Günter Frenssen - Peters Moors fahrt nach Südwest - Thomas Rohwer - E-Book

Günter Frenssen - Peters Moors fahrt nach Südwest E-Book

Thomas Rohwer

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Beschreibung

1906 veröffentlichte der deutsche Schriftsteller Gustav Frenssen sein Buch »Peter Moors Fahrt nach Südwest«. Was wie der reale Erlebnisbericht eines Soldaten des »Seebataillons« aus Kiel während des Herero-Krieges 1904 im sogenannten »Schutzgebiet« Deutsch-Südwest-Afrika aussieht, aufgezeichnet von einem Autor in der Heimat nach der Rückkehr des Kriegsteilnehmers, ist in Wirklichkeit Fiktion. Fiktion, die allerdings auf den tatsächlichen Erlebnissen mehrerer Kriegsteilnehmer beruht, vom Generalarzt bis zum einfachen Soldaten. Gustav Frenssen (1863-1945), anfangs ein typischer Nationalkonservativer seiner Zeit, der in der Kaiserzeit als Autor höchst populär war und sogar für den Literaturnobelpreis vorgeschlagen wurde, machte in den Jahren nach 1933 unrühmliche Karriere, unter anderem als Funktionär der Reichsschriftumskammer der NS-Diktatur. Trotz aller politischen Verirrungen im letzten Drittel seines Lebens ist Frenssens Buch ein höchst lesenswertes Dokument der Zeitgeschichte des Kolonialismus des Deutschen Kaiserreichs. Vollständige editierte Neuausgabe des Originals von 1906, mit ergänzenden Texten, Abbildungen, Karten und Anmerkungen.

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Gustav Frenssen

 

Peter Moors Fahrt nach Südwest

 

Editiert und neu herausgegeben von

Thomas F.Rohwer

 

 

 

Die Maritime Bibliothek

Selbstverlag T.Rohwer

Unterjörn 77

D-24536 Neumünster

www.maritime-bibliothek.de

© 2021 Thomas F. Rohwer

Alle Rechte vorbehalten.

 

 

 

 

Vorwort des Herausgebers

 

Aus heutiger Sicht betrachtet, zumal in Zeiten der “Cancel-Culture” und der Idee, historische Ereignisse wie auch historische Texte ausschließlich aus heutiger, aktueller Perspektive zu bewerten, mag die Idee ungewöhnlich erscheinen, einen Text wie Peter Moors Fahrt nach Südwest neu herauszugeben.

Das gilt umso mehr, als der Autor dieses fiktiven Tatsachenberichtes heute als Parteigänger der Nationalsozialisten einsortiert wird - und das zweifellos völlig zu recht.

Kann man also ein Werk, ein Buch von der Person seines Autors trennen? Selbstverständlich kann man das, denn der literarische oder sonstige Wert eines Buches ändert sich ja nicht dadurch, daß die Person des Autors nunmehr anders bewertet wird. Über den Autor Gustav Frenssen kann sich der Leser in der kurzen Biographie einen Eindruck verschaffen, die dieser Neuausgabe beigefügt ist. Frenssen kann spätestens seit 1932 oder 1933 als überzeugter Nazi eingestuft werden, vielleicht sogar schon seit den 1920er Jahren. 1906, als er Peter Moors Fahrt nach Südwest schrieb, war er es nicht. In jener Zeit war er ein typischer nationalistischer Untertan des Deutschen Kaiserreichs.

Das Buch selbst verblüfft den Leser. Wer um die genaueren Umstände seiner Entstehung nicht weiß, wird es unweigerlich für eine echte, authentische und persönliche Schilderung der Kriegserlebnisse eines einfachen Soldaten während des Herero-Krieges im “Schutzgebiet” Deutsch-Südwest-Afrika halten.

Es ist in der “Ich-Form” verfasst, es trifft die Sprache und die Denkweise, wie man sie sich für den Sohn eines Schmiedemeisters aus Itzehoe der Zeit der Jahrhundertwende um 1900 vorstellt. Die Kriegserlebnisse sind in keiner Weise geschönt, die Beschreibung ist realistisch bis zur Brutalität, auch findet sich keine Kriegsverherrlichung oder Romantisierung, wie es für viele Bücher dieser Art aus dieser Zeit so typisch ist.

