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Unkraut vergeht nicht: Der achte Fall für Steif und Kantig Isabella Steif und Charlotte Kantig freuen sich auf den Frühling. Die ersten Blumen blühen und die Pflanzzeit hat begonnen. Passenderweise hat ein neues Gartencenter in Oberherzholz aufgemacht und mit ihm ein Aussteigerprojekt für drogenabhängige Jugendliche, die dort arbeiten. Als Charlotte bei einem Spaziergang mit ihrem Hund Balu von einem herabfallenden Ast getroffen und ohnmächtig wird, denkt sie sich zunächst nichts dabei. Kurze Zeit später findet sie jedoch in ihrem Garten vergiftete Hundeköder. Wer hat es auf Balu abgesehen und warum? Als kurz darauf die Leiche einer jungen Mitarbeiterin des Gärtnereibetriebs gefunden wird, ist die Verwirrung bei den Schwestern endgültig perfekt. Aber die beiden wären nicht Steif und Kantig, wenn sie nicht auch in diesem Fall den richtigen Riecher hätten … Entdecken Sie auch die weiteren Fälle von Steif und Kantig: - Band 1: Steif und Kantig - Band 2: Kühe, Konten und Komplotte - Band 3: Landluft und Leichenduft - Band 4: Hengste, Henker, Herbstlaub - Band 5: Felder, Feuer, Frühlingsluft - Band 6: Schnäpse, Schüsse, Scherereien - Band 7: Mondschein, Morde und Moneten - Band 8: Gärtner, Gauner, Gänseblümchen - Band 9: Dünen, Diebe, Dorfgeplänkel - Band 10: Printen, Plätzchen und Probleme - Band 11: Komplizen, Kappen, Karneval - Band 12: Halunken, Horror, Halloween - Band 13: Blüten, Birken, Bösewichter
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Gärtner, Gauner, Gänseblümchen
Gisela Garnschröder ist 1949 in Herzebrock/Ostwestfalen geboren und aufgewachsen auf einem westfälischen Bauernhof. Sie erlangte die Hochschulreife und studierte Betriebswirtschaft. Nach dem Vordiplom entschied sie sich für eine Tätigkeit in einer Justizvollzugsanstalt. Immer war das Schreiben ihre Lieblingsbeschäftigung. Die berufliche Tätigkeit in der Justizvollzugsanstalt brachte den Anstoß zum Kriminalroman. Gisela Garnschröder wohnt in Ostwestfalen, ist verheiratet und hat Kinder und Enkelkinder. Sie ist Mitglied bei der Krimivereinigung Mörderische Schwestern, beim Syndikat und bei DeLiA.
Isabella Steif und Charlotte Kantig freuen sich auf den Frühling. Die ersten Blumen blühen und die Pflanzzeit hat begonnen. Passenderweise hat ein neues Gartencenter in Oberherzholz aufgemacht und mit ihm ein Aussteigerprojekt für drogenabhängige Jugendliche, die dort arbeiten. Als Isabella bei einem Spaziergang mit ihrem Hund Balu von einem herabfallenden Ast getroffen und ohnmächtig wird, denkt sie sich zunächst nichts dabei. Kurze Zeit später findet sie jedoch in ihrem Garten vergiftete Hundeköder. Wer hat es auf Balu abgesehen und warum? Als kurz darauf die Leiche einer jungen Mitarbeiterin des Gärtnereibetriebs gefunden wird, ist die Verwirrung bei den Schwestern endgültig perfekt. Aber die beiden wären nicht Steif und Kantig, wenn sie nicht auch in diesem Fall den richtigen Riecher hätten.
Von Gisela Garnschröder sind bei Midnight erschienen:In der Steif-und-Kantig-Reihe:Steif und KantigKühe, Konten und KomplotteLandluft und LeichenduftHengste, Henker, HerbstlaubFelder, Feuer, FrühlingsduftSchnäpse, Schüsse, ScherereienMondschein, Morde und MonetenGärtner, Gauner, Gänseblümchen
Außerdem:WinterdiebeWeiß wie Schnee, schwarz wie Ebenholz
Gisela Garnschröder
Der achte Fall für Steif und Kantig
Kriminalroman
Midnight by Ullsteinmidnight.ullstein.de
Originalausgabe bei MidnightMidnight ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinDezember 2019 (1)
© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2019Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Autorenfoto: © privatE-Book powered by pepyrus.com
ISBN 978-3-95819-282-9
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Die Autorin / Das Buch
Titelseite
Impressum
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel.
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
Leseprobe: Mondschein, Morde und Moneten
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Cover
Titelseite
Inhalt
1. Kapitel
Personen und Handlung dieses Romans sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Ein heftiger Wind begleitet von enormen Regengüssen fegte über das Münsterland hinweg. Die riesigen Eichen an den Höfen knarrten und ächzten unter den Böen, wie die Holzscheite im Kamin unter der Glut des Feuers. Ganze Äste stürzten zu Boden, die Dachziegel an den Stallgebäuden rappelten und wurden von starken Winden reihenweise angehoben und zur Erde geschleudert. Charlotte Kantig stand am Montagmorgen während einer Regenpause vor ihrem Haus und beobachtete mit Sorge die große Kastanie, die dem Haus gegenüber an der Straße stand. Durch die Trockenheit des letzten Sommers war sie stark geschädigt worden und die Mitarbeiter der Stadtwerke hatten den Baum vorsorglich gestutzt. Nun drückten die Sturmböen die Krone des Baumes tief herunter und Charlotte befürchtete das Schlimmste. Wenn der Baum umkippen würde, läge das Dach ihres Doppelhauses, von dem ihre Schwester Isabella Steif die eine Hälfte und sie die andere bewohnte, genau im Zentrum der Gefahr. Immer wieder neigte der Baum sich herüber und sie hoffte inständig, dass der Wind endlich nachlassen würde. Es waren auch nicht nur die heftigen Winde, die momentan das Münsterland heimsuchten, sondern auch die Regenschauer, die dermaßen niederprasselten, dass der Sprokenbach schon an einigen Stellen über die Ufer getreten war und der Regen den Bauern die Frühjahrsbestellung ihrer Äcker unmöglich machte.
Als erneut der Regen einsetzte, verließ Charlotte den Beobachtungsposten unter ihrem Vordach, denn jetzt klatschten ganze Wasserladungen gegen die Haustür, so sehr schüttete es.
Charlotte ging in die Küche und machte sich einen Kaffee. Eigentlich hatte sie sich vorgenommen zur neuen Großgärtnerei zu fahren, die im letzten Sommer aufgemacht hatte. Aber das Wetter war ihr momentan einfach zu schlecht, um schon im Garten zu werkeln, obwohl es bereits Ende März war.
Bauer Aufdemsande hatte im letzten Frühjahr sein Wohnhaus samt Gebäuden und einer Fläche von zehn Hektar an einen Gärtner aus Münster verkauft, weil er keine Nachfolger für die Übernahme finden konnte. Seine drei erwachsenen Kinder waren alle in anderen Berufen untergekommen und nicht bereit, den Hof zu übernehmen. Der Bauer wohnte mittlerweile mit seiner Frau in einem Haus mit großem Garten in der Stadt, das er sich vor Jahren als Altenteil gebaut hatte. Die restlichen zweihundert Hektar seines Betriebes hatte er an die umliegenden Bauern verpachtet und hatte nun durch Rente und die Pachterlöse einen sorgenfreien Ruhestand.
Der Hof war vollkommen verändert worden. Gewächshäuser waren entstanden und große Flächen mit Gehölzen für eine Baumschule angelegt worden. Vor einigen Tagen hatte Charlotte einen Werbeprospekt in ihrem Postkasten gefunden, in dem die Gärtnerei Grünwald mit dem Verkauf von Frühlingsblumen, Kompost und den passenden Pflanzkübeln warb. Alles was man zum Anlegen eines Gemüsebettes brauchte, war ebenfalls dort zu bekommen.
