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„Wir sind verloren“, murmelte Landogar mit einer Stimme, in der nichts als Verbitterung und ein hohes Maß an Resignation lagen.
Godwin bewegte sich etwas, unter seinem Körper raschelte fauliges Stroh, sein Blick suchte Landogar, und er musterte durch die Düsternis des Stalles kurze Zeit das bleiche Gesicht mit den vielen verschorften Schürf- und Platzwunden. Die diffuse Helligkeit rührte daher, dass durch die Ritzen zwischen den Brettern der Stallwände Sonnenlicht sickerte und gleißende Streifen auf den Boden zauberte; in den Lichtbahnen schwebten winzige Staubpartikel. „Noch leben wir“, versetzte Godwin. „Euch ist doch sicher nicht entgangen, dass sich zwei Tage vor unserer Ankunft ein junger Krieger zu mir gesellte und lange mit mir sprach.“
Cover: STEVE MAYER
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Veröffentlichungsjahr: 2017
Godwin und der unversöhnliche Fürst – Teil 5
Roman von Pete Hackett
Ein CassiopeiaPress E-Book
© by Author
© der Digitalausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
www.AlfredBekker.de
Der Umfang dieses Ebook entspricht 51 Taschenbuchseiten.
„Wir sind verloren“, murmelte Landogar mit einer Stimme, in der nichts als Verbitterung und ein hohes Maß an Resignation lagen.
Godwin bewegte sich etwas, unter seinem Körper raschelte fauliges Stroh, sein Blick suchte Landogar, und er musterte durch die Düsternis des Stalles kurze Zeit das bleiche Gesicht mit den vielen verschorften Schürf- und Platzwunden. Die diffuse Helligkeit rührte daher, dass durch die Ritzen zwischen den Brettern der Stallwände Sonnenlicht sickerte und gleißende Streifen auf den Boden zauberte; in den Lichtbahnen schwebten winzige Staubpartikel. „Noch leben wir“, versetzte Godwin. „Euch ist doch sicher nicht entgangen, dass sich zwei Tage vor unserer Ankunft ein junger Krieger zu mir gesellte und lange mit mir sprach.“
„Natürlich nicht“, knurrte Gaidemar.
„Sein Name ist Ramgar, sein Vater gehört zum Rat der Ältesten im Dorf. Ramgar fand meine Idee gut, und er wollte mit seinem Vater sprechen, falls sich Fürst Aldemar als unversöhnlich zeigt. Vielleicht kann Ramgar seinen Vater von der Notwendigkeit eines Bündnisses überzeugen und dem wiederum gelingt es, den Fürsten auf einen anderen Kurs zu bringen.“
„Darauf sollten wir uns nicht verlassen“, mischte sich Trautwin ein. „Wir sollten uns vielmehr Gedanken darüber machen, wie wir ihnen auf eigene Faust entkommen können. Denn allzu viel Zeit haben wir nicht. Schon Morgen sollen wir sterben, was bedeutet, dass wir nur noch den Rest des Tages und die Nacht für eine Flucht haben.“
„Ich will nicht jämmerlich im Moor ersticken“, stieß Mutbrecht hervor. „Versuchen wir, uns gegenseitig von den Fesseln zu befreien. Und dann …“
„Warum sprichst du nicht weiter?“, fragte Godwin.
„Ich habe keine Ahnung, wie es weitergehen soll“, musste Mutbrecht zugeben. „Wir brauchen unsere Waffen, unsere Pferde samt den Sätteln und den Zaumzeugen. Bei den Göttern, ich denke, es gibt keine Rettung.“
„Dennoch sollten wir versuchen, unsere Hände freizubekommen“, erklärte Godwin. „Für den Fall des Falles. Zunächst einmal ist es wichtig, unser Leben zu retten. Waffen, Pferde und alles andere, was notwendig ist, können wir uns sicherlich auf einem der entfernt gelegenen Höfe beschaffen.“
Sie setzten sich Rücken an Rücken und begannen, mit pelzigen Fingern an den Fesseln des anderen zu zupfen. Die Knoten waren fest zugezogen, Fingernägel brachen, eine fast fiebrige Ungeduld begann an den Nerven zu zerren. Die Zeit verrann, ohne dass sich ein Erfolg einstellte. Ihre Stoßgebete an die Götter wurden nicht erhört, und Godwin begann schon zu befürchten, dass die Götter sie aufgegeben hatten. Sie – nein, er hatte versagt, und die Götter hatten sich von ihm abgewandt. Dieses deprimierende Gefühl gesellte sich der erneut beginnenden Resignation hinzu und er war kurz davor, seinen Kameraden zu gebieten, den scheinbar sinnlosen Versuch, die Fesseln zu lösen, aufzugeben.
Wenn es die Bestimmung der Götter war, dass sie sterben sollten, dann war jeder Aufwand, der dieses Schicksal abwenden sollte, vergeblich.
Aber er verbiss es sich, diesen Befehl zu geben, denn ein winziger Funke Zuversicht glomm in seinem Herzen und solange sein Herz schlug und Blut durch seine Adern pumpte, klammerte er sich an diese Hoffnung wie der Ertrinkende an den rettenden Strohhalm.