Allein - “Peter Moor” hat es nie gegeben, und sein Erfinder Gustav Frenssen hat nicht am Herero-Krieg teilgenommen, er war nie in Afrika, er war auch überhaupt niemals Soldat, nicht einmal als Wehrpflichtiger im Kaiserreich. Das blieb ihm als studiertem Theologen und Pfarrer erspart. Als Frenssen den “Peter Moor” erfand, war er allerdings bereits so bekannt und angesehen als Schriftsteller, daß er lange Unterhaltungen mit einer Reihe von Teilnehmern des Krieges führen konnte, vom Generalarzt bis zum kleinen Unteroffizier. Und ganz offensichtlich war er in der Lage, die ihm geschilderten Kriegserlebnisse so aufzugreifen, daß er einen realistischer erscheinenden Kriegsbericht verfassen konnte als so manche Autoren, die diesen oder einen anderen Krieg tatsächlich mitgemacht hatten.

Peter Moors Fahrt nach Südwest kann insofern also auch heute noch als eine sehr eindrückliche Schilderung des grausamen Krieges in Südwest-Afrika gelesen werden. Liest man das Buch kritisch, kommt das kaiserlich-deutsche Militär dabei nicht allzu gut weg - die Idee, mit ein paar hundert Soldaten gegen eine feindliche Streitmacht mit fünfstelliger Zahl zu kämpfen, kann schon als etwas größenwahnsinnig bezeichnet werden, und hat dann ja auch entsprechende Verluste zur Folge gehabt.

Der Krieg der deutschen Kolonialmacht und ihrer einheimischen Verbündeten gegen das Volk der Hereros wird heute, völlig zu recht, als Völkermord angesehen, denn aus dem Versuch, einen Aufstand niederzuschlagen, wurde die Absicht, ein ganzes Volk samt Frauen und Kindern in die Wüste zu treiben und dort verhungern und verdursten zu lassen. Bemerkenswert ist, und auch das macht die Lektüre von Peter Moors Fahrt nach Südwest so interessant, dabei der Umstand, daß diese historische Schlussfolgerung und moralische Bewertung schon 1906 beim Erscheinen des Buches eigentlich zwingend war, denn Frenssen lässt seine Hauptfigur “Peter Moor” genau dies erleben und auch mitmachen: die Ermordung der einheimischen Bevölkerung in dieser deutschen Kolonie.

Ebenso bemerkenswert sind auch einige Dialoge zwischen den erfundenen Figuren mit ihren realen Vorbildern, die darum gehen, ob es mit der christlichen Überzeugung und dem christlichen Verständnis von Brüderlichkeit vereinbar sei, andere Menschen zu Sklaven zu machen. Frenssens Buch ist eine Abenteuergeschichte, keine politische oder gar moralisch-ethische Abhandlung, aber wer das Buch liest, wird mit all diesen Fragen direkt und unverblümt konfrontiert. Und das war 1906 beim Erscheinen des Buches schon genauso, wie es heute bei der Lektüre ist.

T.F.R.

 

 

 

Hinweise zur Editierung

 

Wie auch bei allen anderen in der Maritimen Bibliothek neu herausgegebenen Werken der historischen Marine-, Militär- und Expeditions-Literatur wurde die zugrunde liegende Originalausgabe sorgfältig editiert und von der ursprünglichen Ausgabe in Fraktur-Schrift in ein modernes, für den heutigen Leser besser und leichter lesbares Satzbild überführt.

Der Neuausgabe liegen in diesem Fall zwei verschiedene digitalisierte Originalausgaben aus der Zeit vom Beginn des 20.Jahrhunderts zugrunde. Dies wurde nötig, weil sich bei der Editierung herausstellte, daß eine der Ausgaben offenkundig erheblich gekürzt worden ist, teilweise ist dies vermerkt, teilweise auch nicht.

Zum einen handelt es sich um die 1914 bei Henry Holt and Company, New York, erschienene ins Englische übersetzte Ausgabe (Herman Bason M.A. Ph.D., Professor of German, Purdue University), aus dem Bestand der University of California.[1] Zum anderen liegt eine bereits von anderer Hand digitalisierte Ausgabe der deutschen Ausgabe von 1907 zugrunde, erschienen in der G.Grote’schen Verlagsbuchhandlung Berlin.

Aus diesen beiden Vorlagen wurde die Gesamtausgabe extrahiert, die nach Einschätzung des Herausgebers als vollständige Originalausgabe angesehen werden kann.

Wie üblich bei den Neuausgaben der Maritimen Bibliothek wurde die ursprüngliche Schreibweise unverändert übernommen. Nur offensichtliche Setz- bzw. Druckfehler wurden korrigiert.

Zum leichteren Verständnis für den Leser wurde einigen Kapiteln eine Reihe von erläuternden Fußnoten hinzugefügt. Das Original selbst hat keinerlei Fußnoten.

