Gerhard Rohlfs - Von Tripolis nach Alexandrien. - Thomas Rohwer - E-Book

Gerhard Rohlfs - Von Tripolis nach Alexandrien. E-Book

Thomas Rohwer

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Beschreibung

In den Jahren 1868 und 1869 unternahm der deutsche Afrikaforscher Gerhard Rohlfs eine Reise in das nordafrikanische Tripolis, um im Auftrag dorthin Geschenke für den Sultan von Bornu als Dank für dessen Unterstützung deutscher Afrikareisender zu transportieren. Anschliessend reiste Rohlfs auf dem Landweg und teilweise durch die nördliche Sahara in das ägyptische Alexandria. Sein Bericht über diese Reise erschien, verzögert durch den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71, erstmals in zwei Bänden im Jahr 1871. Die "Maritime Bibliothek" veröffentlich den ungekürzten Originaltext in einer sorgfältig editierten und durch erklärende Texte ergänzten Neuausgabe.

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Gerhard Rohlfs

Von Tripolis nach Alexandrien.

Beschreibung der im Auftrage Sr.Majestät des Königs von Preussen in den Jahren 1868 und 1869 ausgeführten Reise.

Erster und Zweiter Band.

Editiert und mit einer Einführung in der MARITIMEN BIBLIOTHEK neu herausgegeben von

Thomas F.Rohwer

Vorwort des Herausgebers

Noch vor fünfzig Jahren fanden sich spannende Berichte über die abenteuerlichen Reisen von mutigen Forschern und Expeditionen durch das Afrika des 18. und 19.Jahrhunderts in vielen Sammelbänden und auch Jugendbüchern, darunter auch die Reiseberichte deutscher Afrikaforscher wie Gustav Nachtigal, Heinrich Barth, Friedrich Hornemann oder Gerhard Rohlfs. Die Bücher, die diese Reisenden nach ihrer Rückkehr verfassten, wurden ihrerzeit in hohen Auflagen gedruckt und verschafften ihren Autoren ein gutes Einkommen - und die Möglichkeit, neue Expeditionen zu planen und durchzuführen. Ein breites Interesse daran ist dann aber spätestens mit dem Ende der Kolonialzeit Ende der 1950er Jahre weitestgehend verlorengegangen.

Das ist bedauerlich, wenn man bedenkt, um was für beeindruckende Zeugnisse von Forscherdrang und persönlichem Mut es sich bei den Berichten dieser Reisenden handelt. Oft genug ging es nicht oder nur an zweiter Stelle um Interessen von Handel und Politik, sondern um die Suche nach mehr Wissen über den afrikanischen Kontinent, seine Bewohner und seine Tier- und Pflanzenwelt. Im Laufe des 19.Jahrhunderts wurden solche Expeditionen entsprechend auch zunehmend wissenschaftlicher.

Die Maritime Bibliothek präsentiert eine Reihe von solchen Reiseberichten - zur See und zu Lande - neu editiert und zum besseren Verständnis für die Leser mit ergänzenden Informationen.

(T.R.) 

DIE MARITIME BIBLIOTHEKSelbstverlag T.RohwerUnterjörn 77 - D-24536 Neumü[email protected]

Erläuterungen zur Editierung

Der Originaltext von Gerhard Rohlfes wurde für dieses Buch unverändert, übernommen. Korrigiert wurden lediglich offensichtliche Satzfehler. Die Struktur des Textes des Originals ist beibehalten, ebenso die altmodische Schreibweise. Grundlage ist die Originalausgabe von 1871, erschienen im Verlag von J.Kühtmann’s Buchhandlung, Bremen. Der Neuausgabe liegt ein Exemplar aus dem Bestand der Library of Congress, Washington D.C. zugrunde.

Im Original finden sich die Fußnoten mit * gekennzeichnet jeweils am Fuß der Seite. Dies wurde aus technischen Gründen verändert. Fußnoten finden sich kapitelweise mit [1], [2] usw. numeriert jeweils am Ende des Kapitels. Fußnoten des Herausgebers sind alphanummerisch [a], [b] usw. gekennzeichnet und ebenfalls am Ende des Kapitels aufgeführt.

Die von Rohlfs verwendeten geographischen Bezeichnungen wurden beibehalten. Sie stimmen in etlichen Fällen nicht mit der heute üblichen Benennung überein. 

Wie seinerzeit üblich verwendete Rohlfs die angelsächsische Dezimalteilung, fünfstellige und größere Zahlen sind nach dem Muster 10,000 (statt 10.000) geschrieben. Dies wurde in der Neuausgabe so beibehalten. Die Maßeinheit „Fuß“, z.B. für Höhenangaben im Gelände verwendet, ist wie im Original als ' abgekürzt.

Die Originalausgabe enthält zwei Landkarten, von denen in dieser Neuausgabe aus drucktechnischen Gründen leglich eine in verkleinerter Form wiedergegeben werden kann. Die Neuausgabe ist daher mit eine modernen Karte ergänzt worden, auf der sich der Weg von Rohlfs auf seiner Reise nachvollziehen lässt. 

Gerhard Rohlfs (1831-96)

Gerhard Rohlfs (eigentlich: Friedrich Gerhard Rohlfs)  wurde am 14.April 1831 im Bremer Stadtteil Vegesack als dritter Sohn eines Landarztes geboren. Wie seine sechs Geschwister wurde er in Kindheit und früher Jugend von Hauslehrern unterrichtet. Der körperlich sehr schwache Junge war auch ein schwacher Schüler. Er lehnte es ab, den von seinen Eltern vorgesehenen Berufsweg als Mediziner einzuschlagen.

Mit 15 kam Rohlfs auf das Gymnasium von Osnabrück. Den Druck in der Schule empfand er als so unerträglich, daß er seine Uhr verkaufte, einen Abschiedsbrief an seine Eltern verfasste und nach Amsterdam ging, wo er versuchte, als Decksjunge auf einem Schiff anzuheuern. Seine Mutter verhinderte das im letzten Augenblick.

Rohlfs wechselte daraufhin auf das Gymnasium in Celle, das er aber schon am 21.Juni 1847 wieder verließ, um die zum Abitur führende »Gelehrtenschule« in Bremen zu besuchen. Auch diese Schule verließ er vorzeitig und ohne Abschluss und trat zunächst in das Bremische Füsilier-Bataillon [a] ein, und anschließend als Unteroffizier in die schleswig-holsteinische Armee.

Im Krieg gegen Dänemark nahm er an der Schlacht bei Idstedt am 24. und 25.Juli 1850 teil. Nach der Niederlage der Schleswig-Holsteiner wurde deren Armee stark reduziert und Rohlfs wurde am 30.März 1851 trotz einer Bewerbung gegen seinen Willen aus der Armee entlassen.

Wie seine beiden Brüder Hermann und Heinrich studierte Gerhard Rohlfs dann aber doch ab 1850 in Heidelberg Medizin. Er wechselte bald nach Würzburg und Göttingen, brach das Studium aber nach einigen Semestern ab, ohne eine Prüfung abzulegen, die für Studenten ohne Abitur vorgeschrieben war.

Am 16.März 1854 trat Rohlfs für acht Jahre als einfacher Soldat in das 21.Feldjägerbataillon der österreichischen Armee ein. Nach vierzehn Monaten, am 28.Mai 1855, desertierte er von seiner Einheit. Einen Monat später wurde er von einer Patrouille gefasst und nach einem Kampf überwältigt. Ein Kriegsgericht degradierte ihn auf die niedrigste Besoldungsstufe und verlängerte die Dienstzeit um ein Jahr. Nach kurzer Zeit, am 25.August 1856, desertierte Rohlfs erneut und betrat danach Österreich nie wieder.

Dennoch blieb Gerhard Rohlfs zunächst dem Militärdienst treu und ließ sich am 28.November 1856 in Colmar als Freiwilliger für das 2ème Régiment étranger der französischen Fremdenlegion anwerben. Seine Dienstverpflichtung betrug wie üblich sieben Jahre. Er erreichte die Truppe am 20.Dezember 1856, wurde am 8.Juli 1859 zum Grenadier befördert, ging aber auf eigenen Wunsch im Januar 1860 wieder auf den Rang eines Füsiliers zurück. Am 2.Mai 1860 wurde er schließlich Caporal (Gefreiter), der höchste Rang, den ein Ausländer in den Reihen der Fremdenlegion üblicherweise damals erreichen konnte. Diesen Rang bekleidete Rohlfs bis zum Ausscheiden aus der Fremdenlegion.

Gerhard Rohlfs nahm an mehreren Feldzügen der französischen Armee teil. Von 1857 bis Anfang 1859 war das Regiment in der »Kabylei« eingesetzt, dem Gebirgsgebiet östlich von Algier bis zur Bucht von Bejaia. Dieses Gebiet gehörte seit dem Beginn der französischen Kolonialisierung Algeriens 1830 zu Frankreich, wobei die Region der Kabylei erst 1855 endügltig erobert werden konnte und erst nach Niederschlagung weiter Aufstände schließlich 1881 Frankreich die vollständige Kontrolle erlangen konnte.

Von April bis August 1859 nahm das Regiment am sogenannten 2.Italienischen Unabhängigkeitskrieg (auch »Sardischer Krieg« genannt) zwischen dem Kaiserreich Österreich einerseits und dem Königreich Sardinien-Piemont und dem Kaiserreich Frankreich unter Napoleon III. teil.

Rohlfs selbst hat niemals über seine Dienstzeit in der Fremdenlegion geschrieben, selbst in seinem Freundeskreis durfte das Thema nicht erwähnt werden. Während seiner Einsatzzeit in Algerien erwarb Rohlfs Grundkenntnisse der arabischen Sprache. Er wurde in Fès schließlich sogar als oberster Arzt der marokkanischen Armee bestellt. Neben dieser Funktion wurde es ihm erlaubt, eine Privatpraxis als Arzt zu führen. In jener Zeit vervollkommnete Rohlfs seine Arabisch-Kenntnisse und studierte Sitten, Lebensart und Religion der nordafrikanischen Bevölkerung.

