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Energisch lehnt die schöne Kunstexpertin Dr. Annie Morrow das Angebot ab: Sie braucht keinen Bodyguard wie diesen Pete Taylor! Zwar hat sie mehrere Morddrohungen erhalten, seit sie an einem historischen Fundstück arbeitet, aber das sind sicher nur leere Drohungen eines Verrückten. Doch einen Mordanschlag später ist Annie mehr als froh, dass Pete ihr Nein ignoriert hat. Sie verdankt ihm ihr Leben. Er ist der Mann, der sie beschützt. Und ja, er ist auch der Mann, der ihr Herz rasen lässt und ihr jede Nacht versüßt. Dem sie blind vertraut. Doch da macht sie einen Fehler. Denn Pete mag ihr persönlicher Held sein - aber er spielt falsch: Er ist alles, nur kein Bodyguard.
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Seitenzahl: 348
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gesetzlichen Mehrwertsteuer.
Suzanne Brockmann
Gefährliche Enthüllung
Roman
Aus dem Amerikanischen von
Anita Sprungk
MIRA® TASCHENBÜCHER
erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,
Valentinskamp 24, 20354 Hamburg
Geschäftsführer: Thomas Beckmann
Copyright © 2012 by MIRA Taschenbuch
in der Harlequin Enterprises GmbH
Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:
Hero Under Cover
Copyright © 1994 by Suzanne Brockmann
erschienen bei: Silhouette Books, Toronto
Published by arrangement with
HARLEQUIN ENTERPRISES II. B.V./S.àr.l.
Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln
Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln
Redaktion: Daniela Peter
Titelabbildung: Thinkstock / Getty Images, München
Autorenfoto: © by Harlequin Enterprises S.A., Schweiz
Satz: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN (eBook, EPUB) 978-3-86278-432-5
www.mira-taschenbuch.de
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eBook-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net
S ie wollen was tun?“
„Eine Leibesvisitation durchführen“, antwortete der FBI-Agent und schritt zur Tür. „Folgen Sie mir bitte.“
Dr. Anne Morrow verschränkte die Arme vor der Brust und blieb stocksteif stehen, exakt dort, wo sie war. Sie würde nirgendwohin gehen, das stand für sie fest. „Sie haben mein Gepäck so gründlich gefilzt, dass Ihnen nicht mal irgendwelche Flöhe entgangen sein sollten. Sie haben meine Handtasche mehrfach durchleuchtet. Und jetzt soll ich noch eine Leibesvisitation über mich ergehen lassen? Wissen Sie, was das in meinen Augen ist? Schikane! Das ist pure Schikane, nichts anderes! Sie halten mich jetzt seit beinah fünf Stunden hier fest, ohne mir Gelegenheit zu geben, mit einem Anwalt zu sprechen. Sie treten meine Rechte mit Füßen, und ich habe jetzt endgültig die Nase voll!“
Auf der anderen Seite der Spiegelwand des Verhörraums stand CIA-Agent Kendall „Pete“ Peterson und beobachtete Dr. Anne Morrows Reaktionen schweigend. Die renommierte Archäologin und Kunsthistorikerin verdiente ihren Lebensunterhalt damit, Kunstgegenstände und Antiquitäten auf Echtheit zu überprüfen und Gutachten zu erstellen. Laut ihrer Akte war Dr. Morrow – Spitzname Annie – zweiunddreißig Jahre alt und zählte zu den renommiertesten Experten in Sachen antike Metall-Artefakte sowie Münzen, Statuen, Schmiedekunst und Schmuck. Als Archäologentochter war sie in Ägypten zur Welt gekommen, während ihre Eltern dort an einer Ausgrabung teilgenommen hatten. Sie hatte in dreizehn verschiedenen Ländern gelebt und sich an neunzehn unterschiedlichen Ausgrabungen beteiligt, noch bevor sie das College besucht hatte.
Was aus der Akte nicht hervorging, war Dr. Morrows scheinbar unbegrenzter Energieüberschuss. In den fünf Stunden, die er sie inzwischen beobachtete, hatte sie nur wenige Augenblicke still gesessen. Meistens ging sie auf und ab. Wenn sie mal für eine Weile stehen blieb, verlagerte sie permanent das Gewicht von einem Fuß auf den anderen oder trommelte ungeduldig mit den Fingern. Im Großen und Ganzen bewegte sie sich in dem kleinen Verhörraum wie ein Raubtier im Käfig.
