Gerhard Tersteegen - Jost Müller-Bohn - E-Book

Gerhard Tersteegen E-Book

Jost Müller-Bohn

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Beschreibung

Die älteste Lebensbeschreibung Gerhard Tersteegens, die wenige Jahre nach seinem Tod erschienen ist, hat den Vorzug, aus den geistlichen Gegebenheiten geschrieben worden zu sein, die den Dichter und Mystiker damals umgeben haben. Diese Lebensbeschreibung wurde unter anderem als Grundlage zu dieser Lebensdeutung benutzt. Sie mag auf manchen Christen unserer Tage wie eine Provokation wirken, denn im Sog unseres Zeitalters ist auch unter uns Veräußerlichung und Oberflächlichkeit zu beobachten. Verfolgt man die Lebensgewohnheiten eines Tersteegen, so staunt man, wie nahe er mit Gott verbunden war. Der Leser spürt, dass man vor einem Menschen steht, der den Weg zum Wesentlichen zu zeigen imstande ist. Bei ihm handelt es sich stets um heilige Lebensgestaltung, nie um bloße theologische Theorien. Als Verfasser von vielen geistlichen Liedern und bedeutsamen Werken weiß Tersteegen, dass wahre Verinnerlichung im Grunde nichts anderes ist, als immerwährendes Gebet. Bei ihm hat das Beten im Geist noch den ursprünglichen Sinn vom Reden mit Gott. ---- Jost Müller-Bohn, geboren 1932 in Berlin, ist der bekannte Evangelist und Schriftsteller von über 40 Büchern. Er studierte in Berlin Malerei und Musik. Über 40 Jahre hielt er missionarische Vorträge. Seine dynamische Art der Verkündigung wurde weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt. Als Drehbuchautor und Kameramann ist er der Begründer der „Christlichen Filmmission“. Seine Stimme wurde unzähligen Zuhörer über Radio Luxemburg bekannt. Einige seiner Bücher wurden zu Bestsellern in der christlichen Literatur.

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Gerhard TersteegenLeben und Botschaft

Eine Herausforderung für unsere Zeit

Jost Müller-Bohn

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Impressum

© 2017 Folgen Verlag, Langerwehe

Autor: Jost Müller-Bohn

Cover: Caspar Kaufmann

Lektorat: Mark Rehfuss, Schwäbisch Gmünd

ISBN: 978-3-944187-69-3

Verlags-Seite: www.folgenverlag.de

Kontakt: [email protected]

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Inhalt

Vorwort

Tersteegens Geburt, Heimat und Elternhaus

Tersteegens Berufsausbildung

Erste Gottesbegegnung

Arm und verborgen um Jesu willen

Gott war sein großer Reichtum

Die Zeit der Anfechtungen und Prüfungen

Zum wahren Mannesalter in Christus

Dichter und Schriftsteller von Gottes Gnaden

Aus der Enge in die Weite

Im Dienst an den Kranken und Schwachen

Eine Stimme in der Wüste

Der große Kampf

Tersteegens Lebensabend und Heimgang

Ein Leben in den Seligpreisungen

Ausschnitte aus den Werken des Meisters

Von der Mystik

Literatur

Anmerkrungen

Vorwort

Gerhard Tersteegen lehnte eine Darstellung seiner Lebensgeschichte mit den Worten ab:

»Ach Gott, wie mager, wie so vermischt oder anstößig würde das herauskommen«, und verwies seine Brüder und Freunde auf die Ewigkeit:

»Da werdet ihr, meine Brüder, mein Leben sehen, da werdet ihr mit mir leben, und da wollen wir einer dem andern zum ewigen Lob Gottes unsere Lebensbeschreibung erzählen.«

Ob solch eine Biografie in den himmlischen Gefilden nötig ist, scheint sehr fragwürdig, doch als Pilger zur ewigen Heimat können wir gewiss durch Vorbilder voneinander lernen. Weil Gerhard Tersteegen seine Lebensgeschichte nicht niederschrieb, haben wir von manchen Zeitabschnitten seines Lebens sehr wenig Aufschluss. Dies betrifft insbesondere seine Jugendzeit.

Auch wissen wir nicht, wie der Gottesmann und Dichter ausgesehen hat, weil er es keinem Künstler gestattete, ihn zu malen oder zu zeichnen. Wir können aber Gott sehr dankbar sein, dass sein Freund und geistlicher Bruder Johann Engelbert Evertsen einige seiner Wesenszüge niedergeschrieben hat.

Über den Gottesmenschen Gerhard Tersteegen schreibt er:

»Der Mann war wahrlich ein Freund Gottes; dass Gott ihm seine Gunst und Liebe reichlich zufließen ließ, habe ich vielfältig gemerkt, gesehen und erfahren. Sein ganzer Wandel schien ein Liebesumgang mit Gott zu sein.

