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Intrigen und Machthunger im Mittelalter: „Giftpilze“, der siebte Band der Odo-und-Lupus-Serie von Robert Gordian, jetzt als eBook bei dotbooks. Das Frankenreich im 8. Jahrhundert: Odo und Lupus, die Kommissare Karls des Großen, sind auf dem Rückweg von einer Friedensmission, als Wegelagerer sie überfallen – verzweifelte Mönche, die aus ihrem Kloster vertrieben wurden. Sie sind die ersten Opfer einer Intrige, die immer weitere Kreise zieht und in deren Mittelpunkt die skrupellose Äbtissin Engeltrudis unermüdlich ihre Fäden spinnt. Lupus ahnt vom ersten Moment an, dass diese Frau zu den gefährlichsten Gegnern zählt, die man sich vorstellen kann … und muss entsetzt mit ansehen, wie Odo ihr Werkzeug zu werden droht! Jetzt als eBook kaufen und genießen: Den siebten Roman aus der Serie rund um Odo und Lupus, die Kommissare Karls des Großen – „Giftpilze“ von Robert Gordian. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 186
Über dieses Buch:
Das Frankenreich im 8. Jahrhundert: Odo und Lupus, die Kommissare Karls des Großen, sind auf dem Rückweg von einer Friedensmission, als Wegelagerer sie überfallen – verzweifelte Mönche, die aus ihrem Kloster vertrieben wurden. Sie sind die ersten Opfer einer Intrige, die immer weitere Kreise zieht und in deren Mittelpunkt die skrupellose Äbtissin Engeltrudis unermüdlich ihre Fäden spinnt. Lupus ahnt vom ersten Moment an, dass diese Frau zu den gefährlichsten Gegnern zählt, die man sich vorstellen kann … und muss entsetzt mit ansehen, dass Odo ihr Werkzeug zu werden droht!
Über den Autor:
Robert Gordian (1938–2017), geboren in Oebisfelde, studierte Journalistik und Geschichte und arbeitete als Fernsehredakteur, Theaterdramaturg, Hörspiel- und TV-Autor, vorwiegend mit historischen Themen. Seit den neunziger Jahren verfasste er historische Romane und Erzählungen.
Robert Gordian veröffentlichte bei dotbooks bereits die Romane ABGRÜNDE DER MACHT, MEIN JAHR IN GERMANIEN, NOCH EINMAL NACH OLYMPIA, XANTHIPPE – DIE FRAU DES SOKRATES, DIE EHRLOSE HERZOGIN und DIE GERMANIN sowie drei historische Romanserien:
ODO UND LUPUS, KOMMISSARE KARLS DES GROSSEN
Erster Roman: »Demetrias Rache«
Zweiter Roman: »Saxnot stirbt nie«
Dritter Roman: »Pater Diabolus«
Vierter Roman: »Die Witwe«
Fünfter Roman: »Pilger und Mörder«
Sechster Roman: »Tödliche Brautnacht«
Siebter Roman: »Giftpilze«
Achter Roman: »Familienfehde«
DIE MEROWINGER
Erster Roman: »Letzte Säule des Imperiums«
Zweiter Roman: »Schwerter der Barbaren«
Dritter Roman: »Familiengruft«
Vierter Roman: »Zorn der Götter«
Fünfter Roman: »Chlodwigs Vermächtnis«
Sechster Roman: »Tödliches Erbe«
Siebter Roman: »Dritte Flucht«
Achter Roman: »Mörderpaar«
Neunter Roman: »Zwei Todfeindinnen«
Zehnter Roman: »Die Liebenden von Rouen«
Elfter Roman: »Der Heimatlose«
Zwölfter Roman: »Rebellion der Nonnen«
Dreizehnter Roman: »Die Treulosen«
ROSAMUNDE, KÖNIGIN DER LANGOBARDEN
Erster Roman: »Der Waffensohn«
Zweiter Roman: »Der Pokal des Alboin«
Dritter Roman: »Die Verschwörung«
Vierter Roman: »Die Tragödie von Ravenna«
Ebenfalls erschien bei dotbooks die beiden Kurzgeschichtenbände EINE MORDNACHT IM TEMPEL und DAS MÄDCHEN MIT DEM SCHLANGENOHRRING sowie die Reihe WÄREN SIE FRÜHER GESTORBEN mit kontrafaktischen Erzählungen über berühmte historische Persönlichkeiten:
WÄREN SIE FRÜHER GESTORBEN: Caesar, Chlodwig, Otto I., Elisabeth I., Lincoln, Hitler
WÄREN SIE FRÜHER GESTORBEN: Napoleon, Paulus, Themistokles, Dschingis Khan, Bolívar, Chruschtschow
WÄREN SIE FRÜHER GESTORBEN: Karl der Große, Arminius, Gregor VII., Mark Aurel, Peter I., Friedrich II.