Die Zeit verrann, die Lichtbahnen verschwanden und mit ihnen lösten sich die gleißenden Linien am Boden auf, die Düsternis im Stall nahm zu. Geräusche, die die Menschen und Tiere im Dorf produzierten, sickerten an das Gehör der Gefangenen. Und plötzlich war auch das Mahlen von Sand unter Ledersohlen zu vernehmen, im nächsten Moment knirschte draußen der Riegel, als er zurückgeschoben wurde, und die Stalltür wurde aufgezogen. Die Dunkelheit lichtete sich etwas, weil es draußen noch heller war als im Stall. Eine Gestalt verdunkelte für einen Moment das Türrechteck, sie trat ein und baute sich vor den Gefangenen auf. Zwei, drei weitere Männer folgten, und nachdem sie kurze Zeit finster die Gefangenen gemustert hatten, sagte einer von ihnen: „Der Rat hat einen Beschluss gefasst, denn nicht alle Räte finden die Idee von einem Bündnis schlecht. Das Todesurteil, das Fürst Aldemar über euch verhängt hat, wurde zunächst aufgehoben.“
„Und was hat man sich anstelle dessen einfallen lassen?“, kam es etwas ironisch von Gaidemar, dem jungen Westheruler. „Kaum vorstellbar, dass man uns laufen lassen will.“
„Wir wollen die Entscheidung den Göttern überlassen. Einer von euch wird morgen, nachdem die Sonne ihren höchsten Stand überschritten hat, gegen einen Krieger der Ansibarii kämpfen, und es wird ein Kampf auf Leben und Tod sein. Siegt unser Krieger, sterbt ihr alle. Verliert er, lassen wir euch ziehen.“
„Will Aldemar in diesem Fall das Bündnis eingehen?“, fragte Godwin, und er spürte jäh die Hoffnung, dass es so sein würde.
Doch er wurde enttäuscht.
„Auf keinen Fall“, antwortete der Ansibarii. „Es gibt nämlich nicht mehr viele junge und starke Ansibarii, die der Fürst in den Krieg schicken könnte, denn die meisten habt ihr elenden Harier erschlagen.“
Zuletzt schwang in der Stimme des Ansibarii der blanke Hass; sie war geradezu getränkt von gehässiger Leidenschaft.
„Es ist in Ordnung“, sagte Godwin. „Ich werde mich dem Gottesurteil stellen. Welche Waffen werden wir verwenden?“
„Das bleibt jedem der Kämpfer selbst überlassen.“
„Es ist gut“, knurrte Godwin. „Ich wähle das Schwert.“
Die Abordnung des Ältestenrats verließ den Stall, die Tür wurde wieder verriegelt, Landogar sagte: „Ein kleiner Lichtblick. Vorausgesetzt, Aldemar steht zu seinem Wort in dem Fall, dass unser Kämpfer siegt.“
„Dazu verpflichtet ihn der Beschluss des Rates“, erklärte Godwin. „Ja, wir haben eine gute Chance, nicht von ihnen ins Moor geworfen zu werden. Mögen mir die Götter die Kraft geben, in dem bevorstehenden Kampf zu siegen.“
„Lass mich kämpfen“, rief Gaidemar.
Alle starrten den jungen Krieger an, Godwin zog die Unterlippe zwischen die Zähne und kaute darauf herum, dann schüttelte er den Kopf. „Nein, mein Freund, diesen Kampf muss ich ausfechten.“
„Wer sagt das?“ kam es fast trotzig von Gaidemar.
„Ich sehe mich dazu verpflichtet“, antwortete Godwin.
„Du bist aber nicht dazu verpflichtet“, presste Gaidemar mit besonderer Betonung hervor. „Wir sind gleichberechtigt. Du hast es selbst zum Ausdruck gebracht, Godwin, als ich mich auf das Geheiß meines Vaters euch anschloss. Bis jetzt habe ich es akzeptiert, dass du uns geführt hast. Jetzt aber fordere ich von dir, dass du Gleichberechtigung übst.“
„Aber …“
„Du bist nicht unser Führer, Godwin!“, so schnitt ihm Gaidemar das Wort ab. „Du hast es selbst gesagt. Also besitze ich dieselben Rechte wie du – wie jeder hier. Und ich bestehe darauf, den Kampf zu übernehmen.“
„Lass ihn kämpfen, Godwin“, sagte Mutbrecht. „Er soll ein herausragender Lanzenkämpfer sein. Vielleicht wollen die Götter gar nicht, dass du den Kampf ausfichst.“
„Mich haben die Götter dazu auserkoren …“
Erneut unterbrach ihn Gaidemar, indem er rief: „Ja, du bist der von ihnen Auserwählte. Und darum darfst du dein Leben nicht aufs Spiel setzen.“
„Wenn du verlierst …“
„Ich bin überzeugt davon, zu siegen.“
Betretenes Schweigen machte sich breit, und es dauerte geraume Zeit, bis es Landogar sprengte, indem er hervorstieß: „Stimmen wir ab. Wer ist dafür, dass Godwin kämpft?“
Niemand meldete sich.