O, welch eine Erhabenheit, Andacht und friedevolle Stille habe ich zu meiner nicht geringen Erbauung und Stärkung oft an ihm erblickt! Wie er nun ein Freund Gottes war, so konnte man ihn auch mit Wahrheit einen Freund der Menschen nennen. Seine innige Gemütsgestalt leuchtete aus seinem ganzen Wandel hervor. Wenn ich allein bei ihm saß, so kam er mir oft vor, als ob er bei seinem Herzensfreund im Kabinett gewesen wäre. Einstmals sagte er auf mein Befragen zu mir: ›Ja, ich sitze und rede mit dir, aber in meinem Innern ist so ein immerwährendes Beugen und ein Beten.‹«

Und an einer anderen Stelle bezeugt Evertsen von ihm: »Er hatte ein betendes Herz und auch eine gebeugte Gestalt.«

Diese Worte seines Freundes, der ja ein Zeitgenosse und Augenzeuge von ihm war, lassen uns nachdenklich werden über uns selbst und unsere Stellung Gott gegenüber. Sie sind ein beeindruckendes Zeugnis über einen Mann, der so empfindsam für Gott lebte, dass man ihn daher oft einen Mystiker nannte. Wenn jeder Christ in gleicher Weise solch einen intensiven Umgang mit seinem Gott pflegen würde, wäre es sehr schön, viele Mystiker zu haben, weil dann die in der Gottesferne lebende Welt durch sie mehr von dem Wesen Gottes erkennen könnte.

Zur Einweihung für das Denkmal auf Tersteegens Grab schilderte Pfarrer Wolf, der Augenzeugen befragt hatte, seine Erscheinung so:

»In seinem Auge barg sich etwas, als wenn es ihm leid täte, dass nicht alle Menschen den Herrn suchten. In dem Ton seiner Stimme lag ein freundlicher Ernst. Seine ganze Haltung war feierlich, ehrfurchtgebietend, durch Liebe und Demut gemildert. Wer ihn zum ersten Mal sah und sprechen hörte, wurde überrascht, für ihn eingenommen und gerührt, wenn auch nicht gleich erweckt. So wirkte also seine Persönlichkeit schon segensreich auf die verschiedenartigsten Menschen. Mehrere seiner Zuhörer haben mir in ihrem Alter versichert, es sei ihnen in seinen Versammlungen immer so gewesen, als habe ein hoher, göttlicher Geist aus ihm geredet und mit solcher Macht auf sie eingewirkt, dass sie sich jedes Mal erleuchtet, überzeugt, gerührt, hingerissen und über sich selbst erhoben gefühlt hätten, und dass diese gewaltigen Eindrücke das Mittel zu ihrer baldigen und entscheidenden Bekehrung gewesen wären.«

Von einem anderen Augenzeugen wurde geschildert:

»Mehrere seiner Vertrauten sahen ihn beten mit einer Inbrunst, die auf den Flügeln einer seligen Andacht getragen schien; sie sahen, wie er mit einer Bewegung gen Himmel seine bleichen Hände faltete, als ob er von der großen Gnadenfülle etwas für sich einfangen wollte, und es blieb ihnen unvergesslich, wie sein Auge hinweg über die Schranke des Irdischen floh, voll Vertrauen am Blick des Ewigen hangend, und wie sein ganzes Wesen im Anschauen seiner Herrlichkeit versunken war.«

Tersteegens Geburt, Heimat und Elternhaus

Die Gegend des Niederrheins, zwischen dem viel besungenen Strom und der holländischen Grenze, ist bereits in den Zeiten des Mittelalters ein Gebiet des regen geistlichen Lebens gewesen.

Schon im 14. Jahrhundert siedelte sich hier die vielverzweigte Gemeinschaft der »Gottesfreunde« an, die in Johann Tauler und Nicolaus von Basel ihre Hauptvertreter hatte. Diese Glaubensgemeinschaft trachtete danach, ein stilles, gottseliges Leben zur Ehre Gottes zu führen. Hier wirkten aber auch Gottesmänner wie Heinrich Suso und Thomas von Kempen, die der Verweltlichung der Kirche und der Oberflächlichkeit des Glaubens entgegenzuwirken suchten. Thomas von Kempen rief in seinen Schriften eindringlich zur »Nachfolge Christi« auf.

Später verbreitete sich das Evangelium durch die Reformation sehr rasch in dieser niederrheinischen Grenzgegend. Hier starb Adolf Clarenbach als einer der ersten Märtyrer der evangelischen Kirche. Hier war es auch, wo Joachim Neander (1650-1680), einer der bekanntesten Liederdichter der reformierten Kirche, eines seiner schönsten Lieder niederschrieb:

»Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren, lob ihn, o Seele, vereint mit den himmlischen Chören! Kommet zuhauf, Psalter und Harfe, wacht auf, lasset den Lobgesang hören!«

In dieser geografisch geistlichen Landschaft wurde Gerhard Tersteegen am 25. November 1697 in der damals noch holländischen Stadt Moers geboren. Wenige Jahre später wurde die Grafschaft Moers dem preußischen Staatsgebiet angegliedert.