Abgesehen von zwei Illustrationen und einer Landkarte aus der Originalausgabe, die entsprechend vermerkt sind, handelt es sich bei den Abbildungen in dieser Neuausgabe um zeitgenössische Illustrationen sowie eine Karte der Kolonien und unabhängigen Staaten Afrikas um 1900 aus dem Archiv des Herausgebers.

 

[1] Es handelt sich dabei um eine zweisprachige Ausgabe, die eine ins englische übersetzte und die gekürzte deutsche Originalausgabe enthält.

“Deutsch-Südwest-Afrika”

 

Das “Schutzgebiet Deutsch-Südwestafrika” war von 1884 bis 1915 deutsche Kolonie auf dem Gebiet des heutigen Staates Namibia. Mit einer Fläche von 835.100 km² war es ungefähr anderthalbmal so groß wie das damalige Deutsche Kaiserreich. Deutsch-Südwestafrika war die einzige der deutschen Kolonien, in der sich eine nennenswerte Anzahl deutscher Siedler niederließ.

Die traditionelle Landwirtschaft zu Beginn der deutschen Kolonialzeit basierte auf dem Sammeln von Naras (einem Kürbisgewächs) und Gummi arabicum sowie den Anbau von Mais, Weizen, Tabak, Kürbisse und Melonen, vor allem durch das Volk der Ovambos. Handel wurde vor allem mit Guano, Fellen, Elfenbein und Hörnern betrieben. Die ersten Missionare bauten auch Gemüse, Obst und Weintrauben an. Die ersten deutschen Siedler beschäftigten sich hauptsächlich mit der Viehwirtschaft. Die Zahl der gehaltenen Rinder stieg von rund 121.000 im Jahre 1910 auf 205.000 drei Jahre später.

Im Süden entwickelte sich eine Wollschaf- und Ziegenzucht. Ziegen und Schafe waren im Lande seit jeher weit verbreitet und lieferten in erster Linie Fleisch. Europäische Züchter experimentierten mit Merino- und Karakulschafen, deren Zahl rasch anwuchs. Von den 135.500 km² landwirtschaftlicher Nutzfläche waren 1913 nur 56 km² bebaut – meist mit Mais, Kartoffeln oder Kürbissen. Der geplante Ausbau bewässerter Flächen fand kriegsbedingt (durch den Ersten Weltkrieg ) nicht mehr statt.

Bereits vor dem Fund von Diamanten wurden in Deutsch-Südwestafrika Bodenschätze nachgewiesen. Die früh gehegte Hoffnung auf abbauwürdige Goldvorkommen erfüllte sich jedoch nicht. Stattdessen stand der Abbau von Kupfererzen nach den Diamanten an zweiter Stelle. Kupfer wurde vor allem bei Tsumeb und Otavi sowie am Khan-Rivier gefördert. In der Umgebung von Karibib wurde ein Marmorwerk errichtet und Marmor zur Verschiffung nach Deutschland vorbereitet.

 

Laut Deutschem Kolonial-Handbuch gab es folgende Bevölkerungszahlen

zur Jahrhundertwende (1900):

Hottentotten ca. 1.800

Orlam ca. 2.000

Baster 1000–1200

Bergdama 35.000

Herero 65.000

Ovambo 60.000

Deutsche und andere Europäer 3338 (im Jahr 1900)

 

Auf den Farmen wurden eingeborene Arbeitskräfte angeworben, die meist aus dem Ovamboland stammten, wobei diejenigen Landwirte, die ihre einheimischen Arbeitskräfte schlecht behandelten, oft Schwierigkeiten bei der Rekrutierung hatten. Hereros und Buschmänner waren für Arbeit im Sinne der Kolonisten kaum einsetzbar. Die Maßregeln zur Kontrolle der Eingeborenen von 1907 (Gouvernementsverordnung Nr. 82 vom 18. Aug. 1907 gegen das “Vagabundieren”, das die nomadischen Völker natürlich stark betraf) brachten zahlreiche Eingeborene dazu, lohnabhängige Beschäftigungen anzunehmen.

Der Bau der ersten, in einer Spurweite von 600 Millimetern angelegten Bahnstrecke Swakopmund–Windhoek begann 1897. Die bislang ausschließlich verfügbaren Ochsenwagen waren schon länger als unzureichend kritisiert worden, der Ausbruch der Rinderpest brachte dann 1897 das Transportwesen zum Zusammenbruch. Die vollständige Strecke wurde am 19.Juli 1902 eröffnet. Ab 1903 baute die Otavi Minen- und Eisenbahn-Gesellschaft (OMEG) mit der Otavibahn ebenfalls eine Strecke ab Swakopmund, die bis Kranzberg parallel zur staatlichen Strecke nach Windhuk verlief. In Otavi verzweigte sich die Strecke nach den Endpunkten Tsumeb und Grootfontein. Mit der Strecke erschloss die OMEG die ergiebigen Kupferlagerstätten rund um Otavi.