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Originalausgabe Januar 2016
Copyright © 2015 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Redaktion: Ralf Reiter
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung eines Gemäldes von Willem Roelofs
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH
ISBN 978-3-95824-391-0
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Robert Gordian
Giftpilze
Odo und Lupus, Kommissare Karls des Großen
Siebter Roman
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Am Ende dieses eBooks finden Sie ein Personenverzeichnis und in einem Glossar zahlreiche Wort- und Sacherklärungen.
Ein allerletzter, dieser siebte Briefbericht wurde aufgefunden, in dem der Mönch und Diakon Lupus seinem Vetter, dem Prior eines bayerischen Bergklosters, unter dem Siegel tiefster Verschwiegenheit ein Mordkomplott schildert, in das die Kommissare Karls des Großen selbst verwickelt sind. Vor allem Odo gerät dabei leichtfertig in gefährliche Nähe zu den Verschwörern, die nach der Macht im Frankenreich streben. Wobei ihnen einer im Wege ist, den sie beseitigen wollen: der Kaiser.
Dem teuren Volbertus, Prior im Kloster N., sendet Lupus Grüße und Heil.
Noch einmal schicke ich dir einen Bericht, lieber Vetter, es wird der letzte sein. Odo und ich werden keine Reisen mehr als missi dominici machen. Es heißt, man habe höheren Ortes kein Vertrauen mehr zu uns, weil wir uns in der Angelegenheit, die ich dir nun schildern werde, nicht so verhalten hätten, wie es unserem Auftrag entsprach. Dabei hatten wir gar keinen Auftrag und gerieten durch den Zufall, der uns bei unseren Reisen so oft überraschte, in die Sache hinein.
Ich bitte dich, diesmal das Schreiben niemandem aus deiner Ordensgemeinschaft, auch nicht dem Vertrauenswürdigsten, zu lesen zu geben, denn es enthält Geheimnisse, die im Interesse des Frankenreichs und seiner Regierung gewahrt werden müssen.
Lange zögerte ich auch mit der Niederschrift. Ich fragte mich, ob ich diese Geschichte überhaupt dem Pergament anvertrauen sollte, weil sie kein gutes Licht auf die Verhältnisse im Reich wirft und die beteiligten hochgestellten Personen ein dringendes Interesse haben, dass der Mantel des Schweigens über ihre Machenschaften gedeckt wird. Schließlich habe ich mich doch entschlossen zu schreiben, weil es mir wichtig ist, die Wahrheit festzuhalten, auch wenn sie niemand sehen und hören und weil man sie nicht einmal vor dem Hofgericht zur Kenntnis nehmen will. Nur wenige kennen sie, und auch du sollst zu ihnen gehören.
Natürlich habe ich wie immer die Namen beteiligter Personen geändert, damit kein Verdacht einer Ähnlichkeit mit Lebenden aufkommt. Aber das ist wohl diesmal eher überflüssig. Es wird dir nicht schwerfallen, hinter die Masken zu blicken, und in einigen Fällen habe ich ganz auf Verhüllungen verzichtet. Die ehrwürdige Mutter Engeltrudis, die »Stoßstange Gottes«, ist ja im ganzen Reich bekannt, ebenso einige ihrer Schleppenträger. Von ihnen handelt dieser Bericht – ich wollte, wir wären ihnen niemals begegnet und unseres Weges gezogen, wie wir es vorhatten, ohne den Abstecher in ihr Kloster. Aber die Umstände nötigten uns, diesen Umweg zu machen.
