Komplizen, Kappen, Karneval - Gisela Garnschröder - E-Book

Komplizen, Kappen, Karneval E-Book

Gisela Garnschröder

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Beschreibung

Stell dir vor es ist Karneval und der Prinz ist tot Im Münsterland wird die fünfte Jahreszeit mit viel Helau und Horrido eingeläutet. Während Charlotte Kantig in riesiger Vorfreude ist, würde Isabella Steif sich lieber verkriechen bis die Narrenzeit vorüber ist. Sie hasst den Karneval, aber ihre Schwester schleppt sie trotzdem zur großen Party mit Proklamation des Prinzen Jens Borgmeier und seiner Prinzessin. Es wird ausgelassen gefeiert – doch am nächsten Tag wird der Karnevalsprinz erstochen im Sprokenbach gefunden. Die Polizei steht vor einem Rätsel.   Hilfe naht durch Steif und Kantig, die nicht nur wie durch Zufall ein wichtiges Indiz finden, sondern auch den entscheidenden Hinweis für die Lösung dieses Falles. Entdecken Sie auch die weiteren Fälle von Steif und Kantig: - Band 1: Steif und Kantig - Band 2: Kühe, Konten und Komplotte - Band 3: Landluft und Leichenduft - Band 4: Hengste, Henker, Herbstlaub - Band 5: Felder, Feuer, Frühlingsluft - Band 6: Schnäpse, Schüsse, Scherereien - Band 7: Mondschein, Morde und Moneten - Band 8: Gärtner, Gauner, Gänseblümchen  - Band 9: Dünen, Diebe, Dorfgeplänkel - Band 10: Printen, Plätzchen und Probleme - Band 11: Komplizen, Kappen, Karneval - Band 12: Halunken, Horror, Halloween - Band 13: Blüten, Birken, Bösewichter

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Komplizen, Kappen, Karneval

Die Autorin

Gisela Garnschröder ist 1949 in Herzebrock/Ostwestfalen geboren und aufgewachsen auf einem westfälischen Bauernhof. Sie erlangte die Hochschulreife und studierte Betriebswirtschaft. Nach dem Vordiplom entschied sie sich für eine Tätigkeit in einer Justizvollzugsanstalt. Immer war das Schreiben ihre Lieblingsbeschäftigung. Die berufliche Tätigkeit in der Justizvollzugsanstalt brachte den Anstoß zum Kriminalroman. Gisela Garnschröder wohnt in Ostwestfalen, ist verheiratet und hat Kinder und Enkelkinder. Sie ist Mitglied bei der Krimivereinigung Mörderische Schwestern, beim Syndikat und bei DeLiA.

Das Buch

Stell dir vor es ist Karneval und der Prinz ist tot

Im Münsterland wird die fünfte Jahreszeit mit viel Helau und Horrido eingeläutet. Während Charlotte Kantig in riesiger Vorfreude ist, würde Isabella Steif sich lieber verkriechen bis die Narrenzeit vorüber ist. Sie hasst den Karneval, aber ihre Schwester schleppt sie trotzdem zur großen Party mit Proklamation des Prinzen Jens Borgmeier und seiner Prinzessin. Es wird ausgelassen gefeiert – doch am nächsten Tag wird der Karnevalsprinz erstochen im Sprokenbach gefunden. Die Polizei steht vor einem Rätsel.   Hilfe naht durch Steif und Kantig, die nicht nur wie durch Zufall ein wichtiges Indiz finden, sondern auch den entscheidenden Hinweis für die Lösung dieses Falles.

Gisela Garnschröder

Komplizen, Kappen, Karneval

Der elfte Fall für Steif und Kantig

Ullstein

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Originalausgabe bei UllsteinUllstein ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH,Berlin November 2022© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2022Umschlaggestaltung:zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Autorenfoto: © privatE-Book powered by pepyrus

ISBN: 978-3-8437-2858-4

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

Leseprobe: Munteres Morden

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Cover

Titelseite

Inhalt

1. Kapitel

1. Kapitel

Der Februar begann mit Regen und kühlen Temperaturen um fünf Grad Celsius. Isabella Steif hatte es sich in ihrem Haus gemütlich gemacht. Sie saß im Sessel und zu ihren Füßen lag der Labradorrüde Balu und döste vor sich hin. Isabella war Ende sechzig und schon seit einigen Jahren in Pension. Früher hatte sie mit Begeisterung am Gymnasium unterrichtet, aber inzwischen war die rüstige unternehmungslustige Seniorin froh, dass sie sich die Zeit wunschgemäß einteilen konnte. Am liebsten machte sie ausgedehnte Wanderungen mit ihrem Hund Balu oder stöberte furchtlos in dunklen Ecken herum, wenn sie dort Ungesetzlichkeiten vermutete. Momentan wartete Isabella den Regen ab und dachte an ihre etwas jüngere Schwester Charlotte Kantig, die ebenfalls pensionierte Lehrerin war und die andere Hälfte des gemeinsamen Doppelhauses bewohnte.

Isabella beneidete Charlotte, die mit ihrem Sohn Thomas, Schwiegertochter Marita und den Zwillingen Annabell und Marvin für zwei Wochen auf die Kanareninsel Gran Canaria geflogen war. Natürlich versorgte Charlotte ihre Schwester immer wieder mit schönen Strandfotos der Zwillinge und wunderschönen Sonnenuntergängen über dem Meer, die bei Isabella eine starke Sehnsucht auslösten. Immer wieder holte sie ihr Tablet hervor und sah sich die Fotos an. Seit zwei Jahren war sie nicht mehr im Urlaub gewesen und konnte ihre bereits gebuchte Reise Ende März nach Lanzarote kaum erwarten.

Isabella hatte das Tablet vor sich auf dem Schoß, als sie draußen das Geräusch eines vorbeifahrenden Autos hörte und durchs Fenster sah. Der Regen hatte etwas nachgelassen.

»Wir können raus, Balu. Es hört auf zu regnen«, erklärte Isabella froh und klappte das Tablet zu. Balu hob den Kopf, sprang auf und war im Nu an der Tür.