In der Akte hatte auch nichts davon gestanden, wie störrisch sie wirken konnte und wie ihre blauen Augen blitzten, wenn sie zornig war. Das Foto zeigte eine ganz durchschnittlich wirkende Frau, an der höchstens das lange braune Haar und die beinah zu sinnlich wirkenden Lippen auffielen.
Aber in natura, in Bewegung, war sie wunderschön …
„Das ist also unsere kleine Dr. Morrow“, sagte jemand hinter ihm.
Peterson wandte sich um und sah Whitley Scott, den Mann, der die FBI-Untersuchung leitete.
Scott lächelte ihn an. Lachfältchen bildeten sich hinter den dicken Brillengläsern. „Entschuldigen Sie, dass ich jetzt erst aufkreuze, Pete“, fuhr er fort. „Mein Flieger hatte Verspätung.“
Peterson erwiderte sein Lächeln nicht. „Wir halten die Lady schon seit Stunden fest“, erklärte er, „und sie ist inzwischen stinksauer.“
Über die Lautsprecher hörten sie, wie Dr. Morrow weiter mit Agent Collins diskutierte.
„Ich habe es Ihnen neun Millionen Mal gesagt, oder sind es inzwischen sogar schon zehn Millionen Mal? Ich war in England, um dort für einen Kunden einen Kunstgegenstand abzuholen – eine goldene Totenmaske aus dem neunzehnten Jahrhundert. Ich war nicht lange genug außerhalb der Vereinigten Staaten, um die Verbrechen zu begehen, die Sie mir offenbar anhängen wollen. Die Transportunterlagen für die Totenmaske sind alle in Ordnung – das haben Sie selbst gesagt. Mich interessiert jetzt nur noch eins: Wann lassen Sie mich endlich gehen?“
„Nach der Leibesvisitation“, erwiderte Richard Collins ruhig.
Er ist genau der Richtige für diesen Job, dachte Peterson. Collins behielt bei jeder Diskussion die Oberhand. Er war stur, immer gelassen und extrem geduldig. Außerdem ließ er sich nie aus der Fassung bringen.
„Sie ist ganz und gar Ihr Typ, Pete“, sagte Whitley und warf dem hochgewachsenen Agenten einen Seitenblick zu. „Irgendetwas sagt mir, dass Sie diesen Job genießen werden.“
Peterson verzog keine Miene, ließ aber seinen Blick ganz kurz zu Scott hinüberschweifen. „Sie ist viel zu dünn“, entgegnete er.
Im Verhörraum hatte Annie Morrow endgültig genug. Sie schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und sprang vom Stuhl hoch, auf den sie sich gerade erst hatte fallen lassen. „Sie wollen also eine Leibesvisitation, ja? Fein, dann legen Sie mal los. Und dann lassen Sie mich endlich gehen!“
Mit diesen Worten zog sie ihre weite Leinenjacke aus und warf sie auf den Stuhl, während sie sich schon die Schuhe abstreifte. Mit einem Schwung zog sie sich die lose sitzende rote Bluse über den Kopf und knöpfte sich die Hose auf.
„Ähm“, stotterte Collins verunsichert. „Nicht hier …“
„Warum nicht?“, fragte Annie scheinbar ganz unschuldig. Sie stand mitten im Raum, nur noch in Unterwäsche, und ihre Augen funkelten vor Zorn. „Oh, ich bitte Sie! Entspannen Sie sich. Ich besitze Badeanzüge, die viel mehr enthüllen als diese Unterwäsche.“
Ganz langsam stahl sich ein Grinsen auf Petersons Gesicht. Junge, Junge, die kleine Annie hatte es tatsächlich geschafft, Collins aus der Fassung zu bringen! Natürlich war Dr. Morrow bewusst, dass er sie in einen anderen Raum hatte führen wollen, damit sie dort von einer FBI-Agentin durchsucht werden konnte. Trotzdem hatte sie sich vor ihm ausgezogen, nur um ihn zu verunsichern. Ein unerwartetes Gefühl durchströmte Peterson, und er registrierte überrascht, dass er Annie Morrow sympathisch fand. Ihr Kampfgeist, ihre Energie, ihre Courage – das alles gefiel ihm. Er runzelte die Stirn. Sie war eine Verdächtige und stand im Mittelpunkt seiner Ermittlungen. Da durfte er keinen Gefallen an ihr finden. Respekt, ja sogar Bewunderung, aber keine Sympathie. Wenn er sie jedoch so anschaute, entdeckte er erschreckend viel an ihr, was ihm ausgesprochen sympathisch war.
