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Florian - immer wieder Florian! Oh wie Annabella Prinzessin von Eichrodt diesen Namen mittlerweile hasst. Florian, der Prächtige, der gerade - natürlich mit "summa cum laude" - promoviert hat. Florian, der Großartige, der als Jurist der perfekte Vorstand des Eichrodtschen Besitzes wäre. Als Waisenkind weit entfernter Verwandtschaft einst von Annabellas Familie aufgenommen, sieht sich die Prinzessin seit ihrer Kindheit ständigen Vergleichen ausgesetzt - bei denen sie, gefühlt, immer deutlich schlechter abschneidet. Und dann besitzt Florian auch noch die Frechheit, zu einem unverschämt attraktiven Mann mit einem nicht unbeträchtlichen Erbe seiner verstorbenen Eltern heranzuwachsen. Und nicht erst seit gestern macht er aus seinen Gefühlen für Annabella keinen Hehl. Lächerlich, sie zu erwidern - wo er doch ihr größter Feind ist um die Aufmerksamkeit und Zuneigung ihres Vaters. Der wiederum sähe nichts lieber als eine Verbindung seiner Tochter und seines Ziehsohnes - ein Grund mehr für Annabella, allein schon aus Trotz Florian zu hassen. Doch das ist gar nicht so einfach ...
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Seitenzahl: 122
Cover
Im Labyrinth der Gefühle
Vorschau
Impressum
Im Labyrinth der Gefühle
Eine Prinzessin zwischen Hass und Liebe
Von Marion Alexi
Florian – immer wieder Florian! Oh wie Annabella Prinzessin von Eichrodt diesen Namen mittlerweile hasst. Florian, der Prächtige, der gerade – natürlich mit »summa cum laude« – promoviert hat. Florian, der Großartige, der als Jurist der perfekte Vorstand des Eichrodtschen Besitzes wäre. Als Waisenkind weit entfernter Verwandtschaft einst von Annabellas Familie aufgenommen, sieht sich die Prinzessin seit ihrer Kindheit ständigen Vergleichen ausgesetzt – bei denen sie, gefühlt, immer deutlich schlechter abschneidet. Und dann besitzt Florian auch noch die Frechheit, zu einem unverschämt attraktiven Mann mit einem nicht unbeträchtlichen Erbe seiner verstorbenen Eltern heranzuwachsen. Und nicht erst seit gestern macht er aus seinen Gefühlen für Annabella keinen Hehl. Lächerlich, sie zu erwidern – wo er doch ihr größter Feind ist um die Aufmerksamkeit und Zuneigung ihres Vaters. Der wiederum sähe nichts lieber als eine Verbindung seiner Tochter und seines Ziehsohnes – ein Grund mehr für Annabella, allein schon aus Trotz Florian zu hassen. Doch das ist gar nicht so einfach ...
Der Ausblick war beeindruckend. Eigentlich war er spektakulär, denn er reichte von der Parkfassade des zartgelben Schlosses über die klug angelegten Gärten mit ihren imposanten Baumgruppen, den weiten Rasenflächen, darüber kobaltblaue Pfauen stolzierten, sowie den vor vielen Jahren schon angelegten Blickachsen bis hinüber zu den beiden Türmen von St. Marien und St. Jacobi, dies eine Pilgerkirche.
Schwalben schossen kühn durch die schon heiße Luft vor dem Hintergrund des lichtblauen, mit winzigen weißen Wolken heiter gesprenkelten Himmels. Frische Brisen sorgten dafür, dass die dicht belaubten Baumkronen sich langsam hin und her wiegten, und irgendwo arbeitete unermüdlich ein Specht.
Aus dem weit geöffneten Fenster des kleinen, behaglich eingerichteten Salons im zweiten Stockwerk des Westflügels jedoch wurde kein einziger Blick geworfen. Weder hörte Annabella Prinzessin von Eichrodt das Hämmern des Spechts noch spürte sie den warmen Windhauch, der betörend süße Düfte aus dem Rosengarten herüberbrachte. Sie lauschte nicht einmal dem leisen Klingen, das durch den späten Sommervormittag flirrte.
Die schlanke junge Frau mit dem glatten maronenbraunen Haar war ganz Aufmerksamkeit für das Skizzenbuch, das vor ihr auf dem Schreibtisch lag.
Würde es ihr endlich gelingen, das vor Tagen schon begonnene Gedicht zu beenden? Es war ja viel schwerer als gedacht, die richtigen Worte für eine Mondnacht zu finden, in der das Herz vor Kummer brechen wollte.
Obwohl, überlegte Annabella konzentriert, der Begriff Kummer irgendwie irreführend war. Es ging ja tatsächlich um das unerträgliche Gefühl des Nichtverstandenwerdens sowie die Qual, sich nirgendwo wirklich heimisch zu fühlen.
Sie seufzte auf. Keinesfalls wollte sie kitschig klingen, sondern authentisch, unbedingt aufrichtig. Echt! Andererseits mochte sie nicht zu viel von sich preisgeben, ihre geheimen Empfindungen gehörten ihr allein. Grässlicher Gedanke, dass irgendwelche Nieten meinten, sich nach der Lektüre ihrer Gedichte in ihrer Gefühlswelt auszukennen. Und womöglich machten sie sich noch darüber lustig. Großes Risiko.
Seit dem Frühstück kämpfte sie nun um die besten Formulierungen und hatte doch nicht mehr als die erste Zeile geschafft. Ach, und die war auch nicht wirklich grandios.
Sollte sie das mit feinem rotem Maroquinleder gebundene Buch mit den von ihr angefertigten Bleistiftskizzen zuklappen und das Dichten vernünftigerweise lassen? Womöglich hatte ihr Papa ja recht mit seiner ungeheuer kränkenden Vermutung, ihr Talent auf diesem Gebiet sei eher überschaubar.
Annabella presste die Lippen aufeinander. Doch plötzlich geschah etwas Unerwartetes, ganz und gar Sensationelles: Sie sah die ganze romantische Mondlichtszenerie fabelhaft deutlich vor sich. Und sie wusste wunderbarerweise genau, was sie schreiben sollte, als führte ihr jemand die Hand, der über viel Erfahrung verfügte und sie perfekt zu interpretieren wusste. Der Füllfederhalter glitt elegant wie von selbst über das Papier, oh, oh, oh, es waren köstliche Momente der Kreativität. Kaum wagte Annabella, zu atmen.
Ein Klopfen riss sie jäh aus der entrückten Stimmung. Ihr Herz, eben noch beflügelt, himmlisch leicht, stürzte ab.
Schon öffnete sich die Tür – ohrenbetäubend knarrend.
»Ich störe hoffentlich nicht, Prinzessin.«
Annabellas türkisblaue Augen wurden schwarz vor Zorn. Die Störung war kapital, unverzeihlich, grausam, denn die Pforten des Paradieses hatten sich geschlossen. Für immer?
Das Hausmädchen schrumpfte unter dem zornigen Blick.
»Ich wollte doch nur Bescheid sagen. Er ist da, eben gekommen!«, rief Holly aufgeregt. »Und Seine Durchlaucht sieht cool aus. Wie früher, also wie befreit von einer schweren Last.«
»Na fein«, knurrte die Prinzessin eisig.
Keine weitere Reaktion. Deshalb zog sich Holly nach einer Weile unschlüssigen Wartens zurück.
Als sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, beugte sich Annabella über ihr Skizzenbuch, hoch angespannt. Würde es ihr gelingen, jene geheimnisvolle Macht erneut zu beschwören, die ihr diese fantastischen Worte diktierte?
Besser hätte nicht mal ein Goethe silbrig schimmerndes Mondlicht beschreiben können. Annabella überflog entzückt die beiden Verse, die von schmerzlicher Einsamkeit kündeten und der Sehnsucht nach einer ähnlich empfindenden Seele.
Das war ja glänzend geschrieben. Schlicht und edel. Unwillkürlich füllten sich ihre Augen mit Tränen.
Sie griff erneut zum Füllfederhalter. Und, oh Wunder, es funktionierte wieder, sie konnte weiterschreiben, zu Papier bringen, was sie ausdrücken wollte, es war himmlisch.
»Annabella? Bist du da? Dein lieber Papa wünscht dringend, dich zu sehen.«
Ein diskretes Klopfen an der Tür verriet, dass sich nunmehr ihre Stiefmutter Thyra in den Westflügel begab.
Die schöpferische Phase platzte gleich einer Seifenblase. Die junge Frau am Schreibtisch fühlte sich leer, erschöpft. Und hätte doch jeden, der es wagte, sich ihr zu zeigen, glatt mit ihren eigenen Händen erwürgen können.