Charlotte brauchte Frühlingsblumen für den Garten und ihre Tontöpfe. Sie wollte sich unbedingt bei der neuen Gärtnerei umschauen, aber nicht solange draußen Weltuntergangsstimmung herrschte.
Fröstelnd blickte sie aus dem Fenster und beneidete ihre Schwester Isabella, die mit ihrem Hund Balu an die Nordsee gereist war und dort ein kleines Ferienhaus angemietet hatte. Natürlich war es auch dort windig, aber Charlotte liebte die See bei jedem Wetter und wäre auch gern am Strand entlanggegangen mit dem Blick auf Wasser und Wellen, aber eine starke Erkältung hatte sie vor zwei Wochen dermaßen aus der Bahn geworfen, dass sie die Reise stornieren musste. Seufzend begann Charlotte mit dem Hausputz.
Gegen Mittag war sie im Obergeschoss fertig und das Wetter hatte sich beruhigt. Der Sturm hatte nachgelassen und der Regen endlich aufgehört. Charlotte checkte ihre Vorräte durch und verließ langsam mit ihrem Auto die kleine Siedlung, um im Hofladen einzukaufen.
Überall lagen Äste und Zweige herum, nicht nur weil der Sturm sie abgeworfen hatte, sondern auch weil Männer vom städtischen Bauhof die Straßenbäume Ende Februar gestutzt und die Zweige zwischen den Bäumen abgelegt hatten, um sie später zu häckseln. Der Sturm war den Arbeitern zuvorgekommen und hatte das Schnittholz teils auf der Straße, teils auf den umliegenden Feldern verteilt. Charlotte steuerte das Auto vorsichtig um die Zweige herum und schon auf halber Strecke kam ihr ein mit Warnlicht ausgestattetes Auto der Straßenwacht entgegen, um die Zweige von der Straße zu entfernten.
Etwas weiter waren mehrere Arbeiter bereits mit Häckseln beschäftigt. Obwohl Charlotte die Fenster geschlossen hatte, konnte sie den ohrenbetäubenden Lärm des Häckslers schon von Weitem hören. Als sie vorbeifuhr, sah sie, dass die Holzschnitzel auf einen Wagen verladen und abtransportiert wurden. Sie konnte sich erinnern, dass im letzten Jahr diese Schnitzel beim nahegelegenen Kompostwerk als riesiger Haufen gelagert und dort zu wertvollem Humus verarbeitet worden war.
Im Hofladen war nicht viel los. Frau Kottenbaak, die Besitzerin, baute neben der Ladentür gerade ein Regal wieder auf, das der Sturm umgeworfen hatte, als Charlotte grüßend aus dem Auto stieg.
»Moin, Frau Kantig«, grüßte Frau Kottenbaak freundlich zurück und setzte hinzu: »Vorsicht! Die Gemüsekisten stehen noch vorn im Gang.«
Charlotte balancierte mit ihrem Korb um die Kisten herum und sah sich in Ruhe um. Schnell hatte sie ihren Korb gefüllt und als Frau Kottenbaak die Gemüsekisten draußen auf das Regal gesetzt hatte, stand Charlotte schon an der Kasse. Nach einem kleinen Schwätzchen über das Wetter verabschiedete sich Charlotte und fuhr langsam wieder heim.
Der Regen hörte kurz darauf auf und seit Tagen war es endlich wieder trocken. Charlotte räumte die Einkäufe weg, packte ihre Kamera ein und setzte sich auf ihr Fahrrad, um die ersten Frühlingsboten im März einzufangen.
Am Radweg hatte sie zuvor einen blühenden Haselstrauch entdeckt und hoffte auch blühende Weidekätzchen oder vielleicht gar die ersten Veilchen zu sichten. Wieder passierte sie die Straßenarbeiter, die noch immer dabei waren die abgeschnittenen Zweige und Äste zu häckseln.
Es war noch windig, aber zu Charlottes Freude kam gerade passend für eine tolle Aufnahme die Sonne durch, als sie jetzt den Haselstrauch ins Visier nahm.
Etwas weiter nahe einer Einfahrt zu einem Bauernhof sah Charlotte eine blühende Weide am Waldrand stehen. Gleich dahinter hatten die Straßenarbeiter einen leeren Hänger abgestellt, der wahrscheinlich in Kürze mit Gehäckseltem beladen werden sollte.
Charlotte stellte das Rad ab und ging langsam auf die Weide zu. Das laute Geräusch des Häckslers begleitete sie dabei. Etwas weiter halb im Wald verborgen parkte ein Auto. Wahrscheinlich gehörte es einem der Straßenarbeiter, die das Gesträuch bearbeiteten.
Als Charlotte die Weide erreichte, sah sie einige Meter entfernt am Gebüsch etwas liegen. Es sah aus wie Jeansstoff, bedeckt von einer dünnen Schicht aus Holzschnitzeln. Sie ging näher heran und hockte sich nieder. Mit Sicherheit hatte dort jemand die Holzschnitzel als Tarnung benutzt, um Müll und Altkleider zu entsorgen.
Der Wind war wieder heftiger geworden und die Baumwipfel schwankten mächtig, während Charlotte fotografierte. Das Häckselgeräusch übertönte das Sausen des Windes, ja selbst die fahrenden Autos auf der Münsterlandstraße waren nur schwach wahrzunehmen.
Plötzlich spürte Charlotte eine Bewegung hinter sich und noch bevor sie sich umgedreht hatte, um zu sehen, was es war, landete etwas mit Wucht auf ihrem Kopf. Die Kamera fiel ihr aus der Hand und Charlotte taumelte benommen zu Boden.
Regen tropfte auf ihr Gesicht, als sie die Augen aufschlug. Sie rappelte sich verwirrt hoch und stülpte die Kapuze ihres Parkas über den Kopf. Ihr Kopf brummte und sie verspürte heftige Schmerzen. Sie nahm die Kapuze wieder ab und fühlte vorsichtig in ihrem Haar. Eine leicht geschwollene Stelle zeugte davon, dass sie einen ordentlichen Schlag auf den Kopf bekommen hatte. Jetzt sah sie auch einen dicken Ast neben sich, der irgendwo über ihr aus dem Baum gefallen sein musste, gleich daneben lag ihre Kamera. Charlotte hielt sich mit der Hand am Stamm der Weide fest, weil ihr schwindlig war, und bückte sich vorsichtig danach. Zitternd blieb sie eine ganze Weile stehen, denn plötzlich war ihr übel und die Kopfschmerzen verstärkten sich. Wie lange hatte sie eigentlich da auf der Erde gelegen? Sie blickte auf ihre Uhr. Es waren nicht einmal fünf Minuten vergangen.
Vorsichtig blickte sie sich um. Die Holzschnitzel hinter dem Baum waren etwas verteilt worden. Auch das Auto, das dort gestanden hatte, war verschwunden, genau wie der Müll, der zwischen den Holzschnitzeln gelegen hatte. Oder bildete sie sich das alles nur ein? War sie so durcheinander?
Nachdenklich und ganz langsam ging Charlotte zu ihrem Fahrrad, das wie zuvor ordentlich auf dem Ständer am Radweg stand. Noch immer dröhnte der Lärm des Häckslers und in ihrem Kopf hämmerte es. Ganz langsam fuhr Charlotte nach Hause, immer darauf bedacht nur ja nicht zu stürzen, denn die Kopfschmerzen und die Übelkeit begleiteten sie den ganzen Weg. Es regnete inzwischen wieder heftig und sie war froh, als sie endlich ihr Haus erreichte. Charlotte machte sich einen Tee und nahm zwei Aspirin, um die schrecklichen Kopfschmerzen zu betäuben. Dann legte sie sich ins Bett.
Es war schon später Nachmittag, als es ihr etwas besser ging. Ihre Kopfschmerzen waren noch nicht verschwunden, aber erträglich. Die Übelkeit hatte sich zum Glück gelegt.
Die Ereignisse des Morgens fielen ihr ein und sie dachte an den Müll, den sie unter den Holzschnitzeln gesehen hatte. Wieso war das plötzlich alles weg gewesen? Hatte sie sich geirrt?
