin ist.«

»Aber die Petersen könnte es ihnen gesagt haben«, wandte Tom ein.

Alexander schüttelte den Kopf. »Ich kenne Swantje. Die hat noch nie in ihrem Leben Dope aus der Nähe gesehen, schon gar nicht professionell verpackte Heroinpäckchen. Aber wenn es dich beruhigt, werde ich ihr mal auf den Zahn fühlen.«

»Und was ist mit dem Typen, den sie getroffen hat, nachdem die Bullen verschwunden sind?«

»Den habe ich noch nie gesehen. Aber ich glaube nicht, dass er was mitgekriegt hat. Ist ja erst aufgetaucht, nachdem wir das Zeug eingesammelt haben.«

»Und wenn doch?«

»Ich kümmere mich um ihn. Sah ja so aus, als ob Swantje ihn kennt.«

»Okay.« Tom nickte zufrieden und deutete mit einer Kopfbewegung zu den Fahrrädern, die sie hinter den Dünen am Weg abgestellt hatten. Beide Räder waren mit Anhängern zum Transport von Surfbrettern versehen. »Packen wir das Ding auf deinen Touring Transporter, der ist stabiler als mein selbst gebautes Gestell.«

Wenig später hatten sie die Ladung verstaut, das zweite Surfbrett vom Strand geholt und auf dem Anhänger befestigt.

»Los geht’s!«, rief Alexander. »Auf zur Geistersiedlung!«

Eine gute Viertelstunde später erreichten sie den Ortsrand. Auf der Willrath-Dreesen-Straße kamen ihnen zwei uniformierte Radfahrer entgegen. »Lass dir nichts anmerken!«, zischte Alex. Doch Tom war so verunsichert, dass er eine Vollbremsung machte und beinahe gestürzt wäre.

3

1998

Aufgebracht nahm Stefan Hilbrich sein Bier von der Theke und trank einen großen Schluck. Kurz vor dem Ziel wurde er jäh gestoppt. Vom eigenen Vater! Stefan war der Erfüllung seiner Träume sehr nahegekommen. Auf Langeoog hatte er ein Mädchen kennengelernt, das sein Leben verändern würde. Plötzlich war das Bedürfnis nach immer neuen erotischen Abenteuern einer fast schmerzhaften Sehnsucht gewichen. Waren seine bisherigen Beziehungen von häufigen Wechseln bestimmt gewesen, sah er seine Zukunft nun in einer dauerhaften Verbindung. Er war, musste er sich eingestehen, bis über beide Ohren verliebt und wünschte sich nichts sehnlicher als genau das, was er bisher als Ostfriesischen Dreisprung verachtet und bei jeder sich bietenden Gelegenheit ins Lächerliche gezogen hatte: verliebt-verlobt-verheiratet.

Yvonne von Hahlen war nicht nur eine Schönheit, sie entsprach auch sonst seinen Vorstellungen von einer Partnerin. Sie sah zu ihm auf und besaß jene weiblichen Eigenschaften, die sich wohl die meisten Männer wünschten: erotische Anziehungskraft, Anschmiegsamkeit und Bereitschaft zur Hingabe. Und sie kam aus gutem Haus. Ihre Eltern besaßen Immobilien auf mehreren Ostfriesischen Inseln, die sie unter der Marke Von-Hahlen-Residenzen als Urlaubsdomizile vermieteten.

Die Familie bewohnte eine altertümliche Stadtvilla. Sie mochte an die hundert Jahre alt sein und fügte sich in eine Reihe ähnlicher Häuser. Zur Straßenseite gab es einen kleinen Vorgarten, von dort zeigte die Villa über zwei Etagen schmale, hohe Fenster. Nur in der Farbe glich sie Stefans Elternhaus in Wilhelmshaven. Das alte Gemäuer leuchtete in frischem Weiß.

Neben der herrschaftlich anmutenden Wohnung hielt die Villa einen Trakt für eine weitere Familie bereit. Yvonne hatte ihn – heimlich, während ihre Eltern abwesend waren – durch die Räume geführt und voller Stolz erklärt: »Für mich, meinen Mann und meine Kinder.«

Das war, hatte er für sich entschieden, allenfalls eine vorübergehende Lösung. Doch noch gab es ein entscheidendes Hindernis. Sein eigenes Einkommen als angehender Bankkaufmann hielt sich in Grenzen; über ein Vermögen, das diesen Namen verdiente, verfügte er nicht. Dabei hatte er ein beträchtliches Erbe zu erwarten. Sein Vater besaß zwei Geschäftshäuser in der Innenstadt von Wilhelmshaven, und Stefan war selbstverständlich davon ausgegangen, schon jetzt davon profitieren zu können. Es gab immer wieder Anfragen von Konzernen, die seinen Vater mit lukrativen Angeboten zum Verkauf eines der beiden Häuser bewegen wollten. Doch der hatte sich stur gestellt. »Du würdest dein Erbe verscherbeln und damit alles, was dein Großvater und ich aufgebaut haben, in Gefahr bringen. Nur wenn der Familienbesitz erhalten bleibt, kannst du im Alter davon leben. Und später deine Kinder und deren Kinder. Und so weiter.«