»Annabella, ist es gestattet? Darf ich?«
Nein!, brüllte die Prinzessin. Allerdings nur stumm.
Doch sie packte den gläsernen Briefbeschwerer, rund und schwer, darin ein für die Ewigkeit eingeschlossener Schmetterling, um ihn gegen die Tür zu schleudern, sollte ihre Stiefmama es wagen, ihren Salon zu betreten.
Die Tür öffnete sich. Herein trat die silberblonde, seit jeher mit ihrem Gewicht kämpfende und stets verlierende Thyra von Eichrodt in Pistaziengrün, eine Farbe, die sie bedauerlicherweise noch blasser machte, woran das wie immer zu dick aufgetragene Rouge leider nichts zu ändern vermochte.
Mit schüchterner Miene, doch jubelnder Stimme informierte sie Annabella über die zweifellos vom ganzen Schloss als ungeheuer interessant empfundene Ankunft von Florian.
Annabellas Brauen flogen hoch, völlig unbeeindruckt. Hatte Florian Superstar bisher nicht in allen Semesterferien Schloss Hohenwiesen mit seiner Anwesenheit beehrt?
Überschlug sich vielleicht irgendjemand, wenn sie von irgendeiner Reise zurückkehrte? War noch nie vorgekommen.
»Es gibt Neuigkeiten«, fügte Thyra eifrig hinzu. »Florian ist promoviert worden und darf sich jetzt Doktor nennen, ist das nicht prachtvoll? Oh, dein Papa ist so stolz auf ihn!«
Und ihre Gedichte nahm er nur flüchtig zur Kenntnis! Annabella dachte selbstverständlich nicht daran, ihren Salon zu verlassen, um in den Chor der Bewunderung einzustimmen.
Florians Fanclub brauchte keine Verstärkung.
»Wir werden heute etwas früher speisen«, fügte Thyra beschwingt hinzu. »Und – in der Goldenen Galerie.«
Dort fanden immer die Festbankette statt. Wahre Angstpartien für Thyra mit dem schwachen Selbstwertgefühl, die sämtlichen Anwesenden unterstellte, vor allem ihrer parkettsicheren Schwiegermama Fabiana, sie für unfähig zu halten.
»Ein Fest für Florian?«, erkundigte sich Annabella spitz.
Thyra nickte bestätigend, mit leuchtenden Augen.
Na klar, dachte Annabella und ballte die Hände zu Fäusten. Wenn es um Florian geht, gibt's keine Panikattacken.
»Wir möchten die erfolgreiche Promotion feiern. Dabei darfst du natürlich nicht fehlen, liebe Annabella«, versicherte Thyra und lächelte in die Blitze schleudernden Augen der Prinzessin. »Du willst Florian gewiss auch gratulieren. Kommst du?«
Auf keinen Fall. Niemals. Sie machte sich doch nicht zum Affen. Und ganz davon abgesehen dürfte Florian ihre Huldigung auch schnuppe sein, er hatte sie ja noch nie leiden können.
»Gleich«, murmelte Annabella, schob das Skizzenbuch in die Schublade und erhob sich. Sauer. Nervös. Mit klopfendem Herzen.
Völlige Stille im sogenannten Kleinen Treppenhaus, in der die Eichentreppe mit dem kunstvoll gedrechselten Geländer plus Balustrade dominierte. Die ahorngetäfelten Wände verschwanden fast unter den Brüsseler Wandteppichen aus dem späten 17. Jahrhundert. Überall Schnitzereien und Ornamente.
Annabella entschloss sich nach angemessener Wartezeit, das Treppenhaus zu durchqueren. Schnellstmöglich. Geräuschlos. Hier würde sie niemand vermuten, die Familie dürfte sich inzwischen in der Goldenen Galerie eingefunden haben, alles drehte sich um Florian, also wie immer.
Nichts wie weg, dachte sie, der enorm viel daran lag, so viel Abstand wie möglich zwischen sich und die Goldene Galerie zu bringen.
Ihr Ziel war der Pferdestall. Sie würde ihre Stute Artemis aufsatteln und losreiten, querfeldein, oh, sie würde es genießen, den Wind im Gesicht zu spüren. Alles war möglich, wenn sie im Sattel saß und Hohenwiesen hinter sich wusste.