Isabella Steif hatte einen dicken Pullover unter ihren Friesennerz gezogen und in den Gummistiefeln trug sie die selbstgestrickten Wollsocken. Draußen war es nicht nur nass, sondern auch bitterkalt. Isabella nahm den Weg durch die Siedlung direkt zum Stadtpark, denn die dunklen Wolken am Himmel waren nicht verschwunden, sondern machten wohl nur eine Pause. Balu strebte an der Leine weit voraus und zog seine Besitzerin förmlich mit sich.

»Nicht so schnell, Balu«, schimpfte Isabella sanft. »Ich komme kaum noch hinterher.« Der Rüde kam zurück, stupste sie am Knie und sah sie mit seinen braunen Augen an, als wollte er sagen: »Wir müssen uns beeilen, der nächste Schauer kommt bestimmt.«

Isabella kraulte liebevoll Balus Kopf und er lief wieder davon. Als sie den Park hinter sich ließen und in die Siedlung dahinter einbogen, sah Isabella an einer weißverputzten Garage ein großes Plakat mit einem Clownsgesicht und der Ankündigung: »Großer Kostümball mit Proklamation des Karnevalsprinzen und seiner Prinzessin.«

Isabella rümpfte die Nase. Sie hasste diesen Karnevalsrummel, trotzdem blieb sie stehen und sah sich das Plakat genau an. Der Ball sollte am Freitagabend, dem 11. Februar, stattfinden. In Oberherzholz gab es den äußerst aktiven Karnevalsverein: Oberherzholz Helau. Die Jecken bereiteten sich schon seit Wochen auf die Saison vor.

Skeptisch betrachte Isabella das bunte Plakat. Musste man wirklich eine Pappnase aufsetzen, um fröhlich zu sein? Für Köln und das Rheinland mochte das ja passen, aber für Oberherzholz und die sturen Westfalen?

Isabella hatte von ihrer Nachbarin erfahren, dass die Jecken aus Oberherzholz schon seit Weihnachten dabei waren, ihren Prinzenwagen zu gestalten. Der Festtagswagen würde am Rosenmontag am Umzug in Warendorf teilnehmen und zuvor an einem der Umzüge in der Umgebung. Isabella wusste das alles, trotzdem war Karneval für sie eher laut und lästig. Solch aufgemotzte Fröhlichkeit war ihr einfach zuwider. Sie hatte gehofft, dass die Coronapandemie endlich dazu führen würde, dieses ihrer Meinung nach überflüssige Geschehen ganz einzustellen, aber der Karnevalsverein erlebte gerade eine regelrechte Renaissance. Zumindest hatte sie das von ihrer Bäckersfrau vor einigen Tagen gehört. Louisa Holtz und ihr Mann waren Mitglied im Verein und fuhren jedes Jahr einmal nach Köln, um die Rheinländer bei ihren Alaaf-Rufen zu unterstützen.

Isabella ging hastig weiter, nicht nur weil Balu kräftig an der Leine zog, sie war einfach schon viel zulange vor dem Karnevalsplakat stehen geblieben. Womöglich dachte noch jemand, sie würde solch ein kostümiertes Treiben gut finden. Erst beim Weitergehen fiel ihr ein, dass auch ihre Schwester Charlotte dem Karnevalsverein beigetreten war. Charlotte feierte gern und war früher mit ihrem Mann regelmäßig auf allen Ortsfesten präsent gewesen. Isabella war so in Gedanken, dass sie gar nicht bemerkte, dass sie bereits am Sprokenbach angekommen und Balu ihr um Längen voraus war.

Eine Radlerin fuhr sie plötzlich hart an und rief empört: »Hey, Sie sperren mit Ihrer Hundeleine die ganze Straße!«

Da erst bemerkte Isabella, dass Balu bereits auf der anderen Seite war und die Leine sich über die Straße spannte. Schnell entschuldigte sie sich, folgte Balu und schlug den Wanderweg am Sprokenbach ein.

In der Nähe des Gartencenters kam ihr auf dem Fahrrad Rosa Brand von ihrer Nordic Walking-Gruppe entgegen.

»Hallo, Isabella.« Rosa stoppte und stieg vom Rad. »Kommst du auch mit zur Prinzenproklamation?«

»Karneval?« Isabella schüttelte empört den Kopf. »Niemals. Ich hasse dieses kostümierte Getue.«

»Das verstehe ich nicht«, sagte Rosa verwundert. »Sonst bist du doch immer für Feierlichkeiten.«

»Aber nicht für Karneval, das gehört für mich nach Köln und da kann es ruhig bleiben«, erklärte Isabella.

»Da stehst du aber ziemlich allein da mit deiner Meinung«, sagte Rosa. »Zwei Jahre lang ist wegen Corona alles ausgefallen. Da sind alle froh, dass endlich wieder was los ist hier im Ort.«

»Du kannst ja hingehen«, sagte Isabella und zog Balu unter einem Strauch weg.

»Mein Gott, stell dich doch nicht so an«, sagte Rosa. »Wir wollen alle als Gruppe mit einheitlichen Kostümen gehen. Je mehr da mitmachen, umso besser.«

»Auf mich müsst ihr diesmal verzichten«, sagte Isabella ungerührt und setzte etwas verärgert hinzu: »Ich muss weiter, Rosa.«

Isabella zog die Leine so straff, dass Balu erschrocken knurrte und ging eilig davon. »Karneval!« Sie spuckte das Wort aus wie ein abgelutschtes Kaugummi. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Doch je weiter sie ging, umso nachdenklicher wurde sie. Mal wieder feiern und mit den anderen bei Musik zusammensitzen und klönen, wäre nicht schlecht.

Isabella passierte das Industriegelände und machte einen großen Bogen um die Gärtnerei zum Hof Gerstland hinüber, wo sie schon von weit her die beiden Windräder hinter dem Wald sehen konnte. Der Marsch hatte sie erwärmt und plötzlich kam sogar die Sonne durch. Eine milde schwache Wintersonne, die trotz aller Verschwommenheit die Seele wärmte.

Isabellas Ärger über das unproduktive Gespräch mit Rosa war verschwunden. Sie löste Balu von der Leine und ließ ihn auf der winterlichen grauen Weide neben dem Wanderweg freilaufen. Anschließend reckte und streckte sie sich und blickte zur Sonne hinauf. Der Himmel wurde immer klarer und die ersten fetzen Blau kamen zum Vorschein. Langsam ging Isabella weiter, sah Balu zu, der begeistert über die Wiese tobte, und dachte an Rosas Worte. Wieder mal rausgehen und sich ungezwungen ohne Maske unterhalten, wäre wirklich schön. Aber Karneval? Ausgerechnet das Fest, das ihr am wenigsten lag? Nicht mit mir, sagte sich Isabella entschlossen.