Die Kamera lag noch an der Garderobe im Hausflur. Sie hatte schließlich alles aufgenommen. Als sie jedoch jetzt den Bildersuchlauf antippte, waren nur die Fotos von dem Haselstrauch drauf. Das war doch gar nicht möglich! Sie war absolut sicher, dass sie Fotos von dem Müll gemacht hatte. Sogar das Auto müsste auf einem der Fotos zu sehen sein.
Hatte sie den Auslöser nicht richtig gedrückt, oder war die Kamera defekt? Charlotte machte gleich ein paar Fotos zur Probe und siehe da, die Kamera funktionierte einwandfrei.
Gegen Abend besuchte Charlotte ihre Nachbarin Hilde Juli, die schräg gegenüber wohnte, und berichtete ihr von ihrem Erlebnis.
»Ich hab eine ganz schöne Beule am Kopf«, endete sie und zeigte auf die Stelle unter ihrem Haar. »Hab immer noch leichte Kopfschmerzen.«
Hilde schüttelte den Kopf. »Du machst Sachen. Bestimmt war der Ast schon länger lose. Genau als du drunter standst, ist er dann abgefallen.«
»Das hab ich mir auch gedacht«, sagte Charlotte. »Trotzdem fand ich es schon komisch, dass ich vorher nichts bemerkt habe. Und die Fotos waren alle weg.«
»Vielleicht hast du sie gar nicht gemacht und der Ast ist dir zuvorgekommen«, vermutete Hilde.
»Und das Auto? Wenn einer der Straßenarbeiter weggefahren ist, hätte er doch sehen müssen, dass ich da lag. Die große Weide steht doch genau neben dem Radweg am Waldrand.«
»Vielleicht war der Mann in Eile, oder er hat nur auf sein Handy geguckt.«
Charlotte seufzte. »Was soll es, Hilde. Die Beule heilt wieder, und ansonsten ist ja zum Glück nichts passiert.«
»Recht hast du«, bestätigte Hilde lachend und fragte: »Wann kommt denn Isabella zurück?«
»Morgen. Sie will gleich nach dem Frühstück starten.«
Es war gegen Mittag am nächsten Tag, als Charlotte am Küchenfester stand und ihre Schwester Isabella Steif mit dem Auto auf den Hof fuhr. Charlotte lief hinaus, um Isabella herzlich zu begrüßen.
»Es war einfach herrlich, am Strand entlangzuspazieren«, schwärmte Isabella. »Obwohl der Friesennerz ständig dabei war, kam zwischen den Schauern immer wieder die Sonne durch.«
»Sieht man, du hast richtig Farbe gekriegt«, sagte Charlotte, der die Bräune ihrer Schwester gleich aufgefallen war.
Isabella öffnete die hintere Klappe ihres blauen Kombis und holte als Erstes den Transportkorb mit Balu heraus.
Begeistert sprang Balu an Charlotte hoch und begrüßte sie überschwänglich. »Balu, ich hab dich richtig vermisst.« Charlotte lachte fröhlich und knuddelte Balu liebevoll, denn sie mochte Isabellas Hund sehr.
»Wegen Balu bin ich heute so spät«, erklärte Isabella. »Ich bin schon um sechs Uhr gestartet, um noch vor dem Hauptverkehr eine gute Strecke zu schaffen. Nach einer guten Stunde habe ich dann Rast gemacht. Balu und ich sind richtig lange gewandert.«
Charlotte half Isabella das Gepäck hereinzutragen. Nachdem Isabella Balu mit Futter und Wasser versorgt hatte, saßen die Schwestern in Isabellas Küche und plauderten. Isabella erzählte begeistert vom Meer, vom Watt und von Balu, den sie zum ersten Mal in den Urlaub mitgenommen hatte.
»Wir hatten den Strand fast immer für uns allein. Die meisten Leute sitzen ja in den Cafés oder sind im Schwimmbad, wenn es so oft regnet«, erklärte Isabella lachend und sah ihre Schwester prüfend an. »Und wie geht es dir? Hast du deine Grippe endlich überstanden?«
»Ziemlich, bis auf etwas Husten am Morgen«, gestand Charlotte und berichtete von ihrem merkwürdigen Erlebnis am Tag zuvor.
Isabella sah ihre Schwester durchdringend an. »Bist du sicher, dass dich nicht jemand niedergeschlagen hat?«
Charlotte starrte ihre Schwester entsetzt an. »Wie kommst du denn darauf?«
»Wer weiß«, unkte Isabella. »Die Bäume sind doch im Februar alle gestutzt worden. Wieso soll denn da plötzlich ein Ast herunterfallen? Vielleicht wollte jemand verhindern, dass du Fotos machst.«
»Also wirklich Isabella, wegen der paar Klamotten bestimmt nicht«, sagte Charlotte und setzte nachdenklich hinzu: »Dann müsste jemand die Fotos auch gelöscht haben, denn sie sind alle weg, obwohl ich ganz sicher war, dass ich mehrere geschossen habe.«
»Siehst du!« Isabella sah Charlotte triumphierend an. »Die Person mit dem Auto könnte es gewesen sein. Sonst hätte sie dir doch bestimmt geholfen, als du da lagst.«
»Das Auto gehörte sicher einem der Straßenwärter. Ein Hänger war nämlich hinter der Weide abgestellt«, sagte Charlotte. »In der ganzen Aufregung hatte ich es vorher vergessen. Wahrscheinlich hat mich deshalb niemand da liegen sehen. Außerdem war es schrecklich laut, weil die Straßenarbeiter in der Nähe die Zweige gehäckselt haben.«
»Trotzdem solltest du zur Polizei gehen«, sagte Isabella.
Charlotte schüttelte den Kopf. »Ich hab doch nichts in der Hand. Was soll ich den Beamten denn erzählen?«
»Du musst wissen, was du tust«, sagte Isabella und fragte: »Warst du wenigstens beim Arzt? Womöglich hast du eine Gehirnerschütterung.«
»Ich hatte heute Morgen sowieso einen Termin«, antwortete Charlotte. »Er hat mir viel Ruhe empfohlen und für meine Kopfschmerzen Tabletten verschrieben.«
»Dann ist es ja gut«, sagte Isabella und gähnte. »Ich mach jetzt erst mal ein Schläfchen. Ich bin von der Fahrt ziemlich fertig.«
Die Worte ihrer Schwester hatten Charlotte nachdenklich gemacht. Sollte sie wirklich zur Polizei gehen? Aber zuvor wollte sie sich an der großen Weide noch einmal umsehen. Es war zwar kühl draußen, aber die Sonne schien. Wieder nahm Charlotte ihre Kamera mit und hatte schon kurz darauf den Platz an der Weide erreicht. Diesmal war der Blick frei und der Hänger verschwunden.
Der dicke Ast, der auf ihrem Kopf gelandet war, lag noch da und jetzt sah Charlotte ihn sich genau an. Er war nicht abgebrochen, sondern hatte eine glatt abgesägte Stelle am Ende.
Charlotte sah sich auch die Krone des Baumes genau an. Mehrere Schnittstellen zeugten davon, dass etliche Äste in gleicher Stärke von den Straßenwärtern abgesägt worden waren. Konnte es sein, dass die Straßenwärter beim Stutzen der Bäume so ein dickes Stück Holz oben in einer Astgabel vergessen hatten? Eigentlich unwahrscheinlich.
Gleich hinter der Weide begann der Wald und dort lagen haufenweise Holzschnitzel. Sicher hatten die Straßenwärter die Schnitzel am Waldrand als Mulchschicht verteilt, so wie sie es überall gemacht hatten. Denn nur der überschüssige Teil der Holzschnitzel war aufgeladen worden.