Sein Vater, Heinrich Tersteegen, starb bereits, als Gerhard 6 Jahre alt war. Aus dem schriftlichen Nachlass konnte er entnehmen, dass sein Vater ein frommer Mann gewesen ist, der einen regen Briefwechsel mit anderen gläubigen Menschen geführt hatte. Von seiner ebenso gläubigen Mutter kennt man nur ihren Namen, Maria Cornelia, geborene Triboler. Als Witwe hatte sie sich mit ihrer großen Kinderschar schlecht und recht durchs Leben schlagen müssen. Von acht Kindern, sechs Söhnen und zwei Töchtern, war Gerhard das jüngste.

Obwohl die Mutter mit irdischen Gütern nicht gerade gesegnet war, ließ sie es sich nicht nehmen, ihren hochbegabten, jüngsten Sohn in die Lateinschule von Moers zu schicken.

Graf Adolf von Moers hatte diese Schule 1682 »zur Erhaltung und Fortpflanzung des reformierten Glaubens« gegründet. Auf dem Stundenplan dieses Institutes standen vorrangig die Lektüre des Neuen Testamentes in der Ursprache, das Auswendiglernen des Heidelberger Katechismus, das Studieren der Sprachen Latein und Griechisch, sowie auch später Hebräisch und Französisch. Besonderer Wert wurde auf den fleißigen Besuch des Gottesdienstes gelegt. Gerhard Tersteegen hatte diese Schule 9 Jahre lang besucht. Seine guten Sprachkenntnisse kamen ihm später bei vielen Übersetzungstätigkeiten sehr zugute.

Über seine Jugendjahre in Moers ist wenig bekannt. Es ist anzunehmen, dass der Mutter die Erziehung ganz allein überlassen war. Gerhard Tersteegen hatte dem geistlichen Einfluss dieser frommen Frau viel zu verdanken. Gewiss war sie es gewesen, die die ersten Keime göttlichen Lebens schon früh in das Herz des späteren Gottesmannes gelegt hatte.

In dem Gedichtband »Blumengärtlein« beschreibt Gerhard »die eitlen, dummen Frühlingsjahre« seiner Jugendzeit:

»Da ich, Herr, dich noch nicht kannte,und in Sünd ›tot und blind‹dir den Rücken wandte,da hast du bewahrt mein Lebenund mich nicht dem Gerichtnach Verdienst gegeben.«

Seine lateinischen Sprachkenntnisse waren so gut, dass er ein-mal während einer öffentlichen Schulfeier eine Rede in lateinischen Versen halten konnte, die großen Beifall fand. Ein anwesender Vertreter des Magistrats riet daraufhin seiner Mutter, ihren hochbegabten und talentierten Sohn studieren zu lassen. Ihre beschränkten finanziellen Mittel erlaubten es aber leider nicht.

Tersteegens Berufsausbildung

So trat Gerhard Tersteegen als Fünfzehnjähriger in eine Kaufmannslehre in Mühlheim an der Ruhr ein. Er wurde im Geschäft seines Schwagers, des Kaufmanns Matthias Brinck, in »Kondition« genommen, wie man früher die Jahre der Lehrzeit nannte.

Die Ausbildungszeit von vier Jahren absolvierte der körperlich schwache junge Mann zwar mit Erfolg, aber es waren Jahre schwerer, innerer Kämpfe. Der Zwiespalt zwischen dem allzu irdischen Beruf und seinen geistlichen Bedürfnissen war geradezu unüberbrückbar. In den freien Stunden zog sich Gerhard von der Außenwelt zurück, um Zeit zu finden, sich seinen geistlichen Interessen widmen zu können. Seine stark religiöse Neigung führte ihn zu einem intensiven Studium theologischer Schriften, die ihn ganz erfüllten. Er opferte manche Nachtstunde, um in seinen christlichen Büchern lesen und darüber beten zu können. Er verzichtete auf viele Genüsse und Annehmlichkeiten des Lebens, ja, er unterwarf sogar seinen Körper strengen und harten Kasteiungen.

Seinem geschäftstüchtigen Schwager hingegen behagte diese sonderbare Lebensführung seines Schützlings überhaupt nicht, der in dieser Art von »Kopfhängerei« einen Hang zur Schwermut sah. Um ihn auf andere Gedanken zu bringen, versuchte er, seine Freizeit systematisch zu kürzen. So ließ er den jungen Mann leere Fässer kreuz und quer über den Hof rollen, nicht etwa, um ihn zu strafen, nein, sondern nur zur körperlichen Übung, wie er es nannte. Natürlich bewirkte dieses Verfahren bei Gerhard Tersteegen genau das Gegenteil von dem, was sein Schwager beabsichtigte, nämlich seinen Widerwillen gegen diesen weltlichen Beruf zu brechen.