Annie drehte sich um, deutete auf die verspiegelte Wand und stemmte die Hände in die Hüften. „Meinen Sie nicht, dass die anderen Jungs auch gern ein bisschen Spaß hätten?“
Sie wusste also, dass sie beobachtet wurde. Sie war wirklich etwas Besonderes und hochintelligent. In ihrer Akte stand, dass sie durchgängig sehr gute Schulnoten eingeheimst und ihren Doktortitel in Windeseile erlangt hatte. Peterson mochte kluge Frauen, besonders wenn sie auch noch so viel fürs Auge boten wie diese.
Annies BH und das Höschen waren aus schwarzer Spitze und standen in reizvollem Kontrast zu ihrer hellen, samtig glatten Haut. Volle Brüste, eine schmale Taille, wohlproportionierte Hüften und lange schlanke Beine vervollständigten das ansehnliche Bild, das sie bot. „Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegenteil“, meinte Peterson zu Whitley Scott, „sie ist nicht zu dünn.“
Sie schien ihn direkt anzuschauen. Er konnte ihre Halsschlagader pulsieren sehen. Ihre Brüste hoben und senkten sich bei jedem ihrer wütenden Atemzüge.
„Haben Sie die Absicht, mich jedes Mal so zu schikanieren, wenn ich ein- oder ausreise?“, fragte sie.
Peterson warf Whitley einen fragenden Blick zu. Der ältere Mann zuckte die Achseln. „Sie schaut Sie an“, sagte er.
„Sie wissen, dass sie mich nicht sehen kann“, entgegnete Peterson, sprach dann aber in das Mikrofon, damit Annie Morrow ihn im Nebenraum hörte: „Wir haben die Ermittlungen zu dem Zwischenfall in Athen noch nicht abgeschlossen.“
Annie warf frustriert die Arme hoch und begann wieder auf und ab zu laufen. „Na also, geht doch! Endlich mal so etwas wie eine klare Ansage. Sie wollen mich also wirklich nur schikanieren. Es geht Ihnen überhaupt nicht um diese Totenmaske. Sie glauben immer noch, ich hätte etwas mit diesen Verrückten zu tun, die im Athener Museum eine Bombe gelegt und es ausgeraubt haben.“
Peterson versuchte sich auf ihre Worte zu konzentrieren und sich nicht von Annies Anblick ablenken zu lassen. Leicht fiel ihm das nicht. Sie bewegte sich wie eine Katze, das Muskelspiel ihrer Beine …
„Wie oft muss ich Ihnen noch sagen, dass ich keine Diebin bin?“, fuhr sie fort. „Verdammt noch mal, allmählich wünschte ich mir, ich wäre eine. Dann gäbe es wenigstens einen schnellen Ausweg für mich. Aber ich denke gar nicht daran, Verbrechen zu gestehen, die ich nicht begangen habe.“
Sie blieb abrupt vor der verspiegelten Glasscheibe stehen und starrte ihn wieder direkt an. Es war ein wenig unheimlich, gerade so als könnte sie ihn wirklich sehen.
„Zwei Stunden nachdem Sie die English Gallery in London verlassen haben, ist es dort zu einer Bombenexplosion und einem Raubüberfall gekommen“, erklärte Peterson. Die billigen Lautsprecher ließen seine Stimme blechern klingen. „Diesmal gab es Tote.“
Peterson beobachtete Annies Mienenspiel sehr genau. Die widerstreitenden Gefühle, die sie durchtosten, spiegelten sich in ihrem Gesicht. Schließlich siegte der Zorn.
„Also glauben Sie natürlich, ich hätte etwas damit zu tun. Großartig, wirklich großartig! Unschuldige Menschen sterben, und Leute wie Sie haben nichts Besseres zu tun, als mich zu schikanieren, wenn ich ein Flugzeug besteige oder verlasse. Sie sollten in London sein und die Bombenleger jagen, statt hier mit einer Frau Verstecken zu spielen, der schon ganz anders wird, wenn sie sich nur in den Finger schneidet.“
„Kommt es Ihnen nicht auch ein wenig seltsam vor, dass Sie zweimal innerhalb von fünf Monaten eine europäische Kunstgalerie besuchen, in der nur wenige Stunden nach Ihrem Besuch eine Bombe hochgeht und ein Raubüberfall stattfindet?“ Peterson war schon zu lange dabei. Er wusste, dass es keinen Rauch ohne Feuer gab. Er kaufte Annie die Empörung nicht ab, auch wenn sie äußerst gut gespielt war. „Nennen Sie uns einen plausiblen Grund dafür, dass Sie die Tagung im Athener Museum mehrere Stunden früher verlassen haben als alle anderen Teilnehmer!“
„Ich denke gar nicht daran!“, fuhr Annie ihn an, und ihre Augen blitzten vor Wut. „Ich habe es bereits dem FBI und der CIA und jedem, der sonst noch danach gefragt hat, erklärt: Ich bin gegangen, weil ich mir die komplette Ausstellung bereits angeschaut hatte und einen frühen Heimflug nehmen wollte.“ Wieder lief sie sichtlich aufgebracht im Verhörraum auf und ab. „Was ist aus dem Grundsatz geworden, dass jeder als unschuldig zu betrachten ist, solange seine Schuld nicht erwiesen ist? Gilt der für mich etwa nicht? Was zum Teufel geht hier überhaupt vor?“, schrie sie Peterson durch die Glasscheibe hindurch an.