Die Umstände – das war ein Raubüberfall.
Nach der Heimkehr von unserer Gesandtschaft bei den Wenden, wo uns, wie ich dir erzählte, die Folgen einer tödlichen Brautnacht beschäftigt hatten, waren Odo und ich noch einmal als Königsboten, das heißt, nun als Boten des Kaisers, unterwegs. Es war eine kurze Reise in ein missaticum am unteren Rhein, nur wenige Tagesreisen von der Pfalz Aachen entfernt. Es galt, den Streit eines Grafen und eines Bischofs um Territorien und Immunitäten zu schlichten und eine Lösung für beide herbeizuführen. Dies gelang uns nach einigen Mühen, und schon zwei Wochen später befanden wir uns auf dem Rückweg.
Bei rauhem Wetter, auf schlechter Straße und beim Durchqueren eines dichten Waldes geschah es: Eine Räuberbande brach aus dem Gebüsch hervor und umzingelte uns und unser Gefolge. Helko und Fulk, unsere tapferen Beschützer, zückten ihre Schwerter, aber Odo und ich verzichteten gleich auf Widerstand, der sinnlos gewesen wäre. Immer mehr Männer, zuletzt wohl an die 50, drangen auf uns ein, bedrohten uns mit Speeren, Keulen, Knüppeln und Messern, zwangen uns abzusitzen und fesselten uns. Die Tiere wurden weggeführt, unser Wagen geplündert.
In einem Lager aus Zelten und Hütten, mitten im Wald, hausten die Räuber mit Frauen und Kindern. Bald hatten wir heraus, dass es sich um Mönche und Bauern handelte, die ihrem in der Nähe gelegenen St. Aegidius-Kloster und den dazugehörenden Weilern entflohen waren. Im Kloster, erfuhren wir, sei unter dem Vorwand, zur strengen Regel des Benedikt zurückkehren zu wollen, ein Regime der Sparsamkeit und Askese eingeführt worden, das schon nach kurzer Zeit zu ernsten Folgen geführt habe. Es bedeutete nichts anderes als Hunger und Elend. Viele Erschöpfte, Kranke und sogar Tote, hieß es, habe es schon gegeben.
Die Schuld traf, so wurde behauptet, einen neuen Kommendatarabt namens Godin.
Laienäbte, die keine geistlichen Pflichten erfüllen müssen, haben ja unbegrenzt Zugriff auf die Einkünfte ihrer Klöster und können sich davon nehmen, soviel sie wollen, nach Bedarf und Belieben. Dieser Godin, hörten wir, habe sich aus den Vorratshäusern und auf den Viehweiden reichlich bedient und auch den Hufebauern, die zum Kloster gehörten, die Scheunen und Ställe geleert. Vor allem aber habe er gleich nach seiner Ankunft Hand an den Klosterschatz gelegt und alle wertvollen Gegenstände in der Kirche mit sich genommen. So habe es nun keine Möglichkeit mehr gegeben, durch Verkäufe von Kelchen, Kerzenleuchtern und wertvollen Kultgeräten die Not vorübergehend zu mindern.
Anführer der Bande entwurzelter Mönche und Bauern war der frühere Skriptor des Klosters, der Leiter der Schreibstube, ein kluger Mann namens Gaiso, mit dem wir schnell ins Gespräch kamen. Er hinderte einige seiner Leute daran, ihre Wut an uns auszulassen. Wir waren für die ja als Angehörige der verhassten Herrenschicht Feinde. Einige fuchtelten mit ihren Messern vor unseren Nasen herum und forderten, uns ohne Umstände und lange Verhöre an den nächsten Baum zu hängen. Gaiso ging unerschrocken dazwischen, ließ uns die Fesseln abnehmen und führte Odo und mich in seine Hütte. Da hatten wir Glück gehabt, an einen Schriftkundigen geraten zu sein, der unsere Ernennungsurkunde zu Kommissaren des Kaisers lesen konnte. Unter den Anführern von Räuberbanden, wovon es Hunderte im Frankenreich gibt, wahrhaftig eine seltene Ausnahme!
Der beredte ehemalige Benediktiner nutzte die Gelegenheit, mit Männern vom Hofe in Berührung zu kommen, um uns ausführlich seine Lage und die seiner Brüder und der hörigen Bauern zu schildern.
