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Der fähigste Mann in seinem Team? PJ Richards - aber sie ist eine Frau! Zeit für Commander Harvard, in seinem Herzen die weiße Fahne zu hissen ... Stahlhart durchtrainiert und mit dem Mut einer Wildkatze: Die zierliche PJ Richards gehört zu den Besten der Besten. Jetzt soll die schöne Agentin acht Wochen lang das legendäre Team der Navy SEALs unterstützen. Doch ausgerechnet ihr neuer Boss, Commander Harvard Becker, legt ihr Steine in den Weg! So sehr sich PJ auch bemüht, nichts scheint ihn zu überzeugen, dass sie die Richtige für den Job ist. Und dass es dann auch noch zwischen ihr und dem sexy Macho mit den breiten Schultern heiß knistert, macht alles noch viel komplizierter! Bis Harvard bei einem gefährlichen Einsatz in einen Hinterhalt gerät. Jede Sekunde zählt: Kann PJ ihm jetzt beweisen, dass sie der beste Mann in seinem Team ist - und sein Leben retten?
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Seitenzahl: 397
Alle Rechte, einschließlich das der vollständigen oder auszugsweisen Vervielfältigung, des Ab- oder Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten und bedürfen in jedem Fall der Zustimmung des Verlages.
Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.
Suzanne Brockmann
Operation Heartbreaker 5:
Harvard – Herz an Herz
Roman
Aus dem Amerikanischen von
Verena Bremer
MIRA® TASCHENBUCH
MIRA® TASCHENBÜCHER
erscheinen in der Cora Verlag GmbH & Co. KG,
Valentinskamp 24, 20354 Hamburg
Copyright © 2010 by MIRA Taschenbuch
in der CORA Verlag GmbH & Co. KG
Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:
Harvard’s Education
Copyright © 1998 by Suzanne Brockman
erschienen bei: Silhouette Books, Toronto
Published by arrangement with
HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln
Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln
Redaktion: Stefanie Kruschandl
Titelabbildung: Getty Images, München
Autorenfoto: © by Harlequin Enterprises S.A., Schweiz
Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling
ISBN (eBook, PDF) 978-3-86278-281-9 ISBN (eBook, EPUB) 978-3-86278-280-2
eBook-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net
www.mira-taschenbuch.de
D as war nicht gut. Das war gar nicht gut. Noch ein paar Minuten, und ihr gesamtes Team würde niedergemetzelt werden.
Da draußen in der schwülen Julinacht wartete eine kleine Armee von Terroristen nur darauf loszuschlagen. Die „Tangos“, wie die Navy SEALs sie für gewöhnlich nannten, besaßen nicht weniger gefährliche Waffen als die, die P. J. Richards in ihren schweißnassen Händen hielt.
Die junge Frau versuchte, ihren Herzschlag zu kontrollieren, während sie schwer atmend durch die Dunkelheit robbte. Das Adrenalin, das durch ihre Adern rauschte, sollte doch zu ihrem Vorteil arbeiten – nicht gegen sie.
Das Kommando führte FInCOM-Agent Tim Farber. Doch Farber war ein echter Großstadtcowboy – und noch dazu ein selten dummer. Er hatte keine Ahnung, wie man sich durch das dschungelartige Gebiet bewegte, in dem sie unterwegs waren. Nicht, dass P. J. selbst Expertin für derartige Kampfmanöver gewesen wäre. Als Kind der Großstadt war sie selbst eher an Betonwüsten gewöhnt – an einen gänzlich anderen Dschungel.
Immerhin wusste sie aber, dass in solch unberechenbarem Gelände mehr Vorsicht angebracht wäre, als Farber sie walten ließ. Anstatt seine Leute voranzutreiben, sollte Farber besser auf die Geräusche der Nacht achten.
Und wenn sie schon dabei war, ihn zu kritisieren: Dass vier Spezialagenten und drei Navy SEALs dicht hintereinander über diesen engen Pfad krochen, bereitete ihr zusätzlich ein mulmiges Gefühl. Irgendwie kam sie sich vor wie ein Teil eines riesigen Weihnachtsgeschenkes, das mit einer großen Schleife unter dem Baum eines Terroristen auf ihn wartete.
„Tim“, flüsterte P. J. in ihr Headset, durch das sie mit dem Rest des Teams verbunden war. „Mach mal etwas langsamer und lass uns ein bisschen Abstand voneinander halten.“
„Tu dir keinen Zwang an. Wenn wir dir zu schnell sind, lass dich ruhig ein wenig zurückfallen.“ Farber missverstand ihren Vorschlag natürlich absichtlich.
