Grundkurs Mittelhochdeutsch. Eine Übersetzungslehre - Karl-Heinz Göttert - E-Book

Grundkurs Mittelhochdeutsch. Eine Übersetzungslehre E-Book

Karl-Heinz Göttert

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Beschreibung

Für alle, die Mittelhochdeutsch lernen wollen oder müssen, gibt es jetzt endlich das pragmatische Lehrbuch, das ohne Umwege zum Punkt kommt: Gestählt von jahrzehntelanger Unterrichtserfahrung an einer deutschen Massenuniversität, konzentriert sich der Autor ganz auf das eine Lernziel, das nach allen Studienreformen für das Mittelhochdeutsch-Lernen in den Bachelor-Studiengängen übriggeblieben ist: Spracherwerb zur Gewinnung von Übersetzungskompetenz, denn diese allein zählt im Seminar- und Prüfungsbetrieb. Sorgfältig Schritt für Schritt werden Lautlehre, Formenlehre, Syntax und Semantik konzentriert auf den Kernlernstoff entfaltet - und keine Eselsbrücke ausgelassen. Als Anwendungsbeispiel und zur Belohnung steht am Ende eine gemeisterte Übersetzung von 200 Versen "Erec".

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Seitenzahl: 81

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Karl-Heinz Göttert

Grundkurs Mittelhochdeutsch

Reclam

Alle Rechte vorbehalten

© 2013 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen

Made in Germany 2013

RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und RECLAMSUNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Marken der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-960352-0

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-017679-5

www.reclam.de

Inhalt

Vorbemerkung

Lektion 1: Richtig lesen

Lektion 2: Wörter erkennen

Lektion 3: Starke Verben (Grundlagen)

Lektion 4: Starke Verben (Verfeinerung)

Lektion 5: Schwache Verben, Präterito-Präsentien, Sonderbildungen

Lektion 6: Substantive

Lektion 7: Adjektive und Pronomen

Lektion 8: Konjunktionen

Lektion 9: Schwierige Nebensätze

Lektion 10: Genitive

Lektion 11: Semantik

Übersetzung: Hartmann von Aue, Erec 1–199

Literaturhinweise

Hinweise zur E-Book-Ausgabe

Vorbemerkung

Das vorliegende Büchlein bereitet auf das Übersetzen aus dem Mittelhochdeutschen sowie die dazu nötige Bestimmung von Wortformen und syntaktischen Erscheinungen vor.

In den mediävistischen Abteilungen germanistischer und literaturwissenschaftlicher Seminare und Studiengänge wird dieses Wissen in Grundkursen geübt und in Klausuren und mündlichen Prüfungen verlangt. Auch in den abschließenden Klausuren und mündlichen Prüfungen in den Lehramts- und den modularisierten (Fach-)Bachelor- und Masterstudiengängen ist dieses Wissen noch einmal gefragt. Dabei stellt das Mittelhochdeutsche die ältere Sprachstufe dar, die Priorität besitzt bzw. als einzige übrigblieb, während man früher das Althochdeutsche und sogar das noch ältere, mit dem Deutschen nur verwandte Gotisch gelernt hat. Die Reduzierung hängt mit der Ausweitung des Germanistikstudiums durch die Linguistik zusammen, lässt sich aber auch damit rechtfertigen, dass es die »klassischen« Texte des 12./13. Jahrhunderts sind, die heute im Studium im Vordergrund stehen. Sie sind eben in mittelhochdeutscher Sprache verfasst: die Versromane des Hartmann von Aue oder Wolfram von Eschenbach ebenso wie aus der Heldenepik etwa das Nibelungenlied, weiter die Lyrik eines Walther von der Vogelweide oder eines Neidhart.

Im folgenden wird aus all diesen Texten nur ein einziger zum Üben benutzt, und zwar der Erec Hartmanns von Aue. Der Grund liegt darin, dass es fürs Lernen produktiver ist, wenn man sich in einen bestimmten Text näher einliest. Die grammatischen Beispiele werden überwiegend dieser Quelle entnommen, dem Übersetzen liegen die ersten 200 Verse zugrunde. Natürlich könnte man auch andere Texte heranziehen, aber die Erec-Verse bieten die wesentlichen Schwierigkeiten, die man kennen und lösen muss. Welches Wissen braucht man dabei, welche Fähigkeiten müssen entwickelt werden?

Ich versuche es mit einem Lernprogramm, das Schritt für Schritt zum Ziel führt. Man sollte also von vorn beginnen und nichts auslassen. In einzelnen Lektionen werden die Probleme abgearbeitet, die sich einem Sprecher des Neuhochdeutschen stellen, wenn er auf eine etwa 800 Jahre ältere Sprachstufe trifft. Dabei werden möglichst wenige Vorkenntnisse vorausgesetzt. Gelegentlich ist es zweckmäßig, noch ältere Sprachstufen heranzuziehen, um Regularitäten im scheinbaren Chaos zu verdeutlichen. Deshalb greife ich in einigen Fällen auf das Althochdeutsche und sogar auf die rekonstruierte Vorgängerstufe der meisten europäischen Sprachen, das Indogermanische, zurück. In allen diesen Fällen geht es aber nicht um die Darstellung »der« Grammatik insgesamt, schon gar nicht um eine Einführung in wissenschaftliche Diskussionen auf diesem Gebiet. Es geht vielmehr um die Vermittlung des Wissens, das man in Prüfungen braucht. Eine Konkurrenz mit dem üblichen Seminarbetrieb ist nicht beabsichtigt, wohl aber seine Ergänzung und das Selbststudium.

Wo liegen die Hauptprobleme?

Einmal im Bereich der Wörter. Teilweise handelt es sich um völlig andere Wörter als unsere heutigen. Sie können nicht alle gelernt werden, aber man kann sich die wichtigsten bzw. am häufigsten vorkommenden einprägen. Teilweise handelt es sich aber auch um nur »verfremdete« