Geheimprojekt Flugscheibe - Sebastian Thiel - E-Book

Geheimprojekt Flugscheibe E-Book

Sebastian Thiel

4,6

Beschreibung

Im Februar 1945 taucht ein unbekanntes Flugobjekt mit deutschem Hoheitszeichen am Himmel auf. Mühelos besiegt es den neuesten deutschen Jagdbomber im Vergleichsflug. Ist Hitler etwa im Besitz einer Wunderwaffe? Panisch alarmiert ein Widerständler seine Verbündeten. In Düsseldorf ahnt Nikolas Brandenburg davon nichts. Er denkt pausenlos an die Tochter seines toten Freundes. Lebt sie wirklich noch, wie sein Erzfeind Luger behauptete? Nikolas macht sich auf den Weg zu Luger in die Wewelsburg, die Ordensburg der SS.

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Sebastian Thiel

Geheimprojekt

Flugscheibe

Kriminalroman

Impressum

Dieses Buch wurde vermittelt durch die Literaturagentur Agentur Scriptzz

Beide Zitate von Anfang Kapitel 12: siehe Werner Jochmann (Hrsg.): Adolf Hitler – Monologe im Führerhauptquartier 1941–1944, München

Personen und Handlung sind frei erfunden, soweit sie nicht historisch verbürgt sind.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Besuchen Sie uns im Internet:

www.gmeiner-verlag.de

© 2015 – Gmeiner-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage 2015

Lektorat: Katja Ernst

Herstellung: Julia Franze

E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © ullstein bild

ISBN 978-3-8392-4858-4

Zitat

»Wenn du einmal angefangen hast zu lügen, dann bleibe auch dabei.«

Joseph Goebbels

Propagandaminister Deutsches Reich, 1933

Prolog

- Geister am Himmel -

2. Februar 1945, Oranienburg, Deutsches Reich

Zum Teufel!

Erneut knurrte sein Magen. Diesmal war das Geräusch begleitet von einem stechenden Schmerz, der seinen Oberkörper durchzuckte. Er verzog das Gesicht und stützte sich an einem Pfahl ab.

»Vater? Geht es dir nicht gut?«

Heinrich Meißner rang sich ein Lächeln ab. »Doch, natürlich, Friedrich. Such du nur weiter.« Kurz streichelte er über das dichte braune Haar seines Sohnes, bevor dieser erneut über das Feld stapfte.

Meißner hielt sich den Magen. Bloß nicht schwach sein, zeig Stärke für den Kleinen!, sagte er sich. Lange konnte es nicht mehr dauern, bis das ganze gottlose Töten ein Ende haben würde. Im Osten stand der Iwan bereits vor den Toren des Reiches, Amerikaner und Tommys würden bestimmt nicht mehr ewig brauchen, um den Rhein zu überqueren. Sein Blick fiel auf seinen Sohn. Beflissen wühlte dieser sich durch den Schnee, grub das Feld mit bloßen Händen um, um vielleicht doch noch eine weitere liegen gelassene Steckrübe zu finden. Sein Atem bildete dabei kleine weiße Wölkchen, die sich im Morgengrauen schnell auflösten. Die Rationskarten reichten vorn und hinten nicht. Wenn sie zumindest noch ein paar Rüben finden würden, die seine Frau heute Morgen zubereiten könnte, bevor er zur Arbeit ging. Nur, damit dieser Schmerz endlich aufhörte.

Wer nicht bei seiner Arbeitsstelle erschien, stand im Verdacht, ein Verräter zu sein. Ganz davon abgesehen, dass er tatsächlich einer war. Aber durch Abwesenheit im Dienst würde er bestimmt nicht auffliegen! Nur noch wenige Monate musste er durchhalten, ohne entdeckt zu werden. Er durfte nicht aufgeben. Was sollten Friedrich und Ilse auch ohne ihn machen? Was würde passieren, wenn die deutschen Truppen in Panik verfielen und der Russe von Haus zu Haus zog? Wenn Hitlers Schergen jeden über die Schwelle zogen, der kämpfen konnte, und seinem Sohn und ihm ein Gewehr in die Hand drückten? Gestapo und SA besaßen Sonderrechte. Verdächtige wurden aufgeknüpft und Verräter mit einem Schild gekennzeichnet. Immer öfter waren die Leichen an den Bäumen nun zu sehen.

Meißner fuhr sich über die Schläfen. Schmerz bohrte sich in seinen Kopf, ein Schwindelgefühl überkam ihn, und er hatte das Gefühl, als könne er nicht mehr klar denken. Kaum gelang es ihm, ein Bein vor das andere zu setzen. In der Nacht war wieder Schnee gefallen. Jeder seiner mühevollen Schritte war von einem leisen Knirschen begleitet. Seine alte Beinverletzung schmerzte heftiger als sonst. Doch was grämte er sich, immerhin hatte dieses Schrapnell aus dem Großen Krieg dafür gesorgt, dass er als Beamter zu Hause seine Familie versorgen konnte. Bis jetzt.