Das durchschnittliche Klima in “Deutsch-Südwest-Afrika” war heiß und trocken, das weitestgehend aride Klima ist subtropisch kontinental. Dabei gibt es große Unterschiede zwischen den einzelnen Landesteilen. Aufgrund der besonderen klimatischen Verhältnisse ist eine landwirtschaftliche Nutzung des Landes nur in beschränktem Maße möglich: im Hochland vor allem Viehzucht (im Norden eher Rinder, im Süden eher Schafe und Ziegen), im relativ regenreichen Norden auch Ackerbau.

In der Namib westlich der Abbruchstufe bleiben Niederschläge äußerst selten Selbst im Winter erreichen die Temperaturen oft 25°C und mehr. In den heißesten Sommermonaten Dezember und Januar liegen die Temperaturen meist deutlich über 30°C, während sie in den kältesten Monaten, Juli und August, nachts bis zum Gefrierpunkt sinken können, tagsüber dann aber wieder auf rund 25°C steigen. Morgens und abends ist besonders im Winter mit Temperatursprüngen von mehr als 20°C innerhalb weniger Stunden zu rechnen. Im Binnenhochland kann es wegen der großen Höhe nachts sogar Frost und in ganz seltenen Jahren auch Schneefälle geben. In der Kalahari verhält es sich ähnlich wie in der Namib. Die Niederschläge sind dort etwas häufiger, aber immer noch wüstentypisch selten.

Das Seebataillon der Kaiserlichen Marine

 

 

Die Geschichte der sogenannten “Seebataillone” der Kaiserlichen Marine reicht bis ins 17.Jahrhundert zurück. Die kurbrandenburgische Marine verfügte seit 1684 über ein eigenes “Marinier-Corps”, also eine Marineinfanterie, die fast so alt ist wie die erstmals 1664 aufgestellten englischen “Royal Marines”. Das “Marinier-Corps” bestand noch noch über die Auflösung der brandenburgischen Marine hinaus bis 1721. Erst 1744 wurde es durch Umwandlung in das Garnisons-Bataillon Nummer 12 zu einer Heereseinheit.

Im Zuge des Wiederaufbaus der Preußischen Marine wurde im Januar 1850 in Stettin ein Königlich Preußisches Marinierkorps (auch Marinir-Korps) aufgestellt. Ein Zug dieses Bataillons nahm am Gefecht von Tres Forcas in Marokko am 7.August 1856 teil. Die Einheiten wurden an Land und an Bord eingesetzt.

Zusammen mit der Preußischen Marine wurde das Seebataillon 1867 zunächst Teil der Marine des Norddeutschen Bundes. 1870 hatte das Seebataillon eine Stärke von fünf Kompanien mit 22 Offizieren und 680 Unteroffizieren und Mannschaften, Standort des Bataillonsstabs war Kiel.

Nach Gründung der Kaiserliche Marine im Zuge der Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871 wurde das Seebataillon um eine sechste Kompanie verstärkt. Am 1.Oktober 1886 wurde das Seebataillon geteilt, Stab und I.Halbbataillon blieben in Kiel, während das II.Halbbataillon nach Wilhelmshaven verlegt wurde. Am 12.März 1889 wurden die beiden Halbbataillone dann in eigenständige Seebataillone zu vier Kompanien umgewandelt. Am 3.Dezember 1897 wurde ein drittes Seebataillon im Marinestützpunkt Cuxhaven aus der 1. und 2.Kompanie des I.Seebataillons und der 3. und 4. Kompanie des II.Seebataillons aufgestellt und zum Schutz des Deutschen Pachtgebiets Kiautschou nach Tsingtau verlegt.

Die Offiziere der Marineinfanterie ergänzten sich seit 1866 nur noch aus der Armee, wohin sie nach ihrer Dienstzeit (üblicherweise zwei Jahre) wieder zurückkehrten. Die Unteroffiziere kamen zum Teil aus Armee-, zum Teil aber auch aus verschiedenen Marinelaufbahnen.

Die Marineinfanterie der Kaiserlichen Marine diente hauptsächlich der Verteidigung der Reichskriegshäfen, wurde jedoch im 19.Jahrhundert aus Mangel an seemännischem Personal auch an Bord der Panzerschiffe eingesetzt. Die “Seesoldaten” wurden überwiegend zum Wachdienst und als Geschützbedienung herangezogen.