Gerhard Rohlfs größter Wunsch war es, durch die Sahara zu der legendären Oasenstadt Timbuktu auf dem Gebiet des heutigen Mali zu reisen. Es gelang ihm, vom marokkanischen Fès aus den europäischen Kartographen bis dahin unbekannten »Anti-Atlas«, ein Gebirge der Atlas-Kette südwestlich des Hohen Atlas zu überqueren, wurde dann aber nahe der Oase Boanen überfallen und und im Kampf lebensgefährlich verletzt. Durch die Verletzungen seines linken Armes blieben die Finger seiner linken Hand für den Rest seines Lebens teilweise steif.

Nach der Genesung unternahm er einen zweiten Versuch, Timbuktu zu erreichen. Als erster Europäer erreichte er die Oasen von Tafilet, Twat und Tidikelt. In In Salah, dem Hauptort der Tidikelt-Oasen, wurde Rohlfs verdächtigt, französischer Spion zu sein. Das zwang ihn, seine weiteren Reisepläne aufzugeben und über Rhadames (heute: Ghadames) nach Tripolis an die Mittelmeerküste zurückzukehren.

Im Januar 1865 kehrte Rohlfs zunächst nach Deutschland zurück, wo er vor fast zehn Jahren zum letzten Mal gewesen war. Der Gothaer Kartograph August Petermann redigierte und überarbeite Rohlfs Reiseaufzeichnungen nach wissenschaftlichen Kriterien. Er förderte den einstigen »Aussteiger« und verhalf ihm zu einem Renommee als anerkannter Forschungsreisender.

Nach mehreren Monaten in Europa reiste Rohlfs erneut nach Tripolis, diesmal als Forschungsreisender mit offizieller Unterstützung, um von Tripolis aus das Hoggar-Massiv zu erforschen und einen erneuten Versuch zu unternehmen, Timbuktu zu erreichen. Über diese im Mai 1865 gestartete Expeditionsreise berichtet Gehard Rohlfs in seinem Buch »Quer durch Afrika«.

Schon in Rhadames mußte er allerdings seine Marschrichtung aufgrund des feindseligen Verhaltens der Tuaregs in dieser Region ändern. Rohlfs zog über Murzuk im Fessan-Gebiet und Bilma im Haouar-Tal vorbei am Tschad-See nach Kuka, der Hauptstadt des Bornu-Reiches. Mit Unterstützung des Sultans von Bornu gelangte er von dort an den Benue-Fluß, den er bis zur Einmündung in den Niger bei Lokoka befuhr. Über Ilorin und Ibadan erreichte er schließlich im Mai 1867 Lagos am Golf von Guinea.

Gerhard Rohlfs schaffte damit nicht nur als einer der allerersten Europäer die Durchquerung der gesamten Sahara von Nord nach Süd, seine Reise vom Mittelmeer bis an die westafrikanische Küste im Gold von Guinea wurde in Europa als die zweite Afrikadurchquerung durch einen Europär überhaupt angesehen. Eine solche Afrikadurchquerung war zuvor nur dem Engländer David Livingstone von der Sambesi-Region in Ostafrika bis nach Luanda (in der portugiesischen Kolonie Angola) am Atlantik geglückt.

Rohlfs zunehmender Ruhm in Europa und in Deutschland öffnete ihm in der Folge viele Türen, auch in Regierungskreisen. 1867 bis 1868 nahm er als Dolmetscher im Auftrag des preußischen Königs an der britischen Strafexpedition nach Abessinien teil. Er erlebte den Sturm auf Magdala als Augenzeuge und schrieb über seine Erlebnisse das Buch »Mit dem englischen Expeditionscorps nach Abessinien«. Auf dieser Reise nahm er auch eine Reihe von wissenschaftlichen Höhenmessungen in Abessinien vor.

Noch im selben Jahr, 1868, führte ihn eine offiziell vom preußischen Königshaus unterstützte Expedition in die Cyrenaika, das heutige Libyen. Rohlfs plante, von dort aus die Kufra-Oasen zu erreichen, die bisher noch kein Europäer erreicht hatte. Allerdings wurde er von der mächtigen Senussi-Bruderschaft, die in Libyen und dem Sudangebiet großen Einfluss hatte, als Agent des Osmanischen Reiches angesehen. Das machte die geplante Reiseroute unmöglich, so daß Rohlfs stattdessen zur Oase Siwa weiterreiste. Bei dieser Expedition wurde Rohlfs zum ersten Mal von einem Fotografen begleitet, der viele der dortigen historischen Stätten erstmal fotografisch dokumentieren konnte.

Gerhard Rohlfs war mittlerweile so populär geworden, daß er nicht nur in Europa, sondern auch in Übersee Vortragsreisen unternehmen konnte. Bei einer Reise nach Russland lernte er in Riga Leontine Behrens (1850-1917) kennen, die Nichte des Afrikareisenden Georg Schweinfurth (1836-1925) und heirate sie am 16.Juni 1870 in Riga nach nur dreiwöchiger Bekanntschaft. Die Eheleute ließen sich in Weimar nieder, Rohlfs Einkünfte als Autor und Vortragsreisender sicherten dem Ehepaar ein materiell unbeschwertes Leben.

Während des deutsch-französischen Krieges 1870/71 reiste Rohlfs im Auftrag der preußischen Regierung als Agent nach Tunesien, um von dort aus algerische Berberstämme zum Aufstand gegen die französische Kolonialmacht aufzustacheln. Die Mission scheiterte indessen, da der französische Geheimdienst frühzeitig Kenntnis von seinen Absichten erlangte.

Die vermutlich wissenschaftlich ergiebigste Expedition führe Rohlfs 1873 bis 1874 im Auftrag des ägyptischen Khediven Ismail Pascha durch. Die Expedition wurde mit 80.000 Mark finanziert und konnte so außerordentlich gut ausgerüstet werden.

Von Ägypten aus wollte Rohlfs nach Kufra vorstoßen, aber erneut verhinderte die Einflussnahme der Senussi-Brüderschaft, daß er geeignete Führer für die Expedition anheuern konnte. Wiederum mußte Rohlfs seine Pläne ändern und nach Siwa marschieren. Zu dieser Rohlfs’schen Expedition gehörten namhafte deutsche Wissenschaftler wie der Geologe Karl Alfred von Zittel, der Botaniker Paul Ascherson und der Geodät Wilhelm Jordan.

Zu den Schwerpunkten der Expedition gehörte die Erforschung der Oase Dachla und derer zahlreichen archäologischen Fundstätten, die Flora und Fauna der Oase und die Ausgrabung und Dokumentation des Tempels Deir el-Hagar. Erneut war ein Fotograf mit dabei, diesmal Philipp Remelé, der nicht nur über 150 Fotos von der Oase und ihren Bewohnern anfertigte, sondern von Rohlfs auch mit der Ausgrabung des Tempels beauftragt wurde.

1878 führte Rohlfs im Auftrag der »Afrikanischen Gesellschaft« von Tripolis aus eine weitere Expedition durch. Mit Hilfe massiver Unterstützung durch die osmanischen Regierungsbehörden gelang es ihm endlich, als erster Europäer Kufra zu erreichen. Dort wurde die Karawane dann aber überfallen und ausgeraubt. Rohlfs mußte daraufhin die Rückreise antreten.

1880 reiste Gerhard Rohlfs als Gesandter des preußischen Königs an den Hof des Königs Johannes von Abessinien. 1884 bis 1885 stand er als Generalkonsul in Sansibar an der afrikanischen Ostküste für einige Monate in Diensten des Deutschen Reiches, zeigte aber wenig Geschick als Diplomat. In seine Amtszeit fallen die deutsch-afrikanischen »Schutzverträge« auf dem Gebiet des späteren »Deutsch-Ostafrika« (auf dem Gebiet der heutigen Staaten Tansania, Burundi und Ruanda) und mit dem Sultanat Witu (auf dem Gebiet des heutigen Kenia, auch »Suaheli-Land« genannt). Letztere führten zum Konflikt mit dem Sultan von Sansibar.

1890 zogen Rohlfs und seine Ehefrau nach Bad Godesberg. Während eines Kuraufenthaltes in Wiesbaden erlitt Rohlfs 1894 einen Schlaganfall, dem um die Jahreswende 1895/96 ein weiterer folgte. Am 2. Juni 1896 starb Gerhard Rohlfs in Rüngsdorf (Landkreis Bonn).

(T.R.)

[a]»Füsiliere« (abgeleitet von »fusil«, dem französischen Wort für Steinschlossgewehr) bildeten die leichte Infanterie der Linieninfanterie. 
Das »Bremische Füsilier-Bataillon« war eine Einheit der Bremischen Bürgerwehr (»Bürgergarde«). In den 1840er Jahren hatten die drei Bataillone eine Mannschaftsstärke von zusammen ca. 2100 Mann. Nach der Revolution von 1848/49, in der sich große Teile der Bürgerwehr auf die Seite der Revolutionäre schlugen, wurde die Truppe zunächst aufgelöst und dann neu aufgestellt.
Gerhard Rohlfs’ Dienstzeit fällt in diese Epoche, und der Umstand, daß er zur Armee Schleswig-Holsteins wechselte und gegen die dänische Herrschaft im Landesteil Schleswig kämpfte, deutet auf Sympathien für die revolutionäre Nationalbewegung von 1848 hin.

Nord- und Westafrika zur Zeit von Gerhard Rohlfs

Als Gerhard Rohlfs im Jahr 1864 seine erste Expedition von Tripolis quer durch die Sahara in Richtung Süden bis zum Golf von Guinea begann, war die koloniale Aufteilung des »schwarzen Kontinents« noch lange nicht abgeschlossen. Die folgenden zehn Jahre führten dann aber zu weitgehenden Veränderungen.

An der afrikanischen Nordküste, der Südküste des Mittelmeeres, zeigte sich in jener Zeit ein uneinheitliches Bild. Marokko im Westen war ein unabhängiges Sultanat (nach europäischem Verständnis hätte man es korrekterweise als Königreich bezeichnen müssen), das weitgehend das Gebiet des heutigen Königreichs Marokko und der früheren spanischen Kolonie »Spanisch-Marokko« (südlich des heutigen Marokkos entlang der Atlantikküste) einnahm. Lediglich die spanischen Enklaven Ceuta und Melilla und drei winzige Inselgruppen an der marokkanischen Nordküste waren Kolonialgebiete. (Und sind es bis heute.)