Der Himmel verdunkelte sich genauso plötzlich, wie zuvor die Sonne durchgekommen war. Es begann wieder, leicht zu regnen, und wurde Zeit heimzugehen. Isabella pfiff auf zwei Fingern ihren Hund herbei, leinte ihn an und war kurz darauf wieder zu Hause.

Drei Tage später hörte Isabella in der Nacht ein Auto direkt vor dem Haus. Sie ging ins Bad und sah hinunter. Ein Taxi stand dort und der Fahrer war gerade dabei, Charlottes Koffer auszuladen. Die Schwester ging eilig ins Haus und Isabella gähnend zurück ins Bett. Am Morgen war Isabella wie gewohnt um sechs Uhr im Bäckerladen und holte gleich die doppelte Menge Brötchen. Draußen wartete Balu schon schwanzwedelnd auf sie und zügig ging es zurück. Isabella schloss leise Charlottes Eingangstür auf, legte die Brötchen dort in den Korb und stellte ihn auf den Küchentisch. Dann schloss sie sorgfältig wieder ab, verschwand in ihrem Haus.

Es war kurz vor Mittag, als Isabella von einem kurzen zweiten Spaziergang mit Balu zurückkam. Charlotte kam im Jogginganzug aus der Tür und der Hund sprang so begeistert an ihr hoch, dass Isabella kaum die Möglichkeit hatte, ihre Schwester richtig zu begrüßen. »Balu freut sich genauso sehr wie ich, dass du wieder da bist«, sagte Isabella lachend und begrüßte Charlotte mit einer herzlichen Umarmung.

»Ich freue mich auch, zu Hause zu sein und endlich wieder mit euch durch die Wälder zu streifen«, erklärte Charlotte. »Der Urlaub war wunderschön, aber zu Hause ist eben mit nichts zu vergleichen. Willst du mit reinkommen?«

Isabella schüttelte den Kopf. »Ich muss erst Balu versorgen«, sagte sie. »Komm doch am Nachmittag zum Kaffee rüber. Ich habe extra heute Morgen einen Apfelkuchen gebacken.«

»Das ist ja super, dann muss ich mich darum nicht kümmern«, sagte Charlotte. »Ich muss aber gleich noch einkaufen und meine Vorräte auffüllen.«

»Das kannst du morgen auch noch«, sagte Isabella. »Ich habe dir doch gestern den Kühlschrank gefüllt und für heute Mittag noch Erbseneintopf hingestellt.«

»Du hast was …?« Schon war Charlotte im Haus verschwunden.

Verdattert sah Isabella ihr nach, fasste Balu am Halsband und sagte: »Komm, Balu, wir gehen rein.«

Sie hatte gerade ihre Jacke weggehängt und Futter und Wasser für Balu bereitgestellt, als es klingelte und Charlotte ihr um den Hals fiel.

»Isabella, du bist ein Schatz«, sagte sie völlig überwältigt »Ich war doch gerade erst aufgestanden und noch nicht in der Küche gewesen. Du hast mir sogar Brötchen mitgebracht. Die esse ich gleich zum Eintopf und um halb vier bin ich pünktlich bei dir zum Nachmittagskaffee.«

»Dann kann ich ja in Ruhe meinen Mittagsschlaf machen«, erklärte Isabella knapp, um ihre Rührung zu verbergen.

»Danke noch mal, Schwesterchen«, sagte Charlotte lächelnd und verschwand wieder.

Fröhlich schwatzend saßen die Schwestern beim Kaffeeklatsch in Isabellas gemütlicher Wohnküche zusammen. Charlotte berichtete begeistert von ihrem Aufenthalt auf den Kanaren mit Kindern und Enkeln während Isabella sich dabei gleich die vielen Fotos auf dem Tablet ansah, die Charlotte gemacht hatte.

»Himmel, das sind über hundert Fotos, Charlotte«, sagte Isabella überwältigt. »Kannst du mir welche entwickeln lassen? Ich habe doch ein Album für die Zwillinge angelegt, da würden sie sehr gut passen.«

»Such dir welche aus«, sagte Charlotte. »Ich habe auch einige herausgepickt, die ich für ein Fotobuch zusammenstellen will. Es kann aber dauern. Erst mal muss ich hier alles wieder auf Vordermann bringen.«

»Morgen ist Sonntag, da hast du doch Zeit genug, dich um die Fotos zu kümmern«, war Isabella überzeugt.

»Nein, den Sonntag brauche ich, um die wunderbare Zeit am Meer noch einmal gedanklich zu verarbeiten, alles andere muss warten«, sagte Charlotte.

»Eigentlich hatte ich gehofft, du würdest dich um Balu kümmern«, sagte Isabella. »Ich habe mich nämlich morgen für eine Busfahrt der Landfrauen angemeldet. Wir fahren zur Wallfahrtskirche nach Stromberg.«

»Kein Problem«, sagte Charlotte lächelnd. »Das kriege ich auf jeden Fall hin.«

Die Fahrt nach Stromberg war für Isabella ein richtiges Erlebnis, denn die Wanderung rund um die Kirche und auch die Besichtigung des Gebäudes war wirklich interessant. Die Kirche liegt auf einem Hügel im ansonsten recht flachen Münsterland und ist weit über die Region hinweg bekannt wegen der Burgbühne, auf der im Sommer regelmäßig Theaterstücke aufgeführt werden. Nach der Besichtigung, einer Andacht in der Wallfahrtskirche und einer Wanderung durch die winterliche Umgebung, fuhren die Landfrauen gegen Abend wieder heim und feierten den Abschluss des Tages im Ratskeller in Oberherzholz.

Auch Rosa Brand war mit von der Partie und im Ratskeller saßen sie und Isabella nebeneinander.

»Das war mal wieder ein schöner Tag«, erklärte Isabella zufrieden, während die Bedienung den Wein brachte. »Endlich kann man nach der langen Coronazeit mal wieder ganz unkompliziert was unternehmen.«

»Ganz meine Meinung und nächste Woche wird das noch besser, da hauen wir so richtig auf die Pauke, Isabella«, erklärte Rosa.

»Sprichst du von der Karnevalsfeier?« Isabella zog die Brauen hoch und gab gleich selbst die Antwort: »Ich habe dir doch gesagt, ich gehe da nicht hin.«

»Stell dich nicht so an«, fauchte Rosa. »Wir gehen als Gruppe, da kannst du dich doch nicht ausschließen. Außerdem macht deine Schwester auch mit.«

»Charlotte?« Isabella sah Rosa überrascht an.

»Hast du sonst noch eine Schwester?« Rosa schüttelte stirnrunzelnd den Kopf und fuhr fort: »Charlotte kommt zusammen mit ihrer Freundin Laura Sundermeier.«

»Wann habt ihr das denn abgemacht?«, fragte Isabella verdutzt. »Charlotte war doch seit Mitte Januar im Urlaub und ist erst gestern zurückgekommen.«

»Da musst du Tina Kraft fragen. Sie macht wie immer die Organisation in unserer Nordic Walking-Gruppe, und Ella Stein hat auch schon zugesagt«, entgegnete Rosa leicht ungeduldig. »Auf jeden Fall sind die Plätze schon gebucht und sechs einheitliche Kostüme wurden im Verleih bestellt. Dienstag ist die Anprobe.«

»Ohne mich zu fragen? Das ist ja dreist«, regte sich Isabella auf und goss ihren Wein in einem Zug hinunter und schnappte sich ihre Tasche. »Ich gehe!«

Rosa hielt sie am Arm zurück. »Wenn du kneifst, dann brauchst du bei uns nicht mehr mitmarschieren.«

Isabella sank wieder auf ihren Stuhl. »Muss das denn sein?«, lenkte sie ein. »Ich hasse Karneval!«

»Gib dir einen Ruck und lass uns auf deinen Sinneswandel noch eine weitere Flasche köpfen«, sagte Rosa und lächelte siegesgewiss.

Isabella holte tief Luft und dann musste auch sie lächeln. »Du zahlst den nächsten Wein und dann trinken wir auf dich, weil du mich überredet hast.«

Am nächsten Morgen erwachte Isabella mit heftigen Kopfschmerzen. Verflixt, warum hatte sie nur so viel getrunken? Verärgert quälte sie sich aus dem Bett, stellte fest, dass es schon nach sechs Uhr war, und ging ins Bad. Hastig erledigte sie ihre Morgentoilette, nahm anschließend ein Aspirin und machte sich mit Balu auf den Weg, der schon ungeduldig wartete.

Schnurstracks ging es zur Bäckerei, was Balu gar nicht gefiel, denn er war es gewohnt, gemütlich die Gegend zu erkunden und an jedem Baum sein Bein zu heben.

»Balu, wir müssen weiter«, kommandierte Isabella ein ums andere Mal, wenn der Rüde schnuppernd innehielt.

Eigentlich hätte Isabella alle Zeit der Welt, aber ihr Einlenken vom Abend zuvor machte sie rasend. Wie konnte sie nur so dumm sein und sich von Rosa überreden lassen! Nun musste sie sich in ein Kostüm zwängen. So ein Mist! Allein dieses Helau-Gegröle und der viele Alkohol, der auf diesen Karnevalsfesten getrunken wurde. Verärgert über sich selbst, riss sie an der Leine, weil Balu wieder einmal an einem Baumstamm seine Visitenkarte hinterließ. »Balu«, schimpfte sie verärgert, »komm endlich!«

Der Hund gab ein kurzes Protestgebell von sich, da tat es Isabella schon leid. »Ach, Balu«, sagte sie und hockte sich vor ihn hin. »Dein Frauchen hat heute Kopfschmerzen und ärgert sich mächtig über sich selbst.« Sanft kraulte sie ihm den Kopf, gab ihm ein Leckerli und ging seufzend weiter.

Das Fenster in der Bäckerei war bereits mit bunten Masken und vielen Luftschlangen dekoriert, was Isabella schon fast als Hohn empfand, der ihre Kopfschmerzen eher noch verstärkte. In der Bäckerei wurde sie gleich von Louisa Holtz freundlich begrüßt: »Moin, Isabella. Brötchen wie immer?«

»Ja, zwei für mich und für Charlotte ein Vollkorn und ein Butterhörnchen.«

Louisa hatte schon die Tüte in der Hand und fragte: »Hat Charlotte den Urlaub schon um?«

»Nee, ich schicke die Hörnchen per Luftpost nach«, gab Isabella trocken zurück.

»Du bist aber schlecht drauf heute«, stellte Louisa stirnrunzelnd fest und tippte den Betrag ein.

Isabella zog eine Grimasse, schnappte sich die Tüte, hielt ihre Bankkarte an den Scanner und verschwand mit einem »Tschüss« aus dem Laden.

Für den Rückweg ließ sie sich Zeit, denn so langsam besserten sich ihre Kopfschmerzen und die prompte Antwort auf Louisas dumme Frage verbesserte ihre Laune erheblich. Kaum zu Hause verschwand die gute Stimmung wieder, denn beim Ankommen öffnete Charlotte die Tür und rief erfreut aus: »Wie schön, Isabella, du hast schon Brötchen geholt. Komm rein, der Kaffee ist fertig.«

Isabella drücke der Schwester die Tüte in die Hand und knurrte: »Wir sprechen uns noch! Ich bring erst Balu rein.«

»Was hast du denn?« Charlotte starrte sie irritiert an. »Ist was nicht in Ordnung?«

Isabella machte eine abweisende Handbewegung und verschwand eilig in ihrem Haus. Drinnen versorgte sie Balu und ging dann nach nebenan zurück.

Ihre Schwester hatte die Tür extra aufgelassen und Isabella stürmte in die Küche. »Wann hast du dich für die Karnevalsfeier angemeldet?«, überfiel sie Charlotte verärgert.

»Die Karnevalsfeier? Äh …« Charlottes Augen bildeten zwei Fragezeichen.