Erste Gottesbegegnung

Über sein inneres Leben aus jener Zeit weiß man nur, dass er mit einem gläubigen Kaufmann bekannt geworden ist, und dass die Lektüre eines gedruckten Gebetes, das ein sterbender Pfarrer gesprochen hatte, ihn tief erschütterte. Seine Liebe zu Jesus äußerte sich darin, dass er einen unbändigen Hunger nach dem Worte Gottes hatte. Da ihm am Tag keine Zeit für geistliche Erbauung gegeben wurde, blieb er oft nächtelang wach, um immer wieder nach anhaltendem Gebet über die Bücher der Heiligen Schrift nachdenken und das Wort Gottes in sich aufnehmen zu können. Darüber hinaus übte er sich in tätiger Nächstenliebe, in Demut und Sanftmut.

Eines Tages hatte er ein Erlebnis, welches ihn noch näher zu Gott hinführte. Als er einmal nach Duisburg gesandt worden war, überfielen ihn in einem Wald plötzlich so heftige Kolikschmerzen, dass er glaubte, sterben zu müssen. Er verließ den Weg, um in seiner Angst und Not ein wenig abseits zu Gott zu beten und ihn von ganzem Herzen um Heilung anzurufen. In seinem Gebet flehte er um Befreiung von diesen Schmerzen und bat Gott um eine Verlängerung seiner Lebensfrist. Er hoffte darauf, dass der Herr ihm noch einmal Zeit schenken möchte, um sich dann weiterhin auf die Ewigkeit mehr und besser vorbereiten zu können.

Augenblicklich erhörte Gott sein Gebet und rührte ihn an, denn die Schmerzen verschwanden sofort. Durch diese Erfahrung wurde er unmittelbar und in kraftvoller Weise davon überzeugt, dass er sich dem so guten und gnädigen Gott vorbehaltlos und uneingeschränkt übergeben sollte.

Dieses spontane Erlebnis war für Gerhard ein Beweis von der Wahrheit des Psalmwortes: »Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten, und du sollst mich preisen.« Dieses Erlebnis, das sich sehr wahrscheinlich am Ende seiner Lehrzeit zugetragen, wurde für ihn ein nachhaltiger Weckruf, der ihn dann zur befreienden Gnade durch die Kraft der Auferstehung Christi führte.

Im September 1744 schrieb Gerhard Tersteegen über diese Gottesbegegnung:

»Vor etwa 27 Jahren hatte mich der freundliche Gott aus der Welt gerufen und mir einen Sinn geschenkt, ihm völlig anzugehören und zu folgen. Seine Gnade wird diesen Sinn in mir unverrückt erhalten bis ans Ende.«

So hatte für den jungen Gerhard die Zeit des geistlichen Lebens begonnen.

Nach Abschluss seiner Lehrzeit hatte Gerhard Tersteegen anscheinend den Versuch unternommen, ein eigenes Geschäft zu gründen, aber er konnte vieles von dem, was in einem Geschäftsleben schon damals erforderlich war, mit seinem Glauben nicht vereinbaren. Sein Freund Evertsen schrieb darüber:

»Um diese Zeit wurde ihm die gänzliche Nichtigkeit aller irdischen, vergänglichen Dinge im Vergleich zu dem großen Gewicht des Ewigen und Himmlischen sehr klar bewusst. Er bemerkte zugleich, dass der Beruf des Kaufmanns durch den beständigen Umgang mit allerlei geschäftstüchtigen Menschen zuviel Zerstreuung und Ablenkung verursachte und einem heiligen Wandel hinderlich war, zu dem er sich berufen fühlte.«

Das allzu weltliche Treiben hinderte ihn in seinem geistlichen Wachstum. Seine Einschätzung über diese Gefahren erläuterte er später, als er nur noch im Seelsorge- und Predigtdienst stand, in einem Brief an einen seiner Freunde:

»Mit dem Kaufhandel, worin ich anfangs stand, wollte es so gut nicht gehen, weil es wohl an was anderem fehlen mochte, weswegen ich schon 1719 diesen Beruf niederlegte und ein Handwerk erlernte, welches ich so lange ausübte, bis ich dazu keine Kräfte mehr hatte, da ich teils von der Voraussehung mit Schreiben und Sonstigem genug zu tun bekam.«

Ein jung erweckter Christ sieht sich in der Regel nach einem im Glauben gereiften Menschen um, von dem er Rat und Wegweisung erhalten kann. So suchte und fand auch Gerhard einen geistlichen Freund, der ihm wohlwollend entgegenkam. Es war ein schlichter und gottesfürchtiger Leinweber aus Mühlheim an der Ruhr, mit welchem ihn seit der Zeit seiner Erweckung eine immer herzlicher werdende Freundschaft verband. Von niemand anderem wusste sich Tersteegen in dieser Zeit seiner geistlichen Weiterentwicklung besser geleitet als durch ihn. Dieser bewährte Jünger Jesu diente ihm mit all seinen Erfahrungen, die er während seines langen Christenlebens in der Verborgenheit gesammelt hatte. In seiner Beziehung zu diesem tiefgegründeten Freund, dessen reiches Herz in dem Bewusstsein ruhte, dem Schöpfer des Weltalls zu dienen, erfuhr Gerhard sehr bald, welch ein Segen in dem stillen Umgang mit dem König des Himmels ruhte.

