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Eine gefährliche Mission schweißt Zoe und den legendären Jake Robinson zusammen - und zeigt ihnen, welches Glück möglich wäre ... Eine Scheinehe mit Admiral Jake Robinson, dem legendären Navy SEAL? Für Zoe Lange ist das der einzige Weg, um halbwegs sicher durch eine gefährliche Mission zu kommen. Wenn die Kugeln fliegen, ist schließlich alles eine Frage des gegenseitigen Vertrauens, der Instinkte - und plötzlich auch der Liebe. Denn zwischen der jungen Wissenschaftlerin und dem Vier-Sterne-Mann knistert es heiß. Doch kann ihre Liebe wirklich überbrücken, was sie beide trennt: der große Altersunterschied und die Tatsache, dass Jake schon einmal glücklich mit einer anderen verheiratet war? Können sie beide jemals privat das Traumteam werden, das sie bei ihrem riskanten Einsatz bereits sind?
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Seitenzahl: 368
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Suzanne Brockmann
Operation Heartbreaker 7: Jake - Vier Sterne für die Liebe
Roman
Aus dem Amerikanischen von Anita Sprungk
MIRA® TASCHENBUCH
MIRA® TASCHENBÜCHER
erscheinen in der Cora Verlag GmbH & Co. KG,
Valentinskamp 24, 20350 Hamburg
Copyright © 2010 by MIRA Taschenbuch
in der CORA Verlag GmbH & Co. KG
Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:
The Admiral’s Bride
Copyright © 1997 by Suzanne Brockman
erschienen bei: Silhouette Books, Toronto
Published by arrangement with
HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V/S.àr.l.
Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln
Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln
Redaktion: Stefanie Kruschandl
Titelabbildung: pecher und soiron, Köln
ISBN (eBook, PDF) 978-3-86278-163-8 ISBN (eBook, EPUB) 978-3-86278-162-1
www.mira-taschenbuch.de
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eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
www.readbox.net
Vietnam, 1969
Man hatte Sergeant Matthew Lange zum Sterben zurückgelassen.
Sein Bein war zerschmettert, seine gesamte rechte Körperhälfte von Granatsplittern durchsiebt. Es war schon fast bedauerlich, dass die Splitter alle lebenswichtigen Organe verfehlt hatten. Vor Stunden schon hatte es ihn erwischt, aber er lebte und quälte sich immer noch.
Das Morphium wirkte nicht. Er litt nicht nur höllische Schmerzen; er war auch noch klar genug im Kopf, um zu wissen, was ihn erwartete.
Der Soldat neben ihm wusste es auch. Er lag still da und weinte leise vor sich hin. Sein Name war Jim, Jimmy D’Angelo. Im Grunde war er noch ein Kind - gerade mal achtzehn Jahre alt. Und sein Leben war bereits zu Ende.
Das Leben eines jeden Einzelnen von ihnen war zu Ende.
Sie waren zu zwölft, allesamt Marines der Vereinigten Staaten. Lagen in ihrem Versteck im Dschungel eines Landes, das zu winzig war, um im Erdkundeunterricht der Grundschule auch nur erwähnt worden zu sein. Sie bluteten. Sie waren zu schwer verletzt, um zu fliehen, aber überwiegend bei Bewusstsein und lebendig genug, um zu wissen, dass sie irgendwann in den nächsten Stunden sterben mussten.
Charlie - so lautete der Codename des US-Militärs für den Vietcong - rückte heran.
Wahrscheinlich würde er kurz vor der Morgendämmerung kommen.
Der Vietcong hatte am Morgen zuvor eine größere Offensive gestartet. Dabei war Matts Einheit zusammen mit mehreren anderen der Rückzug abgeschnitten worden. Jetzt saßen sie auf feindlichem Gebiet fest, wer weiß, wie weit hinter der Front, und ohne Aussicht auf Rettung.
Schon vor Stunden hatte Captain Tyler versucht, über Funk Hilfe herbeizuholen - vergebens. Kein Hubschrauberpilot war verrückt genug, sich hierherzuwagen. Sie waren auf sich allein gestellt.
Und dann platzte die Bombe, im nahezu wörtlichen Sinn: Schon am nächsten Morgen, in nicht einmal ganz zwölf Stunden, wollten die Amerikaner genau hier Napalm einsetzen, um den Vietcong aufzuhalten. Dem Captain war befohlen worden, das Gebiet umgehend zu verlassen.
Er hatte zwanzig Verletzte in seiner Einheit - mehr als doppelt so viele wie Unversehrte.
Also musste Captain Tyler Gott spielen und entscheiden, wer von den Verletzten abtransportiert wurde und wer nicht. Acht Mann nahmen sie mit, die mit den leichtesten Blessuren. Der Captain hatte Matt angeschaut, einen Blick auf sein Bein geworfen und den Kopf geschüttelt. Nein. Tränen hatten in seinen Augen gestanden. Aber das nützte Matt natürlich auch nichts.
Nur Pater O’Brien war bei den Schwerverletzten geblieben.
Matt konnte hören, wie der Priester den sterbenden Männern mit ruhiger, leiser Stimme Trost zu spenden versuchte.
Wenn Charlie sie hier fand, würde er sie mit Bajonetten niederstechen. Charlie verschwendete keine Munition auf Männer, die sich nicht wehren konnten. Und Matt konnte sich nicht wehren. Sein rechter Arm war nicht mehr zu gebrauchen, der linke zu schwach, um eine Waffe zu halten. Die meisten seiner Kameraden waren noch schlimmer dran als er, und er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Pater O’Brien sich ein Maschinengewehr schnappte und auf Charlie feuerte.
Nein - was sie erwartete, war klar. Niedergestochen werden oder verbrennen.
Am liebsten hätte Matt geweint, so wie Jimmy.
„Sarge?”
„Ja, Jimmy, ich bin noch da.” Als ob er hätte fortgehen können ...
„Sie haben Familie, nicht wahr?”
Matt schloss die Augen, dachte an Lisas liebes Gesicht. „Ja”, sagte er. „Habe ich. In New Haven, Connecticut.” Seine Familie hätte auch auf dem Mars sein können, so unerreichbar fern war sie jetzt. „Ich habe zwei Jungs, Matt jr. und Mikey.” Lisa hatte sich ein Mädchen gewünscht. Und Matt hatte immer geglaubt, dafür hätten sie noch viel Zeit.
Er hatte sich geirrt.
„Sie haben sehr viel Glück.” Jimmys Stimme zitterte. „Ich habe nur meine Ma. Nur sie wird sich an mich erinnern. Meine arme Ma.” Er begann wieder zu weinen. „Oh, Gott, ich will zu meiner Ma!”
Pater O’Brien kam herüber, aber er konnte Jimmy weder beruhigen noch trösten. Der arme Junge weinte nach seiner Mutter.
Matt dachte an Lisa. Es war einfach absurd. Als er noch daheim war, in ihrer winzigen, schäbigen Zweizimmerwohnung in einer der miesesten Wohngegenden von New Haven, war er fast verrückt geworden. Er hasste seine Arbeit als Mechaniker, hasste es, wie sein schwer verdientes Geld schon für Lebensmittel und Miete draufging, noch bevor es überhaupt auf seinem Konto war. Um dem allen zu entkommen, verpflichtete er sich freiwillig. Lisa erzählte er, es sei um des Geldes willen, aber in Wirklichkeit wollte er einfach nur weg. Raus aus dem beklemmenden Alltagsmief, bevor er daran erstickte. Und er ging, obwohl sie weinte.