P. J. spürte, wie Ärger in ihr aufwallte – obwohl sie es als einzige Frau im Team gewöhnt war, ständig spitze Bemerkungen einstecken zu müssen.
Dabei konnte sie mit ihrer Größe von eins achtundfünfzig und ihren knapp zweiundfünfzig Kilo jedem dieser Männer davonlaufen. Und besser schießen konnte sie ebenfalls. Nur wenn es um reine Muskelkraft ging, das musste sie sich eingestehen, konnte sie mit ihren männlichen Kollegen nicht mithalten. Aber selbst wenn sie keinen von ihnen hätte hochheben und zu Boden werfen können: Geistig war sie den meisten von ihnen haushoch überlegen.
Plötzlich bemerkte sie eine Bewegung zu ihrer Rechten und hob ihre Waffe.
Es war jedoch nur ein Navy SEAL namens Harvard. Sein richtiger Name war Daryl Becker; er war Senior Chief, was etwa dem Rang eines Sergeants bei der Army entsprach. Schon in Alltagskleidung gab er eine imposante Figur ab, doch mit Tarnanzug und Schutzmaske sah er gefährlicher aus als jeder andere Mann, dem P. J. je begegnet war. Sein Gesicht und sein kahl rasierter Schädel waren mit grüner und brauner Farbe getarnt, irgendwie unheimlich auf seiner schwarzen Haut.
Harvard war älter als die anderen SEALs der illustren Alpha Squad. P. J. schätzte ihn auf etwa zehn Jahre älter als sich selbst, also mindestens fünfunddreißig, vielleicht auch älter. Er war ganz gewiss kein Grünschnabel mehr. Alles an ihm war männlich, muskulös und stahlhart. Es kursierte das Gerücht, dass er tatsächlich an der Harvard University studiert und summa cum laude, mit Auszeichnung, abgeschlossen hatte, bevor er zur Navy ging.
„Alles okay?“, fragte er per Handzeichen. Dazu bewegte er lautlos seine Lippen, als ob sie die Zeichensprache schon wieder vergessen haben könnte, in der die SEALs miteinander kommunizierten. Es mochte ja sein, dass es Greg Greene oder Charles Schneider so ging – ihr jedoch ganz bestimmt nicht. Sie erinnerte sich an jede einzelne Geste.
„Alles okay“, signalisierte sie ihm so unwirsch wie möglich zurück.
Verdammt! Harvard hatte vom ersten Moment an versucht, sie zu bemuttern. Seit die FInCOM-Agenten auf die SEALs der Alpha Squad getroffen waren, hatte er sie kaum einen Moment aus den Augen gelassen. Bestimmt wartete er nur darauf, dass sie endlich eine weibliche Schwäche zeigte und zusammenbrach.
P. J. bedeutete ihm dieselben Warnungen, die Tim Farber gerade ignoriert hatte. Stopp! Lauschen Sie! Irgendwas stimmt hier nicht.
Der Wald um sie herum war merkwürdig still. All das Rascheln, Zirpen und Tschilpen, das Gott weiß welches Getier noch bis vor Kurzem erzeugt hatte, war verstummt. Entweder war dort draußen noch jemand anderes, der die Tiere erschreckte, oder sie selbst erzeugten zu viel Aufruhr. Keine der beiden Möglichkeiten verhieß Gutes.
Tim Farbers Stimme ertönte über den Kopfhörer. „Raheem sagt, dass das Lager nur noch ein paar Hundert Meter entfernt ist. Teilt euch in Gruppen auf.“
Na endlich! Das wurde ja auch Zeit. Wenn sie hier das Kommando hätte, hätten sie sich schon von Beginn an nur in kleinen Gruppen fortbewegt. Und nicht nur das. Sie würde den Aussagen dieses sogenannten Informanten Raheem Al Hadi mit einem gehörigen Quäntchen Vorsicht begegnen, statt ihm einfach blind zu vertrauen.