Charlotte ging zu der Stelle, an der sie am Tag zuvor den Müll gesehen hatte. Mit der Schuhspitze fuhr sie durch die Schnitzel, die eine Schicht von mindestens zehn bis zwanzig Zentimetern bildeten. Hier waren weder Müll noch Altkleider zu finden. Charlotte bückte sich nach einem Papierschnipsel. Es war ein Kassenbon vom Februar, vier Wochen alt, und wahrscheinlich von einem Autofahrer aus dem Fenster geworfen worden, wie so vieles, was an den Straßenrändern liegt.
Charlotte ließ es wieder fallen, als ihr ein dunkelrotes Haargummi auffiel. Es bestand aus geflochtenem dehnbarem Material und war mit einer gleichfarbigen flachen Perle zusammengeschweißt, ein langes blondes Haar war ziemlich fest damit verwoben. Charlotte ließ auch dieses Teil liegen und ging zu ihrem Fahrrad zurück. Während sie heimfuhr, überlegte sie, ob es Sinn machen würde, der Polizei einen Hinweis zu geben, entschied sich allerdings dagegen. Der Müll war nicht mehr da und ohne zwingenden Anlass würde die Polizei nichts unternehmen.
Polizeihauptkommissar Meier saß hinter seinem Bildschirm und ärgerte sich. Schon wieder war ein Radler angefahren worden, der dritte Unfall innerhalb von zwei Monaten mit Fahrerflucht, bei dem ein Radfahrer von einem Auto touchiert worden war. Zum Glück wurde bisher niemand ernsthaft verletzt.
Es waren in zwei Fällen Jugendliche von siebzehn und sechzehn Jahren zu Fall gekommen, die sich auf dem Weg zur Schule befanden. Die Räder waren verbogen und die Jungen erlitten jeweils leichte Schürfwunden, aber beide Autofahrer fuhren nach kurzem Stopp einfach weiter, ohne den Opfern zu helfen. Das letzte Opfer war ein siebzigjähriger Rentner, der mit seinem Pedelec auf dem Radweg von einem einbiegenden Auto angefahren wurde. Als der Autofahrer sah, dass der Mann sich aufrichtete, fuhr er einfach weiter. Der Mann hatte glücklicherweise einen Helm getragen und war nur leicht verletzt. Sein E-Bike war allerdings nach dem Sturz nicht mehr fahrtüchtig und musste repariert werden.
Der Polizist war gerade dabei die Fahndung nach dem Unfallfahrer einzuleiten. »Es ist schon eine Dreistigkeit, was sich manche Leute erlauben«, knurrte Meier. »Dreimal Unfallflucht innerhalb von wenigen Wochen. Was denken sich diese Herrschaften eigentlich dabei?«
Sein Kollege Dietmar Frisch, der die Onlineseite der Kollegen in Münster studierte, sah hinter seinem Bildschirm auf und nickte.
»Eine Frechheit sondergleichen«, bestätigte er. »Aber der alte Herr hat eine gute Beschreibung des Autos abgegeben.«
»Gott sei Dank«, brummte Meier. »Vielleicht hilft uns das weiter, denn auf dem Rücksitz soll der Fahrer mehrere Pflanzen transportiert haben. Vielleicht wurden die Pflanzen kurz vorher bei Grünwald gekauft und es erinnert sich im Geschäft jemand daran.«
»Grünwald? Ist das dieser neue Gärtner, der im letzten Sommer die Baumschule eröffnet hat?«
»Genau. Wieso?«
»Herr Grünwald soll angeblich an einem sozialen Projekt beteiligt sein«, erklärte Frisch. »So wie ich das gehört habe, können dort junge Leute, die schwer zu vermitteln sind, im Rahmen eines speziellen Konzeptes arbeiten und auch eine Ausbildung machen.«
Meier zog die Stirn kraus und stand auf. »Dann will ich mir diesen sozial eingestellten Typen mal ansehen. Vielleicht hat der Flüchtige dort seine Pflanzen gekauft und es erinnert sich jemand an sein Auto.« Er schnappte sich seine Mütze und verließ das Büro.
Er war gerade draußen, als sein Kollege hinter ihm her gestürmt kam und rief: »Burghard, wir müssen zum Kompostwerk. Da hat es einen Unfall gegeben.«
Meier starrte Dietmar Frisch sekundenlang irritiert an. »Was für einen Unfall?«
»Keine Ahnung, wir sollen sofort kommen«, antwortete Kommissar Frisch.
»Hast du auf die Zentrale umgestellt?«
»Das läuft doch automatisch. Schon vergessen?« Frisch sah ihn grinsend an und stieg ein.
»Immer dieser neumodische Kram«, knurrte Meier und stieg ebenfalls ein. Es ärgerte ihn, dass Frisch ihn erneut an die automatische Weiterleitung in die Zentrale erinnert hatte. Die Technik gab es bereits seit Längerem, aber er hatte sich noch immer nicht daran gewöhnt. Frisch machte sich einen Spaß daraus, ihn damit aufzuziehen.
»Was haben sie am Telefon denn gesagt?«, fragte Meier, der nicht begeistert war, dass er nun seinen Plan zur Gärtnerei zu fahren, so mir nichts dir nichts ändern sollte.
»Es war der Betreiber, Herr Gerstland«, sagte Frisch entnervt. »Er hat nur gesagt, wir sollen sofort kommen. Der Baggerfahrer hat eine Frau überfahren.«
»Ist sie tot?«
»Keine Ahnung«, sagte Frisch. »Gleich nachdem er das gesagt hat, war das Gespräch plötzlich weg.«
»Sag das doch gleich«, moserte Meier und fuhr mit heulenden Sirenen und Blaulicht davon.
Auf dem Kompostwerk herrschte eine ungewohnte Stille. Mehrere Arbeiter standen um einen Lkw herum, dessen Hänger halb abgeladen vor einem riesigen Berg von Holzschnitzeln stand.
Hauptkommissar Meier stoppte direkt neben dem Hänger und die beiden Polizisten sprangen aus dem Wagen.
»Wo ist die Verletzte?«, stieß Meier hervor, denn er sah nur den Hänger, dessen hintere Reifen mit einer Schicht Holzschnitzel umgeben war.
Einer der Arbeiter zeigte mit dem Finger auf den Reifen zur anderen Seite. »Da liegt sie.«
Frisch war schon an der anderen Seite und bückte sich zu der Frau, die einen entsetzlich entstellten Eindruck machte. »Sie ist schon kalt«, sagte er mit belegter Stimme. »Ich ruf die Kripo an.« Hastig stand er wieder auf und telefonierte.
Meier hockte sich neben die Leiche und betrachtete sie. Die Frau hatte schulterlanges blondes Haar, das jetzt klebrig und verschmutzt ihr etwas aufgedunsenes Gesicht umrahmte. Sie schien relativ jung zu sein. Meier schätzte sie auf höchstens zwanzig bis fünfundzwanzig Jahre. Sie trug eine Jeansjacke mit passender Jeanshose und darunter ein pinkfarbenes Shirt. Erst jetzt sah Meier, dass sie nur einen Schuh trug, einen Sportschuh von bekannter Marke in der Farbe ihres Shirts. Sie hatte einen blutunterlaufenen Streifen am Hals, weswegen Meier vermutete, dass sie erwürgt worden war, also nicht vom Lkw überfahren wurde. Viel mehr schien es so, als hätte jemand die Leiche entsorgen wollen.
»Der Arzt kommt gleich und die Kripo auch«, sagte Frisch laut, beugte sich zu Meier herunter und murmelte: »Ich knöpfe mir mal die Leute vor.«
Die Arbeiter hatten die ganze Zeit stumm da gestanden.
Kommissar Frisch stellte sich nun vor sie hin und fragte: »Wer von Ihnen hat denn den Hänger abgeladen, beziehungsweise hierhergefahren?«
Ein großer kräftiger Mann, der sich mit Olaf Maud vorstellte, trat vor und erklärte erregt: »Ich hab die Frau nicht gesehen. Plötzlich rumpelte etwas und als ich ausstieg, stand der Hänger auf ihren Beinen. Ich bin dann gleich wieder ein Stück vorgefahren!« Ein anderer Mann rief dazwischen: »Die muss auf dem Hänger gewesen sein.« Lautes aufgeregtes Gerede der Männer folgte.