Die Auseinandersetzung war eskaliert, und am Ende hatte sein Vater jenen Satz gebrüllt, der ihm seitdem nicht mehr aus dem Kopf ging. »Nur über meine Leiche!«

Wenn eine Einigung nicht möglich war, musste der Erbfall eben früher eintreten. Seit dem Streit mit seinem Vater dachte Stefan immer wieder über dessen vorzeitiges Ableben nach, fand aber keine überzeugende Lösung. Bis er einen Mann kennenlernte, der ihm einen Ausweg aus seinem Dilemma zeigte.

Er schien deutlich älter als Stefan zu sein, vielleicht Ende vierzig. Dabei spielte sicherlich seine ausgeprägte Halbglatze eine Rolle. Auch die etwas abgehoben wirkende Sprache verstärkte den Eindruck. Weder sein Äußeres, das auf ein eher unterdurchschnittliches Einkommen schließen ließ, noch die Umgebung – eine etwas heruntergekommene Kneipe, die Stefan gelegentlich aufsuchte, weil hier seine Musik gespielt wurde – passten zu dem Mann, der wie ein Oberlehrer dozieren und sich gewählt ausdrücken konnte. Er und Stefan schienen einen ähnlichen Musikgeschmack zu haben. Als aus der Musikanlage You Want Love von Mixed Emotions erklang, sangen sie gemeinsam leise mit.

Zu vorgerückter Stunde streckte Stefans Gesprächspartner ihm die Hand entgegen. »Frank Sörensen«, sagte er und bestellte eine Runde Jever Pils. »Für dich nur Frank.«

Stefan ergriff die Hand seines Thekennachbarn. »Stefan Hilbrich. Für dich nur Stefan.«

Sie brachen in Gelächter aus und stießen mit den Biergläsern an. »Den Namen habe ich schon mal gehört«, erklärte Frank. »Mit einem Reinhard Hilbrich hatte ich vor etlichen Jahren zu tun.«

Verblüfft setzte Stefan sein Glas ab. »So heißt mein Vater. Was hattest du mit dem zu schaffen?«

Frank winkte ab. »Das war in einem anderen Leben. Damals war ich noch Anwalt. In der Kanzlei Leßing und Partner. Die haben überall in Ostfriesland Niederlassungen, auch hier in Wilhelmshaven. Wahrscheinlich ging es um einen Kaufvertrag für eine Immobilie. Dafür war ich zuständig, durfte alles vorbereiten. Der Alte, also mein damaliger Chef, hat dann beurkundet und kassiert.«

»Warum bist du nicht mehr dort?«

»Eine lange Geschichte. Interessiert dich nicht wirklich. Jedenfalls hatte ich irgendwann die Schnauze voll. Vierzehn-Stunden-Tag in der Kanzlei, aber das Geld haben die Partner kassiert. Irgendwann wollte ich mein eigenes Ding drehen. Eine richtig große Nummer. Ist aber schiefgegangen, und ich habe meine Zulassung verloren.«

»Und jetzt …?«

»… arbeite ich trotzdem auf eigene Rechnung.« Frank fummelte eine Visitenkarte aus der Tasche. »Als Privatdetektiv.«

Stefan starrte auf die Karte. »Ermittlungen aller Art«, las er halblaut. »Zuverlässig, professionell, diskret. Spezialgebiet Immobilien.« Er sah auf. »Was kann man im Immobiliensektor ermitteln?«

»Einiges.« Frank grinste. »Eigentumsverhältnisse zum Beispiel. Wenn du wissen willst, wem ein bestimmtes Haus gehört. Oder ob ein Grundstück belastet ist.« Er beugte sich zu Stefan herüber und senkte die Stimme. »Du glaubst ja gar nicht, was in der Branche alles läuft. Jeder bescheißt jeden, und alle bescheißen den Staat. Kaum eine Summe, die im Kaufvertrag steht, wird tatsächlich gezahlt. Meistens wechselt ein Teil schwarz den Besitzer. Oder einer, der sein Anwesen belastungsfrei anbietet, nimmt unmittelbar vor dem Verkauf noch schnell eine Hypothek auf. Die wird zwar irgendwann ins Grundbuch eingetragen, aber das geht nicht von heute auf morgen. Beim Notartermin liegt noch keine Eintragung vor, später wundert sich der Käufer.«