„Kommando zurück!“, ertönte da Tims Stimme laut in ihrem Ohr. „Raheem sagt gerade, dass dieser Pfad hier die einzig begehbare Route sei. Der Dschungel ist voller Tretminen. Bleibt zusammen!“
P. J. fühlte sich wie eine wandelnde Zielscheibe für Guerillakämpfer.
Bevor sie diese Mission angetreten waren, hatte sie ihre Bedenken bezüglich Raheems Vertrauenswürdigkeit mit Tim Farber diskutiert. Oder vielmehr hatte sie einige skeptische Fragen gestellt, die Farber jedoch nicht ernst genommen und verworfen hatte. Raheem war schließlich bereits schon früher als Informant für die SEALs tätig gewesen. Er galt als überaus verlässlich, das hatte Tim ihr versichert. Das Einzige, wovon er sie dadurch überzeugt hatte, war allerdings, dass er ein totaler Idiot war.
Von den andern beiden FInCOM-Agenten hatte P. J. später erfahren, dass Farber dachte, die SEALs wollten ihn auf die Probe stellen. Man wolle wissen, ob er ihnen vertraute. Und er war fest entschlossen, ihnen zu zeigen, dass er das tat.
Bleiben Sie dicht bei mir,signalisierte Harvard.
P. J. tat so, als hätte sie ihn nicht gesehen, und entsicherte ihre Waffe. Sie brauchte keinen Babysitter. Ärger stieg in ihr auf und verdrängte für einen Moment das Adrenalin, das durch ihre Adern schoss. Dabei fühlte sie sich fast ruhig.
Plötzlich war er direkt vor ihr. Bilden wir ein Team, signalisierte er ihr. Folgen Sie mir.
Nein. Sie folgen mir!,schoss sie zurück. Sie hatte die Nase voll davon, anderen blind hinterherzulaufen. Sie war hierhergekommen, um in dieser gottverlassenen, insektenverseuchten Sumpflandschaft Terroristen aufzuspüren und auszuschalten. Und genau das würde sie jetzt tun. Wenn dieser Superheld ihr folgen wollte, dann würde sie ihn nicht aufhalten.
Ehe sie sich jedoch abwenden konnte, packte er ihr Handgelenk – Gott, seine Hände waren riesig! – und schüttelte warnend den Kopf.
Er war ihr so nah, dass sie die Hitze seines Körpers spüren konnte. Er war viel größer als sie. Seine Gestalt überragte die ihre um mindestens dreißig Zentimeter. Sie musste den Kopf in den Nacken legen, um ihm einen bösen Blick zuwerfen zu können.
Ihre Empörung schien ihn zu amüsieren. Auf seinem Gesicht erschien unwillkürlich ein Lächeln. Er schob das Mikrofon vor seinen Lippen zur Seite und beugte sich zu ihr hinab, um ihr leise ins Ohr zu flüstern: „Ich wusste vom ersten Moment an, dass Sie Ärger bedeuten.“
Es war wirklich erstaunlich. Das Lächeln dieses Mannes hatte ihn mit einem Schlag von einem gefährlichen Krieger in einen potenziellen Geliebten verwandelt. Sein Blick verriet neben Erheiterung auch einen Anflug körperlichen Interesses. Oder bildete sie sich Letzteres etwa nur ein?
P. J. entzog ihm ihre Hand. Als sie sich gerade befreit hatte, explodierte auf einmal alles um sie herum. Harvard fiel zu Boden.
Er war getroffen.
Ihre Gedanken waren wie gelähmt. Als im nächsten Moment ein Projektil dicht an ihrem Kopf vorbeischoss, reagierte ihr Körper jedoch blitzschnell.
Noch während sie sich auf den Boden fallen ließ, brachte sie ihre Waffe in Position. Kaum dass sie die Tangos im Unterholz ausgemacht hatte, begann sie zu feuern. Sie schoss, traf erst einen, dann einen zweiten und schließlich einen dritten in rascher Folge.
Überall um sie herum wurde geschossen. Männer schrien vor Schreck und Schmerz. Soweit sie sehen konnte, war ihr gesamtes Team umzingelt. Die einzige Lücke im Kreis der Angreifer war die, die sie gerade freigeschossen hatte.
„Mann verletzt!“, meldete P. J., während sie sich auf allen vieren in Harvards Richtung schob. Ein Blick auf seinen Körper genügte. Es hatte keinen Sinn, ihn hinter sich her aus der Schusslinie zu ziehen.
„Hilfe! Wir brauchen Hilfe!“, vernahm sie Tim Farbers Stimme, die sich beinah zu überschlagen schien. Langsam robbte sie auf die regungslosen Körper der Terroristen zu, die sie getroffen hatte.
„Bis Hilfe kommt, wird keiner von uns mehr am Leben sein“, warf Chuck Schneider panisch ein.
Ach ja? Nicht, wenn sie es verhindern konnte.