Seit 1895 wurden die Soldaten der Seebataillone nicht mehr an Bord von Kriegsschiffen eingesetzt, sondern als Interventionstruppe in den Kolonien. 1894 wurde eine Kompanie aufgrund des Dahomey-Aufstands nach Kamerun entsandt, 1904 ging während des Aufstands der Herero und Nama ein Verband in Bataillonsstärke zur Unterstützung der Schutztruppe nach Deutsch-Südwestafrika. 1905-1906 unterstützte ein Detachement der Marineinfanterie die kaiserliche Schutztruppe während des Maji-Maji-Aufstands in Deutsch-Ostafrika. Bei der Intervention während des “Boxer-Aufstandes” in China 1900-1901 wurden das I. und II.Seebataillon mit Verstärkung durch eine Pionierkompanie und eine Feldbatterie als Marine-Expeditionskorps nach Ostasien entsandt.

Im Ersten Weltkrieg wuchsen die Marine-Infanterie-Truppen schließlich bis zu einer Stärke von drei Divisionen an, die an der Flandern-Front an der belgischen Nordseeküste eingesetzt wurden.

 

 

 

Der Herero-Krieg

 

 

In den Jahren nach 1830, also lange vor der Kolonialisierung Südwestafrikas, war die Volksgruppe der Nama von dem nach neuem Weideland suchenden, nomadisierenden Hirtenvolk der Herero immer stärker bedrängt worden. Mit Hilfe der neuzeitlich bewaffneten Orlam-Afrikaner unter deren Kaptein Jonker Afrikaner konnten die Nama ihre Stammesgebiete verteidigen und waren mit ihren Verbündeten nach Norden gezogen. Es begann nun zwischen den Nama und den Herero ein Jahrzehnte anhaltender Raub- und Verteidigungskrieg. Jonker und seine Orlam-Afrikaner stießen bis in das zentrale Stammesgebiet der Herero bei Okahandja vor und töteten dort eine große Zahl von Hereros.

Das Ende des Vormarsches der Orlam-Afrikaner und der Nama wurde in drei Schlachten 1863 und 1864 in Otjimbingwe besiegelt. Dort gelang es den Hereros mit Hilfe des schwedischen Abenteurers Karl Johan Andersson, der aus Herero-Kriegern eine Armee gebildet und sie mit modernen Feuerwaffen und zwei Feldgeschützen ausgerüstet hatte, ihre Feinde entscheidend zu schlagen.

Nach einer zehnjährigen Friedenspause begannen die landesweiten Angriffe und Plünderungen durch die Nama unter ihrem Kaptein (Häuptling) Hendrik Witbooi erneut. Auch der inzwischen stationierten, zahlenmäßig unterlegenen deutschen Schutztruppe gelang es nicht, die Hereros zu schützen und den Kampf der Nama zu beenden, weshalb die Hereros aus Protest für kurze Zeit ihre Schutzverträge mit den Deutschen wieder aufkündigten. Erst als die Schutztruppe mehrfach verstärkt worden war, gelang es dem kommandierenden Offizier, Major Theodor Leutwein, 1894 die Nama zu unterwerfen. Das führte zunächst zu einer Freundschaft zwischen dem deutschen Kommandeur Leutwein und Samuel Maharero, dem neuen Kaptein der Ovahereros.

Diese Freundschaft konnte allerdings nicht zu einem auf Dauer tragfähigen allgemeinen Bündnis zwischen den deutschen Kolonialherren und den Hereros ausgebaut werden. Zwei Hauptgründe führten schließlich zu einem allgemeinen Aufstand des Volkes der Hereros. Zum einen beanspruchten die deutschen Siedler immer größere Teile des Landes für sich, was vor allem auch daran lag, daß Klima und Bodenbeschaffenheit nur eine sehr extensive Landwirtschaft zuließen. Zum anderen machten sich zunehmend eine rassistische Einstellung der deutschen Siedler und der Kolonialverwaltung gegenüber den Hereros und Nama bemerkbar.

Wirtschaftliche Lebensgrundlage der Hereros war traditionell die Rinderzucht. Nachdem es 1897 zum Ausbruch einer Rinderpest kam, wurden die Herden der Hereros stark dezimiert. Gleichzeitig kam es zu einer immer stärker werdenden Aneignung des Landes, insbesondere wertvoller Weidegründe durch die deutschen Siedler, und zu Betrügereien, durch die die deutschen Siedler sich in den Besitz der Rinder bringen wollten. Beides machte den Hereros stark zu schaffen.