Später schrieb er über dieses geheimnisvolle Leben:

»Wie selig muss der Arm sein,der gar nichts mehr mit Lust besitzet,der, innerlich entblößt und klein,nichts hat, als Gott, darauf er sich stützet.«

Bald gewann er auch Freude an der Berufsarbeit seines Gefährten. Er sah in dieser Tätigkeit die beste Möglichkeit, neben dem Broterwerb ein beständiges, gottergebenes Innenleben zu pflegen. Deshalb fasste er den Entschluss, noch im Jahr 1719 zu seinem Bruder in Christus zu ziehen, um das Handwerk des Leinwebens noch besser zu lernen.

Natürlich fand er für diesen Entschluss bei seinen nächsten Angehörigen und früheren Bekannten kein Verständnis. Sie verspotteten ihn und lachten über seine »religiösen Fantastereien«. Der Dichter beschrieb später den damaligen Zustand:

»Von außen Spott und Schmach der Leute,von innen Furcht und Traurigkeiten,dies pflegt das erste Los zu sein,das hier dem Frommen wird gemein.«

Seine Verwandten verachteten ihn sehr und schämten sich sogar, seinen Namen zu nennen, wenn man sich nach ihm erkundigte. Ihrer Meinung nach hatte er sich in die Gemeinschaft einer »nichtswürdigen Berufs- und Gesellschaftsschicht« begeben, die dem Ansehen der Familie schadet. Gerhard Tersteegen ließ sich aber nicht beirren und ging den eingeschlagenen Weg der Nachfolge Christi in aller Entschiedenheit weiter. In der Abgeschiedenheit von der Welt verrichtete er in der Werkstatt seines neugewonnenen Begleiters seine Arbeit mit großer Zuverlässigkeit und hielt sich zu der Schar der verachteten, aber treuen Christen.

Seine Kolikschmerzen nahmen jedoch inzwischen wieder so zu, dass seine Gesundheit schon in dieser Zeit der neuen Ausbildung sehr zu wünschen übrig ließ. Bei der Arbeit am Webstuhl wurde sein Kopf – mit seinen Worten – oft »wüst und schwer«, dass er seine Arbeit häufig unterbrechen musste. Des Öfteren lag er mehrere Wochen krank danieder. Ihm wurde klar, dass er auf die Dauer den Anforderungen des Berufes eines Leinwebers nicht mehr gewachsen war. Da kam er auf die Idee, die leichtere Arbeit des Webens von Seidenbändern zu beginnen.

Arm und verborgen um Jesu willen

Gerhard Tersteegen lebte in größter Verleugnung gegenüber allen Bequemlichkeiten und Wohlstand. Er trug zum Beispiel sehr bescheidene Kleidung. Seine Mahlzeiten, die er sich selbst zubereitete, bestanden meistens nur aus Mehl, Wasser und Milch. Häufig aß er nur einmal am Tag. Er trank weder Kaffee noch Tee. Da er von einem geringen Einkommen lebte, das er durch das Weben von Bändern erhielt, ist es uns heute kaum verständlich, wie er noch anderen mit dem wenigen, das er hatte, helfen konnte.

In der Armut zu leben, hatte für Gerhard Tersteegen aber nichts mit materiellen Dingen zu tun, sondern sie war für ihn eine geistgewirkte Herzensangelegenheit.

Aus Liebe zu seinem großen Vorbild Jesus wollte er sich die Art und Weise seines Meisters zu eigen machen, so zu sein, so zu denken und so zu lieben wie er. Er war darum bemüht, in den Stand der Loslösung und Freiheit von allem Irdischen zu kommen, wie auch sein Herr es war.

Armut bedeutete für ihn vor allem Wahrheit, denn er hatte den Gott erlebt, der sich in Jesus Christus arm gemacht hatte, um den Menschen in ihrer Armut begegnen zu können. Der Reichtum konnte nur von einer privilegierten Minderheit gelebt werden. Gerade die Armut war daher für ihn das Zeichen der Liebe Jesu, weil sie allen Menschen galt.

