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«Gottes Segen bewirkt mehr als nur einen messbaren, sichtbaren Erfolg. So schön der Erfolg ist – er macht nicht automatisch glücklich. Doch nun kommt etwas anderes dazu: Der Segen, den wir erfahren, verwandelt sich in Dankbarkeit. Aus dieser Dankbarkeit erwächst die wahre Freude über das Gelingen. Als Gesegnete sind wir Beglückte. Und aus der Freude über dieses Glück schöpfen wir neue, ungeahnte Kraft. Mir geht es tagtäglich so.»
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Seitenzahl: 146
Abtprimas Notker Wolf
mit Leo G. Linder
Gott segne Sie!
Neue Einfälle für das Leben hier unten
Vorwort
Nicht nur einmal im Jahr sollte Weihnachten sein
Sich aufhalten lassen – der erste Schritt zu einer besseren Welt
Von der Last der Schuld und wie man sie loswird
Fallen Sie anderen zur Last!
Handy-Quassler – da bin ich hin und her gerissen
Zivilcourage gegen die Gewalt im Kleinen
Sollte der Papst ein jugendlich-drahtiger Draufgänger sein?
Den wohlwollenden Blick auf der Straße üben
Ein Sparschwein gegen den Zorn
Mit ausgestreckten Händen die Grenzen der Vernunft sprengen
Den Nachwuchs vor dem Kinderkult retten
Keiner muss im Niemandsland der Gewalt herumirren
Alles verprasst und doch geliebt
Die Kämpfer für eine rauchfreie Welt kennen kein Pardon
Erwachsene wollen heute ihr Gesicht verlieren
Ist körperliche Liebe nicht etwas Intimes?
Weniger Gier, dafür mehr Gewissen
Jesus war kein Hungerkünstler
Über das schnelle und spurlose Verschwinden des modernen Menschen
«Alle sind untreu – und du?»
Sich nicht verdrießen lassen
Gesucht: ein Verbündeter fürs Leben
Ein Mittel gegen Weltfremdheit – Arbeit
Der Heilige Geist – fremd und unbegreiflich?
Was Menschen mit dem bösen Blick nie verstehen werden
Ein Brief ist eine Liebeserklärung
Wer nicht recht behalten will, siegt über sich selbst
Ein Nichtsnutz sein mit Gottes Hilfe
Die Sonntagspredigt – ein leidiges Kapitel
Die Vision einer großen Menschheitsfamilie
Jaguarköpfe gegen die Respektlosigkeit der Europäer
Mit Deep Purple gegen die Diktatur der Glaubenslosigkeit
Gott sei Dank kann man sich ändern
«Sie brauchen den Alkohol nicht!»
Schlechte Erinnerungen müssen keine lebenslangen Dämonen sein
Das Christentum – eine revolutionäre Religion
Magenkrämpfe sind für etwas gut
Natürlich kann man Gott aus seinem Leben streichen. Und dann?
Es muss nicht immer die E-Gitarre sein
Jeder Mensch ist ein frecher Spatz
Sich bloß nicht ducken – Ordensfrauen auf Panzern
Eine Lektion in Entbehrlichkeit
Soll ich mein Kind taufen lassen?
Abgekoppelt von der Welt
In Zukunft wird es ziemlich bunt werden
Bevormunden – eine Spezialität der Politiker
Schuluniformen? Eine ausgezeichnete Idee!
Wasser bedeutet Reinheit und Neubeginn
Gott hat eine schwache Seite – sein Herz
Krieg sollte auch für Kinder kein Spiel sein
Die Einsiedler kommen zurück
Wenn alles zum Heulen ist
Schon mal an Selbstdisziplin gedacht?
Am bedrohlichsten ist unsere eigene Unersättlichkeit
Chancengleichheit – eine Aufgabe für uns alle
Wir haben viel mehr zu verschenken, als wir glauben
Menschen mit Anspruchsdenken können einem leidtun
Besser widerwillig als gar nicht geben
Gott ein «Richter Gnadenlos»?
Hochzeiten sind in Rom die wichtigste Sache der Welt
«Alleine machen»
Etwas weniger siegen, damit alle gewinnen
Familie – ein Ort schlimmster Grabenkämpfe?
Schutzengel haben Konjunktur
Hin und wieder gibt es nichts Schöneres als Einsamkeit
Der biblische Schöpfungsbericht – ein Märchen aus alter Zeit?