»Was sollten wir tun? Sagt selbst, konnten wir gegen einen Haufen Bewaffneter, mit denen dieser Godin anrückte, etwas ausrichten? Konnten wir mit bloßen Fäusten gegen Schwerter und Lanzen kämpfen? Sollte ich mit meinem Griffel zustechen? Wer Widerstand leistete, wurde niedergemacht. Es gab mehrere Tote.«
»Und warum habt ihr euch nicht an den Bischof gewandt, der das Kloster beaufsichtigt?«, fragte ich.
»Bischof Bladast? Der hätte uns gerade geholfen. Der ist doch mit denen allen im Bunde!«
»Konnte denn Godin etwas vorweisen? Verdienste? Rechte?«
»Nichts! Der ist vorher nie in unserem Kloster gewesen. Das haben sie alles heimlich gekocht, und wir mussten es auslöffeln. Kaum war unser alter Abt Winnoch tot, da hieß es schon: keinen neuen wählen! Das ist nicht eure Angelegenheit, das wird woanders entschieden. Man wird euch sagen, wen ihr wählen sollt. Das nennen sie, nach der Regel des Benedikt verfahren! Wir wählten trotzdem einen, unseren Bruder Ebregisel. Aber das kümmerte die nicht. Als er dem Godin entgegentrat und zu ihm sprechen wollte, stießen sie ihn beiseite und schlugen ihn.«
»Wie es sich gehört unter frommen Brüdern«, bemerkte Odo. »War der Bischof dabei?«
»Der gab dem ehrwürdigen Ebregisel Ohrfeigen! Und mir versetzte er Fußtritte, weil ich im Namen der Brüder protestierte. Ist ein roher, gottloser Kerl, dieser Godin, war Vogt im Kloster St. Dionysius, ist irgendein nachgeborener Grafensohn. Die Abtswürde in commendam ist die Belohnung für seine Dienste. Welche Dienste? Jedem hier könnt ihr diese Frage stellen, und die Antwort wird euch erschrecken. Bei Gott, das war eine Verschwörung: Godin, Bischof Bladast und diese … diese …« Er schwieg und spie aus.
»Wen meinst du?«, wollte ich wissen.
»Wen soll ich schon meinen? Engeltrudis, die Stoßstange Gottes, wie alle sie nennen.«
»Die Äbtissin des Nonnenklosters?«
»Die ist ja nun die Oberste vom Ganzen, regiert auch die Mönchsabtei. Das ist die Schlimmste! Wer ist vor ihr sicher – und ihren verfluchten Paladinen? Plötzlich abgesetzt und verschwunden waren unser Propst Sunniulf und der Zentgraf Wintrio. Die hatten sich bis zuletzt dagegen gesträubt, unser Kloster einem Laien und Ausbeuter zu überlassen. Seit Monaten hat man sie nicht mehr gesehen. Niemand weiß, was aus ihnen geworden ist.«
Der frühere Skriptor des Aegidius-Klosters redete sich immer mehr in Wut. Er war ein hagerer Kerl mit spitzen, harten Gesichtszügen, vom Hunger und vielen durchwachten Nächten geschwächt. Seine Augen starrten aus dunkel umrandeten Höhlen.
Er sagte uns insofern nichts Neues, als das seltsame Verschwinden und Untertauchen geistlicher und weltlicher Würdenträger in der Umgebung der St.-Dionysius-Abtei seit längerer Zeit bekannt war und immer wieder Gerüchte hervorrief. Männer, die hohe Ämter bekleideten und deren segensreiche Taten eben noch allgemein gerühmt wurden, waren plötzlich nichts mehr wert, verloren ihr Amt, und man hörte nichts mehr von ihnen. Nicht dass es ihnen ans Leben ging, das geschah auch, aber selten. Meistens tauchten sie wieder auf und gelangten irgendwie an ein rettendes Ufer, doch blieben sie fortan unbeachtet. Besonders seltsam war dabei, dass es gewöhnlich die besten Köpfe waren, die ihre Posten und Ämter verloren, und dass an ihre Stelle Dummköpfe, raffgierige Wichtigtuer und leisetreterische Verehrer der Engeltrudis berufen wurden. Die war, so viel wusste ich damals nur, vor einiger Zeit von der anderen Seite des Rheins, aus Sachsen, zu uns herübergekommen und hatte es im Nonnenkloster der St.-Dionysius-Abtei rasch nach oben geschafft. Engeltrudis war ein angenommener Name und passte zu ihr. Der lateinisch Sprechende nennt ja eine Stange zum Stoßen »trudis«, und so nannte man diesen Engel weit und breit die »Stoßstange Gottes«.