Dietmar Frisch schüttelte verärgert den Kopf und brüllte: »Ruhe. Der Reihe nach!« Er wandte sich an Olaf Maud. »Herr Maud, Sie haben den Hänger hergefahren und abgeladen. Ist das richtig?«
Herr Maud nickte. »Ich wollte die Frau nicht überfahren. Weiß der Himmel wo die plötzlich herkam!«
»Sie haben die Frau nicht überfahren«, beruhigte ihn Frisch. »Sie muss schon länger tot sein. Haben Sie das nicht überprüft?«
Herr Maud schüttelte den Kopf und ein anderer meldete sich. »Der Chef hat das gemacht und dann den Notarzt gerufen.«
Frisch runzelte die Stirn. »Ist der Arzt schon wieder weg?« Er hatte die Frage noch nicht richtig ausgesprochen, als mit heulenden Sirenen ein Krankenwagen auf den Hof fuhr.
Der Notarzt sprang aus dem Wagen. »Wir hatten einen Motorschaden und mussten auf den Ersatzwagen warten«, erklärte er aufgeregt. »Ist die Verletzte drinnen?«
»Es besteht keine Eile, Doktor«, antwortete Frisch lapidar. »Sie ist tot.« Er führte den Arzt um den Hänger herum zur anderen Seite, wo sich der Mediziner neben die Leiche hockte.
Nach wenigen Minuten stand der Arzt wieder auf. »Das ist eindeutig eine Sache für die Rechtsmedizin, sie wurde erdrosselt. Sie ist mindestens ein bis zwei Tage tot. Wahrscheinlich hat sie auf dem Wagen gelegen.«
»Genau das habe ich auch schon vermutet«, antwortete Kommissar Frisch. »Die Kripo ist bereits verständigt.«
Der Krankenwagen fuhr davon und gleich darauf trafen die Kripo Münster und ein Trupp von Frauen und Männern der Spurensicherung ein.
Hauptkommissar Meier, der Herrn Gerstland vernommen hatte, kam nun ebenfalls hinzu und sperrte mit Kommissar Frisch rund um den Hänger und den Fundort der Toten das Gelände weiträumig ab. Die Arbeiter wurden von Herrn Gerstland nach Hause geschickt. Es war schon längst Feierabend, als die beiden Beamten in die Polizeistation zurückkamen.
»Immer das Gleiche, kaum hat man etwas Ruhe, passiert so ein Mist. Ich bin nicht einmal dazu gekommen, den Gärtner aufzusuchen«, moserte Meier.
»Fahr doch jetzt noch hin«, schlug Frisch vor.
»Jetzt hab ich Feierabend. Meine Frau wartet mit dem Essen.« Meier schnappte sich seine Mütze und verschwand, Frisch folgte ihm eilig.
Am Mittwochmorgen bekam Hauptkommissar Meier den ersten Kurzbericht der Rechtsmedizin. Die Tote war, wie vermutet, erwürgt worden. Vermutlich mit einem Schal oder einem breiten Band, allerdings konnten die Mediziner keine Faserspuren feststellen. Mehrere Hämatome am ganzen Körper zeugten davon, dass sich die Frau heftig gewehrt hatte. Bei ihrem Auffinden am Dienstag war die Frau bereits länger als einen Tag tot gewesen. Nach ersten Einschätzungen der Rechtsmedizin war sie in dem Zeitraum von zwanzig Uhr am Sonntagabend bis etwa sechs Uhr am Montagmorgen getötet worden. Zudem waren mehrere verheilte Einstichstellen vermutlich von Nadeln am Körper festgestellt worden, wozu die weiteren Untersuchungen noch ausstanden.
»Einstichstellen?«, stieß Meier ungläubig hervor, als er den Bericht las. »Hört sich an, als wäre sie drogenabhängig gewesen.«
Sein Kollege sah aufgeschreckt durch das Gemurmel zu ihm hinüber. »Drogen? Hier bei uns?«
»Meinst du etwa, hier kriegst du keine Drogen?«, fragte Meier provokativ und setzte hinzu: »Sie hat mehrere Einstichstellen.«
Kommissar Frisch zuckte die Schultern und fragte: »Sie ist aber doch erwürgt worden, oder hat sie sich eine Überdosis gespritzt?«
»Sie wurde eindeutig erdrosselt«, gab Meier an. »Ob sie kurz vorher Drogen oder irgendwelche anderen Substanzen genommen hat, müssen die Kollegen noch untersuchen.«
»Wenn wir herausfinden, wo sie gestorben ist, sind wir schon ein Stück weiter«, war Frisch überzeugt.
»Erst müssen wir mal klärten, wer sie ist«, warf Burghard Meier ein.
Es war kaum eine halbe Stunde vergangen, als eine Frau so um die Fünfzig mit kurzen blonden Haaren aufgeregt in die Polizeistation kam.
»Meine Tochter ist nicht nach Hause gekommen«, berichtete sie hastig. »Seit Sonntag habe ich sie nicht mehr gesehen! Und bei ihrer Freundin ist sie auch nicht.«
Hauptkommissar Meier trat an den Tresen und erkundigte sich nach dem Namen und der Adresse der Frau, die unruhig auf ihren Absätzen herumwippte.
»Annemarie Johann, ich wohne am Amselweg und meine Tochter heißt Nadine«, stieß die Frau abgehackt hervor. »Nadine hat diese Woche Urlaub und wollte bei ihrer Freundin übernachten. Da ist sie aber nicht.«
»Wie alt ist Ihre Tochter?«
»Neunzehn. Sie macht eine Ausbildung bei der Gärtnerei Grünwald.«
Meier hatte von der Toten am Kompostwerk ein Foto gemacht, zögerte aber, es der Frau zu zeigen, vorher wollte er ganz sichergehen, dass es die Gesuchte war, deshalb erkundigte er sich: »Was hatte Ihre Tochter denn an?«
»Jeans und meistens trägt sie dazu eine passende Jacke, auch in Jeans«, antwortete Frau Johann.
Meier holte tief Luft. »Frau Johann, wir haben gestern am Kompostwerk eine unbekannte Frau tot aufgefunden, auf die Ihre Beschreibung passt«, begann er vorsichtig.
Frau Johann fiel ihm schreiend ins Wort: »Nein, nein, das ist nicht wahr, sagen Sie, dass es nicht wahr ist …« Sie klammerte sich an den Tresen und sah ihn sekundenlang mit wutverzerrtem Blick an, dann schlug sie die Hände vors Gesicht und sank vornüber. Mit bebenden Schultern hing sie über dem Tresen und Meier stand betroffen davor, ohne zu wissen, wie er reagieren sollte. Dietmar Frisch befand sich wie aus der Erde gewachsen neben ihm und beide schauten auf die Frau, die sich langsam wieder aufrichtete und ihnen ihr tränennasses Gesicht entgegenhielt.
»Ist sie wirklich tot?«, flüsterte sie jetzt.
Meier hielt ihr sein Handy mit dem Bild der Ermordeten hin.
Frau Johann betrachtete es lange, dann gab sie ihm das Smartphone zurück und nickte. »Ja, es ist Nadine«, flüsterte sie heiser.
»Frau Johann, wir müssen unbedingt die Freundin vernehmen, bei der Ihre Tochter übernachten wollte«, sagte Meier. »Wie heißt sie?«
»Ramona Dirks, sie wohnt in Münster an der Sentruper Straße, das ist in der Nähe vom Allwetterzoo, aber die Hausnummer weiß ich nicht.«
»Frau Johann, ich muss Sie das jetzt fragen«, begann Meier vorsichtig. »War Ihre Tochter drogenabhängig?«
Frau Johann sah ihn entsetzt an. »Drogenabhängig? Nein, wie kommen Sie denn darauf?«, fragte sie und gab selbst die Antwort. »Ach, ich kann es mir schon denken, die Einstichstellen. Meine Tochter ist Diabetikerin.« Sie schluchzte jetzt wieder. »Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr sie darunter gelitten hat.«
Die beiden Polizisten sahen einander hilflos an und warteten einfach ab, bis sich Frau Johann wieder beruhigt hatte.
