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Ein grosser Teil der traditionellen mongolischen Literatur besteht aus buddhistischen Texten; so verwundert es nicht, dass selbst die Erzählungen einen buddhistischen Einfluss zeigen. Interessante Beispiele sind drei Erzählungszyklen, die aus Indien übernommen, allerdings in ein eigentümliches mongolisches Gewand gekleidet wurden: Die 25 Erzählungen eines Totengespenstes, die Erzählungen von Ardschi-Burdschi sowie die Geschichten der 32 Holzmenschen. Als sie im 19. Jahrhundert ansatzweise in Europa bekannt wurden, regten sie sogleich die Märchen- und Motivforscher zu vergleichenden Untersuchungen an: Wie wanderten diese Erzählungen von Indien nach Europa und welchen Einfluss hatten sie auf die in Europa bekannten Märchen? In diesem Kontext waren verlässliche Texte und Übersetzungen gefragt. In Deutschland interessierte sich besonders der junge Linguist Bernhard Jülg für dieses Material: Er hatte 1846 in Kiel als erster Europäer sein Doktorat mit einer Dissertation über die kalmükische Grammatik erworben, und es bestand die Aussicht, dass er in St. Petersburg Nachfolger von Isaak Jakob Schmidt, dem Begründer der Mongolistik, an der Akademie der Wissenschaften werden könnte. Doch 1847 starb Schmidt, bevor entsprechende Vorbereitungen getroffen werden konnten. So bestritt Jülg in der Folge seinen Lebensunterhalt als Altphilologe, aber trotzdem blieb er der Mongolistik treu: Er sammelte, kopierte und edierte die entsprechenden mongolischen Texte, übersetzte sie, entwarf (ost)mongolische und kalmükische Typographien, gewann Druckereien und Verlage und setzte die Texte teils selbst - ein begeisterter Wissenschaftler! Die hier vorgelegten Briefe aus seinem Nachlass dokumentieren seine Kontakte zu Kollegen: Wilhelm Schott (Sinologe), Theodor Benfey (Indologe, Reinhold Köhler (Folklorist), Angelo de Gubernatis (Literaturwissenschaftler), Alexander von Humboldt (Naturforscher), Alois Auer (Drucker), Hermann Brockhaus (Indologe), A. N. Veselovskij (Literaturwissenschaftler) und Reinhold Rost (Orientalist).
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Seitenzahl: 142
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Vorbemerkung
Bernhard Jülg
Zwei Briefe von Wilhelm Schott (1802–1889)
Drei Briefe von Theodor Benfey (1809–1881)
Ein Brief von Friedrich Löwe (1809–1889)
Vier Briefe Reinhold Köhlers (1830–1892)
Fünf Briefe von Angelo de Gubernatis (1840–1913)
Vier Briefe von Alexander von Humboldt (1769–1859)
Sechs Briefe von Alois Auer von Welsbach (1813–1869)
Vier Briefe von Hermann Brockhaus (1806–1877)
Fünf Briefe von Aleksandr Nikolaevič Veselovskij (1838–1906)
Drei Briefe von Friedrich Wilhelm Radloff (sen.) (1794–1873)
Zwölf Briefe von Reinhold Rost (1822–1896)
Namenregister
Die Briefe befinden sich sämtlich in der Handschriftenabteilung der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien, Nachlass Bernhard Jülg:
341_19
Alois Auer
341_41
Theodor Benfey
341_68
Hermann Brockhaus
342_23
Angelo de Gubernatis
342_71
A. v. Humboldt
342_119
Reinhold Köhler
345_1
Friedrich Wilhelm Radloff (Vater)
345_24
Reinhold Rost
345_58
Wilhelm Schott
347_26
Aleksandr Nikolaevič Veselovskij
Die Porträts sind gemeinfrei (Wikipedia/Wikimedia).