Genau wie die Region des heutigen Algeriens, Tunesiens und Libyens war es Heimatgebiet der nordafrikanischen »Barbaresken«, von Piraten, die mehrere Jahrhunderte lang bis in das erste Drittel des 19.Jahrhunderts den internationalen Seehandel im Mittelmeer und um die  Straße von Gibraltar drangsalierten. Verschiedene militärische Operationen europäischer Staaten und auch der jungen USA (1802-05, 1815) gegen die Piratenplage trafen auch Marokko. 1829 beschossen deshalb österreichische Kriegsschiffe  Larache, Asilah und Tétouan. Um 1836 gab es schließlich keine nennenswerten Piratenflotten in Marokko mehr.

1830 besetzten französische Truppen Algier, Oran und Bône auf dem Gebiet des heutigen Algerien. Es war der Beginn der französischen Kolonialherrschaft in Nordafrika.1837 rückten die Franzosen auch in Westalgerien vor und zwangen den algerischen Widerstandskämpfer Abd el-Kader zur Flucht nach Marokko. Franzöische Streitkräfte beschossen daraufhin das marokkanische Tanger (4. August 1844) und Essaouira (15. August) und zwangen Marokko zur Auslieferung Abd el-Kaders und zur Festlegung einer verbindlichen Grenzlinie zwischen Marokko und dem französischen Algerien.

Als 1859 Berbertruppen in die spanischen Besitzungen in Nordmarokko einfielen, verlangte Spanien, nachdem sie zurückgeschlagen worden waren, von der marokkanischen Regierung als Entschädigung und als Garantie für die Sicherheit seiner Besitzungen Gebietsabtretungen. Die Verhandlungen blieben jedoch ohne Resultat und am 22. Oktober 1859 erklärte Spanien Marokko den Krieg. Ein spanisches Heer unter General Leopoldo O’Donnell mit ca. 40.000 Mann konnte nach etlichen Gefechten mit einem etwa 60.000 Mann starken marokkanischen Heer (überwiegend aus Kavallerie bestehend) am 4.Februar 1860 die Stadt Tétouan im Norden Marokkos besetzen und am 23.März 1860 einen Waffenstillstand erzwingen. Tétouan fiel bis zur Unabhängigkeit Marokkos nach der 1912 beginnenden französischen Kolonialzeit im Jahr 1956 an Spanien.

Der Widerstand gegen die französische Kolonisierung von Algerien dauerte zunächst bis etwa 1848. In den Jahrzehnten danach erfolgte an der Mittelmeerküste eine umfangreiche Besiedlung durch Franzosen, Algerien wurde verwaltungstechnisch und auch wirtschaftlich zum Teil des französischen Mutterlandes. Doch auch nach 1848 kam es verschiedentlich zu Aufständen gegen die Kolonialmacht, so z.B. auch im Jahr 1864 im Osten des Landes. Die großen Wüstengebiete im algerischen Teil der Sahara waren ohnehin für die französische Kolonialmacht nicht wirklich wirksam zu kontrollieren, man beschränkte sich zwangsläufig auf einzelne Militärposten, die von Einheiten der Fremdenlegion bemannt wurde. Gerhard Rohlfs war in seiner Zeit als Soldat der Fremdenlegion 1858 bis Anfang 1859 im Nordosten Algeriens eingesetzt, kannte also die Situation in Algerien auch aus persönlicher Erfahrung.

Tunesien gehörte, wenn auch mit hoher Eigenständigkeit, zur Zeit Gerhard Rohlfs und noch bis 1881 zum Osmanischen Reich. Auch hier nahm die tatsächliche Gewalt staatlicher Institutionen mit zunehmender Entfernung von den Küstenregionen in Richtung Wüste deutlich ab.

Das benachbarte Libyen mit der Hauptstadt Tripolis gehörte ebenfalls zum Reich der Osmanen, das wie in Tunesien seine liebe Not mit örtlichen Machthabern und religiösen Gruppen wie den Sanusiya-Bruderschaften hatte. 

Nach der Invasion der Araber im 7.Jahrhundert hatte Tripolis das Schicksal der Berberei geteilt. 1146 eroberten die Normannen die Stadt und installierten dort die Familie der Ibn Matruh als Vasallen. Diese rebellierte 1158 und unterwarf sich 1160 der Herrschaft der Almohaden. 1228 stellte sich die Stadt unter die Herrschaft der Hafsiden. Die Kontrolle der Almohaden und Hafsiden über Tripolis war weitgehend nominell. Die Stadt blieb den Angriffen durch die umliegenden Volksstämme und durch europäischen Mächte ausgeliefert.

1324 erlangten die Banu Thabit die Herrschaft über Tripolis. 1354 plünderte der Genuenser Filippo Doria mit einer Flotte die Stadt und verkaufte Tripolis an Ahmad bin Makki, der sich der Oberherrschaft der Meriniden unterwarf. 1401 kam Tripolis wieder unter die Herrschaft der Hafsiden. 1460 rebellierte der lokale Scheich Mansur gegen die Hafsiden. Er und seine Nachkommen herrschten über Tripolis bis 1510, als die Stadt vom spanischen Grafen Pietro von Navarra erobert und ein spanischer Statthalter eingesetzt wurde. Kaiser Karl V. überließ sie 1530 den Johannitern als Lehen, aber schon 1551 wurde sie von Osmanen unter Turgut Reis (Dragut) erobert, der daraufhin vom Sultan zum Bey von Tripolis ernannt wurde. 

Tripolis wurde zur Provinz des Osmanischen Reichs, die von einem Statthalter regiert wurde, der den örtlichen Titel eines Bey trug. Dieser Bey hatte über eine Verwaltung aus lokalen osmanischen Beamten unter sich und als Schutztruppe ein Korps von Janitscharen, die in Anatolien rekrutiert wurden. Zu Beginn des 17.Jahrhunderts übernahmen die lokalen Janitscharen die Macht und ihr gewählter Sprecher, der Dey, teilte sie sich mit dem Statthalter. Tripolis konnte wegen fehlender Ressourcen kein eigenes Heer aufstellen, es gab kaum landwirtschaftliche Flächen, seine wenigen Städte waren klein. Es hatte aber eine Kriegsflotte, die für Kaperfahrten gegen die Handelsschifffahrt der europäischer Staaten im Mittelmeer eingesetzt wurde.  Die Militärkommandanten der „Piraten der Barbareskenküste“ bildeten in Tripolis wie auch in der osmanischen Provinz Tunis eigene Dynastien, waren aber keine unabhängigen Monarchen, sondern wurden weiterhin vom osmanischen Sultan eingesetzt.

1711 gelang es dem türkischen Pascha Ahmad Qaramanli, sich fast unabhängig von Konstantinopel  zu machen, indem er nur noch Tribut zahlte, und er begründete die Dynastie der Qaramanli (1711–1835). Ein 1728 unternommener Feldzug der Franzosen gegen Tripolis endete mit der fast gänzlichen Zerstörung der Stadt. Seit Ende des 17.Jahrhunderts und das ganze 18.Jahrhundert über stellten die Piratenflotten von Tripolis, Algier und Marokko eine ständige Gefahr für die Schiffahrt im Mittelmeer dar. Selbst in Norddeutschland wurden in den Kirchen Opferstöcke aufgestellt, um „Sklavenkassen“ zu füllen, mit deren Geld christliche Seefahrer und Schiffspassagiere freigekauft wurden, die von den „Barbaresken“ als Sklaven gefangengenommen worden waren und teilweise auf Sklavenmärkten in Nordafrika zum Kauf angeboten wurden.

Lediglich Schiffe unter englischer Flagge blieben ab etwa der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts von dieser Plage weitgehend verschont. Die kaum bestrittene englische Seeherrschaft, auch im Mittelmeer, hatte die „Barbaresken“ vorsichtig werden lassen, man wollte keine Interventionen der englischen Flotte provozieren. Gleichzeitig hatte England wenig Interesse daran, als Polizeimacht für andere europäische Staaten im Mittelmeer aufzutreten, die man vor allem als lästige Konkurrenz zur See empfand.

Nach dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg 1775-83 und der Staatsgründung der Vereinigten Staaten von Amerika 1787 fuhr nun der bisher in den englischen Kolonien beheimatete Teil der englischen Handelsflotte unter US-amerikanischer Flagge. Und sofort wurden amerikanische Schiffe im Mittelmeer zu Opfern der „Piratenplage“. Die USA waren im Jahr 1800 ein militärisch unbedeutender Kleinstaat mit gerade einmal zweieinhalb Millionen Einwohnern, dessen Territorium zu dieser Zeit gerade einmal bis zum Mississippi reichte, wobei das heutige Florida bis 1819 noch spanische Kolonie war. 1797 bewilligte der US-Kongress die Mittel zum Bau von sechs kampfkräftigen Segelfregatten, nachdem die im Unabhängigkeitskrieg aufgestellte „Continental Navy“ gleich nach Kriegsende wieder abgerüstet worden war.

Die Mentalität der Politiker der jungen amerikanischen Republik war eine andere als die der meisten europäischen Monarchien, die versuchten, sich irgendwie durch Tribut- und Lösegeldzahlungen mit der Piratenplage im Mittelmeer zu arrangieren. Nachdem die USA es anfangs auch mit Tributzahlungen versucht hatten, kam es schließlich um 1800 zum Abbruch der Verhandlungen und 1801 erklärte der Bey von Tripolis den USA den Krieg. US-Präsident Thomas Jefferson hatte schon kurz vorher ein Geschwader der US Navy unter dem Kommando von Commodore Edward Preble ins Mittelmeer entsandt, um amerikanische Schiffe zu schützen.

1803 schließlich verhängten die USA eine Seeblockade über Tripolis. Diese Operation startete mit einem heftigen Mißgeschick. Bei der Verfolgung eines Piratenschiffs lief die Fregatte USS „Philadelphia“ unter Kapitän William Bainbridge kurz vor dem Hafen von Tripolis auf ein unkartiertes Riff und strandete. Das Schiff, das sich in einer aussichtslosen taktischen Position befand,  wurde von den Tripolitanern erobert und in den Hafen eingebracht, die Besatzung gefangengenommen.