Auch Gaiso gehörte zu den Ausgekehrten. Noch vor kurzer Zeit hatte er gehofft, er werde selber den früheren Abt des St.-Aegidius-Klosters beerben, der schon längere Zeit krank war. Diese Hoffnung hatte er wohl etwas zu laut und zu forsch im Kreise der Brüder ausgesprochen, doch sein Anspruch war allgemein anerkannt, und es war erwartet worden, dass er, da er gebildet und beredt war, gewählt würde. Er war dann aber dem Ebregisel knapp unterlegen, und nach der Übernahme des Klosters durch Godin verlor er sogar seinen kleinen Posten als Leiter der Schreibstube. Er war eben auch ein Unbequemer, und da er den – allerdings kläglich gescheiterten – Aufstand gegen Godin mit angeführt hatte, wurde er gleich davongejagt und war einer der Ersten, die das Gotteslob nun hier im Walde sangen.
Gaiso betrachtete es als Schande, zum Schnapphahn am Straßenrand heruntergekommen zu sein. Doch war er überzeugt, der Herr im Himmel werde ihm und den anderen verzeihen. Bevor sie das Schicksal ihrer unglücklichen Brüder, der Hungernden und Siechen, ereilte, hätten viele Mönche und hörige Bauern nur diesen Ausweg gefunden: Straßenraub. Kleine Händler ließen sie ziehen, ebenso Bauern, die ihr mageres Vieh zum Markt trieben, oder Pilger, die nur ein bisschen Brot und Käse im Beutel hatten. Große Herren aber mussten sich vorsehen, wenn man sich stark genug fühlte, die Männer ihrer Schutzmacht zu überwinden. Besonders den in üppig ausgestatteten Reisewagen daherziehenden Prälaten wurde alles, was sie bei sich führten, abgenommen. Weder Hüte noch Hosen wurden ihnen gelassen, mit kahlem Kopf und nacktem Hintern jagte man sie davon.
Mit uns verfuhr Gaiso etwas gnädiger. Zwar wurden auch wir ausgeraubt, doch ließ man uns allen wenigstens die Kleider und Odo und mir unsere Reittiere, den Grauschimmel Impetus und mein Eselchen Grisel. Dies musste Gaiso gegen heftigen Widerstand durchsetzen, denn die Tiere hätte man ja zu einem guten Preis auf den Markt bringen können.
Wir konnten aber ein wenig Hoffnung wecken, indem wir versprachen, die gewaltsame Übernahme des Klosters durch den Laienabt und das Verschwinden der beiden Amtsträger vor das Hofgericht zu bringen. Das konnte so zur Kenntnis des großen Karl, unseres gerechten Kaisers, gelangen, dessen Machtwort die Schuldigen treffen und die früheren Verhältnisse wiederherstellen würde. Zugegeben, ich hatte kaum Hoffnung, dass es so kommen könnte, doch dieses Versprechen war das Mittel, unserer bedrohlichen Lage zu entkommen.
Schnell machten wir uns davon, verfolgt von Flüchen und Verwünschungen, die man uns hinterherschrie.
So zogen wir weiter, doch waren wir nun gezwungen, von unserem ursprünglichen Itinerar abzuweichen.
In dem Zustand, in dem sich unser erbärmliches Häuflein befand, konnten wir den Rest des Weges nur unter großen Schwierigkeiten zurücklegen. Den Wagen mit allem, was wir besaßen, hatten uns ja die Räuber genommen. Wir verfügten über keine Wegzehrung mehr, Decken und Felle und alle Kleidungsstücke und Schuhe, die wir nicht am Leibe getragen hatten, waren geraubt. Alle Waffen waren Odo und unseren Männern abgenommen. Nur die Dokumente, die wir mit uns führten, hatten keine Begehrlichkeit geweckt, dafür aber die Körbe und Kisten, in denen sie gelegen hatten. So schleppten wir uns ab mit Kodizes und Pergamentrollen, um wenigstens die wichtigsten zu retten, andere versenkten wir in Tümpeln.