Anders beten in Amerika
Plätzchen backen gegen den Alltagskummer
Anleitung zur Raupenbeobachtung
Es fällt Ihnen schwer zu glauben? Schade
Wie die Römer Weihnachten feiern
Psalmen, Prosecco und Panettone – Weihnachten in Sant’Anselmo
Jede Religion kann in Fanatismus ausarten
Jesus hat sich mit den Menschen Mühe gegeben
Gott segne Sie – das ist mein Wunsch für Sie, liebe Leserin, lieber Leser. Ein jeder von uns geht mit der Hoffnung an sein Leben, dass ihm gelingen wird, was auf ihn zukommt – in seinem Beruf natürlich, aber auch in der Freundschaft, in der Liebe, in der Familie. Das Leben soll uns glücken, denn zunächst einmal und vor allem wünschen wir, glücklich zu sein. So einfach ist das – und doch so schwer. Vor jedem von uns liegt sein Leben wie ein großes Projekt, niemals leicht zu bewältigen und bisweilen haarsträubend schwierig, voller Ungewissheiten, voll mühevoller Aufstiege und schwindelerregender Abgründe. Und bei allem Selbstvertrauen werden wir ein ums andere Mal daran erinnert, dass es nicht allein in unserer Macht steht, ob sich unsere Hoffnungen erfüllen, ob wir am Ende wirklich mit einem glücklichen Lächeln auf all die großen und kleinen Projekte zurückblicken können, aus denen das Leben besteht. Muss uns das beängstigen?
«An Gottes Segen ist alles gelegen», hieß es früher. Man hat diesen Spruch gern über die Haustüren gesetzt oder an den Dachgiebel geschrieben. Für mich ist das kein Spruch aus einer alten, gutgläubigen Zeit, sondern eigene Erfahrung. Die Aufgabe, einen so großen Orden wie den Benediktinerorden in die Zukunft zu führen, könnte mich in der Tat beängstigen. Sie geht eigentlich über menschliche Kraft. Ich wäre zum Scheitern verurteilt, würde Gott meine Arbeit und mein Leben nicht segnen. Aber er tut es. Er schenkt das Gelingen. Ich kann beruhigt sein – und mit doppelter Kraft an meine Arbeit herangehen.
Denn das ist das Wunderbare: Der Segen Gottes bewirkt mehr als nur einen messbaren, sichtbaren Erfolg. So schön der Erfolg ist – er macht nicht automatisch glücklich. Doch nun kommt etwas anderes hinzu: Der Segen, den wir erfahren, verwandelt sich bei uns in Dankbarkeit. Aus dieser Dankbarkeit erwächst die wahre Freude über das Gelingen. Als Gesegnete sind wir Beglückte. Und aus der Freude über dieses Glück schöpfen wir neue, ungeahnte Kraft. Mir geht es tagtäglich so.
Ich wünsche Ihnen dasselbe Erlebnis, dasselbe Glück. Deshalb der Titel dieses Buchs. Darüber hinaus besitzt das Wort Segen aber noch einen zweiten Sinn, und auch der verdient Beachtung. Denn «seinen Segen zu etwas geben» bedeutet, ein Vorhaben oder eine Verhalten gutzuheißen. In diesem Sinne geht es mir auch um die Voraussetzungen für ein geglücktes Leben. Also darum, wie wir leben sollten, damit Gottes Wille geschehe, wie es im Vaterunser heißt, mit anderen Worten: damit wir selbst für unsere Mitmenschen ein Segen sind. Ich verbinde mit diesem Buch die Hoffnung, dass es seinen Leserinnen und Lesern dazu verhilft, zuversichtlicher an das schwierige Projekt Leben heranzugehen – nämlich mit Gottes Hilfe und Segen.
Der Heilige Abend mit seinen Feierlichkeiten und Geschenken ist vorbei. Wir haben von dem Kind gehört, das im Schmutz eines Viehstalls geboren und im Stroh einer Futterkrippe abgelegt wird, aber in Wirklichkeit der Retter der Welt ist. Wir haben uns daran erinnert, dass Gott sich nicht zu schade war, es in den armseligsten Verhältnissen zur Welt kommen zu lassen. Und wir wissen, dass dieses Kind später selbst ein Herz für alle hatte, die schwach und hilflos sind. Vielleicht haben wir uns von der Weihnachtsstimmung rühren, anrühren lassen und nicht nur unsere eigenen Kinder beschenkt, sondern auch einen größeren Geldbetrag gespendet. Und jetzt? Wollen wir abwarten, bis wir in elf Monaten erneut in Weihnachtsstimmung kommen, bevor wir wieder mit anderen teilen?
