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Die Zahl der ärztlichen ADHS-Diagnosen und die Menge der dagegen verschriebenen Medikamente haben alarmierende Werte erreicht. Der Autor stellt sich als Pädagoge dem Problem ADHS. Ihm sind Kinder, die Probleme machen, Kinder, die Probleme haben. Das Buch fragt deshalb kritisch, ob sich aus der "Störung" nicht vor allem eine Selbstmitteilung über die eigene Befindlichkeit und das eigene Leiden herauslesen lässt und welche vornehmlich pädagogischen Antworten dies erforderlich macht. Der Dominanz hirnphysiologischer Erklärungsmodelle und der Vorherrschaft biologischer Faktoren wird ein differenzierteres Bild entgegengestellt: die komplexe Wechselwirkung von Umwelteinflüssen, Beziehungserfahrungen und biologischen Vorgängen, komprimiert in einer psychodynamisch orientierten Annäherung an das Phänomen ADHS. Das Buch warnt nachdrücklich vor der Gefahr, Kindheit zu einer Krankheit umzudefinieren.
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Seitenzahl: 306
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1. Auflage 2014
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-023949-4
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-024086-5
epub: ISBN 978-3-17-024087-2
mobi: ISBN 978-3-17-024088-9
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1
Mythos ADHS
1.1 Zum Stand der Betrachtung
1.2 Die Sozialgebundenheit von ADHS
1.3 Zeitdiagnose
1.4 Die Gegenbewegung gesellschaftlicher Verwerfungen und subjektiver Antworten
1.5 Über die Gefahr einer unzulässigen Problemverkürzung
2
Zum Verstehen des Phänomens ADHS
2.1 Über den Un-Sinn des Störungsbegriffs
2.2 Psychodynamische Perspektiven
2.3 ADHS und Beziehungserfahrung
2.4 Der Nutzen einer sinnverstehenden Pädagogik
3
Offene Fragen – pädagogische Antworten
3.1 Die Geschichte hinter der Geschichte vom Zappelphilipp
3.2 Erziehung bedarf einer Sprache, die das Kind versteht
3.3 Der Zusammenhang von Fühlen und Denken und die Angst vorm Lernen
3.4 Wie wir zur Entlastung von Lehrer/innen, Schüler/innen und Eltern beitragen können
3.5 Einblick in eine gelingende Praxis
4
Was bleibt vom ADHS-Konzept übrig?
5
Literatur
Bei 750.000 Menschen wurde in Deutschland nach Angaben des Barmer GEK Arzneimittelreports 2013 und des Barmer GEK Arztreports 2013 im Jahre 2011 die Diagnose ADHS gestellt. Der Großteil ist unter 19 Jahren alt: insgesamt 620.000 Kinder, die überwiegende Mehrheit Jungen (470.000). Von 2006 bis 2011 stieg die Zahl der diagnostizierten Fälle von Kindern und Jugendlichen um 42 % (von 2,92 % auf 4,14 %). Die altersbedingten Steigerungsraten bei der Diagnosestellung in diesem Zeitraum bildet Abbildung 1 ab.
2011 erhielten 7 % der Jungen und 2 % der Mädchen im Alter von 11 Jahren Methylphenidat (bekannt u. a. unter dem Handelsnamen Ritalin®) – es ist die Altersgruppe mit den höchsten Verordnungsraten. Rund ein Fünftel aller Jungen, die im Jahr 2000 geboren wurden, bekamen die Diagnose ADHS, während bei den Mädchen die Rate unter 10 % lag. Regionale Unterschiede hängen offenbar mit der Versorgungsdichte mit Kinder- und Jugendpsychiatern zusammen. In Würzburg wurden 18,8 % Diagnosen bei zwölfjährigen Jungen gestellt, während der Bundesdurchschnitt in dieser Altersgruppe bei knapp 12 % liegt. Ein Viertel aller Männer erhält im Leben die Diagnose ADHS (vgl. Glaeske, Schicktanz 2013; Grobe, Bitzer, Schwartz 2013).
Laut einer Analyse der Arzneimittelabrechnungsdaten der einzelnen Bundesländer aus dem Jahre 2012 stellte der Verband der Ersatzkassen (vdek) fest, dass Hamburger Kinder am meisten Methylphenidat erhalten. Dort kommen auf 1.000 Kinder, die bei Ersatzkassen versichert sind, 18,6 Tagesdosen. In Berlin etwa werden gemäß dieser Untersuchung
Abb. 1: ADHS: Zuwachs in allen Altersstufen Quelle: BARMER GEK Arztreport 2013
nur etwa halb so viele Dosen verordnet (9,8). Auf den zweiten und dritten Plätzen folgen Rheinland-Pfalz (16,7) und Bremen (15,1). Die wenigsten Verordnungen sind in Mecklenburg-Vorpommern verzeichnet (6,7). Der Bundesdurchschnitt liegt bei 12,1 Tagesdosen pro 1.000 Kinder (vgl. www.spiegel.de). Gerade zum Ende des Grundschulalters, vor dem Übergang auf weiterführende Schulen, sind hohe Diagnoseraten zu verzeichnen. Gleichzeitig stellen die schlechte Ausbildung der Eltern, ihre Arbeitslosigkeit oder ein Alter unter 30 Jahren ein erhöhtes Verschreibungsrisiko dar. Bei Kindern gut verdienender Familien wird die Aufmerksamkeitsstörung weniger oft diagnostiziert.
Landesweit stieg der Verbrauch des Wirkstoffes Methylphenidat laut Bundesopiumstelle zwischen 1993 und 2011 von 34 kg auf 1,8 Tonnen um das 52-fache an, wie Abbildung 2 veranschaulicht.
Die Zahl der verordneten Tagesdosen von Methylphenidatpräparaten hat sich seit 1990 auf deutlich über 50 Millionen Dosen, d. h. um mehr als das 150-fache erhöht. Allein von 2002 bis 2011 nahmen die Tagesdosen
Abb. 2: Verbrauchsstatistik Methylphenidat Quelle: BfArM, Bundesopiumstelle
von 17 Millionen auf 56 Millionen zu (vgl. www.barmer-gek.de;www.gesundheitlicheaufklaerung.de;www.deutsche-apotheker-zeitung.de). Der Handel mit Psychostimulanzien über das Internet ist zudem kaum bezifferbar (vgl. Glaeske, Merchlewicz 2013, S. 34).
Insgesamt beklagt der Barmer GEK Arzneimittelreport 2013 eine besorgniserregend hohe Zahl von Verschreibungen sogenannter Antipsychotica (AP) an Kinder und Jugendliche. Diese ist in Deutschland von 2005 bis 2012 um rund 40 % gestiegen. Auch bei Kindern mit der Diagnose ADHS werden solche Antipsychotica eingesetzt, obwohl weder eine Indikation noch eine Leitlinienempfehlung existieren.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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