Direkt außerhalb der Angriffslinie der Terroristen entdeckte sie einen Baum mit niedrigen Ästen. Wenn es ihr gelang, den Baum zu erreichen und hinaufzuklettern …
Sie war ein Stadtkind, an Beton und Häuserschluchten gewöhnt. Noch nie in ihrem Leben war sie auf einen Baum geklettert. Sie hasste Höhe, aber sie wusste: Wenn sie aus dem Baumwipfel auf die Tangos schoss, würde sie sie überrumpeln.
P. J. stand auf und hastete geduckt auf ihr Ziel zu. Den Tango bemerkte sie erst in der Sekunde, als er sich ihr aus dem Unterholz in den Weg warf. Geistesgegenwärtig feuerte sie zweimal ab und traf ihn mitten in die Brust. Er ging zu Boden. Erst in diesem Moment sah sie den nächsten Tango hinter ihm auftauchen.
Sie war so gut wie tot. Sie hatte keine Chance. Sie feuerte trotzdem, aber ihr Magazin war leer.
Seines nicht.
Der Schuss traf sie mit voller Wucht und ließ sie hintenüber kippen. Sie spürte, wie ihr Hinterkopf auf etwas Hartem aufschlug, vielleicht einem Stein oder einem Baumstumpf. Sie war sich nicht sicher, aber es fühlte sich an wie Granit. Ein Feuerwerk von Schmerzen explodierte in ihrem Kopf. Hinter ihren geschlossenen Augenlidern tanzten funkelnde Sterne.
„Code sechsundachtzig! Sechsundachtzig! Stellt das Feuer ein!“
Urplötzlich verhallten die Schüsse um sie herum. Die Übung war vorüber, einfach so.
P. J. spürte, wie um sie herum helle Lichter angingen. Sie zwang sich, die Augen zu öffnen und sich aufzusetzen. Diese Bewegung versetzte die Welt um sie herum in ein unangenehmes Schwanken. Nur mit Mühe unterdrückte sie ein Würgen. Sie rollte sich zu einer Kugel zusammen und betete, dass sie ihren Gleichgewichtssinn wiedererlangen würde, bevor man sie fand.
„Wir brauchen einen Sanitäter“, hörte sie eine Stimme über Funk. „Wir haben hier einen verletzten Agenten. Möglicherweise eine Kopfverletzung.“
P. J. spürte, wie jemand ihre Schultern berührte und ihr die Schutzbrille vom Gesicht nahm. So viel dazu.
„Richards, hey! Sind Sie bei Bewusstsein, Mädchen?“ Es war Harvards Stimme, die lauter wurde, als er sich von ihr abwandte. „Wo zum Teufel bleiben die Sanitäter?“ Leiser, fast zärtlich, fuhr er in ihre Richtung fort. „Richards, können Sie die Augen öffnen?“
Sie öffnete ein Auge und sah Harvards tarnfarbenverschmiertes Gesicht über sich gebeugt. Sein Kinn und seine Wangen waren zusätzlich mit Spritzern gelber Farbe von dem Paintball überzogen, der ihn mitten auf die Brust getroffen hatte.
„Mir geht es gut.“ Sie rang immer noch nach Luft, nachdem sie selbst von einem Paintball in die Magengrube getroffen worden war.
„Von wegen“, erwiderte er. „Ich habe gesehen, wie Sie mit dem Kopf gegen diesen Baum dort geknallt sind, mit voller Wucht …“
Plötzlich sah sie Harvard doppelt – als ob in ihrem momentanen Zustand einer von seiner Sorte nicht schon genug gewesen wäre. P. J. musste ihre Augen erneut schließen. „Ich brauche noch eine Minute …“
„Die Sanitäter sind auf dem Weg, Senior Chief.“
„Wie schlimm ist die Verletzung, Harvard?“ P. J. erkannte die Stimme ihres Einsatzleiters, Captain Joe Catalanotto – Joe Cat, wie ihn seine Männer nannten.
„Ich weiß es nicht, Sir. Ich will sie nicht bewegen; vielleicht ist ihr Genick verletzt. Warum zum Teufel hat keiner von uns daran gedacht, was passiert, wenn man mit Paintballs auf ein Mädchen mit dieser Statur feuert? Wie viel wird sie wiegen? Fünfundvierzig, vielleicht siebenundvierzig Kilo? Höchstens. Wie zur Hölle konnte uns das nur entgehen?“
Die Atemnot und der Schwindel begannen langsam nachzulassen. Allerdings war ihr immer noch übel, und ihr Kopf tat höllisch weh. Auch wenn P. J. sich aber gerne noch ein paar Minuten ausgeruht hätte, Harvard hatte sie gerade als Mädchen bezeichnet.