ADB
Allgemeine Deutsche Biographie
AZ
Allgemeine Zeitung
BBA
Britisches Biographisches Archiv
CAJ
Central Asiatic Journal
DBA
Deutsches Biographisches Archiv
DNB
Dictionary of National Biography
JRAS
Journal of the Royal Asiatic Society
NDB
Neue Deutsche Biographie
RBA
Russisches Biographisches Archiv
ZAS
Zentralasiatische Studien
ZDMG
Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft
Der Altphilologe und Mongolist Bernhard Jülg war der erste Promovend in Deutschland (vielleicht in Europa?), der über die Grammatik des Kalmükischen seine Doktorarbeit verfasste. Die Abhandlung hat sich nicht erhalten, wohl aber des Mongolisten I. J. Schmidts sehr positive Stellungnahme dazu. Obwohl Jülgs Pläne für eine Laufbahn bei der Petersburger Akademie zunichte wurden, hat er mit grossem Eifer das Ziel verfolgt, einige relevante kalmükische und (ost)mongolische Texte in Deutschland herauszugeben. Dafür fehlte ihm ausser Motivation und Kenntnissen fast alles – die betreffenden Handschriften, ein mongolischer Lettré zur Erklärung dunkler Stellen, ein Verleger, Drucktypen und Setzer und schliesslich Geld. Trotzdem hat er diese schwierige Aufgabe gemeistert.
Die nachstehende Edition gibt im Nachlass erhaltene Schreiben von Orientalisten wieder und liefert damit Streiflichter auf die orientalistische Seite seines Schaffens:
Wilhelm Schott (1802–1889) beantwortet eine Anfrage bezüglich orientalischer Münzen sowie einer Rezension seiner
Mongolischen Märchen-Sammlung
im
Magazin für die Literatur des Auslandes
.
Theodor Benfey (1809–1881) äussert sich zur Publikation des Erzählungs-Zyklus
Siddhi-Kür
und über ein mögliches Treffen bei der Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner.
Der Übersetzer Friedrich Löwe (1809–1889) erörtert das Projekt einer Übersetzung von Afanaśevs Russischen Volksmärchen.
Der Volkskundler Reinhold Köhler (1830–1892) geht ebenfalls auf das Afanaśev-Projekt ein, beantwortet bibliographische Fragen und sagt seine Teilnahme an der Philologenversammlung ab.
Der Indologe und Literaturwissenschaftler Angelo de Gubernatis (1840– 1913) hat Jülg einige indologische Beiträge gesandt, erwähnt seine Anzeigen von Jülgs Arbeiten sowie Buchhandlungen für den Vertrieb dieser Bücher. Er wünscht sich Artikel von Jülg für die von ihm herausgegebenen Zeitschriften und sendet Briefmarken für Jülgs Kinder.
Alexander von Humboldt (1769–1859) erweist sich als Unterstützer Jülgs bei seinen Bemühungen, eine Stelle an der Petersburger Akademie zu bekommen.
Auer von Welsbach (1813–1869) zeigt sich als kompetenter und interessierter Mitarbeiter bei der Schaffung einer mongolischen Typographie.
Hermann Brockhaus (1806–1877) interessiert sich für die indisches Erzählzyklen in mongolischer Fassung.
Aleksandr Nikolaevič Veselovskij (1838–1906) berichtet über seine Reisen in Westeuropa und seine literarhistorischen Forschungen.
Friedrich Wilhelm Radloff (1794–1873), der Vater des gleichnamigen Turkologen, erweist sich als logistischer Vermittler mit seinem in Barnaul wirkenden Sohn.
Reinhold Rost (1822–1896) berichtet seinem Studienfreund über seinen Lebensweg und die linguistischen Arbeiten in London.
Diese Briefe geben beispielhaft einen Eindruck von Jülgs Netzwerk für die Orientalistik und Märchenforschung.
Bernhard Jülg
Bernhard Jülg1 (20. Aug. 1825–14. Aug. 1886 Innsbruck) stammte aus einfachen Verhältnissen in Ringelbach in Baden. Seit 1844 studierte er zunächst in Heidelberg, ab 1845 in Berlin klassische Philologie. Darüber hinaus folgte er seinen Interessen und befasste sich intensiv mit orientalischen Sprachen, die er u.a. bei Wilhelm Schott hörte. In Berlin nahm er Kontakt zu A. von Humboldt und auch zu Hans Conon von der Gabelentz2 auf. Zur Finanzierung seines Studiums gelang es ihm, mehrere Stipendien zu bekommen, so auch von Preußen, und man kann davon ausgehen, dass er sowohl durch Fleiss wie Studienerfolge hervorstach. Ebenso ist die Tatsache, dass die Nicolaische Buchhandlung für den Abschluss der Neubearbeitung der Litteratur der Grammatiken, Lexika und Wörtersammlungen aller Sprachen der Erde, die in wenig effizienten Händen lag, den noch nicht promovierten Studenten heranzog, ein Kompliment. Das Buch erschien 18473, im selben Jahr, da Jülg eine Darstellung der kalmükischen Grammatik bei der Universität Kiel einreichte, die als Promotionsarbeit akzeptiert wurde. Jülgs Interesse am Mongolischen wurde dadurch verstärkt, dass er die Aufmerksamkeit von Isaak Jakob Schmidt4 erregt hatte, der ihn als Adjunkten der Petersburger Akademie und als seinen Nachfolger gewinnen wollte.5 Schmidt starb jedoch 1847, gerade als er einen entsprechenden Antrag geschrieben hatte, und so war dieser Plan nicht durchzusetzen. Für Jülg bedeutete dies einen gravierenden Schlag – er sah sich genötigt, mehrere Jahre als Gymnasiallehrer zu arbeiten und wegen der starken Belastung wissenschaftliche Ambitionen beiseite zu legen. Erst als er 1851 eine Professur für klassische Philologie an der Universität Lemberg erhielt und 1852 nach Krakau wechselte, schöpfte er Hoffnung auf Verbesserung. Da er jedoch aus finanziellen Gründen zusätzlich als Gerichtsdolmetscher für mehrere Sprachen fungierte, dann auch noch die Burse der Universität für notleidende Studenten betreute, blieb wiederum kaum noch Zeit für anderes.
Die Berufung auf eine Professur für klassische Sprachen an die Universität Innsbruck brachte nicht viel Freizeit; und auch hier gab es kaum Ressourcen für die sprachwissenschaftliche Forschung. Mit grosser Zähigkeit hielt er jedoch an seinen kalmükischen und mongolischen Plänen fest, wobei ihm vorschwebte, einen oder mehrere kalmükische und mongolische Texte aus den Handschriften kritisch herauszugeben. Dabei war hinderlich, dass es, ausser in Russland, weder kalmükische noch mongolische Typen gab. Jülg entwarf die kalmükische Typen, und die K. u. K. Hof- und Staatsdruckerei stellte die Lettern her, worauf dann mit Hilfe der Akademie der Wissenschaften die Calmucica6 gedruckt werden konnten, wenn auch nicht ohne finanzielle Belastung für Jülg selbst. Bezüglich der Nachtragserzählungen zum Siddhi-Kur7, die ost- aber nicht westmongolisch vorlagen, stellte sich das Problem erneut; hier war es der Buchhändler Schumacher (Wagnersche Buchhandlung), der die Typen herstellte, so dass dann die weiteren Mongolica gedruckt werden konnten. Auch der Satz war weitgehend Jülgs Aufgabe, da der Setzer naturgemäss Probleme mit den fremden Typen hatte.
Der Hinweis auf die Parallele einer Arji Borji-Erzählung zu Tristan und Isolde, der damals in breiteren Kreisen Interesse für die mongolischen Märchen weckte, stammte übrigens von dem Sprachwissenschaftler Hans Conon von der Gabelentz.