Er hatte viel zu jung geheiratet - ohne wirklich eine Wahl zu haben. Zuerst gefiel ihm die Ehe sogar. Jede Nacht mit Lisa im Bett. Keinen Gedanken mehr an Verhütung verschwenden müssen, denn dafür war es längst zu spät, fhm gefiel, wie sie im Laufe ihrer Schwangerschaft rund wurde -es war sein Kind, das sie im Leib trug. Der Anblick gab ihm das Gefühl, ein richtiger Mann zu sein, obwohl er gerade mal zweiundzwanzig war, eben erst aus dem Wehrdienst entlassen und im Grunde selbst noch ein Kind. Aber dann folgte dem ersten Kind gleich das zweite, und die Verantwortung, die plötzlich auf ihm lastete, jagte ihm Todesangst ein.
Also war er davongelaufen. Ausgerechnet hierher, nach Vietnam.
Sein Einsatz hier war nicht zu vergleichen mit dem Wehrdienst, den er in Deutschland absolviert hatte.
Und jetzt wünschte er sich nur eins: zu Hause in Lisas Armen zu liegen. Er war ja solch ein Narr gewesen! Hatte nicht begriffen, wie reich er im Grunde war. Wie sehr er dieses Mädchen - seine Frau - liebte. Erst jetzt, den sicheren Tod vor Augen, erkannte er, was er aufgegeben hatte.
Bajonette oder Verbrennen. „Lieber Gott!”
Pater O’Brien hatte es geschafft, Jimmy zu beruhigen. Er wandte sich an Matt. „Sergeant ... Matthew. Möchten Sie beten?”
„Nein, Pater.”
Gebete konnten ihnen jetzt nicht mehr helfen.
„Ihr Captain hat sie dort zurückgelassen?” Lieutenant Jake Robinson musste sich zwingen, ruhig und nahezu lautlos zu sprechen. Er konnte einfach nicht glauben, was sein Chief ihm gerade erzählt hatte: verwundete Marines, von ihrem leitenden Offizier im Dschungel zum Sterben liegen gelassen. „Und jetzt werden ihre eigenen Kameraden ihnen den Rest geben, indem sie sie mit Napalm bombardieren?”
Ham nickte mit grimmigem Blick, den Ohrhörer noch ins Funkgerät eingestöpselt. „Es ist nicht ganz so herzlos, wie du denkst, Admiral. Es sind nur etwa ein Dutzend Männer. Nichts gegen die Tausenden von Toten, die es gibt, wenn wir Charlie nicht aufhalten, bevor er den Fluss erreicht. Du weißt das.” Auch er sprach nahezu lautlos.
Der Feind umringte sie heute Nacht von allen Seiten. Sie wussten genau, wo er lag. Jakes SEAL-Team hatte in den letzten vierundzwanzig Stunden die Position jeder einzelnen feindlichen Einheit ausfindig gemacht. Die Daten waren über Funk an die Kommandozentrale übertragen worden, und jetzt hatten sie exakt vier Stunden Zeit, das Zielgebiet zu verlassen, bevor die Bomben fielen.
„Nur etwa ein Dutzend Männer”, wiederholte Jake. „Geht es etwas genauer, Chief?”
„Zwölf Verwundete, ein Priester.”
Fred und Chuck tauchten lautlos aus dem Dschungel auf. „Nur noch neun Verwundete”, korrigierte Fred leise. „Wir haben sie gefunden, Admiral, in der Nähe einer Lichtung. Sie hoffen wohl noch auf einen Hubschrauber, der kommt und sie da rausholt. Ich habe mich nicht bemerkbar gemacht, um keine falschen Hoffnungen zu wecken - falls wir zu dem Schluss kommen, dass wir nicht helfen können. Soweit wir das sehen konnten, sind drei von ihnen bereits KIA.”
KIA - killed in action, im Einsatz gefallen. Eine der Abkürzungen, die Jake hasste. So wie POW - prisoner of war, Kriegsgefangener. Und MIA - missing in action, beim Einsatz vermisst. Er ließ sich dennoch nichts anmerken. Nie ließ er sich Derartiges anmerken. Seine Männer mussten nicht unbedingt wissen, wenn ihn etwas erschütterte. Und diese Sache erschütterte ihn zutiefst. Die Befehlshaber wussten, dass diese Verwundeten da draußen lagen. U.S. Marines. Gute Männer. Tapfere Männer. Trotzdem würden sie Napalm einsetzen.
Er schaute zu Ham hinüber, und ihre Blicke trafen sich. In den Augen des anderen lag Skepsis.
„Das wäre nicht unser erster schwieriger Einsatz”, sagte Jake - nicht zuletzt, um sich selbst zu überzeugen.
Ham schüttelte den Kopf. „Neun Verwundete und sieben SEALs gegen dreieinhalbtausend Vietcong? Ich bitte dich, Lieutenant!” Er brauchte nicht zu sagen, was er dachte. Das war nicht einfach ein schwieriger Einsatz - das war Wahnsinn.
Und er hatte Jake mit seinem tatsächlichen Rang angesprochen. Ein sicheres Zeichen dafür, dass er nicht seiner Meinung war. Schon seltsam, wie sehr er sich an den Spitznamen gewöhnt hatte, den sein SEAL-Team ihm verpasst hatte: Admiral. Ein Zeichen des ungeheuren Respekts, den seine zusammengewürfelte Truppe ihm entgegenbrachte. Er wusste diesen Spitznamen besonders zu schätzen, da ihm von Anbeginn an ein anderer Spitzname anhing: PB, pretty boy — hübscher Junge. Oh ja, Admiral gefiel ihm um Einiges besser.
Fred und Chuck beobachteten ihn, ebenso Scooter, der Prediger und Ricky. Sie warteten auf seine Befehle. Mit zweiundzwanzig war Jake einer der beiden Ältesten im Team. Im Rang eines Lieutenant hatte er bereits drei komplette Einsätze in dieser Hölle auf Erden hinter sich. Zwei davon zusammen mit seinem Chief Ham, der unerschütterlich wie ein Fels in der Brandung war und mit gerade mal siebenundzwanzig Jahren schon so verwittert wie eine alte Eiche. Dennoch hatte er nie Jakes Autorität infrage gestellt.
Bis heute.
Jake lächelte. „Neun Verwundete, sieben SEALs und ein Priester”, korrigierte er leichthin. „Vergiss den Priester nicht, Ham. Es ist immer gut, einen auf unserer Seite zu wissen.”
Fred kicherte leise in sich hinein, aber Ham blieb davon unbeeindruckt.
„Ich würde dich niemals zum Sterben zurücklassen”, erklärte Jake ruhig dem Mann, der ihm in diesem gottverdammten Dschungel noch am ehesten ein Freund war. „Und ich werde auch diese Männer nicht dort zurücklassen.”
Er wartete Hams Antwort nicht ab, denn sie spielte genau genommen sowieso keine Rolle. Er brauchte die Zustimmung seines Chiefs nicht. Bei den SEALs ging es nicht demokratisch zu. Jake bestimmte, wo es langging, Jake ganz allein.