»Tu nicht so blöd«, giftete Isabella. »Rosa Brand hat gestern gesagt, du hättest dich und Laura angemeldet.«

»Ach so.« Endlich hatte Charlotte kapiert und zuckte die Schultern. »Kurz vor dem Flug auf die Kanaren war ich noch mit Laura zusammen im Fitnessstudio. Da haben wir über die Karnevalsfeier gesprochen und abgemacht in einheitlichen Kostümen zu gehen. Was geht dich das denn an?«

»Ich muss jetzt auch hin. Und du weißt genau, dass ich Karneval hasse.«

»Du spinnst doch«, entgegnete Charlotte aufgebracht. »Wer sagt denn, dass du mitmusst? Ich bestimmt nicht!«

»Laura hat euch wohl bei Tina Kraft von meiner Nordic Walking-Gruppe angemeldet, und Tina hat Kostüme und einen Tisch für sechs Personen bestellt, ohne mich vorher zu fragen.«

»Und warum beschwerst du dich dann bei mir?« Charlotte schüttelte den Kopf und goss Kaffee ein. »Melde dich ab und die Sache ist in Ordnung.«

»Das kann ich doch nicht machen«, gab Isabella kleinlaut zu. »Dann muss ich mir andere Leute zum Walking suchen.«

Charlotte grinste. »So ist das also, die anderen haben dich bequatscht und jetzt bist du sauer, dass du Ja gesagt hast.«

Isabella nickte. »Rosa hat mich gestern überredet und nach einer Flasche Wein habe ich dann doch zugesagt.«

Charlotte lachte. »Im Suff! Das geschieht dir ganz recht. Warum trinkst du auch so viel.«

Isabella fasste sich mit beiden Händen an den Kopf. »Lach nicht so laut. Ich habe Kopfschmerzen.« Sie nahm einen großen Schluck Kaffee und fügte hinzu: »Heute gleich nach dem Aufstehen habe ich ein Aspirin genommen, aber jetzt sind die Schmerzen schon wieder da.«

Charlotte biss in ihr Hörnchen und murmelte: »Du musst ja ganz schön gebechert haben.«

Isabella seufzte, enthielt sich eines Kommentars und konzentrierte sich ganz auf ihre Kaffeetasse.

»Willst du gar nichts essen?«, fragte Charlotte.

»Nein«, gab Isabella zur Antwort. »Ich trinke noch eine Tasse Kaffee und dann leg ich mich wieder ins Bett.«

Charlotte schmunzelte. »Nimm deine Brötchen mit, sonst verhungerst du nachher noch.«

Isabella nickte und nahm die Tüte an sich. Sie war schon an der Tür, als Charlotte sagte: »Denk dran, die Anprobe der Kostüme ist morgen Nachmittag um vier. Wir treffen uns beim Kostümverleih Hegel an der Hauptstraße.«

Isabella wirbelte herum. »Woher weißt du das?«

»Laura hat mir eine Nachricht geschrieben.«

»Also wusstest du, dass ich überredet werden soll?«

»Hat doch geklappt, oder?«

Isabella starrte ihre Schwester sekundenlang wütend an, rauschte aus der Küche und knallte die Tür hörbar hinter sich zu.

Isabella hatte in ihrem Ärger kein Wort mehr mit Charlotte gesprochen, erschien aber pünktlich im Kostümverleih, wo die anderen schon mit ersten Anproben begonnen hatten.

»Wenn ihr Clownskostüme nehmt, gehe ich sofort wieder«, sagte sie. »Die viele Farbe im Gesicht verträgt meine Haut nicht.«

»Farbe wird nicht nötig sein«, antwortete Frau Hegel, die Inhaberin des Kostümverleihs. »Die von Ihnen bestellten Fantasy-Kostüme sind leider nicht geliefert worden. Für eine so große Gruppe habe ich momentan nur noch Nonnenkostüme in verschiedenen Größen.« Betretene Gesichter auf allen Seiten.

»Aber das geht doch nicht«, regte sich Tina auf. »Sie haben mir doch versichert, dass das wir die Kostüme bekommen.«

»Es tut mir leid«, sagte die Kauffrau. »Momentan gibt es überall Lieferschwierigkeiten. Wenn Sie die Kostüme, die ich dahabe, nicht wollen, müssen Sie sich woanders umschauen.«

»Nonnenkostüme?« Laura Sundermeier, die wohl auch gerade erst gekommen war, starrte Frau Hegel an. »Das ist nun wirklich nicht das, was ich mir vorgestellt habe.« Sie wandte sich an Charlotte. »Sollen wir andere Kostüme nehmen?«

Charlotte zog die Stirn nachdenklich in Falten und zuckte nur die Schultern.

Jetzt mischte sich Tina Kraft wieder ein. »Also, Leute, ich habe schon Plätze für sechs Personen reserviert und finde, dass eine Gruppe mit einheitlichen Kostümen echt was hermacht, egal welches Outfit«, sagte sie und setzte hinzu: »Wenn ihr euch unbedingt schminken wollt, könnt ihr euch ja Herzchen ins Gesicht malen.«

Ella Stein hatte bis jetzt nur schweigend dabeigestanden und meinte nun: »Last uns die Kostüme doch erst mal anprobieren. Wenn sie uns dann nicht gefallen, können wir immer noch andere nehmen.«

»Das ist doch ein Wort«, sagte Tina. »Ich habe meine Größe schon rausgesucht.«

Schon bald standen sechs Nonnen zusammen vor dem großen Spiegel und Ella foppte grinsend: »Bei dem Kostüm kannst du sogar auf die Schminke verzichten, Isabella.«

Isabella ignorierte den Spott, strich ihr Habit glatt und sagte: »Als Gruppe sehen wir total echt aus. Das gefällt sogar mir.«

»Na, also«, sagte Ella. »Du musst dich nicht einmal schminken.«

»Aber etwas Make-up und Kajal für die Augen sollten wir schon nehmen«, war Laura der Ansicht.

»Klar, das gehört beim Karneval dazu«, bestätigte Tina.

Frau Hegel zeigte auf einen Wühltisch und setzte geschäftsmäßig hinzu: »Die Kostüme sind beidseitig bis zum Oberschenkel geschlitzt. Wer möchte, kann Strapse dazu tragen. Ich habe hier eine ganze Auswahl in verschiedenen Farben vorrätig, die man dazu kaufen kann.«

»Hach, dass sehe ich ja erst jetzt«, freute sich Laura und suchte schon nach schwarzen Netzstrümpfen mit roten Strapsen, die sie dazu tragen wollte.