Durch die daraus folgende Verarmung waren viele Hereros gezwungen, Lohnarbeit auf deutschen Farmen anzunehmen. Hereros, die noch Vieh besaßen, gerieten immer öfter in Konflikte mit den Deutschen, wenn sie ihr Vieh auf nunmehr von Siedlern beanspruchtem Land weiden ließen. Dies erregte den Zorn der Siedler, die die Hirten oft gewaltsam vertreiben ließen.

Ab der Legislaturperiode 1893/1894 hatte sich der Reichstag mit der Grund- und Bodenfrage der Hereros und Nama im deutschen “Schutzgebiet” befasst. 1897 wurde unter Mitwirkung der Rheinischen Mission ein für die Nama zu reservierendes Territorium in einer Größe von 120.000 Hektar vertraglich geregelt.

Neben dem existenzbedrohenden Verlust immer größerer Weidegebiete war es die rassistische Diskriminierung der Hereros, die als Auslöser für den Aufstand wirkte. So förderte die bis zum Verbot 1902 lange Jahre geübte Kreditvergabepraxis der deutschen Kaufleute den Unmut der Hereros, nach der die Kapteins für die Schulden ihrer Stammesmitglieder aufkommen sollten.

Andere Konflikte kamen hinzu. Im Juli 1900 sprachen sich zum Beispiel 75 Bürger der südwestafrikanischen Stadt Windhuk in einer Eingabe an die Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes gegen die Abschaffung der Prügelstrafe mit den Worten aus: “Für Milde und Nachsicht hat der Eingeborene auf die Dauer kein Verständnis: er sieht nur Schwäche darin und wird infolgedessen anmaßend und frech gegen den Weißen, dem er doch nun einmal gehorchen lernen muss, denn er steht geistig und moralisch doch so tief unter ihm.” Die rassistische Gesinnung hinter solchen Forderungen ist offenkundig.

Diverse Fälle von Vergewaltigung und Mord von Siedlern gegenüber den Hereros, die nur milde oder überhaupt nicht geahndet wurden, verstärkten die Spannungen weiter.

Um ihre Herrschaft zu sichern, versuchten die deutschen Kolonialbehörden, die Zufuhr von Waffen ins Land zu unterbinden, um so die Kampfkraft der Einheimischen zu verringern. Das stieß allerdings auf entschiedenen Widerstand bei den Betroffenen, die sich generell nicht in das immer weiter ausgebaute deutsche Ordnungs- und Registrierungssystem einzwängen lassen wollten.

So entwickelte sich aus dem Zähl- und Registrierungsvorhaben der Kolonialverwaltung bei den Bondelswart-Nama in Warmbad im Oktober 1903 eine kaum geplante, aber dennoch heftige militärische Auseinandersetzung, die sich bis über das Jahresende hinzog und erst nach Einsatz von Verstärkungstruppen aus dem Norden des Landes am 27.Januar 1904 mit einem Sieg der Deutschen beendet werden konnte.

Dadurch aber war das Zentrum des Landes ohne ausreichende militärische Sicherung, was es der Verwaltung in Windhuk unmöglich machte, auf die Anfänge des von Okahandja im Landesinneren ausgehenden Herero-Aufstandes vom Januar 1904 mit ausreichender Stärke zu reagieren.

Unmittelbar vor dem Aufstand sammelten sich die Hereros in der Region Waterberg, offiziell wegen anhaltender Erbschaftsstreitigkeiten um den Tod des bedeutenden Waterberg-Hererokapteins Kaonjonia Kambazembi (1843–1903). Die Deutschen bemerkten bald, daß die Hereros in den letzten Wochen vor dem Aufstand verstärkt Vorräte und anderes aufkauften.

Am 11. oder um den 20.Januar 1904 verabschiedete Samuel Maharero in Osona den Befehl zum Aufstand, mit folgender Resolution als Zusatz:

“An alle Großleute meines Landes. Ich bin Samuel Maharero, Oberhäuptling der Hereros. Ich habe einen Befehl an all meine Leute angefertigt, dass sie nicht weiter ihre Hände legen sollen an folgende: Engländer, Bastards, Bergdamara, Nama, Buren. Alle diese rühren wir nicht an. Tut dies nicht! Ich habe einen Eid geschworen, dass dieser Beschluss nicht bekannt werden darf, auch nicht den Missionaren.”

Häuptling Daniel Kariko sagte später aus, dass die Hererogroßleute auch vereinbarten, alle deutschen Frauen und Kinder sowie Missionare und ihre Familien zu verschonen.