Preble kaufte daraufhin in Sizilien eine kleine Ketch, die auf den Namen USS „Intrepid“ getauft und mit 80 Freiwilligen unter dem Kommando des Leutnants Stephen Decatur bemannt wurde. Mit einem ortskundigen sizilianischen Lotsen an Bord täuschte Decatur vor, ein im Sturm in Schwierigkeiten geratenes sizilianisches Schiff zu sein, und es wurde ihm erlaubt, neben der gekaperten USS „Philadelphia“ fest zu machen.

Decatur enterte mit seinen Leuten das Schiff, setzte es in Brand und schaffte ohne jegliche Verluste den Rückzug aus dem Hafen von Tripolis. Kein geringerer als Vizeadmiral Lord Nelson, zu dieser Zeit mit einer englischen Flotte im Mittelmeer stationiert, kommentierte Decaturs Handstreich als „den mutigsten und kühnsten Akt unserer Zeit“. Weitere amerikanische Angriffe folgten, die aber nicht zu einer endgültigen Entscheidung führten, darunter auch die Beschießung der Festungsanlagen von Tripolis durch die amerikanischen Schiffe. 1804 löste Commodore Samuel Barron Preble mit neuen Schiffen ab. 

Die Amerikaner trugen den Krieg schließlich an Land. Eine Truppe aus acht US-Marines und etwa 500 griechischen und arabisch-türkischen Söldnern unter dem Kommando des amerikanischen Generalkonsuls in Tunis und ehemaligen Armee-Leutnants William Eaton und des Marines-Leutnants Presley O’Bannon marschierte über 800km durch die Wüste von Alexandria bis nach Derna im Osten Libyens. Die von einer deutlich größeren Streitmacht verteidigte Stadt wurde am 13.Mai 1805 schließlich von den Amerikanern und ihren Söldnern erobert. Das beendet den Krieg zwischen den USA und Tripolis, das von da an auf Tributzahlungen und Angriffe auf US-amerikanische Schiffe im Mittelmeer verzichtete. Erst im Juli 1815 kam es zu einer erneuten, ebenfalls erfolgreichen US-Marineoperation gegen die „Barbaresken“, diesmal gegen Algier.

Die französische Eroberung und nachfolgende Kolonisierung Algiers im Jahr1830 bereitete schließlich der auch von Tripolis ausgehenden Seeräuberei endgültig ein Ende. 

In Ägypten hatte 1805 Muhammad Ali Pascha (auch Mehmed Ali Pascha genannt) die Macht als Gouverneur der osmanischen Provinz Ägypten (Eyalet-i Misir) erlangt und beherrschte das Land weitgehend unabhängig von der schwachen Zentralregierung.

Muhammad Ali schaffte die Privilegien der Feudalherren ab und setzte die Besteuerung des Landbesitzes islamischer Stiftungen durch. Er bemühte sich um die Ausdehnung der kultivierbaren Fläche durch Bewässerung. 1820 wurde der Mahmudiya-Kanal fertiggestellt, der Alexandria mit dem Nildelta verband. Für den dreijährigen Bau des Projekts ließ der Gouverneur bis zu 300.000 Bauern als Arbeiter zwangsverpflichten. Ebenso versuchte er, mit Schutzzöllen und staatliche Investitionen eine eigene Industrie in der Provinz Ägypten aufzubauen. Die Staatseinnahmen seines Machtbereichs stiegen vom Beginn seiner Herrschaft bis 1821 um mehr als das Fünffache an.

Als Folge der Industrialisierungsversuche bildete sich im Bereich der Baumwollindustrie und des Baumwollhandels eine neue Mittelschicht heraus. Behindert wurde die Industrialisierung nicht zuletzt durch Interventionen europäischer Mächte.

Mit der neu aufgestellten und – nach französischem Vorbild – durch den französischen Oberst Sève (Süleyman Pascha) ausgebildeten ägyptischen Armee wurden im Auftrag des osmanischen Sultans die Wahhabiten im Osmanisch-Saudischen Krieg vernichtend geschlagen. Nach Süden ließ Muhammad Ali entlang des Nils seine Truppen Richtung Sudan vorstoßen. 1821 wurde das Sultanat von Sannar von ägyptischen Truppen unter Führung Ismael Kamil Paschas, dem Sohn von Muhammad Ali, erobert. Die Stadt Khartum wurde gegründet und das Land als Türkisch-Ägyptischer Sudan organisiert. 

1848 übergab Muhammad Ali, inzwischen schwer erkrankt, seinem Sohn Ibrahim die Herrschaft. Dieser starb aber noch im selben Jahr, so dass Muhammad Ali formal die Macht erneut übernahm. Nach seinem Tod folgte ihm Prinz Abbas I., der Sohn des 1816 verstorbenen Ahmad Tusun als erblicher Wali Ägyptens. Nach diesem bestieg Muhammad Alis Sohn Mehmet Sa'id 1854 den Thron (bis zu seinem Tod 1863).

Zu der Zeit, als Gerhard Rohlfs seine Reisen und Expeditionen in Afrika durchführte, regierte Ismail Pascha, Großenkel von Muhammad Ali Pascha, die osmanische Provinz Ägypten, und dies mit der selben Unabhängigkeit von der Zentralregierung in Konstantinopel wie seine Vorfahren.

Die europäischen Kenntnisse über das riesige Sahara-Gebiet hatten seit Rohlfs erster Durchquerung der Sahara von Tripolis bis nach Lagos (1864/65) durch etliche Expeditionen und auch durch Kolonialisierungsmaßnahmen deutlich zugenommen.

In WESTAFRIKA hatte bereits 1862 Großbritannien die Stadt Lagos, die im 14.Jahrhundert gegründet worden war, und ihre direkte Umgebung zum britischen »Protektorat« erklärt, aber erst 1886 zur Kronkolonie. Damit übte das britische Empire erstmals in diesem Gebiet direkte Herrschaft aus und die Kronkolonie Lagos wurde zur Keimzelle des späteren Protektorats Süd-Nigeria. (Der Ansatz einer deutschen Kolonie im Mahinland, östlich von Lagos, wurde 1885 nach Verhandlungen mit Großbritannien aufgegeben. Verschiedene private britische Handelsgesellschaften trieben Handel und britischen Einfluss in Südnigeria voran. Eine von ihnen war die 1879 von George Goldie gegründete United Africa Company, die 1886 von der britischen Regierung unter dem Namen Royal Niger Company Konzessionen für das gesamte Gebiet um das Nigerbassin erhielt. Die Royal Niger Company unter George Goldie steckte teilweise auf eigene Faust gegen die konkurrierenden Kolonialmächte Frankreich und Deutschland die Grenzen ab, in denen britischer Einfluss begann. Die Gesellschaft handelte Verträge auch mit den nördlichen Staaten, dem Sokoto-Kalifat, mit Nupe und Gwandu aus.) Als Rohlfs 1865 die nigerianische Küste am Golf von Guinea erreichte, begann sich europäischer Einfluß und europäische Macht dort gerade erst auszubreiten. 1874 wurde auch die sogenannte »Ashanti-Küste«, das spätere Ghana, zur britischen Kronkolonie.

Etwa um 1880 setzte dann der »große Wettlauf« der europäischen Großmächte (England, Frankreich, Deutschland, Italien) um Kolonialgebiete in Afrika ein, an dem sich auch die Mittelmächt Belgien und Portugal beteiligten.

(T.R.)

 Von Tripolis nach Alexandrien.

Beschreibung der im Auftrage Sr.Majestät des Königs von Preussen in den Jahren 1868 und 1869 ausgeführten Reise

von Gerhard Rohlfs.

Mit einer Photographie, zwei Karten, vier Lithographien und vier Tabellen.

Erster Band.

Bremen, 1871.

Verlag von J.Kühtmann’s Buchhandlung.

U.L. Fr. Kirchof 4

Vorwort.

Seit dem Herbste 1868, in welchem die Reise nach Tripolitanien auf Befehl des Königs von Preussen unternommen wurde, welche Ereignisse sind da an uns vorüber gegangen!

Der König von Preussen ist Kaiser von Deutschland geworden; und wenn schon in den letzten Jahren die Deutschen im Auslande nicht mehr wie Schutzlose oder als nicht ebenbürtig und gleich berechtigt den übrigen Nationen gegenüberstanden, um wie viel mehr wird jetzt »Kaiser und Reich«, selbst in den »weitesten Fernen« die Deutschen beschirmen.

Und inmitten dieser gewaltigen Begebenheiten ist auch schon die Nachricht vom günstigen Resultate der Expedition nach Tripolitanien und nach dem Inneren von Afrika angelangt: Dr.Nachtigal erreichte mit den Geschenken glücklich die Hauptstadt von Bornu, Kuka, und wurde, wie zu erwarten stand, auf’s Zuvorkommendste vom Sultan Omar empfangen.

Das vorliegende Buch, Ergebniss der Reise nach Tripolis, und der von hier aus unternommenen Reise nach Cyrenaica und der Oase des Jupiter Ammon, sollte ursprünglich Mitte 1870 dem Publicum vorgelegt werden. Die Kriegsereignisse brachten eine Verzögerung der Herausgabe hervor. Möge diesem Werke dieselbe günstige Aufnahme und nachsichtige Beurtheilung von Seiten des Publicums zu Theil werden wie den früheren Arbeiten des Verfassers.

Gestattet sei mir hier, der Verlagshandlung für die schöne Ausstattung des Buches meinen Dank auszusprechen, namentlich dafür, dass dieselbe nicht gescheut hat, ohne den Preis desselben wesentlich zu erhöhen, die musterhaften Karten von Kiepert, sowie die von G. Hunckel ausgeführten Chromolithographien beizufügen. Leider konnten die zahlreichen Photographien, die der Reisende in Cyrenaica aufnehmen liess, nicht eingeschaltet werden, da der Preis des Buches sich dadurch verfünffacht haben würde.

Weimar, im Januar 1871.

Gerhard Rohlfs 

1.Philippeville, Bône und Tunis. 