Nun wurden verschiedene Strümpfe und Strumpfhosen ausgesucht und selbst Isabella hatte ihren Spaß dabei.

Gut gelaunt verließen die sechs Frauen nach zwei Stunden den Kostümverleih.

2. Kapitel

An der Münsterlandstraße stand in der Nähe des Lindenhofs gut geschützt durch ein Wäldchen ein Polizeiauto. Hauptkommissar Meier und sein Kollege Kommissar Frisch hatten ihre mobile Blitzerstation etwas entfernt aufgebaut. Die Beamten schossen dort mehr oder weniger gute Portraits der Fahrer, die die vorgeschriebene Geschwindigkeit von siebzig Kilometern pro Stunde überschritten. Das Wetter meinte es allerdings weniger gut mit den Beamten, denn die Temperaturen um den Nullpunkt sorgten bei fast allen Vorbeikommenden für eine vorsichtige Fahrweise. Nach zwei Stunden wurde es Meier zu dumm. »Verdammt, die kriechen daher, als wäre die Straße spiegelglatt«, sagte er verärgert. »Lass uns zusammenpacken, Dietmar.«

Sein Kollege grinste. »Ich habe doch gleich gesagt, dass das heute nichts bringt, Burghard, aber du wolltest ja nicht auf mich hören.«

»Ja, ja, nachher ist man immer schlauer«, grummelte Meier, als sie die Anlage wieder abbauten. »Immerhin waren es wenigstens zwei, drei, die wir erwischt haben.«

Eine halbe Stunde später waren die Beamten wieder in der Polizeistation, als der Bürgermeister hereinkam.

»Guten Tag, die Herren«, begrüßte er die beiden Polizisten jovial lächelnd. »Endlich erreiche ich Sie. Ich war heute Morgen schon hier, aber da war die Wache abgeschlossen.«

»Wir haben an der Münsterlandstraße Geschwindigkeitskontrollen durchgeführt«, erklärte Meier. »Sie wissen doch, Herr Borgmeier, in dringenden Fällen ist die Zentrale in Münster immer zu erreichen.«

»So dringend ist es nun auch wieder nicht, Herr Hauptkommissar«, erklärte der Bürgermeister leutselig. »Ich möchte Sie lediglich darauf hinweisen, dass unser Karnevalsverein am kommenden Freitag seine Prinzenproklamation feiert.«

»Interessant, nur was haben wir damit zu tun?«

»Nun, es wäre schön, wenn Sie und Ihr Kollege vor Ort wären, sozusagen als höhere Institution, um den Ordnungsdienst zu unterstützen.«

»Sie haben doch die 3G-Regel, das müsste doch glatt laufen«, schaltete sich nun Dietmar Frisch ein.

»Schon«, räumte der Bürgermeister ein. »Ich bin auch stolz darauf, dass fast neunzig Prozent unserer Einwohner vollständig gegen Corona geimpft sind. Man weiß aber nie, ob es nicht doch zu Krawallen kommt, wenn der Ordnungsdienst den Impfstatus überprüft.«

»Falls es zu Unruhen kommt, können Sie immer die Kollegen aus Münster dazu rufen«, erklärte Meier. »Ich bin kein Karnevalsfan und wollte das Wochenende eigentlich anderweitig verbringen.«

»Ich bitte Sie, Herr Meier«, sagte der Bürgermeister. »Sie sollen ja nicht in Uniform kommen, sondern nur als Gäste kostümiert teilnehmen, damit Sie im Ernstfall vor Ort sind. Wir haben ein super Programm, das extra von meinem Freund aus Münster, dem Eventmanager Thomas Gramhorst, geleitet wird.«

»Der Gramhorst, der in Münster immer die große Westfalensause und Band organisiert?«, unterbrach Dietmar Frisch den Redefluss des Bürgermeisters.

»Genau, Herr Frisch«, sagte Herr Borgmeier. »Er ist eine Koryphäe im Gestalten von außergewöhnlich guten Festivitäten. Das Programm geht bis weit nach Mitternacht.«

»Wie wollen Sie sicherstellen, dass nicht ein verspäteter Gast unerkannt verkleidet hereinkommt?«, fragte Meier. »Oder wird jeder, der eine Zigarette rauchen will oder mal frische Luft schnappt, erneut komplett vom Ordnungsdienst geprüft?«

»Das ist schon geregelt, Herr Meier«, sagte der Bürgermeister und legte ein Schreiben vor Meier hin. »Das ist die Liste der Ordner, damit Sie wissen, mit wem Sie es zu tun haben. Beim Eintritt werden Armbänder vergeben, die jeder Besucher tragen und beim Rein- oder Rausgehen vorzeigen muss.«

»Dann ist doch alles in Ordnung«, sagte Meier. »Dann brauchen Sie uns wirklich nicht.«

»Es wäre trotzdem gut, wenn Sie kämen«, sagte der Bürgermeister und legte vier Freikarten auf den Tisch. »Für Sie und Ihren Kollegen mit Begleitung. Überlegen Sie es sich.« Er drehte sich um und ging mit einem »Man sieht sich« hinaus.

»Der spinnt wohl«, moserte Frisch, als der Bürgermeister weg war. »Der erwartet doch nicht etwa, dass wir den ganzen Abend mit Cola herumsitzen, um abzuwarten, ob es Krawall gibt.«

»Von Cola hat er nichts gesagt«, antwortete Meier. »Ich spreche erst mal mit meiner Frau. Wir wollten eigentlich gleich am Freitag nach dem Dienst wegfahren.«

»Meine Frau ist am Wochenende gar nicht da«, sagte Frisch. »Sie fährt mit Emma nach Köln. Veras Tante hat die beiden zur Veranstaltung Lachende Kölnarena eingeladen.«

»Dann kannst du ja hier zur Prunksitzung gehen und ich fahre mit meiner Frau weg.«

»Nee, nee«, protestierte Frisch. »Da haut mich doch jeder an und fragt, wo ich meine Uniform gelassen habe. Wenn ich dann auch noch den ganzen Abend nüchtern bleiben soll – nee danke, nicht mit mir.«