Stefan schoss ein verwegener Gedanke durch den Kopf. »Könnte man ein Haus verkaufen, ohne dass der Besitzer es mitkriegt?«

Frank wiegte den Kopf. »Man bräuchte eine entsprechende Vollmacht des Eigentümers. Schwierig, denn die muss notariell beglaubigt sein. Oder man müsste die Eintragung im Grundbuch manipulieren. Noch schwieriger.«

»Aber nicht unmöglich?«

»Nichts ist unmöglich.« Frank hob sein Glas. »Außer trinken, wenn die Gläser leer sind.«

An diesem Abend verließ Stefan die Kneipe früher als sonst. Auf dem Nachhauseweg kreisten seine Gedanken um das Geschäftshaus an der Marktstraße.

Das Haus seiner Eltern in Altengroden gehörte zu den wertvollsten Immobilien in diesem Stadtteil. Es war in den Achtzigerjahren auf einem der größten Grundstücke errichtet und mit aufwendigen Außenanlagen ausgestattet worden. Eine herrschaftliche Auffahrt, zwei Doppelgaragen und ein Gartenhaus. Im Gegensatz zu den roten Backsteinmauern, die in der Region weit verbreitet waren, hatte der Architekt das Gebäude ganz in Weiß gestaltet.

Die beleuchtete Fensterfront des Wohnzimmers und der flackernde Widerschein des Fernsehbildschirms signalisierten ihm, dass sich sein Vater dort aufhielt. Um diese Zeit verfolgte er gewöhnlich das Aktuelle Sportstudio, während seine Mutter in ihrem Zimmer las.

Damit sein Kommen nicht durch die aufflammende Außenbeleuchtung angekündigt wurde, schlich Stefan am Zaun entlang und näherte sich in geduckter Haltung der Rückseite des Hauses. Hier gab es einen verschlungenen Pfad, auf dem er nicht von den Infrarotsensoren erfasst werden konnte.

Lautlos betrat er den Flur, ohne die Beleuchtung einzuschalten. Das Arbeitszimmer seines Vaters lag in einem Seitentrakt, in dem auch das Apartment für die Haushaltshilfe untergebracht war. Seit seine Mutter ihren Mann dort einmal mit einer hübschen jungen Valentina aus Kasachstan in flagranti erwischt hatte, war sie es, die sich um die Einstellung des Personals kümmerte. Und sie achtete darauf, dass von den Mädchen keine Gefahr ausging. Gegenwärtig waren die Räume nicht belegt, denn die derzeitige Angestellte zog es vor, in ihrer eigenen Wohnung am Rande der Innenstadt zu bleiben und täglich mit dem Fahrrad zur Arbeit zu kommen. Anderenfalls hätte Stefans Mutter sie wohl nicht eingestellt. Sie hieß Cristina und stammte aus Rumänien, war aber ebenso hübsch wie Valentina und ausgesprochen anziehend. Stefan, der seinen Vater wegen der Sache mit Valentina moralisch verurteilt hatte, war von ihr derart hingerissen, dass er alles darangesetzt hatte, sie ins Bett zu bekommen.

Er schob die Erinnerung an die Eskapade beiseite, betrat das Arbeitszimmer seines Vaters, schaltete als Lichtquelle nur die Schreibtischlampe ein und konzentrierte sich auf die Suche nach dem Schlüssel für den Aktenschrank.

Er fand, was er suchte, und öffnete den Schrank. Die Akte mit den Angeboten war die einzige, die nicht beschriftet war. Darin stieß er auf das Schreiben eines internationalen Möbelhauses, das für das Geschäftshaus in der Fußgängerzone vor einem halben Jahr eineinhalb Millionen Mark geboten hatte. Ein Warenhauskonzern hatte ein Angebot von knapp zwei Millionen vorgelegt. Während er die Akte an ihren Platz zurückstellte, fragte er sich, warum sein Vater die Anfragen der Konzerne aufbewahrte. Wahrscheinlich genießt der Alte insgeheim die Höhe der Angebote, dachte er.

Bevor Stefan das Arbeitszimmer verließ, steckte er den Kopf durch die Tür und lauschte. Inzwischen musste seine Mutter ihr Zimmer verlassen haben, denn sie ging aus Prinzip nicht später als Mitternacht ins Bett. Sein Vater blieb regelmäßig noch ein oder zwei Stunden vor dem Fernseher sitzen.

Trotz der soliden Bauweise des Hauses kannte Stefan alle Geräusche und konnte sie dem jeweiligen Geschehen zuordnen. So wusste er immer, wer sich wo aufhielt. Jetzt vernahm er Töne, die aus dem unbewohnten Apartment der Hausangestellten zu kommen schienen. Er überquerte den Flur und legte ein Ohr an die Tür.