Ich übergehe die traurigen Umstände, unter denen wir unser erstes Nachtlager nach dem Überfall hielten. Jeder Reisende, der in den Schluchten, Wäldern und Sümpfen des Frankenreichs unterwegs ist und abends keine Herberge findet, kann davon ein eigenes Klagelied singen. Zweimal wurden wir abgewiesen und mit Hunden davongejagt. Geld hatten wir nicht, nur Knüppel, um uns zu verteidigen, nicht einmal ein Messer, und natürlich ernteten wir bei den Herbergswirten nur Hohnlachen, wenn wir behaupteten, Kommissare des Kaisers zu sein. Lesen konnte natürlich keiner, unser Ernennungsschreiben war wertlos.
So blieb uns, als wir uns am Morgen mit steifen Gliedern von unserem Lager aus Moos und Blättern erhoben und zu neun Mann ein (von Helko und Fulk gestohlenes) Huhn verzehrt hatten, für den weiteren Weg nur ein Ziel: das nächstgelegene Kloster. Außer den kaiserlichen Pfalzen sind ja auch alle Klöster im Reich verpflichtet, Abgesandten und Würdenträgern mit ihren Gefolgen, die im Auftrag des Kaisers unterwegs sind, freie Unterkunft zu gewähren und sie, falls es nötig ist, mit allem zu versorgen, was sie zur Weiterreise brauchen. Wir hatten ursprünglich nicht die Absicht und vermieden es möglichst auch, die oft nur widerwillig gewährte Hilfe der Klosterbrüder in Anspruch zu nehmen. Doch was blieb uns in diesem Fall anderes übrig?
Das am nächsten gelegene Ordenshaus war ausgerechnet jenes Doppelkloster St. Dionysius, von dem nach Meinung der Räuber das ganze ihnen zugestoßene Unheil ausgegangen war. Ich war einmal dort gewesen und habe dir, lieber Vetter Volbertus, darüber und über alles andere, was mir mit Pilgern und Mördern widerfuhr, auch berichtet. Erinnerst du dich an die weinselige Mutter Marcovefa? Sie gebot im Kloster zu den drei Marien, das sich seinerzeit von der nächstgelegenen Mönchsabtei aus sittlichen und anderen Gründen getrennt hatte. Inzwischen waren die beiden Gemeinschaften wieder vereinigt worden, nun unter dem Namen und Schirm des heiligen Dionysius von Alexandria, und hatten im letzten Jahrzehnt eine bedeutende Stellung errungen. Immer wieder hörte man, dass sie die ganze Region beherrschten, mehrere Diözesen und Grafschaften. Wie es dazu gekommen war, wussten wir nicht. Bei Hofe genoss der Abt Waldo mit dem Spitznamen »Brassicolus« (Kohlkopf) hohes Ansehen, und sein Rat war gefragt, wenngleich er sich in der letzten Zeit kaum noch hatte sehen lassen. Er war auch schon recht betagt und kränklich, und so hieß es, die Leitung der beiden Klöster liege tatsächlich nun in der Hand einer Nonne, der Vorsteherin des Nonnenklosters, der ehrwürdigen Mutter Engeltrudis. Diese, die »Stoßstange«, habe die alte Marcovefa verdrängt und auch sonst alles und jeden beiseitegeräumt, was und wer ihr im Wege war. Sie war – ich erwähnte es schon – von jenseits des Rheins gekommen und also wohl sächsischer Herkunft, und allgemein herrschte Verwunderung darüber, dass eine solche Person es mitten im Kerngebiet des Frankenreichs und nicht allzu weit von der bevorzugten Pfalz des Kaisers zu einer so bedeutenden Stellung bringen konnte.