»Dann such dir ein Kostüm, in dem dich keiner erkennt«, sagte Meier. »Dann kannst du dich sogar volllaufen lassen, ohne dass es groß auffällt.«

Frisch winkte ab und grummelte: »Mal sehen.«

Der Hauptkommissar war an diesem Tag pünktlich kurz nach achtzehn Uhr zu Hause. Seine Frau hatte ihm einen Zettel hingelegt: »Bin beim Gruppengespräch.« Gerda war Kindergärtnerin und diese Gruppengespräche fanden in unregelmäßigen Abständen statt. Meier wusste das, aber diese Zettelwirtschaft seiner Frau ging ihm echt auf die Nerven. Wie oft hatte er ihr schon gesagt, sie solle ihm eine Whatsapp schreiben? Dann hätte er sich doch gleich von der Wurstbude sein Abendessen mitbringen können. Noch während er überlegte, ob er noch mal losfahren sollte, hörte er die Haustür zufallen und gleich darauf kam Gerda in die Küche.

»Du bist schon da, wie schön! Dann können wir gleich essen«, sagte sie und stellte eine Tüte auf den Tisch. »Ich habe Döner mitgebracht.«

Gemeinsam deckten sie den Tisch und Meier holte für beide Bier aus dem Kühlschrank. Während des Essens fragte er: »Hast du das Hotel im Bad Oeynhausen gebucht?«

»Nein, äh, ich, wir …« Gerda war rot geworden. »Eigentlich wollte ich mit meinen Kolleginnen nun doch zur Prunksitzung. Können wir das Wellnesswochenende nicht verschieben?«

»Verdammt! Nun fängst du auch noch damit an!« Meier schob den Teller mit dem restlichen Döner beiseite. »Ich dachte wir waren uns einig, dass wir nicht zum Karneval gehen!«

»Bitte, Burghard, sei nicht sauer, aber nach Corona möchte ich endlich mal wieder so richtig einen draufmachen«, gestand Gerda jetzt. »Wir haben vorhin so tolle Kostüme ausgesucht. Du kannst ja hierbleiben, wenn du nicht loswillst.«

»Das kann ich eben nicht«, konterte Meier wütend. »Wenn der Bürgermeister dich sieht, erwartet er, dass ich auch da bin.«

»Was hat denn meine Anwesenheit mit dem Bürgermeister zu tun?« Gerda sah ihren Mann empört an und Meier erklärte es ihr.

»Du hast Freikarten? Das sagst du erst jetzt?!«, regte sich nun Gerda auf. »Dann hätte ich die vierzig Euro gar nicht bezahlen brauchen.«

»Pfeif auf die vierzig Euro«, sagte Meier. »Ich verschenke die Freikarten und wir zahlen beide. Ich muss nur sehen, dass ich ein Kostüm finde, in dem mich keiner erkennt.«

»Dann fahren wir nach Münster, dort ist die Auswahl größer, da findest du bestimmt was«, war Gerda sicher.

Meier grinste versöhnlich. »Darauf trinken wir noch ein Bierchen, Gerda.« Er ging zum Kühlschrank und fügte hinzu: »Dietmar nehmen wir am besten zur Anprobe mit, dann kann er nicht kneifen.«

Am nächsten Morgen eröffnete Meier seinem Kollegen, dass er nun doch an der Karnevalsfeier teilnehmen wollte. »Du kommst mit, Dietmar.«

»Ach, nee«, stieß Dietmar Frisch verärgert hervor. »Dann hätte ich ja gleich mit meinen beiden Frauen nach Köln fahren können.«

»Lass die beiden doch mal richtig feiern«, sagte Meier. »Gerda ist auch mit ihren Kolleginnen zusammen dort.«

»Ich mache mir Sorgen um meine Tochter«, sagte Frisch. »Mädchen mit siebzehn fallen doch auf jeden rein, der ihnen schöne Augen macht.«

»Deine Frau ist doch dabei, die passt schon auf«, beruhigte ihn Meier und fuhr fort: »Wir machen uns hier einen schönen Abend. Morgen wird das Kostüm ausgesucht.« Er hielt einen Moment inne und fügte noch hinzu: »Wir gehen rein privat hin. Die Freikarten verschenken wir an die Einrichtung für Menschen mit Gehbehinderung.«

Dietmars Gesicht hellte sich auf. »Das ist doch ein Wort. Dann kann ich mir wenigstens ein Bier gönnen.«

Es wurde Freitag und alles strömte in die Stadthalle. Clowns in bunten Kostümen, eine Gruppe schwarz gekleideter Nonnen, Frauen und Männer in historischen Kostümen aus dem achtzehnten Jahrhundert, skurril anmutende weiße Vögel mit riesigen roten Schnäbeln, Esel und Eselin ganz in Grau, zwei Braunbären, die mit ihrem weißen Nasenschutz total echt wirkten, eine Gruppe von Krankenschwestern in superkurzen Röcken mit einem Arzt im Schlepptau und noch viele andere bunt kostümierte Besucher. Der Ordnungsdienst prüfte am Eingang die Impfnachweise, was die allgemeine Freude an der Feier kaum beeinträchtigte, und alle Befürchtungen des Bürgermeisters erwiesen sich als grundlos.

Der Saal war voll und das Programm begann mit der Proklamation des Prinzen Jens Borgmeier und seiner Lieblichkeit, der Prinzessin Karin Waldemann.

Burghard Meier hatte sich mit Dietmar Frisch an einem Tisch niedergelassen, der tierisch gute Kostüme vereinte. Hier saßen die Eselin und der Esel, eine Gruppe weißer Vögel und zwei Braunbären in froher Runde.

»Das Bärenkostüm ist echt klasse«, raunte Frisch seinem Kollegen zu. »Bisher hat mich noch keiner erkannt, da macht das Feiern richtig Spaß.«

»Ja, ja«, murmelte Meier, der angestrengt zu dem Tisch mit den Krankenschwestern hinüberschaute, wo seine Frau gerade dem Arzt ein Küsschen auf die Wange gab. Gerda sah in ihrem minikurzen weißen Kittel und dem Petticoat darunter einfach hinreißend aus. Für seine Begriffe war der Ausschnitt, den sie dazu trug, etwas zu tief, aber ihre Kolleginnen hatten alle das gleiche Outfit gewählt.