Dahinter hörte er Stimmen. Zweifelsfrei die seines Vaters und die von Cristina. Er unterdrückte den Impuls, die Tür zu öffnen, und horchte weiter. Die Unterhaltung wurde halblaut geführt, deswegen verstand er nicht alles. Doch aus den aufgeschnappten Worten wurde klar, dass es um eine gemeinsame Zukunft ging.

Mit zunehmender Fassungslosigkeit verfolgte Stefan ihr Gespräch. Sein fünfzigjähriger Vater wollte sich scheiden lassen, um mit der knapp halb so alten Rumänin zusammenzuleben. Als aus der Unterhaltung hinter der Tür verbale Liebkosungen wurden und eindeutige Geräusche hinzukamen, löste Stefan sein Ohr vom Türblatt, schlich lautlos davon und versuchte, die Szene aus dem Kopf zu bekommen, die sich zweifellos hinter der Tür abspielte. Sich seinen Vater beim Sex vorzustellen, war gruselig. In dem Alter – ging das überhaupt? Stefan schüttelte sich. Heftige Gefühle begleiteten ihn auf dem Weg in sein Zimmer. Abscheu, Eifersucht, Verachtung und – nicht zuletzt – Angst vor dem Verlust seines Erbes.

Nachdem die Welle der Empörung abgeklungen war, versuchte Stefan, die ungeahnte Perspektive sachlich zu betrachten. Seine Mutter würde vielleicht gar nicht so unglücklich sein und für sich eine angemessene Versorgung durchsetzen. Für ihn selbst konnte eine Liaison zwischen seinem Vater und Cristina allerdings riskant werden. Sollten die beiden tatsächlich heiraten, wäre sein Erbe gefährdet. Um seine eigene Zukunft mit einem angemessenen Vermögen zu sichern, musste er dieser Heirat zuvorkommen. Aber wie konnte er der drohenden Gefahr entgehen? Sollte er doch dafür sorgen, dass sein Vater vor der geplanten Eheschließung das Zeitliche segnete?

In dieser Nacht fand Stefan Hilbrich wenig Schlaf. Während er sich im Bett wälzte, durchlebte er unterschiedliche Szenarien. Eins davon endete mit einer Beerdigung auf dem Friedhof Aldenberg.

Am Morgen schob er die beunruhigenden Bilder und Fragen beiseite. Da er sonst niemanden hatte, den er ins Vertrauen ziehen konnte, erwog er, seinen neuen Bekannten aufzusuchen. Frank wusste vielleicht Rat. Andererseits zog es ihn zu Yvonne nach Langeoog. Natürlich konnte er seine Zwangslage nicht vor ihr ausbreiten. Aber die Sehnsucht nach Nähe und Zuwendung war stärker als das Bedürfnis, sofort eine Lösung zu finden. Frank hätte wahrscheinlich ohnehin so kurzfristig keine Zeit für ihn. Also rief er im Hause von Hahlen an. Zu seiner Erleichterung meldete sich Yvonne am Telefon.

»Moin, Yvonne. Stefan hier. Ich würde dich gern besuchen. Hast du Zeit?«

»Heute?«

»Ja. Ich fahre nach dem Frühstück los und bin am späten Vormittag bei dir.«

»Schön! Ich freue mich. Passt übrigens gut. Dann kannst du gleich mit uns zu Mittag essen. Meine Eltern möchten dich kennenlernen.«

»Okay.« Stefan unterdrückte einen Einwand. Ihm war nicht danach, sich seinen künftigen Schwiegereltern vorzustellen. Aber diese Begegnung war unausweichlich und früher oder später ohnehin fällig. Also würde er das Unvermeidliche heute hinter sich bringen.

4

2018

Irritiert öffnete Hannah Holthusen Florians E-Mail, die auf ihrem privaten Account eingegangen war. Warum schickte er keine WhatsApp-Mitteilung? Warum meldete er sich nicht in der Redaktion? Die jungen Leute waren manchmal wirklich etwas chaotisch. Sie überflog die Zeilen.

Hallo, Hannah,

wir müssen alles umschmeißen! Bin einem Sensationsfund auf der Spur! Heute Morgen wurde am Strand von Langeoog eine Ladung Heroin angeschwemmt. Eine Frau hat das Rauschgift gefunden und die Polizei verständigt. In der Zwischenzeit ist das Zeug wieder verschwunden. Vermute, jemand hat es sich unter den Nagel gerissen. Irgendwo muss es sein. Ich mache mich auf die Suche. Melde mich, wenn ich eine Spur gefunden habe. Bis dahin bitte kein Wort zu irgendjemandem! Ich will die Story exklusiv. Natürlich meine ich damit uns beide.

LG

Florian