Jülg besass einige christliche mongolische Traktate, deren einen ihm Schmidt geschenkt hatte; einen weiteren dazu passenden hatte Gabelentz aus der Zwick-Auktion8 erworben, den er Jülg dann schenkte. Diese sehr raren Traktate sind inzwischen nach Exemplaren in Halle, Vilnius und Berlin (Sammlung Jülg) von Charles R. Bawden bearbeitet worden.9
Weitere veröffentlichte Briefe sind die von Hans Conon von der Gabelentz (vgl. Anm. 110), Anton Schiefner (1817–1879)11 und Józef Kowalewski (1801–1878).12
Bernhard Jülg (nach Ludwig Heizmann: Bernhard Jülg, Universitätsprofessor und Sprachenforscher. Oberkirch 1930)
Jülg starb 1886 in Innsbruck –, aber zu einer weiteren kalmükischen oder ostmongolischen Publikation ist es nicht mehr gekommen. Auch nicht zu einer Neubearbeitung der Litteratur der Grammatiken, obwohl dies selbst im Zeitalter des Internets eine gute Sache wäre ...
1 Diese kurze Einleitung ist eine Aktualisierung des Vorworts zu H. Walravens: «... Ihr ewig dankbarer B. Jülg» Briefwechsel der Sprachwissenschaftler Bernhard Jülg (1825–1886) und Hans Conon von der Gabelentz (1807–1874) Wiesbaden: Harrassowitz 2013. 160 S. (Sinologica Coloniensia 31.) Dort ausführliches Schriftenverzeichnis. Vgl. auch NDB 10.1974, 642–643 (Hermann M. Ölberg).
2 Hans Conon von der Gabelentz (Altenburg 13. Okt. 1807–3. Sept. 1874 Lemnitz), Gutsbesitzer, Politiker und bedeutender Linguist. Vgl. Anm. 1.
3Litteratur der Grammatiken, Lexika und Wörtersammlungen aller Sprachen der Erde. Von Johann Severin Vater. Zweite, völlig umgearbeitete Ausgabe von B. Jülg. Berlin: Nicolaische Buchhandlung 1847.
4 H. Walravens: Isaak Jakob Schmidt (1779–1847). Leben und Werk des Pioniers der mongolischen und tibetischen Studien. Eine Dokumentation. Wiesbaden: Harrassowitz 2005. 180 S.
5 H. Walravens: Eine unveröffentlichte Rezension des Akademikers Isaak Jakob Schmidt über zwei kalmükische Grammatiken (1847). ZDMG 170.2020, 153–162.
6Die Märchen des Siddhi-Kür. Kalmükisch. X. Erzählung. Wien: Kaiserlich-Königliche Hofund Staatsdruckerei 1861. – Die Märchen des Siddhi-Kür. Kalmükischer Text mit deutscher Übersetzung und einem kalmükisch-deutschen Wörterbuch. Leipzig: F. A. Brockhaus 1866: K. K. Hof- und Staatsdruckerei in Wien.
7Mongolische Märchen. Erzählung aus der Sammlung Ardschi Bordschi. Innsbruck: Druck und Verlag der Wagnerschen Universitäts-Buchhandlung 1867. sowie Mongolische Märchen-Sammlung. Die neun Märchen des Siddhi-Kür nach der ausführlicheren Redaction und die Geschichte des Ardschi-Bordschi Chan. Innsbruck: Verlag der Wagner’schen Universitäts-Buchhandlung 1868.
8 Heinrich August Zwick (Gnadenberg 20. März 1796–31. Jan. 1855 Niesky); vgl. Linguistische Büchersammlung aus dem Nachlass des weil. Missionars in Sarepta H. A. Zwick u.a.: Bücheraktion v. R. Friedländer & Sohn, Berlin 26. Mai 1856; Livres de philologie orientale etc. Berlin 1856. Michael Knüppel: Heinrich August Zwick, ein Beitrag zu seiner Biographie. ZAS 39.2010, 141–164. Vgl. auch http://www.epoche-napoleon.net/bio/z/zwick.html
9 Charles R. Bawden: A Tract for the Buryats. Ed. by H. Walravens. Wiesbaden: Harrassowitz 2009. 105 S. (Abhandlungen für die Kunde des Morgenlandes 67.) – Charles R. Bawden: Another tract for the Buryats. With I. J. Schmidt’s recently identified Kalmuck originals. Ed. H. Walravens. Wiesbaden: Harrassowitz 2012 [2013]. 131 S. (Abhandlungen für die Kunde des Morgenlandes 82.)
10 Ausserdem: H. Walravens: Ein Brief von Hans Conon von der Gabelentz an Bernhard Jülg. CAJ 64.2021, 245–247.
11 Anton Schiefner: Briefe und Schriftenverzeichnis. Briefe an Bernhard Jülg (1825–1886), Karl Ernst von Baer (1792–1876), Reinhold Köhler (1830–1892), Victor Hehn (1813–1890), August Friedrich Pott (1802–1887), Ernst Kuhn (1846–1920), Lorenz Diefenbach (1806– 1883), Ernst Förstemann (1822–1906) und Karl Dziatzko (1842–1903). Ediert und herausgegeben von Hartmut Walravens und Agnes Stache-Weiske. Wien: Österr. Akademie der Wissenschaften 2017. 530 S. (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse, Sitzungsberichte 884; Beiträge zur Kultur- und Geistesgeschichte Asiens 94.)
12 H. Walravens: Józef Kowalewski’s letters to Bernhard Jülg. Ideas behind symbols – languages behind scripts. Proceedings of the 60th Meeting of the Permanent International Altaistic Conference (PIAC) August 27–September 1, 2017, Székesfehérvár, Hungary. Edited by Ákos Bertalan Apatóczky. Szeged 2018, 117–134 (Studia uralo-altaica 52.)
Wilhelm Christian Schott (Mainz 3.9.1802–21.1.1889 Berlin), Orientalist und Sinologe; der Kaufmannssohn studierte erst Theologie in Giessen und Halle, wandte sich dann den morgenländischen Sprachen zu und promovierte 1823 in Arabisch. Er gab Privatunterricht, habilitierte sich für Hebräisch und Arabisch, beschäftigte sich gleichzeitig mit Chinesisch und habilitierte sich in diesem Fach 1826. Ab 1830 betreute er die chinesische Sammlung an der Königl. Bibliothek in Berlin, und 1838 wurde er zum ausserordentlichen Professor für ostasiatische Sprachen in Berlin berufen. Trotz seiner zahlreichen fundierten Publikationen erhielt er keinen Lehrstuhl – das erste Ordinariat für Sinologie wurde 1909 in Hamburg eingerichtet. Vgl. Hartmut Walravens: Schott, Wilhelm Christian. NDB 23.2007, 497–498: ders.: Wilhelm Schott (1802–1889). Leben und Wirken des Orientalisten. Wiesbaden: Harrassowitz 2001. 220 S.
Briefe von Schott
1 5.2.1859
2 24.11.1868
1
Geehrtester Herr,
Große Häufung verschiedenartiger Beschäftigungen hatte mich Ihre Zusendung eine Zeitlang vergessen lassen. Von den hier wieder beifolgenden vier Münzen ist die silberne in deutlichster Taalik-Schrift13 und sehr leicht zu lesen. Auf der einen Seite steht: Münze des Padischah’s Aalem Schah (oder Schah Aalem d.i. Weltkönig), (Datum) 1203; auf der anderen (in Bengalen), im Jahre 19, dem Jahre 1203 entspricht bei uns 1788–89; unter 19 muß ein Regierungsjahr zu verstehen sein. Unter Padischah ist ohne Zweifel ein Groß-Mogul gewesen welcher hiernach 1772–73 den Thron bestiegen hätte, vom Jahre 1175 (1761–62) ab kenne ich aber die Reihe der Großmoguln nicht mehr.14
Die Kupfermünze mit dem viereckigen Loch ist eine chinesische aus den Jahren K‘ian-lung (1736–96). Nähere Bestimmung des Jahres fehlt, wie gewöhnlich.