Jesus lieben hieß für ihn, etwas von ihm zu »erleiden«. Diese Wahrheit lebte er aus, indem er seinen Wünschen freiwillig Grenzen setzte und Macht, Besitz, Genuss und andere Ansprüche entschieden ablehnte, so wie auch Jesus in der freiwilligen Annahme von Grenzen lebte, nachdem er die ewige Herrlichkeit losgelassen und zu den Menschen gekommen war:

»Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz« (Philipper 2, 6-8).

Er wollte von Jesu Vorbild lernen, die Not der Armen zu teilen. Die große Diskrepanz zwischen dem Anspruch der Worte Jesu und der erschreckenden Tatsache, dass gerade in gutbürgerlichen, sogenannten »christlichen Häusern« zum Teil ein Leben gepflegt wurde mit einem Übermaß an Essen und Trinken, an Kleidung und Einrichtungsgegenständen, bereitete dem Gottesmann große Sorgen. Es muss für ihn furchtbar gewesen sein zu sehen, wie viele seiner Zeitgenossen dirigiert wurden von den Strömungen des gesellschaftlichen Lebens, und wie sie sich von der Sucht, immer das Neueste zu besitzen, geradezu versklaven ließen. Ihr Lebensstil wurde nicht mehr von dem natürlichen Bedürfnis bestimmt, sondern von ihrem Mangel an Freiheit gegenüber dem Modezwang. Viele Christen suchten aus seiner Sicht nicht mehr, was allein Wahrheit ist, sondern das Äußerliche, dem Nächsten zu gefallen und Eindruck zu machen, um dadurch im Religiösen Einfluss auf Menschen ausüben zu können.

Außerdem hatte der Reichtum ihnen den Blick verstellt für die Armut in dieser Welt und sie gleichgültig gemacht gegenüber den Notleidenden.

Unter selbst gewählter Armut verstand Gerhard Tersteegen aber nicht ein Leben im Elend. Es war bei ihm auch nicht die Rede von Verelendung, sondern er sprach von einer »Armut des Maßhaltens und der Ausgewogenheit«. Er lebte eine »aktive«, echte, aus Liebe getragene Armut, die das Evangelium seligpreist: »Selig ist das Herz eines geistlich Armen«.

Das Herz eines geistlich Armen zu haben, hieß für ihn nicht nur, frei zu sein von dem, was der Zeitgeist hinsichtlich Stil, Geschmack und Denkweise den Menschen diktierte, sondern vor allem, beseelt zu sein von einem großen Hunger und Durst und einem herzlichen Verlangen nach dem lebendigen Gott.

Er hatte sich warnen lassen durch die Worte Jesu aus dem Gleichnis vom reichen Kornbauern und hütete sich vor jeder Habgier und allen Versuchungen des Reichtums, weil sie sein geistliches Leben negativ hätten beeinflussen können. Nicht umsonst hatte auch der Apostel Paulus seinem Bruder Timotheus in einem Brief eindringlich geraten, den Gefahren der Gewinnsucht zu entfliehen:

»Die Frömmigkeit aber ist ein großer Gewinn für den, der sich genügen lässt.

Denn wir haben nichts in die Welt gebracht; darum werden wir auch nichts hinausbringen.

Wenn wir aber Nahrung und Kleider haben, so wollen wir uns daran genügen lassen.

Denn die reich werden wollen, die fallen in Versuchung und Verstrickung und in viele törichte und schädliche Begierden, welche die Menschen versinken lassen in Verderben und Verdammnis.

Denn Geldgier ist eine Wurzel alles Übels; danach hat einige gelüstet, und sie sind vom Glauben abgeirrt und machen sich selbst viel Schmerzen.

Aber du, Gottesmensch, fliehe das! Jage aber nach der Gerechtigkeit, der Frömmigkeit, dem Glauben, der Liebe, der Geduld, der Sanftmut.«

(1. Timotheus 6, 6-11)

Tersteegen wusste, dass Reichtum viel gefährlicher sein konnte, als gutgläubige Christen auch in seiner Zeit oftmals meinten.[1] Er verspürte immer wieder bei den Christen, sogar bei vielen seiner ihm nahestehenden Brüder, dass das Verlangen nicht nur nach Reichtum, sondern auch nach Anerkennung und Macht, wie ein langsames Gift wirkte, das unfehlbar in ihre Seelen drang und praktisch ihr gesamtes geistliches Leben hemmte. Sein Meister gab ihm mit den Gleichnissen vom Unkraut unter dem guten Weizen und vom Sämann einen treffenden Anschauungsunterricht:

»Er legte ihnen ein anderes Gleichnis vor und sprach: Das Himmelreich gleicht einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säte.

Als aber die Leute schliefen, kam sein Feind und säte Unkraut zwischen den Weizen und ging davon.

Als nun die Saat wuchs und Frucht brachte, da fand sich auch das Unkraut« (Matthäus 13, 24-26).