»Schau, Vater! Hier ist noch eine!«

Meißner wischte über einen gefrorenen Klumpen Dreck. »Tut mir leid, das ist nur ein Stein.«

»Nein, schau doch, hier!«

Tatsächlich. Nur mit wachem Blick konnte man erkennen, dass es sich um eine Steckrübe handelte. Kaum größer als eine Zigarettenpackung, gerade genug für ein, vielleicht zwei Bissen. Guter Junge! Tief sah er seinem Sohn in die Augen. Er hatte nun das Alter erreicht, in dem sie ihn zu den Waffen rufen konnten. Verheizt, im Hochofen des Tausendjährigen Reiches. Um nichts in der Welt würde er das zulassen. Schnell packte er die Steckrübe in den Jutesack zu den anderen. Acht, nein, neun hatten sie bis jetzt gefunden. Wenn Ilse noch etwas Brot ergattern konnte, würde das eine sättigende Mahlzeit geben.

Schon flitzte der Junge wieder über den gefrorenen Acker. Fußspuren im Schnee zeugten davon, dass sie nicht die Einzigen waren, die nach Essbarem suchten. Natürlich nicht. Jeder, den er kannte, hungerte und verkaufte sein Hab und Gut, um die nächsten Tage zu überleben. Nur darum ging es noch … überleben.

Plötzlich sah Meißner sich um. Hatte er sich gerade verhört? Spielte ihm sein geschwächter Verstand einen Streich? Mit aller Kraft konzentrierte er sich und suchte mit den Augen den Himmel ab. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, als sich ein todbringender Punkt am Himmel zeigte.

»Friedrich … Friedrich!« Seine schmerzende Beinverletzung ignorierte er, ließ hastig alles fallen und spürte, wie der Hut von seinem Kopf geweht wurde. »Komm zu mir!«, befahl er dem Jungen. Die wenigen Meter, die sie trennten, legte er im Sprint zurück, packte seinen Sohn am Kragen und zog ihn zu einer kleinen Böschung. Zu oft hatte er das schon erlebt. Der Iwan kam näher, Berlin war nicht weit entfernt. Auch der Flughafen der Heinkel-Werke war ein beliebtes Ziel.

»Zu den Bäumen?«, wollte Friedrich wissen.

Meißner schüttelte den Kopf, den Punkt am Himmel nicht aus den Augen lassend. »Dort geben wir nur bessere Ziele ab. Die Böschung am Feld bietet mehr Schutz.«

Hastig drückte er seinen Sohn zu Boden, schaufelte Schnee auf seine Jacke und zog ihm die Mütze vom Kopf. Erst dann begann er, seinen eigenen Körper zu bedecken. Seine Finger rissen an den scharfen Kanten des gefrorenen Schnees auf und waren bereits nach wenigen Sekunden taub.

Mit etwas Glück würden die Flieger sie nicht sehen.

»Sind das unsere?«

»Still jetzt!«

Die Geräusche wurden lauter und kamen direkt auf sie zu. Etwas stimmte hier nicht. Meißner hatte unzählige Male den dröhnenden Lärm des zweimotorigen Bombers Heinkel He 111 gehört oder das hohe Summen der Focke-Wulf Fw 190, die alle nur »Würger« nannten. In diesem Augenblick klang es völlig anders. Es glich einem Pfeifen, als würde man aus einem Ballon die Luft langsam herauslassen.

Friedrich drückte sich an seinen Vater. »Was ist das?«

Erst als sich das Flugobjekt direkt über ihnen befand, erkannte Meißner es. »Eine Messerschmitt Me 262. Der neueste Jagdbomber, mit Strahltriebwerk.«

»Ich meine das Ding dahinter.«

Auf einmal wurde Meißner so unbeschreiblich heiß, dass er das Gefühl hatte, er würde verglühen. Hätte sein Sohn es nicht auch gesehen, wäre er sicher, dass ihm der Hunger den Verstand geraubt hatte. Er wusste nicht einmal, wie er es beschreiben sollte. Ein flaches »Ding« schoss an die Messerschmitt heran, überholte sie mühelos und flog eine scharfe Rechtskurve. Während die Me 262 versuchte zu folgen, stieg die Scheibe weiter auf und setzte sich anschließend im Tiefflug hinter die Messerschmitt. Das Ding spielte regelrecht mit einem der neuesten Flugzeuge der Wehrmacht! Was um alles in der Welt besaß so eine Kraft? Meißner erkannte Eiserne Kreuze auf den Tragflächen. Sollte Hitler es tatsächlich doch noch geschafft haben, Wunderwaffen zu entwickeln, wie er seit geraumer Zeit propagierte? Ihm stockte der Atem. Was zum Teufel war das?