Was aber die zwei anderen Kupfermünzen betrifft, so sind mir diese unlesbar und will ich nicht einmal über den Charakter einer Schrift ein Urteil wagen. Möglicher Weise giebt es hier Leute die sie lesen können; diese würden es aber schwerlich umsonst tun.
Mit Hochachtung
Schott
B. 5ten Febr. 1859
An den Kaiserlich-Österreichischen Professor, Herrn Dr. Jülg zu Krakau
einliegend: vier Münzen im Werthe von sechs Gulden
2
Herrn Professor B. Jülg
von der Universität zu Innsbruck, Tirol
Berlin d. 24/11 1868
Geehrtester Herr!
Ihr werthes Schreiben vom 2ten d. M. kann ich vermöge einer Verkettung ungünstiger Umstände erst heute beantworten. Empfangen Sie nun ausser dem mündlichen Danke den Ihre Frau Gemahlin Ihnen bestellt haben wird, auch noch den schriftlichen, letzteren zugleich für Ihr photographisches Brustbild.
Da das „Magazin des Auslands“, redigirt von J. Lehmann, ein in Deutschland und im fernsten Auslande vielgelesenes Blatt ist, so hatte ich bei dem Herren L. angefragt, ob er eine Anzeige Ihrer neuesten „Märchen-Sammlung‘ annehmen würde, und die Antwort ist bejahend ausgefallen, doch unter beigefügter Bedingung sine qua non, daß ich auf ein Paar Dutzend Zeilen mich beschränken möge, indem unser [/]
Publikum von der süßen Märchenkost aus allen Gegenden der Windrose schon so viel genossen habe daß es fast abgestumpft dagegen sei. So muß ich denn auf eine laconische Empfehlung mich beschränken.15
Wäre ich nicht selbst dabei interessirt, daß mongolische Texte von anziehendem Inhalt bei uns zum Druck kommen, so würde ich Ihnen, besonders in Erwägung, daß Sie Geldopfer bringen müssen, die Beförderung zum Drucke vielleicht widerrathen haben; denn die Zahl der Mongolophilen ist noch immer ausserordentlich klein, wenigstens in unserem westlichen Europa. Leider ist das ,Archiv zur wissenschaftlichen Kunde von Rußland‘, dessen Herausgeber mein Freund und College Dr. Erman16, mir niemals die Artikel mit Elle oder Zollstock zumaß, nach 25jährigem Bestehen selig entschlafen, weil die Russische Regierung den jährlichen Zuschuß verweigert hat, [/] sonst hätte ich ein Langes und Breites über Ihre wissenschaftliche Arbeit schreiben können.
Von morgenländischen Bestrebungen stehen in unserem Norddeutschen Bunde fast nur diejenigen in einer gewissen Blüte, die sich an Bibelforschung oder an alteuropäische Sprachforschung gewissermaßen anlehnen. Für Ost- und Hochasien ist der Sinn bei unserer studierenden Jugend überaus spärlich vorhanden. Haben Sie daher nicht besonderen Grund zur Unzufriedenheit mit Ihrer gegenwärtigen Stellung, so rathe ich Ihnen, auf eigene Erfahrung gestützt: Bleiben Sie getrost in dem reizenden Lande, das seit einer Reihe von Jahren Ihr zweites Vaterland geworden ist und wo man schon aus politischen Gründen jetzt fürwahr nicht Ursache hat, mit Sehnsucht nach dem Norden auszuschauen.