»Kann ich sie sehen?«, fragte sie plötzlich und wischte sich mit den Händen die Tränen ab. »Ich muss mich doch von ihr verabschieden.«
»Ja«, sagte Meier leise. »Ich bringe Sie hin.«
Isabella Steif hatte wunderbar geschlafen. Als sie sich gähnend reckte, war es sieben Uhr am Morgen. Hastig zog sie ihre Wanderkleidung an und lief hinunter, wo Balu ihr schon schwanzwedelnd entgegenkam. Zehn Minuten später war Isabella mit Balu unterwegs zur Bäckerei. Sie marschierte flott dahin und Balu sprang begeistert um sie herum. Wie immer machte Isabella einen Umweg, der über einen Feldweg durch die Gestütswiesen führte. Noch waren die Pferde im Stall und Balu konnte nach Herzenslust in den Wiesen herumtoben.
Eine Stunde später waren Hund und Herrin wieder gut gelaunt zurück. Isabella duschte und saß kurz darauf am Frühstücktisch und blätterte bei einer Tasse Kaffee in der Morgenzeitung.
Plötzlich erregte eine Kurzmitteilung ihre Aufmerksamkeit: »Leichenfund beim Kompostpostwerk«, war die Mitteilung betitelt und Isabella las voller Überraschung, dass kaum zwei Kilometer von ihrem Haus entfernt eine erdrosselte Frau gefunden worden war. Ob Charlotte schon davon wusste? Isabella schüttete den Rest Kaffee hinunter und ging zum Haus der Schwester hinüber. Da sie wusste, dass Charlotte gern lange schlief, presste Isabella ihren Finger auf den Klingelknopf, als sei er dort angefroren.
Die Tür wurde aufgerissen und Charlotte starrte sie kopfschüttelnd an. »Geht’s noch, oder muss ich einen Arzt bestellen?«
Irritiert fragte Isabella, ohne den Finger von der Klingel zu nehmen: »Wieso?«
Charlotte schlug ihr auf die Hand und fauchte: »Nimm deine Pfoten von meiner Klingel, die geht kaputt, wenn man so lange draufdrückt.«
»Oh, äh …« Isabella zuckte zusammen. »Kann ich reinkommen?«
»Nee, ich hab zu tun«, sagte Charlotte und schlug ihr die Tür vor der Nase zu.
»Charlotte, mach auf! Es ist wichtig«, rief Isabella, die sich ärgerte, dass sie in ihrem Eifer wieder einmal bei der Schwester angeeckt war.
Mit gerunzelter Stirn und wütend zusammengezogenen Brauen öffnete Charlotte erneut die Tür und sagte: »Was war das doch für eine herrliche Zeit, als du an der Nordsee warst!«
Isabella ignorierte die Anspielung und stieß hervor: »Hast du die Zeitung schon gelesen?«
»Gerade als ich damit beginnen wollte, hat es bei mir Sturm geklingelt«, erklärte Charlotte spitz.
»Am Kompostwerk wurde vorgestern eine Leiche gefunden.«
Charlotte seufzte ergeben. »Komm rein.«
Kurz darauf saßen die Schwestern wieder einträchtig zusammen und diskutierten über die Zeitungsnotiz.
»Da steht ja nicht viel drin, nur dass es eine Frau ist und sie schon länger tot war«, sagte Charlotte.
»Hast du nicht erzählt, dass du unter dem Häckselgut an der Straße Bekleidungsstücke gesehen hast?«
»Stimmt, aber was hat das mit der Toten zu tun?«
»Vielleicht war es die Tote«, vermutete Isabella. »Jemand wollte sie im Wald unter den Schnitzeln verscharren. Weil du Fotos gemacht hast, hat der Täter dich niedergeschlagen, deine Fotos gelöscht und ist weggefahren.«
»Da war keine Leiche, Isabella, ich war später noch mal da.«
»Der Täter könnte sie auf den Hänger geworfen haben, von dem du gesprochen hast.«
»Und wie kommt die Leiche zum Kompostwerk?«
Isabella lachte. »Mein Gott Charlotte, bist du heute langsam im Denken!«, monierte sie. »Die Arbeiter haben den Hänger mit dem Gehäckselten beladen und am Kompostwerk abgekippt.«
»So ein Quatsch, das hätten die Leute doch beim Beladen gemerkt!«, fuhr Charlotte auf. »Außerdem steht hier eindeutig, dass die Leiche am Kompostwerk gefunden wurde.«
»Die muss ja irgendwie dahin gekommen sein«, entgegnete Isabella. »Am Montag haben die Arbeiter nach deiner Aussage doch die abgeschnittenen Äste an der Münsterlandstraße gehäckselt. Der Hänger stand schon dort und wurde sicher später beladen.«
Charlotte legte die Zeitung zur Seite. »Dass die Arbeiter den Hänger beladen haben, ist mir klar. Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, dass ausgerechnet auf dem Hänger die Leiche gelegen haben soll, schließlich haben die Leute an anderen Straßen auch gehäckselt. Ich tippe eher darauf, dass jemand sie in der Nacht zum Kompostwerk gebracht und dort unter dem Gehäckselten verscharrt hat.«
»Und wieso wurdest du dann niedergeschlagen?«
»Ich wurde nicht niedergeschlagen, mir ist ein dicker Zweig auf den Kopf gefallen!«
»Was ich nicht glaube«, antwortete Isabella.
Charlotte holte tief Luft. »Glaub, was du willst, aber lass mich damit in Ruhe.« Sie stand auf und fuhr fort: »Ich fahre jetzt zur Gärtnerei und hole mir Frühlingsblumen.«
»Und ich gucke mir diese wunderschöne Weide an, von der du berichtet hast.«
Der Zeitungsartikel ließ Isabella keine Ruhe und schon eine Stunde später war sie mit Balu unterwegs. Sie nahm den Radweg an der Münsterlandstraße und marschierte flott bis zu der Weide, von der Charlotte gesprochen hatte. Balu, der es gewohnt war, schon nach kurzer Zeit über die Wiesen zu toben, zerrte ungeduldig an der Leine. Isabella hielt ihn ziemlich kurz, was sich der temperamentvolle Rüde nur ungern gefallen ließ. Immer wieder stupste er seine Herrin an und sprang bettelnd an ihr hoch. Isabella blieb seufzend stehen, gab ihm ein Leckerli und sprach beruhigend auf ihn ein. »Wenn wir an der Weide sind, nehmen wir gleich danach den Waldweg, dann kann kannst du wieder herumtoben, Balu.«
Balu sprang freudig an ihr hoch, als hätte er es verstanden und Isabella ging zügig weiter. An der Weide angekommen, verließ Isabella den Radweg und steuerte geradewegs auf die Stelle mit den Holzschnitzeln zu, die Charlotte ihr beschrieben hatte. Balu, glücklich über die nun etwas längere Leine, begann gleich in dem Holzhaufen zu kratzen und bellte aufgeregt. Isabella bückte sich nach einem Haarband, das Balu freigekratzt hatte. Sie betrachtete es und ließ es wieder fallen, genau wie einen Kassenbon, den sie aufhob und gleich wieder wegwarf, ohne zu ahnen, dass Charlotte beide Teile nach kurzer Betrachtung ebenfalls weggeworfen hatte.
Balu hatte seine Spürnase wiederentdeckt und schnüffelte aufgeregt an einem Strauch. Ein Zweig war abgeknickt und Balu zog Isabella an dem Strauch vorbei in das angrenzende Wäldchen hinein.
Isabella zog an der Leine. »Was soll das, Balu? Komm, wir gehen zurück. Da drüben ist der Weg.« Sie zeigte mit der Hand in die Richtung des schmalen Weges, an dem Charlotte ein Auto gesichtet hatte.