»Einiges fiel unter die Dornen; und die Dornen wuchsen empor und erstickten es« (Matthäus 13, 7).

Er hatte später, besonders als Seelsorger, aus dem praktischen Leben anderer erfahren, welche entsetzlichen Verheerungen in deren geistlichem Leben entstanden waren, wenn sich die Christen von der Habgier hatten verlocken lassen, um über ihre Verhältnisse hinaus Besitztümer und andere irdische Güter zu erwerben, insbesondere dann, wenn dieser erweiterte Wohlstand angeblich einem »guten Zweck« dienen sollte.

In gleichem Maße, wie der Wohlstand anstieg, erlosch der Durst nach Gott. So erlebte er, dass das geistliche Wachstum der Christen nicht zur Reife kommen konnte. Es erging ihnen wie den heranreifenden Körnern aus den Gleichnissen, die von den Dornen, die zusammen mit dem Weizen gewachsen waren, plötzlich erstickt wurden, als sie Ähren ansetzen sollten.[2]

Auch die Worte Jesu: »Alles übrige ist vom Übel«, hatte sich der unermüdliche Bibelleser tief eingeprägt. So sah er dieses »übrige«, die Gewöhnung an das Moderne, an Luxus und Reichtum, als »von der Welt« an und begann, in Wort und Tat gegen den Strom zu schwimmen.

Tersteegen, der Mann mit dem Herzen eines Armen, verließ sich nicht auf Geldmittel. Alles, was ihm gehörte, stellte er in den Dienst des Herrn. Sein Hab und Gut, sein Reichtum und sein Besitz sollten nicht dem Selbstzweck dienen, sondern von der Liebe Jesu durchdrungen sein, die es nicht ertragen konnte, wenn Menschen in wirtschaftliche Not gerieten und an Hunger oder Krankheit litten.

So ging er am Abend, wenn die Dunkelheit schon anbrach und er sein Tagewerk vollbracht hatte, von Haus zu Haus und brachte den Menschen, was er sich vom Munde abgespart hatte.

Nur durch die Einschränkungen dieser sich selbst auferlegten Anspruchslosigkeit war es ihm möglich, den kranken und armen Menschen zu helfen.

Später schrieb er einmal einen schönen Vers, der von seinem stillen Wandel und seiner großen Bescheidenheit zeugte:

»Tue Gutes, doch begehre nicht,dass man von deiner Tugend spricht.Vergessen und verachtet werden,sei dein Verlangen hier auf Erden.«

Der Gedanke an die Sinnfrage des Verborgenen muss Gerhard Tersteegen mehr als sehr bewegt haben, denn Gott liebte das »Verborgene«, das wusste er. Er hatte es in Jesaja 45, 15 oftmals gelesen: Gott ist »ein verborgener Gott«; und dieses musste für den Schöpfer bedeutet haben, ein Geheimnis zu wahren.

Wie sehr Gott das »Verborgene« liebte, bewies der Vater im Himmel ihm deutlich, denn immer wieder stand das Leben seines Sohnes Jesus Christus lebendig vor seinen Augen. Dreißig Jahre lang hatte niemand gewusst, wer Jesus war, als er in Nazareth in der Anonymität ein alltägliches Leben führte wie die meisten Menschen auch.

Da Gerhard Tersteegen aufgrund fehlender finanzieller Mittel ein Theologiestudium versagt blieb, um ein geistliches Amt zu bekleiden, war er gezwungen, mit Rücksicht auf seine körperliche Verfassung, Gott so zu dienen, dass er einen Beruf ausübte, der ihn mit seinen Mitmenschen in Kontakt brachte. Insbesondere den Schwachen, Kranken und Bedürftigen wollte er mit seinem Zeugnis, seinem Wandel und seinen selbst verdienten finanziellen Mitteln zu Hilfe kommen.

Sein Freund bot ihm aber auch noch Gelegenheit, eigene Studien in der Heiligen Schrift vorzunehmen und ein hingegebenes Gebetsleben zu führen, das immer Erhörung fand.

Der Eindruck, den er durch seine Wortbetrachtung über Jesus gewann, hinterließ in Gerhard Tersteegen tiefe Spuren. Er ließ sich inspirieren von dem Vorbild seines Meisters, der mit seiner Verborgenheit hier in Nazareth den Stolz des Menschen in seinem dauernden Streben nach dem »Außergewöhnlichen« im Leben offenlegte, der hier dem Menschen Grenzen setzte in seiner Sucht nach Wundern, und der hier ein mehr als deutliches Zeichen setzte zur »stillen« und gehorsamen Hingabe an seinen Vater.

Auch Gerhard Tersteegen wollte ein Zeichen setzen, dem Herrn eine Antwort geben auf sein Reden hin und der Liebe zu seinem Erlöser Ausdruck verleihen.