Es wurde allerdings manches gemunkelt, was in der St.-Dionysius-Abtei geschehen und wie es zu diesem ungewöhnlichen Wechsel der Machtverhältnisse gekommen war. Auch die Klage eines Grafen am Hofgericht gegen Brassicolus war mir noch im Gedächtnis, obwohl ich nicht unmittelbar mit dem Fall zu tun hatte und nur manchmal ein Protokoll abschreiben musste. Der Abt war in Waffengeschäfte mit feindlichen Nachbarn verwickelt. Die sind natürlich streng verboten, und schwere Strafen drohen allen, die dieses Verbot unterlaufen. Brassicolus aber unterhielt – laut Anklage – sogar selbst auf seinen Fronhöfen Schmiedewerkstätten, in denen Waffen hergestellt wurden. Er hatte angeblich viel Geld von Waffenhändlern genommen, die Schwerter, Dolche und Lanzen über den Rhein, die Weser und die Elbe zu den noch im Widerstand befindlichen Sachsen und zu den feindlichen Lutizen und Nordmännern geschmuggelt hatten. Diese verbotenen Zuwendungen waren die Grundlage seines Reichtums geworden. Ganz offensichtlich waren hier die Bestimmungen eines Kapitulars des Kaisers missachtet worden, doch wurde Brassicolus niemals dafür bestraft. Der Kaiser hatte sich mit seiner Behauptung begnügt, das viele Geld seien Spenden frommer fränkischer Großer zugunsten des Klosters gewesen, doch hätten die bescheidenen Spender anonym bleiben wollen, und nur Gott sollte ihre Namen kennen. Dafür hätte Brassicolus ihnen sein Ehrenwort gegeben. Der schwergewichtige Abt galt als eine der tragenden Säulen, auf denen das Dach des Frankenreichs ruhte. Kaiser Karl und seine Räte hielten die schützende Hand über ihn, und so kam es trotz aller Beweise, die der Kläger vorbringen konnte, zu keiner Verhandlung vor dem Hofgericht. Die ganze Sache wurde vertuscht, und der Graf, der zu mutig gewesen war, der die Gerechtigkeit liebte und die Gesetze beachtet sehen wollte, verlor sein Amt.
***
Wir erreichten das Kloster zum heiligen Dionysius, als die Sonne noch im Zenit stand, um die sechste Stunde.
Schon unterwegs hatten wir erfahren, dass Gäste von nah und fern hier zu einem Fest herbeiströmten. Mehrmals hatten wir ausweichen müssen, als hohe Herrschaften mit zahlreichem Gefolge hinter uns auftauchten, uns mit harschem Zuruf befahlen, den Weg frei zu machen, und an uns vorüberzogen. Einige kannten wir, uns aber erkannte niemand, kein Wunder, sahen wir uns doch mit unseren schmutzigen Gesichtern und abgerissenen Kleidern kaum noch ähnlich. Man hielt uns wohl für Landstreicher, wenn auch harmlose, denn Waffen hatten wir ja nicht. Derbe, beleidigende Scherzworte waren alles, was man vorübereilend für uns übrighatte. Wir konnten den Weg versperren und uns zu erkennen geben, doch dazu war Odo zu stolz. Er wollte nicht vor allen diesen bunten Hähnen als gerupfter Spatz erscheinen und Hilfe erflehen.
Fulk sprach einen der Knechte an, die ihrem Herrn folgten, und erhielt die Auskunft, die wir bald bestätigt fanden. Schon von weitem bemerkten wir auf dem freien Platz vor der Klostermauer die Menge der Menschen, Tiere und Wagen. Das Fest wurde zu Ehren irgendeines Heiligen gefeiert, des Gaugerich von Cambrai, wenn ich mich recht erinnere. Die ehrwürdige Mutter Engeltrudis hatte dazu die Großen der ganzen Region geladen. Sie pflegte, wie wir später erfuhren, solche Ehrentage für Heilige, von denen es ja sehr viele gibt, zu nutzen, um ihre Vertrauten bei Laune zu halten und sich dabei auch ihrer Zuverlässigkeit zu versichern. Denn es gehörte sich nicht, solchen Treffen fernzubleiben. Wer nicht erschien und ein Geschenk zur Deckung der Unkosten mitbrachte, musste mit Folgen rechnen.