Gespensterarbeit und Weltmarktfiktion - Kathrin Röggla - E-Book

Gespensterarbeit und Weltmarktfiktion E-Book

Kathrin Röggla

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Beschreibung

Katastrophenfilm, Gespensterfilm, Fernsehkrimi oder Shakespeare'sches Königsdrama? Unsere Wirklichkeit scheint nach den Mustern des Hollywoodkinos zu funktionieren. Mit welchen Mitteln lässt sich eine solche Realität analysieren? Kathrin Röggla führt kritisches Denken und radikales Sprechen vor und seziert unsere Gegenwart. Der Text entstammt dem Essays- und Theater-Band ›besser wäre: keine‹.

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Kathrin Röggla

Gespensterarbeit und Weltmarktfiktion

Essay

Fischer e-books

Gespensterarbeit und Weltmarktfiktion

1967 veröffentlichte der französische Situationist Guy Debord seine »Gesellschaft des Spektakels«. Man schrieb ein Jahr vor der Einführung der Kreditkarte, zwei Jahre vor der ersten Ölkrise, die die wirtschaftlichen Verhältnisse in den USA und in Großbritannien in jenes Phänomen der Stagflation bugsierte, von dem wieder so viel die Rede ist. Debord beschrieb in seinem Buch die Gesellschaft als vom warenförmigen Spektakel durchdrungen und beherrscht. Es ist wohl eines der ersten Bücher, welches die Vormacht des Fiktiven postuliert, denn der Marxist Debord setzt darin die Produktion des Spektakels über die reale Produktion.[1]

Vierzig Jahre später sind sich alle einig, dass das Fiktive das Reale überwuchert hat, zumindest legt das das gerade erlebte Finanzmarktdrama nahe, und dennoch drängt sich bei den meisten immer wieder der Wunsch auf, zu erfahren, was eigentlich wirklich los ist. Irgendwo müsse da doch ein Boden sein! Aber nein, alles zerfliegt in Psychologie! So zumindest die immer wieder gehörte Behauptung in Politik und Medien. Gerade deswegen möchte ich mich um das Fiktive kümmern. Das Fiktive, mit dem ich als Schriftstellerin vertraut sein sollte und das mich doch im Augenblick sehr unverwandt ansieht, ja sich sogar feindselig verhält. Das Fiktive, das uns erzählen könnte, wohin die Sache geht. Es will sich aber nicht zusammenkehren lassen zu einer bündigen Narration. Es ist störrisch, will nicht verraten, welchem Genre es am ehesten angehört: Dem Fernsehkrimi? Dem Horror-Movie? Handelt es sich etwa um Remake eines Shakespeare-Königsdramas mit Mel Gibson? Oder um einen banalen Katastrophenfilm? Und eines dieser Genres muss es ja sein, denn die öffentlichen Rhetoriken nehmen Tonlagen an, wie man sie eigentlich aus dem Suspense-Hollywoodkino kennt.

Frei nach George W. Bush, der nach dem elften September sich Drehbuchautoren ins Weiße Haus geladen hat, um zu fragen, wie der Plot denn weitergeht, möchte ich die einzelnen Genres befragen, ob das Weltmarktfiktive in ihnen Platz hat.

Der Katastrophenfilm

Das Team, das die Raketenwürmer aufspüren muss, hat es gleich kapiert: Was da unten im Verborgenen wühlt und plötzlich an die Oberfläche kommt, kann nichts Gutes verheißen. Es hat mit dem Bohr-Team, das sich in den auf die Erde zurasenden Asteroiden bohren muss, um in ihm einen atomaren Sprengstoff zu zünden, und dem Team, das sich zum Erdkern durcharbeitet, um die Welt vor einem elektromagnetischen Desaster zu retten, allenfalls gemeinsam, dass es sich um eine aus aller Welt zusammengewürfelte Bande von prekär Beschäftigten handelt. Es hat sich etwas geändert in den Arbeitsverhältnissen des Katastrophenfilms. War in »Airport« von 1970