Die Verschonungsbefehle Mahareros und der Großleute wurden bis auf wenige Ausnahmen beachtet und Frauen und Kinder, die aufgegriffen wurden, zu deutschen Siedlungen geleitet. Dort waren sie willkommene (weil einzig präzise) Informationsquellen für den deutschen Stab. Die deutschen Männer wurden allerdings unterschiedslos ermordet.

Militärisch war die Lage für die deutsche Kolonialverwaltung zunächst prekär. Rund 8000 Hereros standen zunächst einer nur etwa 2000 Mann starken Schutztruppe gegenüber. In ihren Planungen hatten die Aufständischen jedoch die Fähigkeit des Deutschen Reiches unterschätzt, größere Truppenkontingente in nur kurzer Zeit über See nach Afrika zu verlegen. Nachdem dies erkannt worden war, gab es für die Hereros militärisch nur noch die Möglichkeit, die Deutschen zu besiegen, bevor diese wesentliche Verstärkungen erhalten konnten.

Am 17.Januar erging der Befehl zur Mobilmachung eines “Marine-Expeditionskorps”. Auf diese Truppe bezieht sich auch Frenssens Roman Peter Moors Fahrt nach Südwest.

Das Expeditionskorps war zusammengesetzt aus einem Marineinfanterie-Bataillon (“Seebataillon”) mit vier Kompanien, einer Maschinenkanonenabteilung, einer Sanitätsabteilung und einem Proviant- und Materialdepot. Die Gesamtstärke betrug 30 Offiziere, 648 Unteroffiziere und Seesoldaten sowie 25 Pferde. Es ist leicht zu erkennen, daß auch diese Truppe an der deutlichen zahlenmäßigen Unterlegenheit der deutschen Kräfte gegenüber denen der Hereros nichts ändern konnte.

Als weitere Verstärkung wurde eine Einheit aus 22 Offizieren und 516 Soldaten aufgestellt, die sich aus tropentauglichen Offizieren und Soldaten aus allen deutschen Armeen (Preußen, Bayern usw.) zusammensetzte. Aus der Kolonie selbst wurden 1141 Reservisten, Landwehrangehörige und Freiwillige aufgebauten. Zusätzlich konnte noch die Unterstützung der einheimischen Baster, Witboois und Bethanien-Nama gewonnen worden.

Das nach Schätzung des Missionars Johann Jakob Irle kurz vor dem Krieg knapp 80.000 Menschen zählende Volk der Hereros konnte etwa 5000 bis 7000 Soldaten aufbieten. Die erfolgreiche Verteidigung aller größeren Stationen wie Okahandja und Omaruru und deren Entsetzung aus eigener Kraft war daher für die Deutschen von kriegsentscheidender Bedeutung.

Der deutsche Gouverneur Theodor Leutwein, der bis zu seiner Ablösung durch Generalleutnant von Trotha im Juli 1904 auch Kommandeur der Schutztruppe war, war sich der begrenzten eigenen Möglichkeiten und der Schwierigkeiten für die deutschen Truppen in dem nahezu unerschlossenen Land bewusst. Leutwein plante, möglichst zu einer politischen Lösung des Konflikts zu kommen.

Optimistische deutsche Meldungen sprachen anfangs von einer nur lokalen Erhebung der Hererobevölkerung. Doch dagegen sprach der oben aufgeführte Befehl von Samuel Maharero an alle Hereroführer. Bereits am 12.Januar 1904 umzingelten sie unter seinem Oberbefehl Okahandja, zerstörten die Eisenbahnbrücke bei Osona (Bahnstrecke Swakopmund–Windhoek) und kappten die wichtige Telegrafenverbindung in die Landeshauptstadt Windhuk.

Danach versuchte Samuel Maharero, die Baster unter Kaptein Hermanus van Wyk und die Nama unter Kaptein Witbooi in den Kampf einzubeziehen, was jedoch fehlschlug.

Es wurde von Seiten der Deutschen spekuliert, ob die ganz im Norden Südwestafrikas siedelnden Ovambo ebenfalls aufgerufen worden waren, in den Aufstand einzugreifen. Doch nur eine einzige Volksgruppe nördlich der Etoscha-Salzpfanne wagte mit rund 500 gut bewaffneten Kriegern am 28.Januar den Angriff auf das deutsche Fort Namutoni, das nur eine Notbesatzung von sieben Mann hatte, da die dort liegende Einheit bereits Richtung Süden zu den aufständischen Hereros abgezogen war. Nachdem sich die eingeschlossenen Deutschen ohne Verluste verteidigt hatten und rund 60 Angreifer tot waren, zogen sich die Ovambo zurück.