Vor mir liegt ein Brief aus Togo. Der afrikanische Prior eines unserer Klöster schreibt: «Kinder in den entwickelten Ländern können sich kaum ein Bild davon machen, was andere Kinder im Rest der Welt täglich durchmachen. Während manche Kinder nicht wissen, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollen, sich langweilen oder um wertlose Dinge Sorgen machen, suchen andere verzweifelt nach einer Gelegenheit, in die Schule gehen und lernen zu können. Während manche sich fragen, was sie mir ihren Zimmern anfangen sollen, weil diese zu groß und zu voll für sie sind, haben andere kaum ein Dach über dem Kopf. Während manche sich aussuchen können, was sie essen wollen, betteln andere um ein Stück Brot, um überleben zu können. Für uns in Afrika ist Weihnachten, wenn wir einem Kind durch ein Lächeln Hoffnung schenken. Ist Weihnachten, wenn wir uns darum kümmern, dass ein armes Kind eine Ausbildung erhält. Ist Weihnachten, wenn wir einem Kind die Tränen aus den Augen wischen. Ist Weihnachten, wenn wir für Kinder beten, die unter miserablen und unmenschlichen Bedingungen leben. Ist Weihnachten, wenn Kinder aus unterschiedlichen Schichten zusammenkommen und miteinander spielen und feiern. Wir können unmöglich an das Christkind in der Krippe denken, ohne uns daran zu erinnern, dass es Millionen von Kindern in aller Welt gibt, denen das Nötigste zum Leben fehlt.»
Ja, es gibt diese Kinder, ich begegne ihnen auf meinen Reisen immer wieder. Und deshalb bitte ich Sie: Helfen Sie. Tragen Sie dazu bei, dass für diese Kinder nicht nur einmal im Jahr Weihnachten ist. Dann schenken Sie ihnen das, was sie am allernötigsten brauchen: Hoffnung.
Die Erzählung vom barmherzigen Samariter ist für mich eines der großartigsten Gleichnisse Jesu (Lukas 10, 25–37). Da geht es um Nächstenliebe, um Menschlichkeit, also um die Frage: In welcher Welt wollen wir eigentlich leben? In einer Welt, in der alle blind aneinander vorbeilaufen? Oder in einer Welt, in der jeder die Augen aufmacht und hinschaut und deshalb bemerkt, wenn irgendwo irgendwer Hilfe braucht? Der Mann im Gleichnis jedenfalls braucht dringend Hilfe – er ist auf dem Weg von Jerusalem nach Jericho überfallen, ausgeraubt und halb totgeprügelt worden; jetzt liegt er hilflos unten im Geröll des Wadis. Vielleicht sieht man ihn von der Straße aus gar nicht, vielleicht ist da oben von ihm nur ein leises Stöhnen und Wimmern zu vernehmen.
Dennoch müsste man jetzt stutzig werden, wenn man dort vorbeikommt. Man müsste innehalten und genauer hinhören und womöglich den Abhang des Wadis hinunterklettern und nachschauen. Kürzer gesagt: Man müsste sich aufhalten lassen, wenn man ihm helfen will. Zwei Männer, die dort vorbeigehen, tun das nicht. Sie ziehen weiter. Wahrscheinlich nicht, weil sie besonders herzlos sind, nicht, weil ihnen Mitleid völlig fremd ist. Aber sie wollen sich nicht aufhalten lassen. Wollen keine Zeit verlieren.
Denn das ist ja das Lästige an der Hilfsbereitschaft: Sie hält einen auf. Und deshalb schaut sich der eine wie der andere nur flüchtig um, glaubt wohl, sich verhört zu haben, und sieht zu, dass er weiterkommt. Erst der Dritte, der Mann aus Samaria, der Samariter, bleibt stehen. Horcht genau hin. Schaut nach. Findet den Verletzten. Leistet Erste Hilfe. Und schafft ihn auf seinem Maultier in den nächsten Gasthof.