„Es ist wirklich gar nichts“, sagte sie, während sie sich zwang, die Augen zu öffnen, und sich erneut aufrichtete. „Ich habe mich gerade bewegt, als ich getroffen wurde. Deswegen habe ich das Gleichgewicht verloren und bin gestolpert. Es besteht wirklich kein Anlass, so einen Wirbel darum zu machen. Und übrigens: Ich wiege zweiundfünfzig.“ An guten Tagen. „Ich habe schon oft Paintball gespielt und nie ein Problem gehabt.“
Harvard kniete neben ihr und nahm ihr Gesicht in seine Hände. Vorsichtig tastete er mit seinen Fingerspitzen ihren Hinterkopf ab. Als seine Finger dort über einen unvorstellbar wunden Punkt glitten, konnte sie nicht anders, als zusammenzuzucken.
Er fluchte leise, so als hätte es ihm selbst wehgetan. „Das tut weh, was?“
„Es geht mir …“
„Gut“, vervollständigte er den Satz für sie. „Ja, Ma’am, das sagten Sie bereits. Aber Sie haben eine riesige Beule am Hinterkopf und wahrscheinlich auch eine Gehirnerschütterung.“
P. J. erblickte Tim Farber, der im Hintergrund stand und sich im Kopf bereits Notizen für den Bericht zu machen schien, den er Kevin Laughton schicken würde. Ich empfehle, Agent Richards von nun an mit administrativen Aufgaben innerhalb der Antiterroreinheit zu betrauen … Einige Männer konnten es einfach nicht ertragen, bei Einsätzen mit Frauen zusammenzuarbeiten. Sie sah Harvard an. Kein Zweifel: Er war bestimmt der Erste, der Farbers Antrag unterstützen würde.
In Gedanken verfasste sie ihren eigenen Bericht. Hey, Kev, ich bin hingefallen und habe mir den Kopf angeschlagen – verklag mich doch. Und bevor du mich aus diesem Team abziehst, musst du beweisen, dass so was noch nie einem männlichen FInCOM-Agenten passiert ist … Oh, warte, was fällt mir denn da ein? Wenn ich mich recht entsinne, ist ein gewisser Agent mit den Initialen K .L. bei einem Einsatz vor etwa eineinhalb Jahren sehr unelegant aus einem Fenster im zweiten Stock gestürzt.
P. J. zwang sich, daran zu denken, wie Laughton bei diesen Worten grinsen und sein inzwischen verheiltes Schlüsselbein reiben würde, das ihn bis zum heutigen Tag bei Regenwetter zwickte. Diese Vorstellung ließ sie das schadenfrohe Gesicht von Tim Farber viel leichter ertragen.
Auf keinen Fall würde Kevin Laughton sie von diesem Kommando abziehen. Er war jetzt seit zwei Jahren ihr Vorgesetzter und wusste genau, dass sie es wie keine Zweite verdiente, hier zu sein. Daran konnte nichts etwas ändern – nicht mal Tim Farbers chauvinistisches Gehabe.
Der Sanitäter war inzwischen da. Nachdem er mit einer Taschenlampe in P. J.s Pupillen geleuchtet hatte, untersuchte er die Beule an ihrem Hinterkopf. Leider war er dabei um einiges weniger vorsichtig als Harvard zuvor.
„Ich bringe Sie ins Krankenhaus“, sagte er schließlich. „Es ist wahrscheinlich nichts, aber ich wäre beruhigter, wenn wir ein, zwei Röntgenaufnahmen machen würden. Die Schwellung ist ziemlich groß. Ist Ihnen schlecht?“
„Es hat mich ganz schön umgehauen. Ist schwer zu sagen, ob mir übel ist oder nicht“, erwiderte P.J . und umging so eine direkte Antwort. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie Harvard sie ernst ansah und mit dem Kopf schüttelte. Sie gab sich allergrößte Mühe, seinem Blick auszuweichen.
„Können Sie laufen, oder sollen wir eine Trage holen?“
Sie wäre lieber gestorben, als sich auf eine Trage zu legen, obwohl sich ihre Beine in Wahrheit wie Pudding anfühlten. „Ich kann laufen.“ Ihre Stimme war voller Nachdruck, als wolle sie sich selbst und alle anderen damit täuschen.
