8,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 8,99 €
Die Überwindung der Schwerkraft durchs Erzählen.
Schon als Kind will Theodor Leudoldt hoch hinaus, am liebsten ganz bis zu den Sternen. Ein ambitioniertes Projekt in Zeiten des späten Kaiserreichs, doch Visionen kennen keine Grenzen. Und seine Frau und seine Tochter Ursula stehen ihm nicht nach. Ihre Fliehkraftversuche mit Tieren im Keller der Leudoldt’schen Villa lassen auf nichts anderes schließen: Ihr Ziel ist das All. Doch erst nach Kriegsende rückt die Erfüllung des Familientraums durch die Mitarbeit am US-Raumfahrtprogramm in der Raketenstadt Twickenham ein gehöriges Stück näher. Auch wenn Frauen für das Astronautentraining nicht zugelassen sind, das Schicksal der frühen Vögel erfüllt sich dennoch – im Space Race mit den Sowjets.
Nahezu schwerelos und freihändig die Weltgeschichte bereisend erzählt „Frühe Vögel" von einer denkwürdigen Erfinder-Dynastie und erfindet sich im Erzählen selbst immer wieder neu.
"Ein Roman? Nein, ein fliegender Teppich oder besser: ein Raumschiff inklusive Zeitmaschine, das den Leser in Welten und Epochen entführt, die man so noch nicht erlebt hat." Thomas von Steinaecker.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 347
Matthias Senkel
FRÜHE VÖGEL
Roman
Mit einem Comic von Maryna Zhdanko
ISBN E-Pub 978-3-8412-0402-8
ISBN PDF 978-3-8412-2402-6
ISBN Printausgabe 978-3-351-03385-9
Aufbau Digital,
veröffentlicht im Aufbau Verlag, Berlin, März 2012
© Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin
Die Originalausgabe erschien 2012 bei Aufbau, einer Marke der Aufbau Verlag GmbH & Co. KG
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Vervielfältigung und Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlages zulässig. Das gilt insbesondere für Übersetzungen, die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen sowie für das öffentliche Zugänglichmachen z.B. über das Internet.
Umschlaggestaltung hißmann, heilmann, hamburg /
Gundula Hißmann,
unter Verwendung eines Motivs von Blue Lantern Studio/
CORBIS
Konvertierung Koch, Neff & Volckmar GmbH,
KN digital – die digitale Verlagsauslieferung, Stuttgart
www.aufbau-verlag.de
Buch lesen
Innentitel
Inhaltsübersicht
Informationen zum Buch
Informationen zum Autor
Impressum
Prolog: Worin ein Teil der Zukunft bereits Vergangenheit ist
Eins: Worin es mit Theodor aufwärtsgehen soll (Arc ‒ Tour)
Archaeopteryx lithographica
Aszendenz
Auftrieb
Bagdadbahn
Boxerkrieg
Caïssa
Dichterzirkel
Elektrostatik
Elephantoidea
Erkenntlichkeit
Ferriviatus
Fesselballon
Fordismus
Fortbildung
Genealogie
Georgenthal
Geschwister
Gestose
Gravitation
Herausforderung
Honigmond
Initiative
Interim
Irrtum
Jalousien
Karriere
Katastrophen
Lehrplan
Lokalkolorit
Lotterie
Minusdifferenz
Musterung
Nachhilfe
Namenspaten
Neuigkeiten
Obliegenheiten
Ω-Σ-Ρ
Poetik
Quartalsinspektion
Reize
Rekorde
Schnappschüsse
Seegang
Spannfeder
Spurt
Tempozug
Tour de force
Zwei: Worin es mit Gökhan aufwärtsgehen soll
Drei: Worin es mit Theodor weiter aufwärtsgehen soll (El ‒ Yo)
Elementwechsel
Engpässe
Fingerspitzengefühl
Fluktuationen
Interessensphären
Keiler
Lehreinheiten
Multiplikator
Passung
Privatsekretär
Revolutionspotential
Superpositionen
Treibgut
Turbulenzen
Umgehungsgeschäft
Venus von Vilnius
Vorzeichenwechsel
Wackelkontakt
Wahlverwandtschaft
Weihnachtstief
Yo-Yo
Frühe Vögel, Nº 4
Fünf: Worin es mit Ursula weitergeht
Sechs: Worin es mit Ursula anderweitig weitergeht
Sieben: Worin dreidimensionale Angaben letzten Endes keinen Sinn mehr ergeben wollen
Acht: Worin es noch einmal mit Ursula weitergeht
Plus ½: Exit Personnage
Eins
Zwei
Drei
Vier
Fünf
Sechs
Sieben
Acht
»Он знал, что сначала станет летчиком, а потом полетит на Луну.«
Victor Pelevin, Омон Ра
»What then will the future reveal if this story you are about to witness is only … the beginning?«
William Telaak, The Phantom Planet
»A story can always end happily by stopping at a cheerful moment. Of course in nature the only end is death, but death hardly ever happens when people are at their best.«
Alasdair Gray, Lanark
»– draußen.
Weit draußen im Weltall«, dröhnte es aus dem Fernseher, als Gerhild die Lautstärketaste endlich getroffen hatte. Die Gelenke ihrer Finger waren geschwollen, schmerzten sogar bei solch kleinen Bewegungen; ein Tiefdruckgebiet oder eine Trauerfeier nahte.
Ava de Waal, die kahlköpfige Frau auf dem Bildschirm, sah so abgezehrt aus, als habe sie den Weg zum Mars, über den sie gerade spekulierte, bereits zu Fuß zurückgelegt. Getrennt durch die Glaskuppel der Biosphäre stand ihr ein Reporter gegenüber. Hinter ihm ragten die Versorgungsgebäude der Versuchsanlage auf und über deren Dächern die kargen Gipfel der Catalinas.
»Vollkommen richtig, Dave, die Erde! Wir nennen sie Gaia Eins, weil sie der Prototyp unserer Biosphäre ist. Alles hier drinnen in Gaia Zwei, von der Tundra über den Regenwald bis zu unserem Minimeer, ist ihrem Vorbild nachempfunden.«
Dass sich die beiden über Walkie-Talkies unterhielten, obwohl sie lediglich zwei Armlängen weit auseinander standen, gab dem Interview den Anschein eines Kinderspiels. Gleichwohl, dies wusste Gerhild bereits aus früheren Berichten über die Wissenschaftler in der versiegelten Biosphäre, meinten es de Waal und ihre Kollegen ebenso ernst mit ihrem Experiment, wie sie es seinerzeit mit ihren eigenen Experimenten gehalten hatte.
»Sie ist zweifelsohne das perfekte Raumschiff. Wenn wir nicht gerade ihre Schutzschilde mit Treibgas durchlöchern oder ihre Sauerstoffgeneratoren abholzen, funktioniert das Lebenserhaltungssystem an Bord der Gaia Eins besser, als irgendein menschgemachtes jemals funktionieren wird.«
Mit nachsichtiger Milde schüttelte Gerhild den Kopf – als sei Ava de Waal ihre jüngste Enkeltochter und habe beim Aufsagen der Präsidenten oder Primzahlen die Reihenfolge durcheinandergebracht.
Die junge Wissenschaftlerin ließ indes den Reporter gar nicht mehr zu Wort kommen: »Das unbestreitbare Manko der Erde ist, dass wir ihren Flug nicht lenken können. Wir kreisen mit ihr jahraus, jahrein um die Sonne, und das Sonnensystem treibt mit 43000 Meilen pro Stunde in Richtung M 13, ohne diesen Kugelsternhaufen je zu erreichen. Das ist nicht gerade die Art Raumfahrt, die ich mir vorstelle, Dave. Aber sobald wir hier in Gaia Zwei gelernt haben, dauerhaft autark von Gaia Eins zu überleben, werden wir uns auf den Weg machen: zuerst zum Mond, dann zum Mars und immer weiter. Wir werden die Richtung selbst bestimmen. Unsere Zukunft –«
»Miss Servadac!«
Von Gerhild unbemerkt war Juana in das Zimmer gekommen und hatte die Fernbedienung von der Sofalehne genommen, den Ton abgestellt. Zu den Lippenbewegungen von Ava de Waal hörte Gerhild nunmehr die Suada ihrer Pflegerin: Sie möge, um Himmels willen, den Fernsehapparat nicht immer so laut drehen, für viele ihrer Mitbewohner sei die Mittagsruhe geradezu überlebenswichtig; auch gebe es gar keinen Grund für diesen Lärm, schließlich brauche sie doch bloß zu klingeln und sofort käme jemand, der ihr beim Einsetzen des Hörgerätes helfen könne. – Und so weiter.
Die von ihrer Pflegerin ins Feld geführten Mitbewohner tat Gerhild als taub wie Amöben ab: Als einzige Ausnahme lasse sie Anderson Hawthorne gelten, der lediglich schwerhörig sei, jedoch niemals ein Wort der Beschwerde äußern würde, da – dies erwähnte sie nicht – der alte Zausel starrsinnig darauf beharrte, unsterblich in Gerhild verliebt zu sein. Überhaupt würden die restlichen Bewohner der Bristlecone Residence doch nur noch mit Pillen und Medizingeräten, wenn nicht gar mit Voodoo am Leben erhalten, auf dass der Rubel weiter rolle.
Als sie den Blick ihrer Pflegerin bemerkte, ahnte Gerhild, dass sie wieder einmal unbemerkt ins Deutsche verfallen war. Eilig lenkte sie ein: »Schon gut, Juanita, schalten Sie die verdammte Kiste gleich ganz aus. Die Sendung ist eh vorbei.«
Im Laufe der Geschichte sind die Figuren des Romans mit Verweisen verknüpft. Diese dienen zum direkten Sprung zu den Miniaturen im letzten Kapitel.
Für dieses erste Kapitel gibt es mehrere Lektürepfade. Sie können das Kapitel wie gewohnt Seite für Seite lesen. LeserInnen, die eine chronologisch erzählte Geschichte bevorzugen, sollten nicht dem gewohnten Seitenverlauf folgen, sondern den verlinkten Verweisen am Ende der Textfragmente (→). Der Ausgangspunkt dieses Pfades ist hier.
→ Archaeopteryx lithographica
Sein Schädel war bis zur Schwanzwirbelsäule zurückgebeugt, der Schnabel weit aufgerissen. Gerade so, als sei der Urvogel zum Zeitpunkt seines letzten Schreies fest vom Kalkstein umfasst worden.
Theodor Wilhelm Leudoldt schloss die Augen. Und sah nunmehr sich selbst, aus verwegener Höhe abgestürzt, seinen Körper verdreht im Wasser liegen. Von einer Brücke herab beobachteten seine Eltern, wie die Strömung Schlamm und Sand über ihren Sohn spülte, Schicht um Schicht ablagerte, bis er vollständig bedeckt war. Dabei weinten sie nicht, waren vielmehr stolz, dass Theodor dereinst eine weltberühmte Versteinerung sein würde.
Doch ehe seine fossilen Überreste Jahrtausende später von Steinbrucharbeitern entdeckt und in ein Museum verbracht werden konnten, fühlte sich Theodor rabiat aus der Tiefe emporgerissen. – Herr Hälßig zerrte ihn am Ohrläppchen zum Katheder. Er drückte Theodors Kopf neben dem Gipsabdruck des versteinerten Vogelkadavers nieder und holte Schwung. Als der Lehrer schließlich wieder zu Atem kam, deutete er mit dem Rohrstock auf den Schnabel des Urvogels und fragte Theodor ein weiteres Mal, was ihm diese kurzen spitzen Zähne verrieten.
→ Ω-Σ-Ρ
Zurück aus dem Badischen, wirkte Beyer weit blasser als zuvor. – Theodor argwöhnte, der alte Herr habe es mit dem Kurprogramm übertrieben. Auch die privaten Unterlagen, die ihm der Kommerzienrat über den Schreibtisch zuschob, machten einen maladen Eindruck: Bei solch formloser Buchführung hatte Beyer im rauchgetrübten Licht der Spielsäle zwangsläufig den Überblick verlieren müssen. Bereits dem ersten, flüchtigen Anschein nach würde die Grundsteinlegung für das Flugzeugwerk nicht im Frühjahr stattfinden können – womit Theodor seinen Heiratsantrag ebenfalls in unkalkulierbare Ferne rücken sah. Während er die Zwischensummen listete, ertappte er sich dabei, wie er an das aussichtsreiche Stehpult unmittelbar vor dem Separee seines ehemaligen Abteilungsleiters zurückdachte.
Nachdem sich die Zahlen vor seinen Augen zu kaum nachvollziehbaren, nichtsdestotrotz arithmetisch akkuraten Aussagen geordnet hatten, wurde deutlich, dass die unerwarteten Fehlbeträge niemals durch die Flugzeuglotterie gedeckt werden könnten. Um so überraschender fand es Theodor, dass nun seine alsbaldige Ernennung zum Vizedirektor des neuen Werkes ins Gespräch kam.
→ Erkenntlichkeit
Mit seinem Abschlussaufsatz Deutsche Gleise im Osmanischen Reiche begeisterte Theodor nicht nur seine Lehrer, sondern auch den Vorsitzenden der Gothaer Sektion des Vereins zur Förderung des Eisenbahnwesens – seinen Großvater und Vormund Otmar Senkel.
Theodor hatte in seinem Aufsatz weder die Heißdampftechnik noch die Nachteile des Kameltreiberwesens oder die brachliegende Weite Anatoliens unerwähnt gelassen. Seine wichtigste Quelle ferriviatischer, ökonomischer und landeskundlicher Details waren die monatlichen Vorträge des Vereinsvorsitzenden Senkel gewesen. Diese Fachkenntnisse hatte er mit Formulierungen aus Zeitungsartikeln, vorwiegend mit Äußerungen Seiner verwoben – und auf diese Weise seinen eigenen, nichtsdestotrotz sofort vertraut klingenden Ton gefunden.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!