Er gab ihr keine Antwort. Schweigen hing im Raum. Genau wie Peterson es erwartet hatte, nahm ihr das den Wind aus den Segeln. Dr. Anne Morrow war kein Musterbeispiel für Geduld, und ungeduldige Menschen warteten natürlich nicht gern. Sie drehte sich um und nahm ihre Kleidung an sich. „Wenn das also alles war …“, sagte sie spitz.
„War es nicht“, widersprach Peterson. „Auf Sie wartet eine Leibesvisitation. Schon vergessen?“
Jetzt riss ihr endgültig der Geduldsfaden. „Oh Mann, nun machen Sie aber mal halblang“, stieß sie hervor, ließ die Kleidung zu Boden fallen und trat vor den Spiegel. Sie kam ganz nah heran – so nah, dass Peterson jede einzelne ihrer langen dunklen Wimpern und die Farbschattierungen ihrer blauen Augen sehen konnte. So nah. Er erkannte: Ihre Haut war tatsächlich so glatt und seidig, wie sie aus größerer Entfernung gewirkt hatte. Ohne das Spiegelglas zwischen ihnen hätte er sie berühren können.
Peterson spürte, dass Whitley ihn genau beobachtete. Irgendwie schaffte er es, keine Miene zu verziehen, obwohl er schon lange keine Frau mehr angeschaut und so heftig begehrt hatte. Sehr lange nicht mehr.
„Ich versichere Ihnen, Kumpel, dass alles, was ich in meiner Unterwäsche verstecke, fest mit mir verwachsen ist“, sagte sie. „Keine losen Teile.“
„Tut mir leid“, erwiderte er, „aber ich werde gut dafür bezahlt, Ihnen nicht zu trauen.“
„Wonach genau suchen Sie eigentlich? Wenn Sie es mir verraten, kann ich vielleicht selbst nachschauen, ob ich es irgendwo versteckt habe?“
„Sie haben bestimmt schon von Drogenkurieren gehört?“
Sie erstarrte.
Er hatte es tatsächlich geschafft, sie zu schockieren, aber es wollte sich kein Triumphgefühl bei ihm einstellen. „Von Leuten, die illegale Substanzen in ihrem Körper ins Land schmuggeln?“
„Natürlich habe ich das, und ich weiß sogar, wie diese Leute das tun“, rief sie erzürnt. „Jetzt mal ehrlich: Glauben Sie allen Ernstes, ich hätte die Kronjuwelen verschluckt? Im Ganzen?“
„Nicht verschluckt“, antwortete er – und schwieg. Sollte sie ruhig selbst darauf kommen, was er meinte.
„Großer Gott!“ Sie wurde blass, und er entdeckte überrascht, dass sie Sommersprossen im Gesicht hatte. „Sie wollen mich also wirklich bis aufs Letzte demütigen, richtig?“
„Ich halte mich nur an die Vorschriften“, sagte Peterson in das Mikrofon. „Und die Vorschriften besagen, dass Sie durchsucht werden. Vollständig. In einem der Nebenräume wartet eine Ärztin auf Sie.“
„Ach, wollen Sie damit etwa sagen, dass Sie das nicht gleich hier erledigen möchten?“ Annie kochte vor Wut. Er konnte beinah sehen, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte. Ihre Halsarterie pulsierte deutlich sichtbar. „Sind Sie sicher, dass Sie der Ärztin vertrauen können? Dass sie das richtig macht, Kumpel? Ich hätte gedacht, dass Sie lieber zuschauen würden.“
„Das würde ich wirklich gern.“ Wie er das sagte, klang es trotz der miserablen Lautsprecher leise und vertraulich. „Ach übrigens, ich heiße nicht Kumpel.“
„Ich ziehe es vor, wenn meine Gesprächspartner einen Namen haben“, entgegnete sie. „Das hilft mir, meine menschliche Würde zu wahren. Aber das verstehen Sie sicher nicht, richtig?“
Sie wandte sich abrupt ab. Trotzdem entging ihm das verräterische Glitzern aufsteigender Tränen in ihren Augen nicht.