Er schaute Fred in die Augen, dann Scooter, dem Prediger, Ricky und Chuck, und er erfüllte sie mit all seiner Zuversicht. Er ließ sie erkennen, dass er vollkommen darauf vertraute, dass sein SEAL-Team diese unmögliche Aufgabe bewältigen würde.
Diese armen Bastarde da draußen zum Sterben zurückzulassen, kam überhaupt nicht infrage. Jake konnte das nicht. Jake wollte das nicht.
Er wandte sich an Ham. „Häng dich ans Funkgerät, Chief, und sieh zu, dass du Crazy Rüben findest. Wenn sich überhaupt jemand mit einem Hubschrauber so tief in feindliches Gebiet wagt, dann er. Erinnere ihn an sämtliche Gefallen, die er mir schuldet, versprich ihm Luftunterstützung, und dann sieh zu, dass du sie auch bekommst.”
„Ja, Sir.”
Jake wandte sich an Fred: „Geh zurück! Mach ihnen Hoffnung. Sie sollen sich bereithalten. Und dann komm sofort zurück.” Er ließ sein breitestes Sonntagslächeln erstrahlen. Das Lächeln, das jeden Mann unter seinem Befehl glauben ließ, auch den nächsten Sonnenaufgang noch zu erleben. „Alle anderen machen sich daran, ein paar sehr lange Zündschnüre zuzuschneiden. Ich habe nämlich einen höllisch guten Plan.”
„Sie müssen mit dem Fallschirm abgesprungen sein!” Jimmy klang richtig aufgeregt. „Hörst du das, Sergeant! Was meinst du: Wie viele von unseren Jungs sind da draußen?”
Matt richtete sich unter Schmerzen auf, versuchte, in der Dschungelfinsternis irgendetwas zu erkennen. Aber er sah nur Blitze am Himmel, die von einem heftigen Gefecht weiter westlich zeugten, tief in feindlichem Gebiet. „Mein Gott, das müssen Hunderte sein!”
Obwohl er es aussprach, konnte er es nicht wirklich glauben. Hunderte amerikanischer Soldaten, die quasi aus dem Nichts auftauchten?
„Sie müssen mit Fallschirmen abgesprungen sein”, wiederholte Jimmy.
Es schien unmöglich, aber es musste einfach so sein - denn jetzt kam die Luftunterstützung: Große Flugzeuge donnerten über sie hinweg und warfen allerhand böse Überraschungen für Charlie ab.
Vor zwei Stunden war ein großer dunkelhäutiger Mann wie eine Erscheinung aus dem Dschungel aufgetaucht. Sein Gesicht war mit grüner und brauner Farbe bemalt, und er trug ein Stirnband in Tarnfarben. Er hatte sich als US Navy SEAL Fred Baxter zu erkennen gegeben.
Matt, der den höchsten Rang unter den Zurückgelassenen trug, hatte ihn gefragt, was zur Hölle ein Navy SEAL mitten im Dschungel tat?
Offenbar war eine ganze Gruppe von SEALs da draußen. Ein Team, hatte Baxter gesagt. Jakes Team, so hatte er es genannt, als ob ihnen das etwas sagen müsste. Wer zum Teufel war Jake? Egal. Sie wollten jedenfalls Matt, Jimmy und all die anderen hier herausholen. „Haltet euch bereit, wir holen euch”, hatte Baxter gesagt und war wieder im Dschungel verschwunden.
Matt fragte sich inzwischen, ob er die gesamte Unterredung nicht nur halluziniert hatte. Morphium konnte Derartiges bewirken. Seals! Seehunde! Wer kam schon auf die verrückte Idee, eine Spezialeinheit der US Navy nach Robben zu benennen? Und wie zum Teufel sollte ein ganzes Team dieser Männer mit neun Verwundeten aus diesem Dschungel entkommen?
„Ich habe schon von den SEALs gehört”, sagte Jimmy, als hätte er Matts morphiumumnebelten Gedankengängen folgen können. „Die sind so eine Art Sprengstoffexperten, sogar unter Wasser. Können Sie sich das vorstellen, Sarge? Und sie sind so was wie Ninjas - die können sich direkt vor Charlies Nase bewegen, ohne bemerkt zu werden. Sie dringen in Teams von sechs oder sieben Mann meilenweit auf feindliches Gebiet vor und jagen dort alles Mögliche in die Luft. Vielleicht benutzen sie irgendeinen Voodoo-Zauber, jedenfalls kommen sie immer lebend zurück. Immer.”
Sechs oder sieben Mann. Matt schaute zu den Blitzen am Himmel. Sprengstoffexperten ... Nein. Das konnte nicht sein.
Oder etwa doch?
„Hubschrauber!”, rief Pater O’Brien. „Dankt dem Allmächtigen!”
Das Rotorengeräusch war unverkennbar, die aufgewirbelte Luft traf sie wie ein Sturm - ein hochwillkommenes Wunder. Lieber Gott, sie hatten doch noch eine Chance!
Tränen rannen dem Pater übers Gesicht, als er den Sanitätern half, die Verwundeten in den Hubschrauber zu schaffen. Matt konnte ihn nicht hören - der Lärm der Rotoren und das dröhnende Knattern der Maschinengewehre, die die plötzlich aufgetauchten Männer mit den grünschwarz bemalten Gesichtern abfeuerten, um Charlie in Schach und von der Lichtung fernzuhalten, übertönten alles. Er musste Pater O’Brien auch nicht hören, um zu wissen, dass er Gott in höchsten Tönen dankte und pries.
Aber Matt war kein Katholik, und sie waren noch nicht in Sicherheit.
Irgendwer hob ihn hoch, und der plötzliche Schmerz, der ihm durchs Bein fuhr, ließ ihn aufschreien.
„Tut mir leid, Sergeant.” Die Stimme klang ruhig und zuversichtlich, eindeutig die Stimme eines erfahrenen älteren Offiziers. „Keine Zeit zu fragen, wo es weh tut.”
Und dann war ihm der Schmerz egal, denn er lag im Innern des Hubschraubers, die Wange gegen den stumpf olivgrünen Metallboden gepresst. Und dann stieg der Hubschrauber auf, schwenkte herum und jagte davon, um sie im Eiltempo aus der Hölle zu schaffen.
In Matts Erleichterung mischte sich Angst. Herr im Himmel, hoffentlich hatten sie niemanden da draußen vergessen!
Er drehte sich mühsam auf den Rücken. Es tat so weh, dass ihm übel wurde. „Durchzählen!”, stieß er heiser hervor.
„Wir haben alle, Sergeant.” Dieselbe ruhige Stimme. Das war der Mann, der ihn in den Hubschrauber getragen hatte. Er kauerte an der offenen Tür, einen Granatwerfer im Arm, zielte und schoss, während er sprach. Er war jünger, als Matt aufgrund seiner Stimme vermutet hätte. Keinerlei Rangabzeichen oder Ähnliches auf seiner Tarnkleidung. Wie alle anderen SEALs hatte er sein Gesicht mit brauner und grüner Farbe bemalt, aber als er einen Blick über die Schulter warf, um nach den Verwundeten zu schauen, konnte Matt seine Augen sehen. Sie waren strahlend blau. Als ihre Blicke sich trafen, lächelte er.
Das war weder das angespannte furchterfüllte Lächeln, das Matt kannte, noch das wölfische Grinsen des totalen Adrenalinkicks, sondern ein ruhiges, entspanntes Sonntagslächeln.