»Stopp«, sagte eine ältere, wohl freundliche, doch unverkennbar befehlsgewohnte Frauenstimme, als die Prinzessin frohlockend den ersten Treppenabsatz erreichte. »Ich fürchte, das ist der falsche Weg zur Goldenen Galerie, Liebes.«
»Großmama!« Annabellas Heiterkeit verabschiedete sich jäh. Sie schob die Unterlippe vor. »Woher wusstest du ...?!«
Fabiana Herzogin von Reye, Mutter des Prinzen Nikolaus und inzwischen bedauerlicherweise zum zweiten Mal verwitwet, verließ den schattigen Hintergrund und bog den Kopf zurück, um der Enkelin zuzuzwinkern.
»Das bleibt mein Geheimnis. Doch nun sei brav und komm runter.«
Annabella sank auf die nächste Stufe der Holztreppe.
Die Herzogin, groß und schlank, vor Energie sprühend, lächelte nachsichtig.
»Und was wird das? Ein Sitzstreik?«
»Großmama, zwing mich bitte nicht, dich zu begleiten.«
Annabella verschränkte die Arme und blickte trotzig.
»Das habe ich keinesfalls vor. Du wirst selbstverständlich mitkommen, Annabella, denn wir beide wissen, dass es deinen Papa sehr kränken würde, wenn du fernbliebst.«
Fabiana trug Grau, ihre Lieblingsfarbe. Dazu hatte sie ihren Rubinschmuck gewählt und sich sogar ein filigranes Diadem ins silberne Haar gesteckt. Dem Anlass entsprechend.
»Ich verstehe den Wirbel nicht«, murmelte Annabella. »Und nun noch die Goldene Galerie. Als wäre er Papst geworden.«
»Summa cum laude«, fügte Fabiana anerkennend hinzu. »Das ist keine Kleinigkeit, nicht wahr. Unser Florian dürfte tüchtig dafür gelernt haben.«
»Mit seinem exquisiten Intellekt schafft er doch alles.«
»Höre ich da Ironie heraus oder Lob?« Fabiana raffte kurz entschlossen das bodenlange Kleid und stieg die Treppe empor, hechtgraue Seide raschelte. »Mein liebes Mädchen, wenn ich dich nicht so gut kennen würde ...«
»Sag es nicht, Großmama.«
»Wenn ich nicht genau wüsste, dass du ...«
»Großmama, ich bin nicht eifersüchtig auf Florian! Mich nervt nur dieser unglaubliche Bombast. Meine Güte, fehlen nur noch Pauken und Trompeten, Trommelwirbel. Kinderchöre!«
Die alte Dame betrachtete Annabella nachdenklich. Und in ihren Augen spiegelte sich sowohl grenzenlose Liebe für die junge Frau als auch grenzenloses Verständnis.
Dann, einem plötzlichen Impuls folgend, nahm sie neben Annabella Platz. Auf einer Holzstufe ohne Kissen. Einfach so. Weil sie bei aller Eleganz und klugen Weltläufigkeit eine Frau war, die stets ihrem Herzen den Vorrang einräumte.
»Bei allen Vorzügen, Annabella, über die er tatsächlich reichlich verfügt, ist unser lieber, staunenswert hochbegabter Florian im Grunde doch ein Menschenkind, dem das Leben schon reichlich unfair mitspielte, meinst du nicht auch?«
Annabella begehrte auf: »Ich habe meine Mutter auch früh verloren. War das etwa kein Schicksalsschlag?!«
»Ein heftiger sogar. Doch Florian hat beide Eltern nicht mehr. Er und seine Zwillingsschwester Frida standen von einem Tag auf den anderen allein und recht schutzlos da, bis wir als entfernte Verwandte sie aufnahmen. Das nenne ich grausam. Und beide Kinder waren alt und verständig genug, um zu begreifen, welchen Verlust sie erlitten hatten.«
»Als Mama starb, war ich ein Baby. Aber ich vermisse sie nicht weniger als Frida und Florian ihre Eltern. Ganz kleine Kinder kriegen auch schon eine Menge mit, Großmama.«
»Das ist wohl so. Leider.« Hier schob Fabiana den Arm um die Enkelin, um sie an sich zu ziehen. »Doch in deinem Fall war ich von Anfang an bei dir, an deiner Seite. Und bis zum heutigen Tag sind wir doch ein feines Team gewesen, oder?«