Balu lief in den Wald, und Isabella, die ihm nur schwer etwas abschlagen konnte, folgte ihm. Der Hund lief über niedergetretenes Moos und eine freie, mit gerade erblühenden Buschwindröschen bewachsene Stelle, umrundete ein Brombeergestrüpp und kam direkt zu dem Weg, den Isabella ohnehin gehen wollte.
Obwohl es in den letzten Tagen immer wieder geregnet hatte, waren dort am Wegrand deutliche Spuren eines Autos zu sehen. Da es noch März war und die Bäume erst wenige grüne Spitzen zeigten, war der Wald noch durchsichtig. Isabella konnte von dieser Stelle aus die Weide sehen, bei der sie gestartet waren. Also hatte Charlotte recht. Hier hatte ein Auto gestanden und die Fahrerin oder der Fahrer hatte den Weg quer über Moos und Wildblumen gewählt, um Müll im Wald abzuladen.
Und wenn es die Leiche der jungen Frau war? Isabella musste das unbedingt noch einmal mit Charlotte besprechen. Irgendetwas stimmte hier nicht. Der Müll war weg. Das war eindeutig. Sollte jemand wirklich nur weil Charlotte Fotos gemacht hatte, den Müll wieder mitgenommen haben? Schon unwahrscheinlich. Oder hatten die Stadtarbeiter beim Häckseln den Müll entdeckt und weggeräumt?
Energisch rief sich Isabella selbst zur Ordnung. Nur die Tatsache, dass dort ein Auto gestanden hatte, war sicher, alles andere Vermutungen, die sie unbedingt mit Charlotte besprechen musste.
So kam es ihr genau recht, dass Balu unruhig an der Leine zog und schnuppernd den Boden erkundete.
»Was ist denn da, Balu?«, fragte Isabella, als sich der Hund duckte und unter das Dornengestrüpp kroch, das Isabella zuvor umgangen war, um sich ihre Hose nicht zu ruinieren.
Sie zog an der Leine. »Bei Fuß, Balu«, kommandierte sie.
Der Hund gehorchte sofort, kam zu ihr zurück, und bellte kurz und fordernd.
Isabella holte ein Leckerli aus der Tasche, von denen sie immer welche dabeihatte, und strich ihm sanft über den Kopf. »Brav, Balu«, lobte sie und bückte sich über die Dornen, die bereits erste grüne Blätter trugen, um zu sehen, ob es da etwas Besonderes gab. Ein verschmutztes Schuhband, dessen Farbe nicht zu erkennen war, lugte darunter hervor. Der dazugehörige Schuh hatte sich im Dornengestrüpp verfangen und war kaum zu erkennen. Isabella zog empört die Brauen hoch.
Dass die Leute ihren Dreck immer im Wald liegen lassen müssen! Einfach unverschämt. Entschlossen fasste sie Balus Leine kurz und verließ das Gebüsch. Im Dornengestrüpp wollte sie sich keinesfalls ihre Hände zerkratzen, nur weil gewisse Leute ihren Dreck überall liegen lassen!
Isabella strich Balu liebevoll über den Rücken und ging den Feldweg entlang bis zu einem Bauernhof. Dort machte der Weg einen Bogen und führte durch den Wald von der anderen Seite zum Gestüt hinüber. Fast zwei Stunden später kamen Isabella und Balu müde und ausgepowert wieder zu Hause an. Charlottes Auto stand mit offenem Kofferraum vor ihrer Haustür. Die Schwester hockte vor dem Beet direkt neben dem Eingang und pflanzte Hornveilchen und Primeln.
»Oh, das sieht hübsch aus«, bewunderte Isabella die Zusammenstellung im Beet. »Hast du für deine Terrasse auch Blumen mitgebracht?«
Charlotte erhob sich und wischte mit dem Handrücken eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Heute mach ich nur den Vorgarten, die Terrasse kommt morgen dran«, erklärte sie. »Die Gärtnerei hat so viel Auswahl an Neuzüchtungen, dass mir die Entscheidung richtig schwerfiel. Zuletzt hab ich mich für die Blumen entschieden, die ich schon immer hatte.«
»Sie sehen hübsch aus und du weißt wenigstens, dass sie lange blühen und ziemlich robust sind«, sagte Isabella. »Bei all diesen neuen Sorten kann man auch mal Pech haben.«
Charlotte lachte, nahm ihre Schüppe zur Hand und hockte sich wieder hin. »Genau, ich mag nun mal Primeln und Hornveilchen besonders gern.«
Isabella sah, wie Balu an der Haustür schnupperte. »Balu hat Durst und ich auch«, sagte sie. Kaum hatte sie die Tür geöffnet, schob sich Balu hindurch und stürzte zu seinem Wassernapf.
Am späten Nachmittag entschloss sich Isabella, ihren Vorgarten ebenfalls zu verschönern, dann konnte sie sich den neuen Gartenbaubetrieb auch ansehen. Sie wollte Balu nicht mitnehmen und ließ ihn, wie immer wenn sie einkaufen fuhr, im Garten frei laufen. Sie hatte dafür extra den Zaun vom Gärtner anpassen lassen. Balu hatte sich längst daran gewöhnt und lag oft auf der überdachten Terrasse in seinem Korb, den Isabella ihm aufgestellt hatte.
Langsam schlenderte Isabella durch mehrere Gewächshäuser, in denen es Unmengen von Primeln, Narzissen und Tulpen in verschiedenen Farben und Arten gab, auch erste Sommerblumen standen bereits in Blüte, frühe Geranien, Petunien, Glockenblumen, Verbenen und viele andere.
Isabella entschied sich für gelbe und blaue Primeln und Osterglocken, die im Vorgarten sicher gut aussehen würden. Für Sommerblumen war es ihr noch zu früh, aber sie nahm sich vor, bald wiederzukommen, denn die Unmengen an unterschiedlichen Sorten gefielen ihr.
Ein älterer Mann, Tonius Fels stand auf seinem Namensschild, half Isabella beim Einladen der Blumen in den Kofferraum. Etwas entfernt stand ein Polizeiauto und Isabella fragte: »Oh, was macht denn die Polizei bei Ihnen?«
Herr Fels zuckte die Schultern, gab aber keine Antwort darauf, sondern drückte ihr einen Zettel über die gekauften Blumen in die Hand und zeigte zum Laden hinüber: »Zahlen müssen Sie drüben. Ich gebe der Kollegin Bescheid.« Dann ging er schnellen Schrittes davon.
An der Kasse stand Isabella geduldig wartend in einer Schlange, die sich zum Glück schnell vorwärtsbewegte. Kurz bevor sie dran war, tippte jemand auf ihre Schulter.
»Isabella, lange nicht gesehen.«
Erschrocken drehte sich Isabella um und blickte freudig überrascht ihre ehemalige Kollegin Mia Volkert an. Lachend und schwatzend tauschten die beiden Erlebnisse aus, bis Isabella zahlen musste. Da sie sich lange nicht gesehen hatten, fuhren beide Frauen anschließend in die Eisdiele, um sich noch ein wenig zu unterhalten.
Während sie so an ihrem Eis löffelten, sagte Mia: »Hast du schon von diesem Eingliederungsprojekt gehört, das in der Gärtnerei mit der Sozialstation in Münster letzten Sommer gestartet wurde?«
»Gehört schon, aber so richtig weiß ich nicht worum es da geht«, gestand Isabella.
»Du würdest da gebraucht, Isabella«, sagte Mia. »Die jungen Leute sollen ja nicht nur langsam an das Arbeitsleben herangeführt werden, sondern auch schulisch wieder Fuß fassen. Ich bin momentan jeden Donnerstag da und unterrichte sie in Englisch. Alle vier jungen Leute sind langjährige Schulschwänzer und waren stark drogenabhängig. Sie sind im Methadonprogramm und wollen ihren Hauptschulabschluss nachholen.«
»Du meinst, ich sollte sie ehrenamtlich in anderen Fächern unterrichten, oder wie stellst du dir das vor?«
»Genau. Alle haben große Defizite in Deutsch, Mathematik und Englisch«, sagte Mia. »Wenn sie den Hauptschulabschluss bestehen wollen, müssen sie mächtig aufholen.«
»Werden sie denn regelmäßig unterrichtet?«, erkundigte sich Isabella.