„Wir haben alle”, rief er noch einmal mit einer Bestimmtheit, die keinen Raum für Zweifel ließ. „Festhalten, Sergeant, der Flug wird holprig. Aber wir bringen Sie hier raus. Wir bringen Sie nach Hause.”
Er sagte das so, als wäre es eine absolute Wahrheit, und sogar Matt konnte ihm glauben.
Das Lazarett war grauenhaft. Voller Schmerz, Gestank und Tod. Aber Matt wusste, er musste es nur kurze Zeit ertragen.
Er hatte seinen Marschbefehl erhalten, war aus medizinischen Gründen entlassen. Schon bald ging es heim zu Lisa.
Wahrscheinlich würde er den Rest seines Lebens hinken, aber die Ärzte hatten ihm immerhin das Bein gerettet. Nicht schlecht für jemanden, der zum Sterben zurückgelassen worden war.
„Sie sehen heute schon viel besser aus!” Die Krankenpflegerin, die neben seinem Bett stehen geblieben war und sein Bein untersuchte, war eine hübsche Brünette mit Grübchen in den Wangen. „Ich heiße Constance. Nennen Sie mich Connie, das ist kürzer.”
Er hatte sie noch nie gesehen, aber er lag ja auch erst etwa achtundvierzig Stunden hier. Und davon hatte er die meiste Zeit im Operationssaal und im Aufwachraum verbracht.
„Oh, Sie sind einer von Jakes Jungs”, sagte Connie mit Blick auf sein Krankenblatt. In ihrer Stimme schwang plötzlich Respekt mit.
„Nein”, antwortete er, „ich bin kein SEAL. Ich bin ...”
„Ich weiß, dass Sie kein SEAL sind, Dummchen.” Sie lächelte wieder. „SEALs landen nicht in unseren Lazarettbetten. Manchmal brauchen sie ein bisschen extra Penizillin, aber vielleicht sollte ich das nicht verraten.” Sie zwinkerte ihm zu.
Matt war verwirrt. „Aber Sie sagten doch ...”
„Jakes Jungs”, wiederholte sie. „So nennen wir euch - die Verwundeten, die Lieutenant Jake Robinson rausholt aus der Hölle. Irgendwer hier hat vor ungefähr acht Monaten angefangen, zu zählen.”
Da er sie nur verständnislos anschaute, versuchte sie zu erklären: „Jake hat es sich zur Gewohnheit gemacht, US-Soldaten vom Tod zu erwecken. Letzten Monat hat sein Team ein ganzes Kriegsgefangenenlager befreit. Fragen Sie mich nicht, wie - aber Jake und sein Team kamen mit vierundsiebzig Kriegsgefangenen aus dem Dschungel, und einer sah schlimmer aus als der andere. Ich schwöre, ich habe fast eine ganze Woche lang geheult, als ich die armen Kerle gesehen habe.” Sie schüttelte den Kopf. „Sie waren zu zehnt, wenn ich nicht irre? Damit läge seine Bilanz jetzt bei ... warten Sie ... ich glaube vierhundertundsiebenundzwanzig.” Wieder ein Lächeln. „Obwohl ... wenn Sie mich fragen, sollte der Priester mindestens doppelt zählen.”
„Vierhundertund...”
„...siebenundzwanzig.” Connie nickte, während sie seinen Blutdruck maß. „Und alle verdanken ihm ihr Leben. Natürlich haben wir erst vor acht Monaten angefangen zu zählen, und er ist schon sehr viel länger im Land.”
„Ein Lieutenant also?”, wunderte sich Matt. „Nicht einmal meinem Captain ist es gelungen, auch nur einen einzigen Hubschrauber zu organisieren, um uns auszufliegen.”
„Was ich von Ihrem Captain halte, das sage ich lieber nicht - schließlich bin ich eine Dame. Aber er sollte sich in Grund und Boden schämen, dass er seine Jungs einfach zurückgelassen hat! Und er sollte lieber nicht zur Routineuntersuchung in dieses Lazarett kommen. Hier gibt es ein Dutzend Ärzte und Krankenschwestern, die nur darauf warten, ihm ihre Meinung zu geigen.”
Matt lachte und zuckte schmerzhaft zusammen. „Captain Tyler hat alles versucht”, sagte er. „Ich war dabei. Ich weiß, dass er alles versucht hat! Genau deshalb verstehe ich das nicht! Wie konnte dieser Lieutenant etwas erreichen, was ein Captain nicht erreichen konnte?”
„Tja, Sie kennen doch sicher Jakes Spitznamen.” Connie blickte von ihrer gründlichen Untersuchung seiner Granatsplitterwunden auf. „Oder vielleicht kennen Sie ihn auch nicht. Seine Kameraden nennen ihn Admiral. Und es würde mich nicht im Geringsten überraschen, wenn er tatsächlich einmal in diesen Rang aufsteigt. Er hat irgendetwas an sich. Oh ja, in diesen blauen Augen liegt etwas ganz Besonderes.”
Blaue Augen. „Ich glaube, ich bin ihm begegnet”, sagte Matt.
„Sergeant, wenn Sie ihm begegnet wären, wüssten Sie es! Er sieht aus wie ein Filmstar. Und wenn er lächelt, würde man ihm blind überallhin folgen.” Sie seufzte. Dann lächelte sie wieder. „Oh, oh, ich glaube, ich schwärme zu sehr für den jungen Mann, nicht wahr?”
Matt musste es einfach wissen. „Aber wie hat dieser Lieutenant es denn nun bewerkstelligt, dass all diese Soldaten in dem Gebiet abgesprungen sind? Es müssen Hunderte gewesen sein. Und dann ...”
Connie lachte, wurde aber unvermittelt wieder ernst und schaute ihn erstaunt an. „Du liebe Güte!”, sagte sie. „Sie wissen es wirklich nicht, nicht wahr? Als ich davon hörte, konnte ich es auch kaum glauben! Aber wenn es ihm gelungen ist, sogar Sie zu täuschen ...”
Matt versuchte gar nicht erst, zu begreifen, sondern wartete geduldig, dass sie erklärte, wovon sie sprach.
„Es war ein Trick!”, erläuterte sie. „Jake und seine SEALs haben mit Sprengstoff ein nettes kleines Feuerwerk veranstaltet, damit der Vietcong an eine Gegenoffensive glaubt. Ein Ablenkungsmanöver, damit Captain Rubens Hubschrauber landen und Sie rausholen konnte. Da waren keine Hunderte von Soldaten im Dschungel, Sergeant. Was Sie gesehen und gehört haben, war das Werk von sieben US Navy SEALs unter der Leitung von Lieutenant Jake Robinson.”
Matt verschlug es die Sprache. Sieben SEALs! Und er hatte geglaubt, da draußen in der Dunkelheit läge eine gewaltige Armee.
Connies Lächeln vertiefte sich. „Hach, der Mann hat das Zeug zu mehr als nur einem Admiral! Wer weiß, vielleicht lässt er sich irgendwann zum Präsidenten wählen?” Sie zwinkerte ihm zu. „Meine Stimme hätte er auf jeden Fall.”
Sie notierte etwas auf Matts Krankenblatt und wandte sich dem nächsten Bett zu.
„Connie?”
Sie drehte sich wieder zu ihm um. „Es tut mir leid, Sergeant, aber ich darf Ihnen frühestens in ein paar Stunden wieder ein Schmerzmittel geben.”