Peterson schämte sich. Was war nur los mit ihm? Warum musste er sie so grob behandeln?
Dumme Frage. Er war grob zu ihr, weil sie ihm leidtat, weil er feststellte, dass er ihr glaubte. Dabei gab es keinerlei Fakten, die für ihre Unschuld sprachen, nur ein Bauchgefühl. Pah, Bauchgefühl, dachte Peterson. Von wegen Bauchgefühl. Das Gefühl sitzt ein bisschen tiefer … Er durfte nicht vergessen, dass Dr. Anne Morrow eine Verdächtige war. Wahrscheinlich war sie eine Diebin und arbeitete mit Leuten zusammen, die keine Hemmungen hatten, zu töten, um ihr Ziel zu erreichen.
Er sah, wie sie sich Hose und Bluse wieder anzog und sich von einer Agentin aus dem Verhörraum führen ließ. Dann schaltete er das Mikrofon aus.
Whitley Scott beobachtete ihn noch immer.
„Sie hat Courage, das muss man ihr lassen“, sagte Peterson.
„Ich glaube, sie versucht etwas zu verbergen“, erwiderte Scott. „Wir müssen einen Weg finden, näher an sie heranzukommen. Aber wie?“
„Gute Frage.“ Peterson lehnte sich an die Wand und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich habe nicht die richtige Qualifikation, um mich als Laborassistent bei ihr zu bewerben. Oder um als Archäologe an einer ihrer Ausgrabungen teilzunehmen.“
„Sie könnten als Kunde auftreten“, schlug Whitley vor. „Sie weiß nicht, wie Sie aussehen. Legen sie ihr einfach irgendein seltenes Artefakt zur Begutachtung vor. Dann führt eins zum anderen: ein nettes Essen, ein bisschen mehr, und schon teilt sie ihre tiefsten und schwärzesten Geheimnisse mit Ihnen.“
„Perfekt“, erwiderte Peterson ausdruckslos. „Wenn man davon absieht, dass sie grundsätzlich keine Einladungen von Kunden annimmt. Ohne Ausnahme.“
„Als neuer Nachbar?“
„Sie wohnt in einem viktorianischen Haus im Westchester County ein Stockwerk über ihrem Labor. Teures Viertel. Übersteigt unser Budget bei Weitem. Es würde uns ein Vermögen kosten, ein Haus in der Nachbarschaft zu kaufen. Mal ganz abgesehen davon, dass keiner ihrer Nachbarn verkaufen will. Und ich habe nachgeforscht: Vermieten will auch keiner.“
Whitley nickte und wandte sich zur Tür. „Schön, denken Sie weiter über geeignete Wege nach. Früher oder später wird uns schon was einfallen.“
Annie steuerte ihren kleinen Honda in die Einfahrt und schaltete den Motor aus. Verdammt, war sie müde. Zum Teufel mit der CIA, zum Teufel mit dem FBI, zum Teufel mit all den Leuten, die sich solche Mühe gaben, ihr das Leben schwer zu machen.
Fünf Monate. Seit fünf Monaten wurde sie nun schon pausenlos schikaniert. Und jetzt, nach der Bombenexplosion in England, konnte es nur noch schlimmer werden. Dabei wusste auch so schon jeder in der Stadt, dass das FBI gegen sie ermittelte. Die Agenten hatten mit jedem gesprochen, den sie kannte, und vermutlich auch mit vielen, die sie nicht kannte. Selbst ihre ehemalige Zimmerkollegin aus Collegezeiten hatte vor einem Monat bei ihr angerufen und erzählt, sie sei vom FBI befragt worden. Dabei hatten sie sich das letzte Mal vor fünf Jahren gesehen …
Verdammt, verdammt, verdammt! Ganz besonders verfluchte sie den schrecklichen Kerl hinter der Spiegelwand, der mit ihr gesprochen hatte. Irgendwer hatte ihn Agent Peterson genannt. Wenn er ihr jemals über den Weg laufen sollte, dann würde sie ihm einen gezielten Tritt verpassen. Dorthin, wo es richtig wehtat. Nur leider hatte sie keine Ahnung, wie er aussah. Sie würde ihn nicht einmal an der Stimme erkennen können, weil die billigen Lautsprecher im Verhörzimmer die Töne so verzerrten.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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