»Aber ja, Großmama. Ich bin dir auch wahnsinnig dankbar für alles, was du für mich getan hast. Eine Menge, wenn man bedenkt, wie wahnsinnig stur Papa ist. Nicht mal ein Pony wollte er mir gönnen. Das hast du durchgesetzt.«
»Er fürchtete immer, auch dich zu verlieren, dein Papa. Ich werde nie vergessen, wie traurig die ersten Jahre nach Claritas tragisch frühem Tod waren. Eine schwere Zeit für ihn. An nichts mehr hatte er die geringste Freude.«
»Na klar«, stieß Annabella bitter hervor. »Ich war ja auch nur ein Mädchen, leider nicht der erhoffte Erbprinz. Wie schön für ihn, dass irgendwann Florian hier auftauchte.«
»Solltest du vergessen haben, in welchem Seelenzustand die beiden Geschwister hier ankamen?« Nun mischte sich eine gewisse Schärfe in Fabianas Stimme. »Florian und Frida, sie waren beide erbarmungswürdig verstört. Es hat gedauert, bis sie uns vertraut und sich hier heimisch gefühlt haben. Dein Vater hat sich übrigens rührend um sie gekümmert.«
»Und mir traut Papa nichts zu! Aber von Florian schwärmt er, der durfte alles, sogar studieren und promovieren!«
»Du bist das Ein und Alles deines Papas, Schatz.«
»Ne!«, widersprach Annabella. »Das ist Florian der Große. Florian der Magische, dessen Charisma alles vermag.«
Fabiana lachte schallend und erhob sich, sich am Geländer hochziehend.
»Was sich liebt, das neckt sich?«, zog sie ihre Enkelin bewusst auf.
»Ich hasse ihn! Weil ich Mr. Besserwisser von Anfang an durchschaut habe! Mich wickelt niemand ein!«, beteuerte Annabella mit Inbrunst. »Oh doch, Großmama, der ach so betörende Florian lässt doch alle blass aussehen. Absichtlich! Die arme Frida hat er gar zum Verstummen gebracht!«
»Das hat wohl andere Gründe«, warf Fabiana leise ein.
Annabella zog die Brauen zusammen. »Und welche?«
»Beide Geschwister sind ungewöhnlich sensibel. Doch Frida ist viel schutzbedürftiger, weil weniger stabil.«
»Das müsste Florian eigentlich wissen.«
»Er weiß es, glaub mir.«
»Und trotzdem ist ihm seine Karriere wichtiger?«
»Wichtiger als Frida? Da irrst du, mein Liebes.«
Annabella fiel auf, dass die Prinzessin nicht nach Hohenwiesen gekommen war, um Florians Promotion zu feiern.
»Nun komm, Annabella«, drängte Fabiana mit sanfter Eindringlichkeit. »Wir wollen niemanden auf uns warten lassen.«
»Ach, Großmama, dieses dämliche Festessen in der Galerie kann mir gestohlen bleiben. Wer applaudiert denn mir?«
»Wozu dürften wir dir denn applaudieren?«
»Hat Papa jemals einen meiner Texte gelesen? Und ich bin sicher, dass Florian meine Gedichte belächelt.«
»Hast du ihm jemals die Chance gegeben, eins zu lesen?«
»Hüten werde ich mich. Weil er eh nichts davon versteht. Juristen und Lyrik, das ist ein Widerspruch in sich.«
»Aha. Schade. Denn ich mag deine Gedichte«, bekräftigte Fabiana.
»Das ist etwas total anderes.«
»Weil ich dich lieb habe?« Fabianas Augen funkelten. Und sie neckte die Enkelin: »Aber vielleicht, wer weiß ...«
Annabella fiel ihr schroff ins Wort: »Ich möchte Journalistin werden, Großmama.« Schwerer Seufzer. »Wirst du mir dabei helfen, Papa zu überzeugen, dass es der richtige Job für mich ist? Du weißt doch, wie altmodisch er ist.«
»Konservativ.«
»Ich will mein Leben nach meinen eigenen Vorstellungen gestalten«, verkündete Annabella flammend. »Auf eigenen Füßen will ich stehen, unabhängig sein. In jeder Beziehung.«
Fabiana fragte leise: »Und die Liebe, mein Kleines?«
»Noch lange nicht. Wenn überhaupt.« Nach dieser kategorischen Feststellung fragte Annabella argwöhnisch: »Sag mal, lachst du mich womöglich aus?«