»In den Sommerferien sollen alle vier ihre Abschlussprüfung machen, damit sie im nächsten Herbst eine Ausbildung beginnen können«, erklärte Mia. »Es ist ein neues Projekt, das extra bezuschusst wird. Sprich doch mal mit dem zuständigen Sozialarbeiter Sven Schuhmaier.«
»Ich überleg es mir«, sagte Isabella.
»Wenn du den Jugendlichen unter die Arme greifst, schaffen sie es bestimmt. Alle vier sind sehr lernwillig und wollen unbedingt den Abschluss machen«, sagte Mia und gab Isabella eine Karte mit der Anschrift des Sozialarbeiters.
Isabella sah auf ihre Uhr. »Ich muss nach Hause, Mia«, sagte sie. »Die Pflanzen sollen heute noch in die Erde.«
Wieder zu Hause, machte sich Isabella gleich an die Arbeit. Schon nach kurzer Zeit war der Vorgarten mit den Blumen geschmückt und Isabella sichtlich zufrieden mit ihrem Werk. Einige Blüten hatte sie im Kofferraum ihres Autos zurückgelassen, denn sie wollte auf dem Friedhof das Grab ihres vor einigen Jahren verstorbenen Mannes ebenfalls mit Frühlingsblumen verschönern.
Gerade als sie losfahren wollte, erschien Charlotte.
»Oh, du bist schon fertig. Sieht hübsch aus«, sagte sie. »Wie gefällt dir die neue Gärtnerei?«
»Gut«, sagte Isabella. »Aber ich habe kaum die Hälfte gesehen, das Gelände ist ja riesig. Wenn ich Sommerblumen hole, sehe ich mir alles etwas gründlicher an.«
»Dann können wir doch zusammen hinfahren«, sagte Charlotte. »Und uns gegenseitig beim Einladen helfen.«
»Das Einladen war kein Problem, einer der Gärtner, ein Herr Fels, hat mir die Sachen in den Kofferraum gesetzt«, sagte Isabella. »Die Polizei war übrigens auch da. Keine Ahnung, was die da wollten.«
Charlotte lachte. »Blumen kaufen wahrscheinlich.«
»Möglich«, sagte Isabella und berichtete nun von dem Treffen mit Mia Volkert und ihrer Idee mit der Nachhilfe für die Probanden des Sozialprojektes.
»Nimm dir nicht zu viel vor«, sagte Charlotte lachend. »Du wirst auch nicht jünger.«
»Noch ist nichts abgemacht, erst mal erkundige ich mich bei dem Sozialarbeiter, ob das überhaupt gefragt ist«, sagte Isabella. »Und jetzt mache ich mit Balu meinen Abendspaziergang.«
Hauptkommissar Meier war mit Frau Johann zur Rechtsmedizin nach Münster gefahren. Die Frau hatte ihre Tochter eindeutig identifiziert und war sehr gefasst gewesen, aber als Meier sie zurückgebrachte, war sie noch in der Haustür ihrem Mann in die Arme gesunken und zusammengebrochen. Gemeinsam mit dem Ehemann hatte Meier die Frau im Wohnzimmer auf die Couch gebettet. Zum Glück war der Krankenwagen schnell zur Stelle und Meier, der eigentlich das Zimmer der jungen Frau hatte ansehen wollten, fuhr unverzüglich zur Polizeistation zurück.
Als der zuständige Arzt Frau Johann die Leiche gezeigt hatte, hatte sie in einem Anflug von unterdrückter Wut und Trauer gesagt: »Jetzt wo Nadine sich endlich an das regelmäßige Insulinspritzen gewöhnt hat, passiert so etwas. Es ist so ungerecht. Warum ausgerechnet Nadine?« Vorsichtig hatte sie danach die Wangen ihrer Tochter gestreichelt und leise zu ihr gesagt: »Ich soll dich von Papa grüßen, Liebes. Er vermisst dich so und ich auch.« Dann hatte sie sich gereckt, war aufrecht davongegangen und hatte den ganzen Weg kein Wort gesagt.
Als Meier ins Büro zurückkam, fragte sein Kollege: »Hat die Tote wirklich nur Insulin gespritzt oder waren auch Drogen dabei?«
»Keine Drogen, nur Insulin, das hat der Doc eindeutig festgestellt«, sagte Meier. »Nadines Mutter hat berichtet, dass vor zwei Jahren nach einem Totalzusammenbruch bei ihrer Tochter Diabetes Typ I festgestellt wurde, und dass sie seitdem spritzen musste. Der jungen Frau ist es nach Darstellung der Mutter sehr schwergefallen, sich mit der Tatsache abzufinden, ein Leben lang auf das Insulinpräparat angewiesen zu seien.«
»Hat der Doc schon untersucht, ob eventuell Spuren einer anderen DNS vorhanden sind, oder sonstige Hinweise auf einen Täter, an der Kleidung oder so?«
»Für ein direktes Gespräch mit dem Arzt war keine Zeit. Er schickt uns die Ergebnisse zu«, erklärte Meier knapp. »Ich hab mich um Frau Johann gekümmert.«
Er holte sich einen Kaffee und seine Brote hervor und fügte hinzu: »Sobald ich was gegessen hab, fahren wir in die Gärtnerei. Vielleicht haben die eine Ahnung, wo sich Nadine Johann zuletzt aufgehalten hat. Nach Aussage der Mutter ist sie mit allen Kollegen gut ausgekommen.«
Bei der Gärtnerei war rund um den Laden alles zugeparkt und Meier stellte das Polizeiauto abseits des Parkplatzes neben einem Gewächshaus ab. Die beiden Polizisten fragten einen Mann, der gerade mit einer Schubkarre voller neuer Setzlinge ins Gewächshaus wollte, nach dem Gärtnereibesitzer.
»Der Chef ist hinten im Büro«, kam die Antwort. Der Gefragte zeigte zur rückwärtigen Seite des Ladens hinüber und verschwand schnellen Schrittes samt Karre im Gewächshaus.
»Der hat’s aber eilig«, bemerkte Kommissar Frisch grinsend. »Ob er was zu verbergen hat?«
Meier zuckte nur die Schultern und ging zielstrebig zum Laden hinüber, wo an der Kasse eine Schlange von Leuten anstand, um die gekauften Blumen zu bezahlen. Gerade als die Polizisten auf den Hintereingang zusteuerten, öffnete sich die Tür und ein Herr kam auf sie zu.
»Grünwald, ich bin hier der Besitzer«, stellte er sich vor. »Unser Auszubildender, Tim Kohlmann, hat mich über Ihren Besuch informiert. Worum geht es denn?«
»Es geht um Ihre Mitarbeiterin Nadine Johann«, erklärte Meier und wurde gleich unterbrochen.
»Nadine hat diese Woche Urlaub, sie ist heute nicht hier.«
»Das wissen wir, sie wurde ermordet«, erklärte Meier lapidar. »Wir möchten wissen, ob Ihnen in diesem Zusammenhang …«
»Was? Wann? Wieso?« Grünwald starrte die beiden Polizisten entsetzt an. »Das ist doch gar nicht möglich …«
»Leider doch«, sagte Meier. »Ist Ihnen an der jungen Frau etwas aufgefallen? Hatte sie einen Freund oder eine Freundin?«
Herr Grünwald rang die Hände. »Aufgefallen ist mir gar nichts, außer dass sie Diabetikerin war. Sie musste regelmäßig spritzen und hat immer nach der Mittagspause bei mir im Büro ihren Blutzuckerspiegel überprüft.«
»In Ihrem Büro?«, erkundigte sich nun Dietmar Frisch.
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