Es war im Herbste des Jahres 1868, als ich von der preussischen Regierung den Auftrag bekam, die Geschenke, welche der König für den Sultan von Bornu bestimmt hatte, nach Tripolis zu übermitteln, um sie von dort aus mittelst eigener Karavane ins Innere zu befördern. Die mit den letzten Entdeckungsreisen im Innern von Afrika Vertrauten werden sich erinnern, dass König Wilhelm, in Anerkennung der grossen Dienste, welche Sultan Omar von Bornu gegen deutsche Reisende geleistet, beschlossen hatte, diesem dadurch seine Dankbarkeit zu bezeigen, dass er demselben eine Reihe passender Geschenke übermachte. Sultan Omar hatte von der englischen Regierung aus ähnlichem Anlass auch früher schon Geschenke bekommen.
Die preussischen bestanden in einem in Berlin gearbeiteten Thron, Zündnadelgewehren [a], Doppelfernglas, Chronometer [b], Uhren, Bildern der königlichen Familie, und dazu sollten noch in Tripolis durch Consul Rossi angeschaffte Sachen kommen, als Rosenessenz, ächte Corallen, Seiden-, Tuch- und Sammetstoffe. Die von Berlin aus abgegangenen Sachen sollte ich in Marseille empfangen.
Mein Weg führte mich daher über Frankreich, wo ich namentlich meine Ausrüstung zu machen hatte, denn nicht nur hatte ich von Tripolis aus den Abgang der Geschenke einzuleiten, sondern auch die Erlaubniss und Mittel zu einer Reise durch Cyrenaica und die Jupiter-Ammons-Oase erhalten.
Keine Stadt am mittelländischen Meer nimmt einen so raschen Aufschwung wie Marseille, besonders hervorgerufen durch den Handel mit der gegenüberliegenden Colonie. Und was würde Marseille sein, befände sich die Colonie in einem blühenden Zustande, hätten die Franzosen von Anbeginn der Eroberung den Grundsatz befolgt: die Araber, vielleicht die Berber, in die Wüste zu drängen, wohin sie gehören, und so ein freies Terrain für europäische Cultur und Gesittung geschaffen! Unter diesen Umständen würde Algerien statt jetzt einige hunderttausend Europäer, einige Millionen haben. Aber die falschen Grundsätze von Philanthropie, die civilisatorischen Ideen solcher Leute, welche auf die fanatischen Eingebornen dieselben Regeln anwenden wollten, welche man auf durch Jahrhunderte hindurch gereifte Völker anwendet, haben dies alles verhindert.
Ich will damit nicht sagen, dass die Araber sich nicht civilisiren liessen; sie haben sicher dieselben Anlagen, Fähigkeiten, Gefühle, wie wir; aber sie wollen keine Civilisation, ihre Religion erlaubt es nicht. Und eben deshalb werden sie verschwinden, denn die Civilisation lässt sich nun einmal nicht aufhalten, und die Völker, welche nicht mit fort wollen, werden absorbirt oder vernichtet werden. So sehen wir denn auch unaufhaltsam den Islam seinem Ende entgegen gehen, sowohl Araber als Türken können sich gegen das Christenthum nicht halten; ohne dass diesen Völkern ein Zwang angethan wird, gehen sie ihrem Untergange entgegen. Und selbst in der christlichen Religion sehen wir bei den Völkern, welche durch die Religion gefesselt sind, ein geistiges Verkommen, einen Rückschritt; der Franzose sieht und constatirt mit Bangen keine Zunahme der Bevölkerung, und in Spanien, in Italien, wie sieht es da aus!
Dem Islam gegenüber ist aber selbst die katholische Religion Fortschritt, deshalb wird auch das mohammedanische Element über kurz oder lang dem Christenthum in Algerien unterliegen, so sehr sich die französische Regierung auch Mühe giebt, die Araber zu civilisiren, zu pflegen, zu begünstigen und auf Kosten der Europäer zu bevorzugen.
Wir fanden in Marseille alles in bester Ordnung, und wie immer die liebenswürdigste und zuvorkommendste Aufnahme bei unserm deutschen Consul, Hrn. Schnell.
Wie wenig übrigens sonst von den Marseillern auf deutsche Sitte und Sprache gegeben wird, geht daraus hervor, dass nicht ein einziges deutsches Journal im ersten Club der Stadt, dem Cercle des Phocéens, vorhanden war, von den englischen war nur die Times vorhanden. Die eigentlichen Marseiller sind eben nur Krämer, keine Kaufleute; der Grosshandel ist einzig in den Händen eingewanderter Franzosen oder Schweizer.
Aber grossartig ist die Stadt und hat in Hrn. Maupas, dem vorletzten Präfecten, einen wahren Haussmann [1] gehabt. Die Präfectur, die neue Börse, das kaiserliche Palais, das bischöfliche Schloss, ohne viele andere Gebäude zu nennen, sind alle Prachtbauten, und die neuen Stadttheile, die Faubourgs mit den beiden grossartigen Häfen Port Napoléon und Joliette machen Marseille zu einer der glänzendsten Städte des Mittelmeeres.
Und auch die Umgebung hat merkwürdige Veränderungen erlitten. Früher von kahlen Kalkfelsen bordirt, welche die Meeresufer pittoresk, aber nicht schön machten, hat man durch sorgfältige Bewässerungen und Auftragen von Humus grüne, mit Pinien und anderen Bäumen geschmückte Hügel geschaffen, und der Prado von Marseille ist einer der schönsten der Welt. Wer nach Marseille kommt, versäume ja nicht, nach der sogenannten Reserve zu gehen, auf dem Wege nach Toulon längs dem Meere gelegen; eine Restauration, im grossartigsten Verhältnisse aufgeführt, von der aus man die prachtvollste Aussicht auf Stadt, Meer und die vorliegenden Inseln hat.
Doch alle diese Einzelheiten sind in den Reisebüchern zu finden, und ich für meinen Theil hatte Marseille schon so oft gesehen, vom Anfange seines neuen Daseins an (da wo die prächtigen Häuser unterhalb des bischöflichen Palais sich hinziehen, hatte ich vor Jahren gebadet), dass ich gar keine Lust verspürte, den Aufenthalt unnöthig zu verlängern.
Es war mir deshalb sehr erwünscht, dass Consul Schnell sich bereitwilligst erbot, meine sämmtlichen Kisten nach Malta spediren zu wollen; auf diese Art wurde es möglich, dass ich gleich am folgenden Tage Passage an Bord des nach Tunis fahrenden Dampfers nehmen konnte, um so auf diesem Umwege Malta zu erreichen. Der directe Dampfer sollte erst am 27.November und mit ihm mein Gepäck abgehen, wir gingen Nachmittags desselben Monats am 20. an Bord. Unser Schiff, Cayd genannt, war kein der Messagerie gehörender Dampfer, sondern ein von dieser Gesellschaft gemiethetes Boot, welches der Compagnie der Navigation mixte zugehörte. Klein und mangelhaft eingerichtet, war das Schiff bis Philippeville mit Passagieren aller Classen überfüllt, und selbst die erste Classe hatte ein knotiges Aussehen. Mit Ausnahme eines Engländers, der wie ich nach Tunis wollte und ein sehr gebildeter und feiner Gentleman war, bestand die ganze Zahl der Passagiere aus Franzosen. Die zweite Classe war theils mit französischen Officieren, theils mit Kaufleuten besetzt; das Verdeck war überfüllt mit Soldaten aller in Algerien üblichen Truppen, mit leichten Frauenzimmern, welche das Mutterland einer Colonie sandte, und einigen arabischen Pilgern, welche von Mekka kamen.
Glücklicherweise dauerte die Fahrt nicht lange Zeit, und das Wetter war andauernd günstig; schon am Sonntag Morgens, den 22.Novbr., waren die Berge Afrika’s in Sicht, und um 2 Uhr lagen wir vor Stora, dem kleinen Hafenorte von Philippeville. Stora ist für Philippeville derselbe Platz, der Mers el Kebir für Oran ist, auch die topographische Lage ist fast dieselbe. Aber sowohl an Wichtigkeit im Verkehr als an Schönheit übertreffen die beiden Orte der Provinz Oran um ein bedeutendes die der Provinz Constantine. Die Ausschiffung ging rasch von Statten, da Barken genug vorhanden waren, und die Araber doch unter französischer Herrschaft schon ein gutes Theil jener Zudringlichkeit und Unverschämtheit verloren haben, welche sie da ausgezeichnet, wo sie unter eigener oder türkischer Herrschaft stehen. Aber nun, wo unser Schiff ruhig auf den glatten Wellen lag, merkte ich, dass es noch eine berühmte und glänzende Schönheit beherbergt hatte, die Marquise von G..., eine der ersten Schönheiten am Hofe Napoleons III. und Ehrendame seiner kaiserl. Gemahlin. Diejenigen, welche mit dem Hofe Napoleons vertraut sind, werden leicht errathen können, wer diese hervorragende Schönheit ist, welche hier von ihrem Gemahl, dem Obersten des 3.Regiments der Chasseurs d’Afrique, empfangen wurde. Wir liessen uns alle direct nach Philippeville rudern, und die meisten von uns stiegen im Hôtel d’Orient ab; das heisst, ich schreibe Hôtel, man denke »Kneipe«. In der That merkwürdig genug, wie gleich beim Betreten der Provinz Constantine die angenehme Erinnerung der so sehr guten Hôtels in Algier und Oran zu nichte wird. Gerade das Hôtel d’Orient der Stadt Algier selbst kann mit den grössten Hôtels der grössten Städte wetteifern, und hier? Ein Zimmer, dessen Wände nur hell getüncht waren, schmutzige Wäsche, das primitivste Ameublement. Wie wird sich die Marquise von G..., die so eben aus den glänzendsten Salons von Compiègne kommt, hier zurecht finden, dachte ich, und doch waren ihre Zimmer, welche sie mit ihrem Manne innehatte, wohl nicht besser als das meinige. Doch wozu braucht man Zimmer in einem Lande, wo ewig Frühlingslüfte wehen! Riefs und ging hinaus auf den Platz, wo die Miliz-Musik gerade eine Pièce aus der Afrikanerin spielte. Darüber kam der Abend heran und denselben verbrachten wir, d.h. der Engländer Herr B. vom Foreign Office und ich, gemeinschaftlich. Wir hatten viele Anknüpfungspunkte zusammen, abgesehen davon, dass er, wie jeder Engländer, sehr deutsch gesinnt war, kannte er fast alle meine Bekannten in London und ich die seinigen in Berlin, er war bei der letzten Reise der Königin nach Berlin in deren Gefolge gewesen. Wir durchliefen die verschiedenen Cafés, die Strassen und waren Abends einen Augenblick im Theater, wo zum Besten der Armen ein Ball gegeben wurde. Herr B. war ein ganz angenehmer Gesellschafter, sprach auch gut deutsch und französisch, jedoch konnte er es nie lassen, den Engländer herauszubeissen, wenn’s an’s Bezahlen ging; dann drang er den Leuten immer mit Gewalt die doppelte Summe auf, so dass Manche ihn sicher für verrückt hielten.
Wir weilten noch einen andern Tag in Philippeville; ich verbrachte ihn damit, die sehr merkwürdigen Alterthümer der Stadt zu besehen. Zum Theil bestehen dieselben aus grossartigen Cisternen, auf den Anhöhen, welche zu beiden Seiten die Stadt flankiren, gelegen. Es scheint, dass Philippeville unter der Römerherrschaft ausschliesslich sein Wasser das ganze Jahr hindurch aus Cisternen bezog, und selbst heute, wo die Franzosen den Ort durch eine Wasserleitung versorgt haben, wird noch ein grosser Theil der Stadt aus den antiken renovirten Wasserbehältern gespeist. Und noch alle Tage entdeckt man neue Reservoirs. So hat man ganz kürzlich noch hinter der Commandantur eine der grossartigsten alten Cisternen, vollkommen gut erhalten, blosgelegt; niemand hatte eine Ahnung davon seit den mehr als 30 Jahren, dass die Franzosen Philippeville besitzen. Die herrlichsten Bauüberreste von Philippeville finden sich da, wo heute das College hingebaut ist, und hier hat man auch das archäologische Museum eingerichtet. Ein Theater, halbzirkelförmig, wie ein ähnliches, aber viel kleiner, in Verona vorhanden ist, beherbergt jetzt eine Menge werthvoller Statuen, Sarkophage und Grabsteine, welche mit den zahlreichen, oft gut erhaltenen Inschriften dem Forscher ein ganzes Blatt aus der Geschichte vorlegen. Eine fast vollkommen erhaltene Statue eines römischen Imperators fesselte vor allem unsere Aufmerksamkeit. Herr Roger, der gelehrte Vorsteher des Museums, glaubt in derselben einen Hadrian zu sehen, Andere haben einen Caracalla darin erkennen wollen. Ich denke, dass der Grund des Herrn Roger, ein Vater-, Bruder- und Menschenmörder könne unmöglich eine so »ausgezeichnete, intelligente und gute Physiognomie gehabt haben,« nicht stichhaltig ist. Die Geschichte zeigt, dass sehr häufig die körperlich bestgeformten Menschen die grössten Scheusale waren. Viel richtiger ist indess Herrn Rogers Behauptung, eine grosse Aehnlichkeit in den Gesichtszügen der Statue mit den dem Hadrian gewidmeten Münzen gefunden zu haben. Es sind noch mehrere andere Marmorstatuen aufgestellt, von denen es jedoch noch unsicherer ist, was sie vorstellen sollen. Ein einfacher Marmorsarkophag wurde, vollkommen gut erhalten, dicht bei Philippeville auf dem Wege nach Stora gefunden. Das Skelett befindet sich im Museum selbst. Andere Sarkophage mit Basreliefs, jedoch ohne Deckel, sind in grosser Zahl vorhanden. Die Capitäler vom schönsten corinthischen Laube lassen schliessen, wie reich das alte Rusicade war. Viele dieser Schätze sind aus der Umgegend hergebracht, zum grössten Theil jedoch in der Stadt selbst gefunden worden.
In der That muss das alte Rusicade, aus seinen Ruinen zu schliessen, ein viel bedeutenderer Ort gewesen sein, als wir nach den spärlichen Ueberlieferungen der Alten glauben sollten. Ptolemäus führt Rusicade nicht einmal als Colonie auf, aber durch die Peutinger’schen Tafeln erkennen wir die Bedeutung der Stadt aus den beigemalten Häuschen. Bei Pomp. Mela und Plinius geschieht ihrer Erwähnung. Nach Vibius soll dicht bei Rusicade der kleine Fluss Tapsus ins Meer gemündet sein, und dies ist offenbar der heutige ued Safsaf. Ihr erster Name scheint Thapsa, die Stadt überhaupt phönicischen Ursprungs gewesen zu sein. Im Alter war sie der Stadt Cirta von derselben Bedeutung, wie sie es heute als Hafenort für Constantine ist.
Der Alterthumsforscher findet aber seine eigentlichen Kleinodien im Museum selbst, und wenn das Gebäude auch schuppenartig aussieht, so birgt es doch manche Sachen, um welche es die Museen in London und Berlin beneiden würden. Erst auf Antrieb des Prinzen Napoleon im Jahre 1850 in’s Leben gerufen zu der Epoche, wo dieser gelehrte und die Wissenschaften pflegende Prinz ein Rundschreiben an die Präfecten von Algerien richtete: »d’aviser à la conservation des ruines, vestiges et débris de la domination romaine,« hat in der kurzen Zeit von nicht 10 Jahren, unter der sorgfältigen Hand des Herrn Roger das archäologische Museum einen raschen und blühenden Aufschwung genommen. Aber um ein solches Werk zu fördern, gehört auch eben ein Mann dazu, wie es Herr Roger ist. Ich hatte das Glück, von ihm selbst, der von Stand Architekt und Professor der Zeichnenkunst am Collegium in Philippeville ist, im Museum herumgeführt zu werden, und konnte mich überzeugen, mit welcher väterlichen Sorgfalt er jedes, auch das kleinste Object würdigte.
Und nicht nur hatte er seine Aufmerksamkeit auf alte römische Ueberreste oder Gegenstände aus der ersten Periode des Christenthums gerichtet; da finden wir prachtvolle Stalaktiten, Korallen, Krystalle aus der Umgegend der Stadt, eine Schädelsammlung, ethnographische Gegenstände selbst aus China; ja in letzter Zeit war es Herrn Roger gelungen, einen echten Tintoretto, den ein Malteser Marketender im Winde aushängen hatte, für’s Museum zu erstehen, und das zu dem fabelhaft billigen Preise von 3 Francs. Es soll unzweifelhaft feststehen, dass das Bild von Tintoretto ist, und so würde es jetzt einen Werth von einigen Tausend Thalern erlangt haben.
Hauptsächlich reich ist die Sammlung von Lampen, einige davon auf dem Boden mit einem Kreuze versehen, ein Zeichen, dass sie der christlichen Zeitrechnung angehören; Thränenvasen, Amphoren, Aschenvasen sind in reichhaltigster Auswahl vorhanden, und täglich werden noch neue gefunden.
Ueberhaupt sind alle Haushaltungsgegenstände vorhanden, Schmucksachen, Küchengeschirr etc. Dass die Münzen nicht fehlen, versteht sich von selbst, und besonders ist es der Meeresstrand, der nach heftigen Stürmen oft eine reiche Ernte giebt für’s Museum. Die meisten Münzen sind von Hadrian, dann von Antonin dem Frommen, Faustin, Maxentius, Constantin dem Grossen, Constantin dem Jüngern, Marcus Aurelius, Claudius II, Trajan, Vespasian, Alexander Severus und einzelne von allen Imperatoren. Sehr zahlreich sind die numidischen Münzen, alle daran kenntlich, dass sie auf einer Seite ein laufendes Pferd zeigen, meist nach links gerichtet.
Nachmittags besahen wir die Umgegend von Philippeville, welche überall einen lachenden Garten bildet, und selbst zur Winterzeit hatte der warme Regen in wenigen Tagen eine so üppige Vegetation hervorgerufen, dass der Frühling wirklich vor den Thoren zu sein schien. Die Bäume sind meistens Oliven, Korkeichen und Lentisken, und vom kleinerem Gebüsch findet man die Zwergpalme und Aloe; Zahlreiche kleine Dörfer umgeben die Stadt, es scheint aber keines in besonders blühendem Zustande zu sein; wenigstens sehen die, welche wir besuchten, nur kläglich aus. Will man von der einheimischen Bevölkerung sprechen, so fällt einem fast die Feder aus der Hand; die schreckliche Hungersnoth, welche so eben die Araber decimirt hat und jetzt freilich zu Ende ist, sprach noch aus den Augen fast jedes Individuums. Zerlumpt, schmutzig, der Körper nur aus Haut und Knochen bestehend, schleichen sie wie Phantome umher. Aber sie haben schon Alles vergessen und nichts gelernt, eine nächste Missernte wird ihnen ein gleiches Schicksal bereiten. Am Hafen lungerten immer Hunderte dieser halbnackten Kerle herum, und blickten mit stolzer Verachtung auf die arbeitenden Christen, ohne indess zu stolz zu sein, einem Fremden gleich die bettelnde Hand entgegenzustrecken.
Hr.B., der Engländer, kehrte noch Nachmittags an Bord zurück, das Wirthshaus war ihm zu schlecht, und da er seines kranken Zustandes wegen nicht gehen konnte, also fast die ganze Zeit auf das Hôtel d’Orient angewiesen war, konnte er auch nichts Besseres thun.
Ich selbst blieb mit meinen Leuten noch bis am andern Morgen und dann gingen wir zu Fusse nach Stora. Der Weg geht immer längs des Meeres und an zahlreichen Landhäusern, von hübschen Lustgärten umgeben, vorüber und bei jeder Drehung des Weges bietet er ein anderes Panorama, dass die vier Kilometer Entfernung ganz unbemerkt dahin schwinden.
Stora selbst ist ein kleiner Ort von einigen Häusern, und diese sind fast alle Schnapsläden oder Kaffeehäuser, aber auch eine Kirche und Schule fehlen nicht, beide hoch über dem Orte gelegen. Der Ort war auch schon in alten Zeiten besiedelt; eine grossartige Cisterne, von den Römern erbaut und jetzt renovirt, und eine reizende Marmorfontaine, am Meere gelegen und von der Cisterne gespeist, bezeugen dies hinlänglich. Noch heute hat die Cisterne Wasser genug für den ganzen Ort, und die Marmorfontaine strahlt das Wasser noch ebenso aus, wie zur Zeit der Römer. Von einem hohen Gewölbe überdacht, ein Gewölbe, welches halb in die Felswand gehauen und halb aus Ziegeln errichtet ist, aber auch aus den Römerzeiten herstammt, verbreitet die Fontaine eine so angenehme Kühle, dass ich hier mein Frühstück auftragen liess und die Zeit verbrachte, bis ich an Bord zurückging.
Von Zeit zu Zeit kamen die jungen Storenser Mädchen mit ihren Wasserkrügen, um sie zu füllen, fast alle barfuss und fast alle italienisches Blut, denn die eigentliche Volksschichte besteht hier meist aus Maltesern. Sah man aus der künstlichen Grotte heraus, so hatte man das schönste Bild vor Augen; der ganze herrliche Golf, im Hintergrunde Philippeville, die auf den Wellen schaukelnden Dampfer, zahlreiche kleine Fischerboote mit ihren grossen lateinischen Segeln — tagelang hätte ich in diesem Zauberneste bleiben mögen. Aber die Stunde schlug, der alte Bootsmann bemächtigte sich des Gepäckes, und wir ruderten wieder auf unsern Caid los.
Am andern Morgen, der Dampfer war schon gegen Mitternacht angekommen, lagen wir auf der Rhede von Bone.
Stolz lag die Tochter des alten Ortes Hippo regius vor uns. Hatte der heilige Augustin wohl geahnt, dass einst nach 1000 Jahren hier wieder das Evangelium gelehrt werden würde?
Bone liegt jetzt ganz auf der Stelle des alten Hippo, von dem wir wissen, dass es 5 M. nordwestlich von der Mündung des Ubus-(Seibouse-)Flusses gelegen war. Der Name Bona, der schon im zwölften Jahrhundert erscheint und offenbar von   gebildet ist, hat jetzt sich in das französische Bone verwandelt. Von den Tyriern angelegt, ist der Name Hippo phönicischen Ursprunges. Zuerst den Carthagern botmässig, wurde von den Römern der Ort Massinissa und seinen Nachfolgern überlassen, und erhielt zu dieser Epoche den Beinamen regius, theils um nun dies Hippo von dem nahen Hippo Zaritus zu unterscheiden, theils weil es oft Sitz der numidischen Könige selbst war. Als die Römer sich später selbst dieses Landes bemächtigten, blieb Hippo noch eine bedeutende, indess wenig beachtete Stadt; aber die Häuschen der Peutinger’schen Tafel beweisen auch hier zur Genüge die Ansehnlichkeit des Ortes.
Der heilige Augustin, der in Tagasta geboren, in Carthago erzogen, hier als Bischof wirkte, war es, der hauptsächlich die Christen zu jener heldenmüthigen Vertheidigung gegen den Vandalen Genserich anspornte. Sein Gebet, nicht in die Hände der Barbaren zu fallen, sollte erfüllt werden: im 3. Monat der Belagerung starb er. Hippo Regius wurde dem Boden gleich gemacht; aber Augustin, einer der grössten Kirchenväter, würde allein das Andenken an Hippo bewahrt haben, wenn nicht in der Neuzeit die grossartigen Ruinen, die selbst dem Vandalismus nicht erliegen konnten, Zeugniss von der einstigen Blüthe dieses Ortes gegeben hätten.
Ich nahm sogleich ein Boot und liess mich ans Land setzen, da wir bis Nachmittag Zeit hatten, und die Strassen der Stadt durchlaufend, kam ich bald ans andere Ende, wo unter einem alten Aquäduct hindurch und zwischen lachenden Gärten liegend der Weg zur Pepinière führt. Fast jede Stadt Algeriens hat eine Pepinière oder Baumpflanzschule. Meist sind dieselben zu vollkommenen Jardins d’essai ausgebildet, und haben somit für die Colonisation das Gute, dass die Pflanzer sich nicht mit unnützen Versuchen abzumühen brauchen. Gedeiht ein Baum gut, oder sieht man namentlich nützliche Pflanzen im Klima Algeriens anschlagen, so wird das öffentlich bekannt gemacht und Sämereien oder Stecklinge zur Disposition der Pflanzer gestellt. Es ist dies gewiss ein sehr nützliches Unternehmen der Communalbehörden, und namentlich der grosse Garten dieser Art von Algier selbst hat grosse Verdienste um Einführung früher nicht gekannter Pflanzen.
Es würde überhaupt zu weit gehen, zu sagen, »der Franzose versteht ganz und gar nicht zu colonisiren«. Der französische Bauer ist, namentlich der aus dem Norden, ebenso fleissig, wie andere, und die Bearbeitung wird von den einzelnen ebenso rationell betrieben, wie von uns. Auf den meisten grösseren Farmen wird jetzt Dampf als Hauptarbeitungsmittel angewendet, und die Irrigationen, welche man in Algerien findet, sei es durch Canalisation oder durch das Noria-System, sind bewundernswerth. Will es trotzdem mit der Colonisation nicht recht vorwärts gehen, so liegt das theils an der Militär-Administration, theils an der Einrichtung der Bureaux arabes, welche die Eingeborenen fortwährend auf Kosten der Europäer bevorzugen. Strassen durchziehen sonst nach allen Richtungen das Land, und die Hauptörter werden demnächst durch Eisenbahnen miteinander verbunden sein.
Der Garten ist gross und gut gehalten, und birgt in seinem Innern ein kleines naturhistorisches Museum, das indess nichts besonderes aufzuweisen hat. Ein alter römischer Sarkophag, erst kürzlich hieher gebracht, ist die einzige Reliquie des Alterthums, die man hier aufbewahrt, obschon sonst die Gegend an Ueberresten der Phönicier, Carthager, Römer und Byzantiner überreich ist.
Durch einen glücklichen Zufall erfuhr ich, dass General Faidherbe hier stationirt war, er war es eben, der den Sarkophag hieher hatte transportiren lassen. Die Bekanntschaft dieses ausgezeichneten, so hoch um die Geographie von Afrika [2] verdienten Mannes musste also rasch gemacht werden, und ich liess mich auf das Hôtel der Subdivision, welche Hr. Faidherbe jetzt commandirte, führen. Ich brauche wohl kaum zu sagen, wie zuvorkommend ich vom General empfangen wurde, ich durfte ihn natürlich während der Stunden meines Aufenthaltes nicht mehr verlassen, und nach dem Frühstück hatte er die Güte, mich nach den sehenswerthesten Ruinen der Umgegend zu führen, hauptsächlich zu den grossen Cisternen, oder vielleicht waren es Bäder, an deren oberen Partie man dem heiligen Augustin ein hübsches Denkmal errichtet hat. General Faidherbe, der lange Zeit am Senegal Gouverneur war, theilte vollkommen meine Ansicht, dass die Neger, wenigstens die nördlich vom Aequator, ein viel besseres Naturell als die Araber hätten, und für Cultur und Civilisation weit empfänglicher als diese seien. Er hat sich hauptsächlich mit ethnographischen Studien beschäftigt und wir verdanken ihm manche wichtige Aufschlüsse über die Pullo und namentlich verschiedene Berberstämme. Herr Faidherbe war so aufmerksam, mich bis an Bord zurückzubegleiten, und so konnten wir bis zum letzten Augenblicke zusammen sein. Gastfrei, zuvorkommend und liebenswürdig, das sind Eigenschaften, welche man nirgends so sehr wie bei den Franzosen antrifft.
Die Fahrt nach Tunis ging glücklicherweise rasch von Statten, schon andern Morgens ankerten wir vor der Goletta. Nach einem Augenblick kam der Canzler des preussischen Consulats an Bord, um mich in Empfang zu nehmen; denn um nicht die Unannehmlichkeiten der Tuniser Douane durchmachen zu müssen, hatte ich von Bone aus telegraphirt und um den Consulatskavassen gebeten. Nicht nur brachte der Canzler einen Kavassen mit, sondern auf Befehl des Bei von Tunis hatte der Admiral des Hafens von Goletta eine Barke zur Disposition stellen müssen, um uns an’s Land zu rudern. Ohne weitere Formalitäten konnte also gleich das Ausbarkiren vor sich gehen, und die zehn Marine-Soldaten brachten uns rasch an’s Land. Ich bemerkte hier, dass die tunisische Flage nicht die des Sultans der Türkei ist, während dieser nämlich einen weissen Halbmond und Stern im rothen Felde führt, hat der Bei von Tunis im rothen Felde eine weisse Kugel, und darin einen rothen Halbmond und einen rothen Stern.
Gelandet, mussten wir dann dem Admiral aufwarten, und machten da zugleich die Bekanntschaft des englischen Generalconsuls, Hrn. Wood, und des französischen Viceconsuls von Goletta. In Tunis ist man schon von der Sitte des Kaffee’s und Tschibuks [c] abgekommen, eine Visite verläuft dort bei den höheren Beamten oder bei dem Bei jetzt mit derselben Steifheit wie bei uns.
Bei den Türken und namentlich in den türkischen Provinzen herrscht aber noch die gute alte Sitte einer Tasse Kaffee, und ein Tschibuk oder eine Wasserpfeife fehlen nie. Es ist dies aber nicht die einzige Umwälzung, die in Tunis vor sich gegangen. Seit der Mission des Lords Exmouth nach Tunis, und seit dem Ultimatum, welches die Grossmächte von Aachen aus am 18. Novbr. 1818 an Tunis richteten, und das im folgenden Jahre am 21. Septbr. durch die englischen und französischen Admirale Freemantle und Jurien dem Bei notificirt wurde, schaffte man zuerst die Piraterie ab. Mahmud Bei gab nach, und seit der Zeit sehen wir gewaltige Veränderungen in der Regentschaft vor sich gehen.