Ist dieser Samariter also ein besserer Mensch als die beiden ersten? In einem einzigen Punkt gewiss: Er lässt sich aufhalten. Er hat nicht die Sorge, Zeit zu verlieren. Und sehen Sie, das ist der Unterschied. Der kleine Unterschied zwischen unaufhaltsamen Menschen und solchen, die sich aufhalten lassen und stehen bleiben und nachsehen. Der gewaltige Unterschied zwischen Unmenschlichkeit und Menschlichkeit. Der himmelweite Unterschied zwischen einer Welt, in der alle blind aneinander vorbeilaufen, und einer Welt, in der man die Augen aufmacht und bemerkt, ob ein anderer Hilfe braucht. Es fehlt so wenig zu dieser menschlichen Welt. Es fehlt eigentlich nur die Bereitschaft, uns jederzeit aufhalten zu lassen.
Wie schrecklich, wenn man schuld ist, zum Beispiel an einem Verkehrsunfall, bei dem ein Mensch verletzt wurde. Und jetzt können Sie es nicht mehr ungeschehen machen. Sie können nicht mehr in die Zeit vor dem Unfall zurück. Kann die Schuld je ausgelöscht werden? Sobald Ihr Entsetzen Ihnen wieder einen klaren Gedanken erlaubt, wird Sie diese Frage nicht loslassen.
Natürlich sind auch praktische Maßnahmen nötig. Sie sorgen dafür, dass für den Menschen, den Sie geschädigt haben, wirklich alles getan wird, was in Ihrer Macht steht, angefangen mit der medizinischen Behandlung. Das schenkt Ihnen etwas Ruhe, aber das furchtbare Wissen bleibt. Mancher versucht, es zu verdrängen.
Der Versuch jedoch, unter der Last der Schuld alles totzuschweigen, alles zu vergessen, wäre genau die falsche Entscheidung. Es erfordert viel Mut, den direkten Kontakt zum Opfer zu suchen, aber nur dann können Sie und Ihr Opfer wieder heil werden, wenn Sie ehrlichen Herzens um Verzeihung bitten – ohne Wenn und Aber. Diesen Schritt müssen Sie tun. Und nun steht der andere vor seiner schweren Aufgabe. Wird er Ihnen verzeihen können?
Ihr Schicksal und das des Menschen, den Sie geschädigt haben, hängt letztlich davon ab, ob er Ihnen vergeben kann. Ihr Herz sagt Ihnen, dass Sie schuldig sind, bis der andere das Wort der Vergebung ausgesprochen hat. Der andere wiederum bleibt lebenslang Ihr Opfer, wenn er sich nicht frei machen kann von seinem Zorn und seiner berechtigten Empörung.
Was sich da zwischen zwei Menschen abspielt, kann auch ganze Völker betreffen. Denken wir an all die Kriege überall auf der Welt, das maßlose Leid, den maßlosen Hass. Da ist es wie ein Wunder, dass es zum Beispiel in Rwanda Versöhnungsgruppen gibt, die es sich zum Ziel gesetzt haben, die Wunden des Völkermords zu heilen. Sie haben erkannt: Einen Weg in die Zukunft gibt es nur durch das Eingeständnis der Schuld und durch die Vergebung.
Wer hilft, dass Vergebung gelingt? Gott ist es, der in letzter Konsequenz und ganz radikal uns allen vergibt und das Wunder der Vergebung möglich macht.
Wir können Vergebung nicht erzwingen. Aber ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen, dass Ihnen Ihre Schuld vergeben wird, und umgekehrt, dass Sie vergeben können, wenn Sie es sind, der von einem anderen Menschen zutiefst verletzt wurde. Nur so hört die Schuld auf, Leben zu zerstören, nur so werden Sie befreit. Mit Gottes Hilfe.
Hat nicht jeder Angst davor, alt zu werden? Wir sehen doch, dass es die alten Menschen in unserer Umgebung nicht leichthaben. Die Kräfte lassen nach, die Beine machen nicht mehr so recht mit, und dann die Vergesslichkeit! Schlüssel und Brille sind immer da, wo man sie gerade nicht sucht! Na ja, hier braucht man ein bisschen Geduld. Aber was ist, wenn die Hilflosigkeit schlimmer wird?
Wir alle kennen Mitmenschen, die auf Pflege angewiesen sind. Es ist diese Abhängigkeit, vor der wir uns am meisten fürchten. Weil wir mit unserer Selbständigkeit auch etwas von unserem Stolz aufgeben müssten. Wir würden es schrecklich finden, anderen zur Last zu fallen. Tatsächlich geht das vielen alten Menschen so. Aber müssen wir uns wirklich schämen, im Alter Hilfe zu akzeptieren?