„Nein, darum geht es nicht ... Ich dachte nur ... Kommt er manchmal hierher ins Lazarett? Lieutenant Robinson, meine ich. Ich würde ihm gern danken.”
„Erstens: Für Sie heißt er Jake”, erklärte sie. „Sie sind schließlich einer von Jakes Jungs. Und zweitens: Nein. Sie werden ihn hier nicht zu Gesicht bekommen. Er ist schon wieder fort, Sergeant. Heute Nacht schläft er im Dschungel -sofern er überhaupt schläft.”
Washington D. C, heute
Das Pentagon.
Dr. Zoe Lange schaute aus dem Fenster der Limousine, als der Fahrer in die Zufahrt zum Pentagon einbog.
Verdammt.
Sie war viel zu leger gekleidet.
Patrick Sullivan, ihr Chef, hatte ihr nur gesagt, sie stünde in der engeren Wahl für einen wichtigen und möglicherweise langfristigen Einsatz. Zoe war zu dem Schluss gekommen, dass bei einem solchen Treffen bequeme Kleidung am ehesten angemessen war. Also hatte sie Jeans, Laufschuhe sowie ein blau geblümtes T-Shirt angezogen und sich kaum geschminkt. So war sie nun mal. Wenn sie zu einem langfristigen Unternehmen abgeordnet wurde, war es besser, wenn jeder gleich wusste, woran er mit ihr war.
Sie putzte sich nur dann heraus, wenn es unbedingt sein musste.
Es sei denn, sie wurde zum Beispiel... mal überlegen ... ja, genau: im Pentagon erwartet.
Wenn sie gewusst hätte, dass es zum Pentagon ging, hätte sie den hautengen schwarzen Hosenanzug getragen, dazu hochhackige Pumps. Sie hätte einen tiefroten Lippenstift aufgelegt und ihre langen blonden Haare zu einem eleganten französischen Zopf geflochten, statt sie einfach zu einem mädchenhaften Pferdeschwanz hochzubinden. Militärs neigten zu der Annahme, nur weibliche Agenten, die aussahen wie Emma Peel oder eine der Bond-Gespielinnen, könnten sich behaupten, wenn es hart auf hart ging. Aber blauer Blümchendruck? Nein! Eine Frau, die blau Geblümtes trug, würde sich vor Angst in Tränen auflösen, sowie es auch nur ein bisschen brenzlig wurde. Dass blaue Blümchen sie im Gegensatz zu hochhackigen Pumps wenigstens nicht daran hindern würden, richtig schnell zu laufen, schien niemanden zu interessieren.
Na schön. Jetzt war sie hier, und das geblümte T-Shirt musste reichen.
Sie setzte ihre Sonnenbrille auf, griff nach ihrer Schultertasche, die zugleich als Aktenmappe diente, und ließ sich von den Wachen ins Gebäude, durch die Sicherheitskontrollen und zu einem wartenden Aufzug führen.
Es ging nach unten. Und zwar richtig weit hinunter. Obwohl keine Zahlen mehr im Display auftauchten, sank der Fahrstuhl tiefer und tiefer. Was, außer der Hölle, mochte so weit unter der Erde liegen?
Zoe lächelte angespannt in sich hinein bei dem Gedanken, sie könnte zu einem Treffen mit dem Teufel höchstpersönlich geladen sein. Angesichts dessen, woran sie arbeitete, war das durchaus möglich. Sie hatte nur nicht erwartet, ihm ausgerechnet hier in Washington zu begegnen.
Endlich hielt der Fahrstuhl an, und die Türen glitten auf. Vor ihr lag ein steriler, weiß gestrichener und sehr heller Gang, nicht das schwach beleuchtete, verqualmte Feuerrot und Orange der Hölle. Auch trugen die Wachen, die sie hier erwarteten, keine Heugabeln, sondern Navy-Uniform. Navy? Wenn das nicht interessant war ...
US Navy Lieutenant Eins und Zwei führten sie durch eine Reihe gleich aussehender Korridore und unzählige sich automatisch öffnende und schließende Türen. Maxwell Smart alias Agent 86 hätte sich hier wie zu Hause gefühlt.
„Wohin geht’s denn, Jungs?”, fragte Zoe. „Zum Cone of Silence?”
Einer der Lieutenants warf ihr einen verständnislosen Blick zu. Offensichtlich hatte er die zahllosen Wiederholungen von Mini Max oder Die unglaublichen Abenteuer des Maxwell Smart im Spätabendprogramm nicht gesehen, die sie sich als Kind nie hatte entgehen lassen. Oder er war zu wenig für Albernheiten zu haben.
Als sie vor einer unbeschrifteten Stahltür stehen blieben, erkannte Zoe, dass sie mit ihrer scherzhaften Frage voll ins Schwarze getroffen hatte. Die Tür war unglaublich dick und mit allen nur denkbaren Materialien - zweifellos sogar mit Blei - isoliert, um dem dahintergelegenen Raum absolute Abhörsicherheit zu garantieren. Vor diesen Wänden musste jede Infrarotkamera und jedes noch so hochempfindliche Richtmikrofon kapitulieren. Nichts von dem, was in diesem Raum gesagt wurde, konnte aufgezeichnet oder belauscht werden.
Die äußere Tür - die erste von drei hintereinanderliegenden Türen - schloss sich mit einem satten Klonk, die zweite ebenfalls. Die dritte war wie eine Schiffsschleuse konstruiert, und auch sie wurde fest hinter ihr verschlossen.
Offensichtlich war sie als Letzte angekommen.
Der innere Raum war nicht sonderlich groß - er maß kaum fünf mal vier Meter -, und darin saßen nur Männer. Große Männer in strahlend weißen Navy-Uniformen. Zoe blinzelte und widerstand nur mühsam dem Drang, sich die ins Haar hochgeschobene Sonnenbrille wieder aufzusetzen, als sich alle ihr zuwandten und sich zum Zeichen der Höflichkeit gleichzeitig von den Stühlen erhoben.
Sie musterte die Männer, überflog die Gesichter in der Hoffnung, irgendjemanden zu erkennen. Rasch zählte sie durch - vierzehn - und erfasste die unterschiedlichen Rangabzeichen auf den Uniformen.
„Bitte, meine Herren”, sagte sie mit ihrem professionellsten Lächeln. „Behalten Sie doch Platz! Für mich müssen Sie nicht aufstehen.”
Zwei Mannschaftsgrade, vier Lieutenants, ein Senior Chief, zwei Commander, ein Captain, ein Konteradmiral und drei -tatsächlich drei! - echte Admirale.
Sieben der Männer waren SEALs im aktiven Dienst. Zwei der Admirale trugen ebenfalls den Budweiser: die Anstecknadel der SEALs mit Anker und Adler, der in der einen Klaue einen Dreizack und in der anderen ein Gewehr hielt. Das bedeutete, dass auch sie irgendwann in ihrer langen militärischen Laufbahn als SEALs gedient hatten.
Einer der SEALs, ein blonder Lieutenant mit strahlendem Lächeln und einem viel zu hübschen Gesicht - er hätte glatt Baywatch entsprungen sein können -, bot ihr einen Stuhl an. Sie nickte ihm dankend zu und setzte sich neben ihn.
„Mein Name ist Luke O’Donlon”, flüsterte er und streckte ihr die Hand entgegen.