Mit herzlichen Grüßen, auch von meiner Frau, an Sie und die Ihrige Ihr ergebenster Schott
Theodor Benfey (Universität Tübingen)
13 Wohl: ta‘līq, ein vom 10. bis 14. Jh. verwendeter Stil der islamischen Kalligraphie.
14 Es müsste demnach Shah Alam II. sein, der 1759 den Thron bestieg; insofern wäre das 29. Jahr wahrscheinlicher.
15 Vorher war in Lehmanns Magazin erschienen: Die kalmükischen Märchen des Siddhi-Kür. Magazin für die Literatur des Auslandes 69/70.1866, 306–307; es folgten dann Mongolische Märchen [1867]. Magazin für die Literatur des Auslandes 71/72.1867, 279. und Mongolische Märchen abermals. Magazin für die Literatur des Auslandes 74.1868, 794.
16 Der Physiker Adolf Erman (1806–1877) unternahm 1828–1830 eine Reise um die Welt, die vorwiegend zum Zwecke erdmagnetischer Messungen durchgeführt wurde. Er publizierte darüber das fünfbändige Werk Reise um die Welt durch Nordasien und die beiden Oceane (Berlin 1833–1942). 1832–1846 unterrichtete er am Französischen Gymnasium in Berlin; 1834 wurde er ausserordentlicher Professor an der Universität Berlin. Einen Lehrstuhl sowie die Akademiemitgliedschaft erhielt er nicht, weil er sich als „Demokrat“ einflussreiche Feinde gemacht hatte. Er war Herausgeber des Archivs für wissenschaftliche Kunde von Rußland. 1841–1867. 25 Bde. Vgl. Erki Tammiksaar: Adolph Erman – Ein bedeutender und zugleich umstrittener Naturforscher Sibiriens. In: Erich Kasten (Hrsg.): Reisen an den Rand des Russischen Reiches: Die wissenschaftliche Erschließung der nordpazifischen Küstengebiete im 18. und 19. Jahrhundert. Fürstenberg/Havel: Kulturstiftung Sibirien, 2013, S. 173–206.
Der Klassische Philologe, Indologe und Folklorist Theodor Benfey (Nörten 28.1.1809–26.6.1881 Göttingen) stammte aus einem konservativen jüdischen Elternhaus. In der Schule machte er so schnelle Fortschritte, dass er mit 14 bereits die Abiturreife erreicht hatte. 1824–1827 studierte er an den Universitäten Göttingen und München, promovierte dann in Göttingen 1828 mit der Arbeit De Liguris (ungedruckt) zum Dr. phil. 1829 folgte die Habilitation mit der Dissertation Observationes ad Anacreontis fragmenta genuina. 1834 trat er als Privatdozent in die Universität ein und bestritt durch fleissigste Arbeit, Veröffentlichungen und Nebenarbeiten seinen Lebensunterhalt. 1837 erschien Benfeys Übersetzung des Terenz.17 Für sein Griechisches Wurzelwörterbuch (1839–1842) erhielt er 1842 den Prix Volney. Beachtet wurde auch 1840 sein Beitrag „Indien“ (im Umfang einer Monographie) für Ersch & Grubers Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste18. Trotz seiner Arbeiten und auswärtiger Anerkennung sah sich die Universität jedoch nicht bewogen, ihm irgendetwas zu zahlen. Es bedurfte der Intervention Alexander von Humboldts, die Bewilligung einer „fortlaufenden Remuneration von 300 Talern“ zu erwirken. 1844 reiste Benfey für ein halbes Jahr zum Studium von Handschriften nach Berlin, Paris, London – auch das unter prekären finanziellen Bedingungen. Nach seiner Rückkehr erschienen Die persischen Keilinschriften mit Übersetzung und Glossar (Leipzig 1847) und Die Hymnen des Sâma-veda (Leipzig 1848). In der Folge kamen Vollständige Grammatik der Sanskritsprache (Leipzig 1852), Chrestomathie aus Sanskritwerken (Leipzig 1853) und Kurze Sanskritgrammatik zum Gebrauche für Anfänger