Es ist wahr, dass mit dem Vorfahren der jetzigen Dynastie, Hussein ben Ali, welcher am 10. Juli 1705 auf den Thron kam, eine neue Epoche im Staatsleben der Regentschaft begann; denn vorher, und dies ist wichtig zu notiren, hatten alle Regenten von Tunisien den Titel Dei geführt, während Hussein ben Ali zuerst den Titel Bei annahm. Dei nun bedeutet den nicht vollkommen unabhängigen Herrscher, während Bei, welches ausserdem einen sehr weiten Begriff hat, als Regent mit Ausschluss eines jeden andern, die Vollheit der Autorität in sich begreift. Wenn nun auch in der Reihe der Regenten, welche von Hussein-ben-Ali (der, beiläufig gesagt, der Sohn eines griechischen Renegaten war) bis auf den jetzigen Bei, Namens Sadduk, bei Zwistigkeiten, früher mit der Regierung des Deis von Algier, später mit christlichen Mächten, manchmal die hohe Pforte um Intervention angegangen wurde, ja im Kriege gegen Russland das tunisische Gouvernement es sich nicht nehmen liess, der Türkei ein Hülfsheer zu senden, so sieht man immer doch, dass die Regierung in dem Sultan der Türken nur eine Art spirituelle Suprematie erkennen, keineswegs aber von ihm abhängig sein will.
Seit dem Anfang des 18ten Jahrhunderts ist denn auch gar kein Tribut mehr nach Konstantinopel bezahlt worden, und die Nachfolge in Tunis geht ganz ohne Einmischung der Pforte vor sich. Nach Eroberung von Algerien hat keine Macht die Unabhängigkeitsgelüste von Tunis so sehr unterstützt und befördert wie Frankreich, und keine Macht hat dieselben so viel wie möglich einzuschränken gesucht als England. Ersteres Land ging dabei von dem Grundsatz aus, dass ein kleines unabhängiges Land, noch dazu nächster Nachbar, im gegebenen Augenblick leichter zu nehmen sei, als wenn ein gewisses Abhängigkeitsverhältniss zu einem andern Staat, und hier zur Pforte, bestände. Und aus eben diesem Grunde hat England die Beziehungen von Tunis zur Türkei wieder enger zu machen versucht.
Tunis, das gerne vollkommen unabhängig sein möchte, zugleich aber auch das Gefährliche einer solchen Lage Frankreich gegenüber erkannt hat, schwankte in den letzten Jahren von einer Seite zur andern, dazu kam die schreckliche Finanznoth, welche freilich noch nicht beseitigt ist.
Es scheint aber, dass jetzt die Regierung von Norddeutschland im Verein mit England und Italien den französischen Planen gewachsen ist, ohne dass Tunis genöthigt wäre, sich wieder in die Arme der Türkei zu werfen. Wenigstens wurden die letzten Anschläge der französischen Regierung in Betreff der Schuldforderung von diesen drei Mächten hintertrieben; ohne die kräftige Intervention von England, Norddeutschland und Italien wäre Tunis heute eine französische Präfectur und zwar auf ganz friedlichem Wege geworden. Wenn man aber bedenkt, wie wichtig strategisch Tunis für das mittelländische Meer gelegen ist, und was Frankreich durch den Zuwachs einer solchen Provinz gewonnen hätte, dann kann man sicher nicht genug darauf bedacht sein, eine Vergrösserung Frankreichs nach dieser Seite hin zu verhindern.
Ob je Tunis seinem Schicksal entgehen wird, einer europäischen Macht anheim zu fallen, das bezweifle ich. Eigentliche Civilisation ist hier ebenso wenig wie in Aegypten und in der Türkei, und es wird von der Nachwelt gewiss als eines der grössten Wunder betrachtet werden, dass solche Staaten im 19ten Jahrhundert vor den Thoren Europa’s haben existiren können.
Staunen wir nicht darüber, wenn wir lesen, dass im Jahr 1823 n. Chr. in Tunis es fast zum Bruch mit der englischen Regierung gekommen wäre, weil die Juden anfingen, sich europäisch zu kleiden und namentlich sich des Hutes bedienten, ja im selben Jahre für dasselbe Verbrechen, d.h. einen schwarzen Cylinder getragen zu haben, zwei Juden in Tunis die Bastonade bekamen und nur mit Mühe durch Hrn. Nylsen, dem holländischen Consul, welcher derzeit Toscana vertrat, ihre Freilassung erlangten. Aber solche Sachen passiren noch alle Tage, wenn auch nicht so eclatant und öffentlich.
Zwei Wagen, die Hr. Tulin, schwedischer General-Consul und preussischer Agent, herausgeschickt, brachten uns in anderthalb Stunden von der Goletta nach Tunis selbst. Der Weg war, da es seit Tagen geregnet hatte, entsetzlich, und je näher wir der Stadt kamen, desto bodenloser wurde er. In der Stadt selbst waren denn die Strassen auch ganz ein Schmutzmeer; es war, als hätte man sie mit Chocolade einen halben Fuss hoch begossen. Eine mohammedanische Stadt kann ich mir nun einmal nicht ohne Schmutz denken, und es würde mir selbst befremdend vorgekommen sein, wenn dem nicht so gewesen wäre; mich amüsirte nur mein Berliner Photograph, der fortwährend ausrief, dass es unter den Linden doch ganz anders sei. Damit man durch diese Schmutzüberschwemmung zu Fuss hindurchkommen kann, hat die europäische Colonie in Tunis ein eigenes Schuhwerk erfinden müssen, hohe Holzschuhe, welche auf noch höheren eisernen Ringen ruhen, und die man mit Lederriemen unter sein Schuhwerk bindet.
Leider sollte es mir nur vergönnt sein, in Tunis eine Nacht zu bleiben, denn die Fahrten der Dampfer waren der Art eingerichtet, dass ich ohne einen Verzug von zehn Tagen den am folgenden nach Malta abfahrenden nicht versäumen durfte. Ich machte indess hier die interessante Bekanntschaft des Herrn von Maltzan, welcher sich Studien halber für längere Zeit in Tunis aufhielt.
Baron von Maltzan, schon seit Jahren an der Nordküste von Afrika und in Arabien heimisch, ein poetisches Gemüth, was seinen Reisebeschreibungen allerdings einen eigenen Reiz verleiht, andererseits aber auch eben der poetischen Auffassung wegen Abbruch thut, hat der Wissenschaft einen grossen Dienst gethan durch Veröffentlichung seines Werkes über Sardinien. Offenbar einer der besten Kenner der phönicischen Sprache und Alterthümer, hat Niemand in Deutschland so sehr auf den Reichthum, den Sardinien in dieser Hinsicht birgt, aufmerksam gemacht, wie Maltzan.
Zu gleichem Zwecke hielt er sich in Tunis auf; bot doch die Stätte des alten Carthago eine wahre Fundgrube für unseren gelehrten Phönicier. Zudem hatte er entdeckt, dass der Sohn des Chasnadar ein ganzes Museum phönicischer Alterthümer besässe mit kostbaren Inschriften. Nach vielen Schwierigkeiten gelang es Hrn. von Maltzan, Einsicht dieses Museums zu bekommen, aber alle seine Bemühungen, Photographieen der interessanten und wichtigen Inschriften machen zu dürfen, sind bis jetzt gescheitert.
Die Bevölkerung von Tunis machte indess einen ebenso peinlichen Eindruck, wie die der algerischen Provinz, man sah, dass Cholera und Hungertyphus hier gewüthet hatten. Dazu die grösste Insolvenz der Regierung, alle Beamten von oben bis unten, das ganze Heer und die Marine hatten seit zwei Jahren keinen Lohn erhalten. Diese Thatsachen sprechen laut genug, wie es um den tunisischen Staat bestellt ist. Möge die Finanzcommission, zusammengesetzt aus Norddeutschland, England, Frankreich und Italien, von der man jetzt Rettung und baldiges Eintreffen erwartet, nicht lange auf sich warten lassen.
Der Rückweg nach Goletta und die Einschiffung ging auf dieselbe Weise von Statten, nur dass wir diesmal an Bord eines Dampfers kamen, der gerade doppelten Tonnengehalt hatte, wie die Germania, welche so eben die erste deutsche Nordpolfahrt zurückgelegt hat.
Man kann sich denken, wie wir an Bord dieser Nussschaale herumgeworfen wurden, aber wir hatten einen englischen Capitän, der Rio-Janeiro, Canton, Danzig, Stettin und andere Häfen gesehen hatte, also ein alter Seelöwe war; und trotz eines Sturmes, welcher auf dem Mittelmeere gar nicht spasshaft ist, kamen wir gut über.
Aber wie sah es oft in der engen Cajüte aus! Der alte Capitain hatte nämlich das Steckenpferd, sich eine ganze Menagerie an Bord zu halten, diese bestand aus seiner Frau, vielen Hunden, Katzen, Hühnern, Vögeln, Enten und anderen Vier- und Zweifüsslern. Das Sonderbarste war, dass alle Thiere einen Namen hatten — da war ein Neufundländer Nelson, eine schlaue Katze, die Napoleon hiess, andere Thiere Wellington, Blücher, Malborough etc.; bitter beklagte indess der alte Capitän, dass Bismarck desertirt sei.
Ich konnte Bismarck das nun gar nicht verdenken, denn wenn bei einem besonders starken Wellenschlage alle diese Thiere mit Bänken und Schüsseln in der Cajüte umhertanzten, gehörten mehr als starke Nerven dazu, um es auszuhalten. Abends 8 Uhr am 28.November warfen wir Anker im Hafen von La Valetta, und waren einige Augenblicke später wieder auf europäischem Grund und Boden.
[1]Präfect von Paris.
[2]General Faidherbe ist Ehrenmitglied fast aller geographischen Gesellschaften, auch unserer Berliner.
[a]Zündnadelgewehr - seit 1827 von Johann Nikolaus von Dreyse in Sömmerda entwickeltes Hinterladergewehr für Papierpatronen, die das Geschoss, die Treibladung und die Zündladung enthielten. Das Dreyse’sche Zündnadelgewehr war das erste für die Massenproduktion und den militärischen Gebrauch taugliche Hinterladergewehr. Es wurde u.a. von 1848 bis 1876 in der preußischen Armee verwendet, die Überlegenheit über das französische Chassepot-Gewehr trug zum deutschen Sieg im Krieg gegen Frankreich 1870/71 bei.
[b]Chronometer - besonders genau (und mit definierter Abweichung) gehende Uhren, die u.a. für Navigation und Ortsbestimmung erforderlich sind.
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