Sie spürte Harvards Augen auf sich gerichtet, während sie sich langsam und noch etwas unsicher erhob. Er kam einige Schritte auf sie zu und machte Anstalten, sie zu stützen, sollte sie wieder zusammensacken. Es war schon merkwürdig. Jede andere Frau hätte sich wahrscheinlich nur zu gerne von einem Mann wie Senior Chief Daryl Becker retten lassen.
Aber sie war eben nicht wie jede andere Frau.
Sie hatte aus eigener Kraft schon so vieles erreicht. Und sie würde bestimmt nicht zulassen, dass eine alberne Beule ihren Ruf als beinharte Spezialagentin ruinierte.
Es war als Frau schon schwer genug, in der beinahe exklusiven Männerwelt der FInCOM mitzuspielen. Aber für die kommenden acht Wochen hatte man ihr Zutritt zu einem noch exklusiveren Verein gewährt: der bisher absolut frauenfreien Welt der United States Navy SEALs.
In den nächsten acht Wochen würden die Mitglieder der Alpha Squad, einer Eliteeinheit von SEAL Team Ten, jeden ihrer Schritte genau beobachten. Sie würden nur darauf warten, dass sie einen Fehler machte. Und sich dann gegenseitig versichern: Seht ihr, genau deswegen nehmen wir keine Frauen auf.
Navy SEALs galten als die härteste Elitetruppe der Welt. Sie waren hoch spezialisierte Krieger, die in dem Ruf standen, so etwas wie Superhelden zu sein. Benannt waren sie nach ihren Einsatzgebieten: sea, air und land – Meer, Luft und Boden.
Sie waren klug, mutig und mehr als nur ein bisschen verrückt. Das mussten sie auch sein, um ihre Ausbildung zu überstehen. Als geradezu legendär galt die Höllenwoche, die Hell Week, Teil der Kampfschwimmerausbildung der SEALs; die Männer wurden eine Woche lang nicht nur mit Schlafentzug an ihre körperlichen und psychischen Grenzen gebracht – und darüber hinaus. Nach allem, was P. J. darüber gehört hatte, hatte man, wenn man diese Tortur überstanden hatte, ein Recht darauf, ein wenig arrogant und großkotzig zu sein. Und genau das waren die Männer der Alpha Squad auch.
Als P. J. sich zwang, das Paintballfeld langsamen, aber sicheren Schrittes zu verlassen, spürte sie aller Augen auf sich gerichtet.
Besonders die von Senior Chief Harvard Becker.
Harvard hatte keine Ahnung, was zum Teufel er hier tat.
Es war fast ein Uhr nachts. Er hätte in seine Wohnung außerhalb des Stützpunktes zurückkehren sollen. Dann würde er jetzt in Boxershorts auf dem Sofa herumlümmeln, ein kaltes Bier trinken und durch die letzten fünf Folgen seiner Lieblingsserie „Schatten der Leidenschaft“ zappen, anstatt aus seinem eigenen Leben eine Soap Opera zu machen.
Nun aber saß er in dieser zwielichtigen Hotelbar, um hier – zusammen mit seinen unverheirateten Alpha-Squad-Kollegen – ein wenig Teamgeist mit den FInCOM-Wunderkindern aufzubauen.
Aus den Lautsprechern dröhnte Countrymusic. Und während die SEALs – Wes und Bobby waren die einzigen, die Harvard auf den ersten Blick entdecken konnte – auf der einen Seite des Raumes saßen, drückten die drei männlichen FInCOM-Agenten sich auf der anderen Seite herum. So viel zum Thema Teamgeist.
Harvard konnte es Wes und Bob nicht verübeln. Die Männer schienen nicht viel gemeinsam zu haben.
Es war wirklich erstaunlich. Immerhin arbeiteten über siebentausend Agenten für die Federal Intelligence Commission. Man hätte annehmen können, dass die vier Auserwählten ein wenig mehr drauf hätten.
Timothy Farber schien als Kronprinz unter ihnen zu gelten. Der Mittzwanziger mit seinem glatt rasierten Collegeboy-Gesicht nahm sich selbst viel zu ernst und war eine schreckliche Nervensäge. Er war die perfekte Verkörperung des FInCOM-Credos „Friss oder stirb“. Ohne Zweifel würde er es weit bringen und eines Tages die Straßen für den Konvoi des Präsidenten sperren lassen. Aber ob er im Kampf gegen unberechenbare religiöse Fanatiker Erfolg haben würde, war fraglich.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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