»Oh, hast du auch einen Blick auf die heißen Krankenschwestern geworfen, Burghard?«, flüsterte jetzt Dietmar Frisch. »Die sehen alle echt fesch aus. Zumindest flotter als die Nonnen da drüben.«

Meier riss seinen Blick von den Krankenschwestern los und sah zu den Nonnen hinüber. »Wer ist denn die junge Frau mit dem Rollstuhl im Piratenkostüm, die den schwarz gekleideten Damen gegenübersitzt?«

»Keine Ahnung, wahrscheinlich eine der gehbehinderten Frauen, denen du unsere Freikarten überlassen hast«, vermutete Frisch. »Die Frau kann aber laufen, denn vorhin habe ich gesehen, wie sie aufgestanden und dem Piraten neben sich um den Hals gefallen ist.«

»Aha«, sagte Meier nur, der längst wieder mit den Gedanken woanders war. Er blickte nun zur Bühne hinüber, wo gerade die Tanzmariechen mit ihrem Auftritt begannen, als eine weibliche Stimme ihn aus seiner Betrachtung riss. »Sind die beiden Plätze neben Ihnen noch frei?«

Erschrocken blickte Meier auf zwei als Katzen verkleidete Schönheiten, doch bevor er antworten konnte, hörte er seinen Kollegen schon sagen: »Aber gerne, die Damen.« Eilfertig rückte Frisch den beiden Frauen die Stühle zurecht und Meier bestellte gut gelaunt eine Runde Bier.

Während sie auf die Getränke warteten, raunte Frisch ihm zu: »Burghard, dieser Abend kann nur gut werden.«

3. Kapitel

Während die beiden Polizisten noch die Stühle zurechtrückten, schunkelten die anderen Festteilnehmer schon zu dem Lied: »Westfalenland, Westfalenland ist wieder außer Rand und Band …«, mit dem die Prinzenproklamation eröffnet wurde.

Der Sechser-Gruppe im Nonnenkostüm saß einer Gruppe des gehbehinderten Vereins gegenüber, deren Mitglieder sich alle unterschiedlich verkleidet hatten. Das Piratenpärchen, das Isabella direkt gegenübersaß, war die zweiundzwanzigjährige Ina Meierbeer mit ihrem Freund Tim Großer. Isabella kannte Ina flüchtig und wusste, dass sie sich durch einen schweren Sturz im Alter von sechzehn Jahren mehrere Wirbel und die Hüfte gebrochen hatte und seitdem großenteils auf den Rollstuhl angewiesen war. Trotzdem hatte die junge Frau ihre Fröhlichkeit nicht verloren. Sie und ihr Freund schunkelten kräftig mit und waren in bester Feierlaune, genau wie alle um sie herum, denn nun marschierten der Hofstaat mit dem Prinzen und der Prinzessin in den großen Saal ein. Gleich darauf fand die Proklamation von Prinz Jens dem Ersten und seiner Lieblichkeit Prinzessin Karin der Ersten statt.

Es war schon fast Mitternacht und das Programm machte eine Pause, als Isabella den Waschraum aufsuchte. Sie war leicht beschwipst, also ging sie anschließend hinaus, um etwas frische Luft zu schnappen. Draußen vor der Stadthalle standen etliche bunt kostümierte Raucher und genehmigten sich ihren Glimmstängel. Isabella ging bis zum Parkplatz und blickte in den Sternenhimmel, denn es war klar und leicht frostig. Sie wollte gerade zurückgehen, als sie zwei Männerstimmen hörte, die alles andere als freundlich klangen.

»Lass mich in Frieden«, verstand sie gerade noch, als der Bürgermeister in der Uniform des Elferrats erregt hinter der Halle hervortrat und zum Eingang lief. Gleich darauf tauchte sein Sohn, der Karnevalsprinz, auf und steckte sich eine Zigarette an. Er blieb sekundenlang stehen und sah sich um, dann verklärte sich das Gesicht von Jens Borgmeier zu einem strahlenden Lächeln und er ging auf einen Mann in der Uniform der Prinzengarde zu.

Isabella fröstelte und ging rasch wieder hinein, denn der zweite Teil des Programms begann mit dem Gardetanz. Das Programm bot alles, was man sich von einem gelungen Karnevalsfest versprach: wunderbare Tanzdarbietungen, zünftige Büttenreden und natürlich die angesagtesten Karnevalshits der Saison, die durch unterschiedliche Gruppen vorgestellt wurden. Natürlich waren auch die Landeier mitihrem neuesten Song vertreten und bei dem Auftritt kochte förmlich die Stimmung in der Halle.

»Diese Büttenreden sind wirklich super«, raunte Isabella ihrer Schwester zu, als nach dem letzten Hit eine ältere Dame in die Bütt stieg und als Erna vom Sandknapp die Ortspolitik aufs Korn nahm.

»Erna ist eine der Besten«, mischte sich Laura ein, die Isabellas Worte gehört hatte. »Ich habe sie letzte Woche in Warendorf schon gehört.«

Als um ein Uhr das Programm zu Ende war, und nur noch die Bands auftraten, war Isabella die Erste, die sich auf die Tanzfläche drängte.

»Wirklich, Isabella, man sieht dir richtig an, wie sehr du Karneval verabscheust«, konnte sich Tina Kraft mit einem spitzen Kommentar nicht zurückhalten, als sie zwischenzeitlich wieder am Tisch saßen.

»Ich konnte doch nicht wissen, dass es so ein tolles Programm gibt«, gab Isabella ungerührt zurück. »Zudem ist unsere Verkleidung genial. Vorhin hat mich doch glatt ein Clown gefragt, ob mein Habit echt ist.«

Alle lachten und schunkelten in bester Laune. Es war schon fast halb drei, als Isabella ihre Schwester anstieß und sagte: »Ich geh nach Hause, Charlotte. Um sechs muss ich mit Balu raus.«

»Lass ihn gleich noch mal in den Garten, dann kannst du ausschlafen«, antwortete Charlotte und fragte: »Siehst du die beiden Bären dahinten im Saal, die jetzt mit den Katzenfrauen an der Theke stehen? Ich glaube, das sind unsere beiden Polizisten Meier und Frisch.«

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