Ich wurde vor einiger Zeit gefragt, was ich täte, wenn ich auf Dauer bettlägerig würde. Spontan sagte ich, dass ich natürlich zu denen gehöre, die am liebsten alles selbst machen, und es mir schwerfiele, mich von anderen füttern zu lassen. Ich erzählte vom Besuch einer Krankenhausmesse, wo ich vieles gesehen habe, was es Alten und Kranken ermöglicht, länger selbständig zu bleiben. Noch während ich redete, merkte ich jedoch, dass das nur die halbe Antwort war, deshalb fügte ich hinzu: «Aber muss ich mich, wenn ich Schmerzen habe und gebrechlich bin, obendrein darüber grämen, dass ich jemandem zur Last falle? Ich habe mein Leben lang für andere gesorgt. Darf ich denn nicht zulassen, dass die anderen sich jetzt um mich kümmern? Das wäre nur gerecht. Es gibt doch auch eine Solidarität der Generationen!»
Dieser Gedanke lässt sich noch weiterspinnen: Wenn ich bereit bin, die Hilfe der anderen zu akzeptieren, sollte ich auch lernen, an die Gefühle meiner Helfer zu denken.
Schon unser Ordensvater Benedikt hat uns Mönchen eine weise Regel mitgegeben, die sich auf alte wie auf kranke Menschen beziehen lässt: «Man soll den Kranken dienen, als wären sie wirklich Christus. Aber auch die Kranken mögen bedenken, dass man ihnen dient, um Gott zu ehren. Sie sollen ihre Brüder nicht durch übertriebene Ansprüche traurig machen. Doch auch solche Kranke müssen mit Geduld ertragen werden.»
Im Sinne Benedikts sind Alter und Krankheit eine Aufgabe für beide Seiten: Wir sollen lernen, in Liebe zu geben und zu nehmen. So kann das Alter eine gemeinsame Erfahrung werden, die junge und alte Menschen bereichert.
Kennen Sie das? Ein Freund schrieb mir neulich aus dem ICE: «Ich beginne, Funklöcher zu lieben, dann hört meine Nachbarin auf, ins Handy zu schreien…» Auch mir selbst ging es bald darauf ähnlich: In der S-Bahn quasselte mein Nachbar pausenlos mit seinem unsichtbaren Partner. Ich ärgerte mich darüber so sehr, dass ich mich schließlich fragte: Warum stört es mich eigentlich, wenn einer lautstark telefoniert?
Gut, als Mönch weiß ich das Schweigen zu schätzen, aber ich predige oft und gern, wie wichtig Kommunikation ist. Warum dann diese heftige Ablehnung?
Vielleicht liegt es daran, dass diese Art der Kommunikation nichts Vertrauliches mehr hat. Besser gesagt, dass alles Vertrauliche laut herausposaunt wird. Das erscheint mir unfair gegenüber dem Gesprächspartner und auch mir gegenüber. Ich werde gegen meinen Willen zum Zuhörer privater Mitteilungen gemacht und fühle mich nicht wohl in dieser Rolle.
Vielleicht geht es dem Handy-Quassler in erster Linie darum, sich interessant zu machen, indem er alle mithören lässt? Führt er ein Gespräch oder führt er in Wirklichkeit sich selbst vor, und wir anderen sind für ihn das Publikum? Ist er vielleicht schon so weit, dass alles, was er tut, und alles, was er fühlt, nur dann Wert für ihn hat, wenn andere ihn dabei beobachten, ihn bewundern oder beneiden?
Ich ertappe mich dabei, wie ich gegenüber solcher «Angeberei», die mich als Zuhörer rücksichtslos für ihre Zwecke einspannt, genauso wütend reagiere wie ein Schuljunge. Habe ich denn selbst seither nichts dazugelernt? Schon in der Schulzeit haben wir die Angeber gehasst. Aber heute, ja, heute weiß ich doch ein bisschen mehr. Zum Beispiel, dass Gott auch mit den lautstarken Selbstdarstellern unter uns voller Nachsicht ist. Gott erwartet von mir sogar, genauso nachsichtig zu sein, weil ich in seinem Dienst unterwegs bin. Und weil ich ebenso ein paar Fehler habe, die er mir immer wieder verzeiht.