Schweigend schüttelte sie sie beiläufig und lächelte kurz O’Donlon sowie dem SEAL auf ihrer anderen Seite zu, einem gewaltigen Afroamerikaner mit glatt rasiertem Schädel, der einen breiten goldenen Ehering trug. Während sie ihre Tasche vor sich auf dem Tisch abstellte, galt ihre Aufmerksamkeit den Männern, die ihr gegenübersaßen.
Drei Admirale, du lieber Himmel! Worum mochte es wohl bei einem Einsatz gehen, der einen absolut abhörsicheren Raum und drei waschechte Admirale erforderte?
Der Admiral ohne Budweiser hatte schneeweißes Haar und trug ostentative Missbilligung zur Schau, geradeso als hätte er einen üblen Gestank in der Nase. Stonegate, so hieß er. Zoe hatte sein Bild schon mehrfach in der Zeitung gesehen. Die Washington Post berichtete regelmäßig über ihn. Er betätigte sich auch politisch, was Zoe bei einem Mann seines Ranges und seiner Stellung für nicht wirklich angebracht hielt.
Neben ihr räusperte sich O’Donlon und schenkte ihr sein gewinnendstes Lächeln. Er war einfach zu süß, und das wusste er offenbar auch. „Entschuldigen Sie, Miss, aber ich habe Ihren Namen nicht verstanden.”
„Tut mir leid, Seemann”, flüsterte Zoe zurück, „aber diese Information unterliegt der Geheimhaltung. Dafür reicht vermutlich Ihre Unbedenklichkeitsstufe nicht.”
Der Senior Chief auf ihrer anderen Seite hatte mitbekommen, was sie gesagt hatte. Er musste lachen, überspielte das aber geschickt mit einem Hüsteln.
Der Admiral, der neben Stonegate saß, hatte dichtes graumeliertes Haar. Admiral Mac Forrest. Der Mann gefiel ihr. Sie war ihm mindestens zweimal im Nahen Osten begegnet, zum letzten Mal vor ein paar Monaten. Er nickte und lächelte ihr zu, als ihre Blicke sich trafen.
Der Admiral links von Forrest - ihr am Tisch genau gegenüber - stand noch. Sie konnte sein Gesicht nicht sehen, weil er halb abgewandt in einer Akte blätterte. „Jetzt, wo alle hier sind, sollten wir einfach anfangen”, sagte er.
Dann schaute er auf, und Zoe blickte in ein Paar unglaublich blaue Augen und in ein Gesicht, das sie jederzeit überall erkannt hätte.
Jake Robinson.
Das war kein anderer als Admiral Jake Robinson.
Er musste Anfang fünfzig sein, wenn er seine Heldentaten in Vietnam nicht als Zwölfjähriger begangen hatte. Aber sein Haar war noch dicht und dunkel, und die feinen Linien um die Augen und den Mund ließen sein attraktives Gesicht nur stärker und reifer wirken.
Wobei attraktiv die Untertreibung des Jahrhunderts war. Jake Robinson war weit mehr als nur attraktiv. Um zu beschreiben, wie gut er aussah, musste man vermutlich erst ein passendes Wort erfinden. Seine Lippen waren elegant und fein geschwungen. Er lächelte erkennbar gern und oft. Seine Nase war einfach vollkommen geformt, ebenso seine Wangenknochen und die hohe Stirn. Selbst das Kinn - gerade die richtige Portion Eigensinn und Härte.
Der niedliche Lieutenant neben ihr - der war einfach attraktiv. Jake Robinson dagegen war ein Wunder von einem Mann.
Er schaute in die Runde und stellte rasch jeden Einzelnen vor. Zoe wusste, dass er das hauptsächlich ihretwegen tat, denn in dieser Runde kannte jeder jeden. Sie bemühte sich, aufmerksam zuzuhören und sich die Namen zu merken. Skelly und Taylor. Der eine war gebaut wie ein Footballspieler, der andere eher wie Popeye, der Seemann; wer wer war, erschloss sich ihr nicht. Der afroamerikanische Senior Chief neben ihr hieß Becker. O’Donlon hatte sich bereits selbst vorgestellt. Hawken, Shaw, Jones. Sosehr sie sich auch bemühte, sich die Namen und die zugehörigen Gesichter einzuprägen, es gelang ihr einfach nicht.
Sie war viel zu abgelenkt von den heißen und kalten Schauern, die sie ständig überliefen.
Jake Robinson!
Großer Gott, sie erhielt die Chance, an einem langfristigen Einsatz unter dem Befehl dieser lebenden Legende teilzunehmen! Was er vor fast dreißig Jahren in Vietnam geleistet hatte, war legendär. Ebenso wie die von ihm gegründete „Gray Group”. Robinsons Gray Group war so streng geheim, dass sie nur raten konnte, welcherart ihre Missionen waren. Aber so viel wusste sie immerhin: Es ging um gefährliche, verdeckte, für die nationale Sicherheit enorm wichtige Spezialeinsätze.
Und an einem solchen Einsatz sollte sie jetzt teilnehmen!
Zoes Herz raste, als wäre sie gerade fünf Meilen gelaufen. Sie atmete tief durch, um sich zu beruhigen, bis der Admiral sie den übrigen Anwesenden vorstellte. Als vierzehn Paar Männeraugen sich ihr zuwandten, hatte sie sich wieder voll und ganz im Griff. War ruhig, gelassen, selbstbewusst, cool.
Dummerweise schienen dreizehn der vierzehn Paar Männeraugen aber nicht wahrzunehmen, dass sie die Ruhe selbst war. Stattdessen sahen sie offenbar nur den Pferdeschwanz und das blaugeblümte T-Shirt. Sie konnte ihnen nur zu deutlich ansehen, was sie dachten: Aha, die Sekretärin, nicht wahr? Sie würde Protokoll führen, während die starken Männer debattierten.
Ratet noch mal, Jungs.
„Dr. Zoe Lange ist eine der Spitzenkapazitäten unseres Landes - möglicherweise der ganzen Welt - in Sachen biologische und chemische Kriegführung”, erklärte Jake Robinson mit seiner rauchigen Baritonstimme.
Rings um den Tisch zuckten Augenbrauen in die Höhe. Zoe konnte die allgemeine Skepsis, die ihr entgegengebracht wurde, förmlich riechen. In den Augen des Admirals blitzte es amüsiert auf. Ganz offensichtlich waren auch ihm die Zweifel seiner Zuhörer nicht entgangen.
„Dr. Lange arbeitet für Pat Sullivan”, fügte er sachlich hinzu, und die Stimmung im Raum schlug augenblicklich um. Die CIA. Er brauchte den Namen der Institution gar nicht zu nennen. Sie wussten alle, worum es ging - und womit sie ihren Lebensunterhalt verdiente. Admiral Robinson hatte genau gewusst, was er sagen musste, damit alle aufhorchten und sie mit anderen Augen betrachteten - trotz der blauen Blümchen. Sie schenkte ihm ein dankbares Lächeln.
„Ich weiß es wirklich sehr zu schätzen, Doktor, dass Sie uns heute hier mit Ihrer Gegenwart beehren.” Der Admiral lächelte sie an, und Zoe hatte Mühe, sich nicht in diesem Lächeln zu verlieren.