Erste Opfer des Krieges waren deutsche Siedler. Die Hereros brannten deren Höfe nieder und töteten meistens die Männer. Den Kriegern kam zugute, dass sich der Hauptteil der deutschen Schutztruppe und Gouverneur Leutwein im Süden befanden, um einen lokalen Aufstand der Bondelzwart niederzuschlagen. Dadurch befanden sich nur schwache deutsche Kräfte im Kampfgebiet.

Neben Angriffen auf Farmen wurden die ersten Schläge der Hereros gegen Depots, Eisenbahnlinien und Handelsstationen geführt. Dabei wurden rund 140 Deutsche getötet. An fast allen Orten wurde den deutschen Frauen und Kindern freies Geleit zur nächsten Schutzstation gewährt. Trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit der Deutschen – im Aufstandsgebiet lagen nur zwei Ersatzkompanien – gelang es ihnen, die Städte und letztendlich auch die Telegraphenlinie zu halten.

Strategisch wichtig für die Deutschen in dieser ersten Kriegsphase war ein schon am 12.Januar aus Swakopmund abgefahrener improvisierter Panzerzug unter dem Befehl des Kommandanten der Swakopmunder Garnison, Leutnant Theodor Kurt Hartwig von Zülow, der die Trupps sichern konnte, die an mehreren Stellen die von den Hereros unterbrochene Schmalspurbahnstrecke nach Okahandja reparierten. Ziel war, den Belagerungsring um Okahandja zu durchbrechen. Erst dieser Panzerzug würde wieder eine rasche Truppenverschiebung gewährleisten. Am Abend des 13.Januar erreichte der Zug Waldau, hinter Wilhelmstal und 22 Kilometer vor Okahandja, wo es in der Nacht zu ersten Kampfhandlungen kam. In Waldau lagerten auch 500 Meter Schienenbaumaterial, das zu ersten Ausbesserungsarbeiten herangezogen wurde.

Das Kanonenboot SMS “Habicht” der Kaiserlichen Marine lag seit dem 10.Januar aufgrund der jährlichen Instandsetzungsarbeiten in Kapstadt vor Anker. Am 12.Januar 1904 erhielt die “Habicht” eine telegrafische Meldung. Am 14.Januar lief das Schiff nach Swakopmund aus.

Unmittelbar nach der Landung in Swakopmund am 18. Januar gab der amtierende Platzkommandant, Bezirksamtmann Viktor Fuchs, an Bord einen Bericht ab: Am 12.Januar hätten sich alle Hererostämme – mit Ausnahme der Otjimbinguer – erhoben, hätten Farmer getötet und sich deren Viehs bemächtigt. Windhuk, Okahandja, Omaruru hätten sie eingeschlossen, die Bahnlinie von Okahandja bedroht, Karibib und die Verbindung mit Swakopmund gestört. Hieraufhin sei Leutnant von Zülow mit sämtlichen dienstfähigen Mannschaften – Reserven und Landwehr, zusammen 60 Mann – von Swakopmund abgerückt, habe seine Truppe in Karibib durch Einziehen aller Wehrfähigen auf 110 Mann gebracht und diesen Ort, unter Mitnahme von Proviant für drei Tage, zum Entsatz Okahandjas verlassen. Leutnant von Zülows letzte Nachricht sei die Meldung von seinem Eintreffen in Okasise am 13.Januar. Zur Verstärkung Karibibs sei noch ein rund 20-köpfiger Trupp unter Baumeister Laubschat hinaufgesandt worden. Die Verbindung mit Karibib sei noch sichergestellt; die Lage dort werde aber mit jedem Tage bedrohlicher. Die Hereros hätten bereits mehrere Patrouillen abgeschossen, und die schwache Besatzung sei kaum imstande, den Ort für den Fall eines Angriffs zu halten. Auch aus dem Süden fehle jede Nachricht, es gebe nur Gerüchte, die 2.Feldkompanie unter Hauptmann Victor Franke sei auf dem Rückmarsch nach Windhuk. Auch mit dem Norden, wo Hauptmann Kliefoth (gefallen am 17.Dezember 1905) mit der 4.Kompanie in Outjo stationiert war, fehle jegliche Verbindung.

Den Oberbefehl über die Kolonie übernahm jetzt an Stelle des abwesenden Gouverneurs Korvettenkapitän Hans Gudewill, der Kommandant der SMS “Habicht”.

---ENDE DER LESEPROBE---