Als die Himmelsmonster außer Sichtweite waren, stand er eilig auf, fasste seinen Sohn am Arm und half ihm auf die Füße. Eilig klopften sie den Schnee ab, und Meißner zog Friedrich mit sich.

»Du wirst mit niemandem darüber reden, hast du verstanden?«

»Ja, Vater.«

»Du hast nichts gesehen und auch nichts gehört?«

»Nein, Vater.«

Eine Pause folgte, in der Meißner so schnell humpelte, wie er konnte.

»Wirst du es deinen Freunden sagen?«, wollte der Junge wissen.

Meißner stoppte in der Bewegung. Friedrich war klug und er selbst ein Narr, wenn er dachte, dass der Junge die nächtlichen Besuche und die geheimen Botschaften nicht mitbekommen hatte. Selbstverständlich würde er die Information weiterleiten. Es fühlte sich an wie tausend Nadelstiche in seinem Bein, als er sich hinkniete und seine Hände auf die Schultern seines Sohnes legte. »Niemals darfst du über meine Freunde reden. Hörst du? Niemals!«

Eifrig nickte der Junge, lehnte sich anschließend nach vorn. »Nicht so laut, da kommen Leute.«

Meißner hatte gar nicht mitbekommen, wie sich der Feldweg mit einer Handvoll Menschen gefüllt hatte. Auch sie trieb der Hunger hinaus auf die Felder. Er hätte sich ohrfeigen können. Meißner sah in die Richtung der Leute, die beflissen den Boden absuchten.

»Für einen von ihnen wird es eine schöne Bescherung geben, wenn er den Jutesack findet.«

»Nicht ganz.« Mit strahlenden Augen hielt Friedrich den Beutel nach oben.

Meißner nickte seinem Jungen zu, stützte sich auf ihn ab und blickte noch ein letztes Mal hinauf in den Himmel. Angst überkam ihn. Was hatte er da gerade gesehen, verdammt?

Kapitel 1

- Düsseldorfer Nächte-

Elf Tage später, Düsseldorf

Die Welt um ihn herum brach zusammen.

Ganze Städte waren eingehüllt in giftigen Nebel, umschlossen von einer unsichtbaren Hand, die Tod und Verderben brachte. Stahlkolosse warfen Bomben ab und sprengten mit infernalen Explosionen alles weg, was gut und richtig war. Jegliche Menschlichkeit wurde ausgemerzt, bis nichts mehr übrig blieb als Leid und Pein.

Klock! Klock! Klock!

Menschen beklagten den Verlust ihrer Liebsten, in den Händen die toten Körper von Angehörigen. Ein Tuch aus Dunkelheit senkte sich über die Welt. Und hier, inmitten von Hass und Schmerz, wurde er zärtlich liebkost. Claires Finger streichelten sanft sein Gesicht, während Elsa seinen Kopf stützte. Sie sagten etwas, das er nicht verstehen konnte.

Klock! Klock! Klock!

Er wollte zuhören, jedes ihrer Worte in sich aufsaugen, doch der Lärm um ihn herum ließ es nicht zu. Die Gesichter der beiden Frauen verschwanden. Ein Gefühl von Schwäche überkam ihn, er wollte aufgeben, wollte zulassen, dass die Finsternis siegte und ihn hinabzog. Seine Lider waren schwer, das Innerste voll von schmerzhaften Gedanken. Als hätte jemand seine Seele herausgerissen und den verbliebenen Hohlraum mit Dunkelheit gefüllt. Über allem thronte die Fratze von Luger, seines Feindes. Seine Stimme hörte er. Tief und durchdringend wie die eines Sängers.

»Dieses Spiel hat bereits lange genug gedauert. Wenn Sie mich fragen, Brandenburg, waren Sie als Kommissar die größte Fehlbesetzung, seit Kaiser Caligula sein Pferd zum Konsul ernannte. Ich werde diesen Fehler nun korrigieren.« Er kam näher, das Grinsen wurde breiter. In seinen Händen hielt er den Kopf von Marie, der Tochter seines Freundes Erik. Die blonden Haare des jungen Mädchens waren durchtränkt von Blut. Luger lächelte, sah es an. »Dieses unschuldige Gesicht, diese kleinen Finger. Die Kleine war völlig geschockt, als man ihr sagte, dass ihr Vater ein Verräter war. Jetzt ist sie in guten Händen.«

Klock! Klock! Klock!

Er wollte Marie ergreifen, sein Patenkind, er hatte es Erik doch geschworen. Sich um sie zu kümmern, sie zu beschützen. Nikolas musste sie aus Lugers Klauen befreien. Nein, das war nicht möglich. Marie war seit Jahren tot. Er hatte an ihrem Grab geweint, für sie gebetet und Blumen abgelegt.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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