Es stimmte. Alles, was sie jemals über Jake Robinsons Lächeln gehört und gelesen hatte, entsprach der Wahrheit. Es war ein warmes, aufrichtiges Lächeln. Ein umfassendes Lächeln, das ihn von innen heraus leuchten und seine Augen noch blauer strahlen ließ. Ein Lächeln, das in ihr den Wunsch weckte, ihm überallhin zu folgen. Ganz egal, wohin.
„Gern geschehen, Admiral”, murmelte sie. „Ich fühle mich durch Ihre Einladung geehrt und hoffe, dass ich behilflich sein kann.”
„Um ehrlich zu sein ...”, sein Lächeln schwand, „... ist es alles andere als erfreulich, dass wir Ihre Hilfe brauchen.” Er blickte einmal in die Runde. Jeder Funke Belustigung in seinen Augen war erloschen. „Vor zwei Wochen wurde in Boulder, Colorado, in das militärische Testlabor eingebrochen.”
Schlagartig vergaß Zoe seine Augen und begann, sehr aufmerksam zuzuhören. Ein Einbruch. In Arches. Um Himmels willen!
Sie war nicht die Einzige, die sichtlich beunruhigt war. Senior Chief Becker neben ihr reagierte höchst alarmiert, ähnlich wie die meisten anderen SEALs. Genau wie Zoe wussten sie alle, was in Arches getestet wurde. Sie wussten auch alle, was dort gelagert wurde. Anthrax. Botulinumtoxin. Sarin. Das tödliche Nervengas VX. Und das allerneueste von Menschen gemachte Teufelszeug namens Triple X.
Nach ihrem letzten Besuch in Arches hatte sie einen hundertfünfzigseitigen Report über die Schwächen im Sicherheitssystem geschrieben. Jetzt fragte sie sich, ob sich überhaupt jemand die Mühe gemacht hatte, ihn zu lesen.
„Der Einbruch geschah ohne Gewaltanwendung. Ja, sogar ohne jede Sachbeschädigung”, fuhr der Admiral fort. „Sechs Kanister eines tödlichen Nervengiftes wurden gegen etwas anderes vertauscht und entwendet. Lediglich dank eines glücklichen Zufalls wurde der Austausch überhaupt bemerkt.”
Zoe hielt es keine Minute länger aus. „Admiral, was genau wurde entwendet?”
Stonegate und mehrere andere hochrangige Offiziere schauten sie an, als wäre sie ein vorlautes Kind. Wie konnte sie es wagen, Robinson einfach zu unterbrechen? Aber das war ihr egal. Sie musste es einfach wissen. Und Jake Robinson war es offenbar auch egal.
Er begegnete ruhig ihrem Blick. Sie sah die Antwort in seinen Augen, noch bevor er den Mund öffnete, um sie auszusprechen. Das Schlimmste, was sie sich vorstellen konnte, war geschehen.
„Triple X. Sechs Kanister? Oh Gott.”
Als er nickte, wurde ihr klar, dass sie ihren Gedanken laut geäußert hatte. „Oh, Gott, trifft es sehr genau”, stimmte er ihr mit düsterem Humor zu. „Dr. Lange, vielleicht erklären Sie uns erst einmal näher, was Triple X ist und welche Möglichkeiten wir Ihrer Meinung nach haben, dieses kleine Problem zu lösen.”
Dieses kleine Problem? Großer Gott, das war kein kleines Problem! „Wir haben nur eine Möglichkeit, und es gibt keine Alternativen: Wir müssen die fehlenden Kanister finden und zurückholen. Glauben Sie mir, meine Herren, Triple X ist nichts, was wir irgendwo da draußen rumliegen haben wollen. Schon gar nicht ganze sechs Kanister!” Sie wandte sich dem Admiral zu. „Wie in aller Welt konnte das passieren?”
„Wie das passiert ist, ist im Moment unwichtig”, gab er freundlich zurück. „Im Augenblick müssen wir uns darauf konzentrieren, was zu tun ist. Bitte, fahren Sie fort, Doktor.”
Zoe nickte. Der Gedanke an sechs Kanister Triple X, auf eine nichts Böses ahnende Welt losgelassen, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Er war zutiefst erschreckend. Dabei war sie durch nichts so leicht zu erschrecken, obwohl ihre Arbeit meistens zum Fürchten war. Sie verbrachte Stunden damit, sich mit den schrecklichsten Details der verschiedenen Massenvernichtungswaffen vertraut zu machen, die jederzeit Tod und Verderben über die Menschen bringen konnten. Dennoch konnte sie nachts ruhig schlafen, ohne dass Alpträume sie quälten. Sie hatte gelernt, ihre Gefühle auszuschalten, wenn sie Berichte über Länder las, in denen chemische Waffen an Gefangenen und Behinderten getestet wurden, an Frauen und Kindern.
Aber sechs gestohlene Kanister Triple X ...
Das erschreckte sie zu Tode.
Trotzdem atmete sie jetzt tief durch und stand auf, denn auch das hatte sie gelernt: Ihre Informationen knapp, auf den Punkt gebracht und emotionslos weiterzugeben, auch wenn sie zutiefst erschüttert war.
„Triple X ist zurzeit die übelste chemische Waffe der Welt”, referierte sie. „Es ist zwanzig Mal so wirksam wie das Nervengas VX, und es tötet genau wie VX durch Lähmung. Ein Atemzug Triple X, meine Herren, und Sie ersticken, weil Ihre Lungenmuskulatur sich zusammen mit allen anderen Muskeln Ihres Körpers langsam verkrampft. Triple X, Trip X, Tri X, T-X - verschiedene Begriffe für ein und dasselbe: Tod, der in der Luft liegt.”
Zoe ging um den Tisch herum hinüber zu dem Whiteboard, das an der Wand hinter Admiral Robinson befestigt war. Sie nahm einen Stift und schrieb zwei chemische Formeln nieder, die sie mit A und B kennzeichnete.
„Triple X besteht aus drei Komponenten, deshalb kann man es relativ gefahrlos lagern und transportieren. Zugleich ist es genau deshalb aber auch so besonders gut als chemische Waffe geeignet.” Sie deutete auf die Tafel. „Diese beiden Bestandteile werden in Pulverform trocken gelagert. Beide sind für sich allein relativ harmlos, wie eine Backmischung. Aber man muss nur Wasser zugeben - und dann ist es allerhöchste Zeit, die Gasmasken aufzusetzen. Triple X ist sozusagen ein Instant-Nervengas. Es ist ganz einfach, meine Herren: Ich brauche nur zwei Ballons, je einen Teelöffel von A und B und ein bisschen Wasser mit etwas Säure oder Lauge. Damit bastele ich Ihnen eine Waffe, die ein ganzes Gebäude entvölkern kann - das ganze Pentagon beispielsweise - und dazu noch eine Menge Leute auf der Straße umbringt. Wasser in einem Ballon, darin ein zweiter luftgefüllter Ballon und jeweils ein wenig Pulver A und B. Das bisschen Säure oder Lauge im Wasser zerfrisst die Ballonhülle. Der Ballon wird undicht, Pulver A und B werden feucht. Es kommt zu einer chemischen Reaktion. Dabei entsteht sowohl eine flüssige als auch eine gasförmige Form von Triple X. Beides entweicht in die Luft, strömt in die Lüftungsschächte des Gebäudes und bringt jeden um, der damit in Berührung kommt.”
Im Raum war es totenstill, als sie den Stift beiseitelegte.