Sein eigenes Leben sollte fortan ebenso ein Dienst in der Verborgenheit bleiben, und alle Hilfeleistungen für Gottes Reich sollten im Verborgenen geschehen, ohne dafür ein ständiges Dankeschön zu erwarten.

Gerhard Tersteegen fragte also nicht nach Anerkennung und Belohnung, sondern legte großen Wert darauf, so zu leben, wie er predigte und schrieb. Dennoch brachte er reiche Frucht bis in unser Jahrhundert hinein.

Es ist die Ironie der Führungen Gottes, dass die guten Werke desjenigen, der alles im Verborgenen tat und geheimhalten wollte, unter Gottes Zulassung durch Augenzeugen und Zeitgenossen in aller Welt bekannt wurden nach dem Wort des Herrn:

»Denn es ist nichts verborgen, was nicht offenbar werden soll, auch nichts geheim, was nicht bekannt werden und an den Tag kommen soll« (Lukas 8, 17).

Gott war sein großer Reichtum

Im August 1721 starb die Mutter von Gerhard Tersteegen, ohne ein Testament zu hinterlassen. Seine Brüder und Schwestern, die seinen Berufswechsel und seine Freigebigkeit gegenüber den Ärmsten der Armen missbilligten, schämten sich seiner so sehr, dass sie sich schon vor dem Tod ihrer Mutter von ihrem Bruder zurückgezogen hatten. Sie würdigten ihn keines Blickes, weil sich dieser religiöse Fantast, der ein armer Leinweber geworden war, ihrer Meinung nach in die Gesellschaft von Asozialen begeben hatte. Sein Wandel in der Armennachfolge Jesu machte ihn bei seinen Anverwandten so verächtlich, dass sie nicht einmal mehr seinen Namen nannten, wenn man sich über ihn unterhielt. Sie übersandten ihm auch keine Einladung, um bei der Teilung des hinterbliebenen Erbes anwesend zu sein. Da seine Geschwister befürchteten, er werde sein Geld sowieso nur an die Armen verteilen, wurde sein Anteil an dem väterlichen Haus nur schriftlich anerkannt. In dieser Situation erlebte er die Wahrheit des Wortes Gottes in seiner ganzen Bitterkeit:

»Und ihr werdet gehasst werden von jedermann um meines Namens willen. Wer aber bis an das Ende beharrt, der wird selig werden.

Wenn sie euch aber in einer Stadt verfolgen, so flieht in eine andere. Wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende kommen, bis der Menschensohn kommt.

Der Jünger steht nicht über dem Meister und der Knecht nicht über seinem Herrn« (Matthäus 10, 22-24).

Nur einer seiner Geschwister, Johannes, verstand sich gut mit seinem Bruder Gerhard, weil er selbst die Gnade Gottes an seinem Herzen erfahren hatte. Er sorgte dafür, dass Gerhard den Wert seines Hausanteils in barem Geld ausbezahlt bekam. Gerhard nahm das Geld zwar entgegen, verzichtete aber, wie es seiner biblischen Auffassung entsprach, auf den größten Teil dieses kleinen Vermögens und gebrauchte die Gelder genau dafür, wie es bereits von seinen Geschwistern befürchtet worden war.

Er hatte schon erkannt, dass die Güter der Erde den Menschen nicht restlos befriedigten. Erst die Bekehrung des Menschen zu Jesus, seine Hinwendung zum Herrn und in die Gemeinschaft der Kinder Gottes würde seiner Erkenntnis nach die Situation und damit die illusorischen Träume des Menschen völlig ändern. Er entsagte allem Streben nach Besitz und verzichtete auf den größten Teil seines Erbes, denn er wollte von allem Besitz gelöst sein, ehe er ihn später im letzten Augenblick gezwungenermaßen zurücklassen musste. Wenn er auch noch auf Erden lebte, so betrachtete er sich schon jetzt als Bürger des Himmels, als ein Kind seines Vaters und bemühte sich, dementsprechend zu leben. Dieses freiwillige Opfer verstand er als ein Zeugnis seines Glaubens an das andere Leben, an das zukünftige also, und an die himmlischen Güter, die er dort empfangen würde.

Er stellte sein bescheidenes Eigentum den Armen und Notleidenden zur Verfügung, um sie in ihrer Mittellosigkeit zu unterstützen. Er band sein Herz nicht an diese irdischen Güter, da er allein an der Gnade seines Herrn volles Genüge fand. Schon in seinen jungen Jahren dachte er so, wie er später darüber seinen Freunden schrieb: »Ich hoffe nicht, dass ich etwas zu lieb haben würde, dass ich’s nicht von Herzen einem Bruder hingäbe. Wäre es anders, dann wäre es nicht recht. Halten drückt, loslassen erquickt«, oder ein andermal: »Wir müssen nichts machen noch festhalten wollen, sondern uns und alles der Hand des Herrn überlassen«, und er bezeugte von sich selbst: