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Nach einem Schicksalsschlag will Mia das Leben in vollen Zügen geniessen. Wohin es sie auch verschlägt, sucht sie stets Erlebnisse, die sie erfüllen und ihr Herz zum Tanzen bringen. Gegen Ende ihres Sommerjobs trifft sie ausgerechnet auf Christian, der als Gründer eines IT-Start-ups einen Erfolg nach dem anderen feiert und kaum eine Minute Freizeit zur Verfügung hat. Fasziniert voneinander verbringen sie eine Nacht unter freiem Himmel und verlieren sich aus den Augen, doch vergessen kann sie ihn nicht.
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Inhaltsverzeichnis
Eins
Zwei
Drei
Vier
Fünf
Ich danke dir
Impressum
Für eine Nacht und einen Kuss
Kurzgeschichte
Andrea Ego
Für dich, mein Schatz
Weil ich keinen einzigen Tag mit dir bereue.
Ich schloss die Augen und sog die Spätsommerluft tief in meine Lunge. Sie roch nach warmer Erde und unter meinen Füssen brechenden Tannennadeln. Die Sonnenstrahlen fielen auf mein Gesicht, die Äste über meinem Kopf spielten damit und malten bizarre Muster auf meine Haut und den Waldboden.
Meine Schultern entspannten sich, ich atmete befreiter. Ein paar Minuten hatte ich noch, bis ich wieder umkehren und zur Arbeit gehen musste. Die Stunde direkt nach dem Mittagsandrang war herrlich.
Ich setzte mich auf den Baumstumpf, den ich vor Wochen als meinen Sitzplatz auserkoren hatte. Er strahlte die Wärme des Tages aus, die den Hochsommer trotz der erhöhten Lage in den Bergen spürbar machte. Ich liess den Labrador-Mischling Rudolf von der Leine. Ohne zu zögern, sprang der betagte Hund auf den kristallklaren See zu, um ein paar Schlucke zu trinken und sich mit den Vorderpfoten ins kühle Nass zu stellen. Der See mass kaum zweihundert Meter im Durchmesser, doch sein hellblaues Wasser und die unberührte Natur rundherum zogen mich jeden Tag aufs Neue in ihren Bann.
Ich liebte meinen Platz.
Gedankenverloren beobachtete ich den Rüden, wie er die Libellen in ihrem Flug fixierte. Einmal sah es ganz danach aus, als wollte er einer nachspringen, aber er erinnerte sich noch früh genug an seine müden Gelenke. Ein Lächeln huschte mir übers Gesicht.
Nur noch ein paar Minuten, ehe mich der Stress der Welt wieder begrüsste. Nur wenige Schritte, die mich von all den Touristen trennten, die bald ihren Kaffee mit Kuchen bestellten, ein Eis für ihre Kinder, den warmen Apfelkuchen mit Vanillecreme, für den sogar ich eine besondere Schwäche hatte. Die Spaziergänge mit dem Hund meiner Chefin waren der Ausgleich, den ich brauchte. Jeden Nachmittag nach dem grössten Mittagsrummel kamen wir hierher, egal, ob die Sonne schien oder der Regen in Bindfäden aus dem Himmel schoss.
»Rudolf, komm her, mein Junge!« Der braune Rüde sah mich mit seinen treuen, schwarzen Augen an, zögerte einen Moment, trottete dann aber friedlich zu mir. Ich wuschelte ihm durch das struppige Fell. »Wir müssen los.«
Ich erhob mich, klopfte mir den Rock sauber und machte mich auf den Rückweg. Mein Blick folgte dem Ufer, bis er an einer Gestalt unter der mächtigen Tanne hängen blieb. Rudolf und ich versteckten uns dort, wenn der Regen kein Einsehen mit uns haben wollte.
Der Mann sass in einem Campingstuhl, einen Laptop auf dem Schoss. Mit schnellen Fingern hackte er auf die Tastatur ein, als wäre sie eine Zwiebel, die er in winzige Stücke hauen musste.
Ich schmunzelte. »Soll ich ein Hackbrett bringen?«, rief ich ihm zu.
Er drehte sich zu mir um, als hätte ich ihn erschrocken, dann eroberte ein geschäftiges Lächeln sein Gesicht. Geduldig wartete er, bis ich in Hörweite stehen blieb. »Gern. Wenn Sie denn gut spielen können.« Ein Zwinkern erhellte seine Augen. Von den kastanienbraunen Haaren wagte sich kein einziges an einen falschen Platz, die Lippen waren schmal und der Kiefer breit.
Ich stemmte die Hände in die Hüften und nickte ihm zu. »Ihre Tastatur hört sich auch nicht gerade sehr musikalisch an.«
»Oh, musikalisch bin ich nicht.« Offensichtlich hatte er ein Einsehen mit mir und klappte den Laptop zu. »Aber das muss ich auch nicht sein, dafür gibt es ja Noten. Man weiss, wie lange ein Ton sein muss, wie er klingen soll. Das ist wie beim Kochen. Ein halbes Kilo Mehl, drei Eier … Alles ist definiert.«
»Ist das nicht eine traurige Denkweise?«, entfuhr es mir, ohne dass ich es geplant hatte. Der Mann kam mir bekannt vor, vermutlich hatte er schon etwas bei mir bestellt. Aber am Bergkiosk kamen und gingen so viele Leute, dass ich mir unmöglich alle Gesichter merken konnte.
Der Gedanke an die Arbeit erinnerte mich daran, dass sich Kinder auf ein Eis und ihre Eltern sich auf ihren Espresso freuten. Ich warf einen Blick in die Richtung, in der die dunkle Holzhütte mit einfacher Küche und winzigen Räumen lag. Meine Chefin wartete auf mich und wahrscheinlich noch sehnlicher auf Rudolf.
»Es ist unsere Zeit«, antwortete er mechanisch lächelnd auf meine Frage. »Um sechs stehen wir auf, duschen, lassen die Maschine unseren ersten Kaffee machen. Wir nehmen den Bus, fahren ins Büro, arbeiten, essen, arbeiten. Gehen nach Hause und warten, bis wir ins Bett fallen.«
Mit jedem seiner Worte wurde mir schwerer ums Herz. Ich schluckte den Kloss in meinem Hals hinunter, darauf hoffend, dass er sich schnell wieder verzog. Auch ich hatte einmal in dieser Maschinerie gelebt, es war noch gar nicht so lange her. Aber jetzt …
Ganz leicht schüttelte ich den Kopf und zwang mich zum fröhlichsten Lächeln, das ich auf meine Lippen zu locken vermochte. »Gegessen habe ich, jetzt will gearbeitet werden«, erwiderte ich als Anspielung auf seine Aussage. Ich nickte ihm knapp zu und verliess die Tanne und den Ort der Ruhe fluchtartig.
Ich wollte nicht wieder daran erinnert werden.
***
»Gern mit Sahne?«, fragte ich das Mädchen, das mich mit grossen Augen hinter der dicken Brille anstarrte, als wäre ich der Erzengel Gabriel höchstpersönlich. Ich wusste nicht so recht, ob sie die Augen wirklich so weit aufgerissen hatte oder ob die Gläser ihren Beitrag dazu leisteten.
Das Zahnspangenlächeln verbreiterte sich zu einem Strahlen. »Au ja!«
Ob ihrer Freude musste ich innerlich lachen. Ich wollte das Mädchen nicht verunsichern, also behielt ich meine Freude für mich, spritzte extra viel Sahne darauf und erntete noch einen begeisterten Blick aus grossen, glänzenden Augen.
Die Mutter bezahlte für das Eis und die Cola. Ich sah dem Mädchen zu, wie sie ihren Eisbecher an der Seite ihrer lächelnden Mutter balancierte und an ihren Tisch brachte.
»Da haben Sie ihr aber eine Freude gemacht«, durchbrach eine tiefe Stimme meine Gedanken.
Ich räusperte mich und wandte mich dem nächsten Gast zu. Nur noch wenige Minuten, dann war es fünf Uhr, und ich hatte Feierabend. Da ich hinter dem Mädchen und ihrer Mutter niemanden gesehen hatte, rechnete ich nicht mit weiteren Gästen. Viele waren bereits auf dem Heimweg oder luden die Wanderschuhe in ihre Autos, um in die Täler und ihre Wohnungen zu hetzen, damit sie morgen in ihren Büros arbeiten gehen konnten.
---ENDE DER LESEPROBE---