Jake Robinson hatte seinen Platz wieder eingenommen und sich zu ihr umgedreht, als sie an das Whiteboard trat und ihre Erläuterungen aufnahm. Sie stand jetzt unmittelbar vor ihm. Er war ihr nahe genug, sodass sie ihn hätte berühren können. Und sie konnte ihn riechen: einen Hauch von Polo Sport, gerade die richtige Menge, um absolut verführerisch zu duften.
Sie atmete tief durch, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und sich in Erinnerung zu rufen, dass es in ihrer Welt zwar sehr viel Böses gab, aber eben auch Gutes. Zum Beispiel Männer wie Jake Robinson.
„Das kann man schon mit nur zwei Teelöffeln Triple X anrichten, meine Herren”, fuhr sie fort. „Was mit sechs Kanistern möglich ist ...” Sie stockte, schüttelte den Kopf.
„Ich weiß, es ist sehr schwer, sich eine Katastrophe dieses Ausmaßes vorzustellen”, warf der Admiral ruhig ein. „Trotzdem: Wie viele solcher Kanister von der Größe einer Thermosflasche würden ausreichen, um diese Stadt komplett zu entvölkern?”
„Washington?” Zoe nagte nachdenklich an ihrer Unterlippe. „Ganz grob geschätzt? Vier. Je nach Windrichtung.”
Er nickte. Ganz offensichtlich hatte er das bereits gewusst. Und es waren sechs Kanister gestohlen worden.
Sie ließ ihren Blick über die Anwesenden schweifen: „Irgendwelche Fragen?”
Senior Chief Becker ergriff das Wort. „Sie sagten, wir hätten nur eine Handlungsoption: das Triple X zu finden und zurückzuholen. Gibt es eine Möglichkeit, das Zeug zu vernichten?”
„Man kann die beiden Pulver verbrennen”, antwortete sie mit einem angestrengten Lächeln. „Man darf das Feuer nur nicht mit Wasser löschen.”
Lieutenant O’Donlon hob die Hand. „Ich habe eine Frage an Admiral Robinson. Wenn der Diebstahl zwei Wochen her ist, Sir, wissen Sie vermutlich schon, wer dahintersteckt?”
Der Admiral erhob sich. Er war fast zehn Zentimeter größer als sie. Sie wollte zu ihrem Stuhl zurückgehen, aber er griff nach ihrem Ellenbogen. Seine Finger lagen warm auf ihrer bloßen Haut. „Bleiben Sie”, forderte er sie leise auf.
Sie nickte. „Natürlich, Sir.”
„Ja, wir haben die Terrorgruppe identifiziert, die das Triple X gestohlen hat”, beantworte Jake die gestellte Frage. „Wir glauben außerdem zu wissen, wo die gestohlenen Kanister sich derzeit befinden.”
Alle begannen auf einmal zu reden.
„Das ist großartig”, sagte Zoe.
„Es ist keineswegs so großartig, wie es klingt”, antwortete der Admiral leise. „Sie wiederzubeschaffen wird alles andere als leicht.”
„Wann geht es auf die Reise?”, fragte sie genauso leise zurück. „Ich nehme an, unser Ziel liegt irgendwo im Nahen Osten.”
„Sie dürfen noch einmal raten, Doktor. Und vielleicht sollten Sie abwarten, bis Sie alle Fakten und Details wissen, bevor Sie sich für diesen Einsatz bereit erklären. Ich habe die dumpfe Vorahnung, dass Ihnen dieser Auftrag nicht sonderlich gefallen wird.”
Zoe begegnete seinem ruhigen Blick mit ebensolcher Ruhe und äußerer Gelassenheit. „Ich brauche die Details nicht zu wissen. Ich stehe Ihnen voll und ganz zur Verfügung - wenn Sie mich wollen.”
Die Worte waren ihr schon über die Lippen gegangen, als ihr schlagartig klar wurde, wie anzüglich sie klangen.
Dann jedoch dachte sie: Na und? Warum nicht? Alles an diesem Mann zog sie geradezu unwiderstehlich an. Warum sollte sie ihm das nicht zeigen?
Aber in seine Augen trat ein seltsamer Ausdruck, ein undeutbarer Schatten huschte über seine Züge, und sie entdeckte plötzlich den Ehering an seiner Linken.
„Entschuldigen Sie, Sir”, ergänzte sie rasch. „Ich meinte damit nicht ...”
Ein Lächeln war die Antwort. „Ist schon in Ordnung. Ich weiß, wie Sie das meinten. Es ist eine reizvolle Aufgabe. Aber der Einsatz findet nicht im Nahen Osten statt.” Er drehte sich um und klopfte mit den Fingerknöcheln auf den Tisch, um Ruhe zu erbitten. „Die Terroristen, die sich das Triple X angeeignet haben, leben hier in den Vereinigten Staaten. Wir haben die Spur der Kanister bis zu ihrem Stützpunkt in Montana verfolgt. Es handelt sich um US-Bürger, die allerdings alles daransetzen, Unabhängigkeit zu erlangen. Ihr Anführer ist ein gewisser Christopher Vincent. Sie nennen sich selbst Chosen Race Organization, kurz CRO - Gesellschaft der Auserwählten Rasse.”
Die CRO.
Der Admiral warf ihr einen Blick zu, und Zoe nickte. Sie wusste Bescheid über die CRO. Das hatte er also gemeint, als er sagte, sie solle warten, bis sie alle Details kannte. Die CRO war eine frauenfeindliche, neonazistische, regierungsfeindliche und ausgesprochen grausame Organisation. Wenn Jake Robinson vorhatte, sie mit einer Einsatzgruppe undercover in den Stützpunkt einzuschleusen, um das Triple X wiederzubeschaffen, dann würde das alles andere als eine Vergnügungsreise werden. Frauen wurden dort kaum besser behandelt als Sklaven. Sie dienten schweigend, unermüdlich und ohne Fragen zu stellen. Ihre Väter und Ehemänner betrachteten sie als ihr Eigentum, und sie wurden nicht selten misshandelt.
Jake ließ Satellitenaufnahmen des CRO-Hauptquartiers herumgehen. Es handelte sich um eine ehemalige Fabrik in den Bergen etwa zwei Meilen außerhalb des Städtchens Belle in Montana. Zoe kannte die Bilder. Sie wusste auch Bescheid über die ausgeklügelten Sicherheitssysteme, die der äußerst wohlhabende Anführer der Gruppe hatte installieren lassen.
Wenn das Labor in Arches auch nur halb so gut gesichert gewesen wäre wie das CRO-Hauptquartier, wäre es nie zu dieser Situation gekommen.
„Wir wollen nicht stürmen”, sagte der Admiral gerade. „Darüber brauchen wir im Moment gar nicht erst nachzudenken.”
Admiral Stonegate meldete sich zu Wort: „Warum evakuieren wir nicht einfach die umliegenden Ortschaften und bomben die Schweinehunde direkt in die Hölle?”
Admiral Forrest rollte mit den Augen. „Genau.”
„Dann umzingeln wir sie eben”, schlug Stonegate vor, offenbar unbeeindruckt von Forrests Sarkasmus. Vielleicht war ihm der Unterton aber auch schlicht entgangen. „Wir geben Gasmasken an unsere Soldaten aus und lassen die CRO ihr Triple X benutzen und sich selbst umbringen.”
Admiral Robinson wandte sich an Zoe, als hätte er gespürt, dass sie darauf brannte zu antworten.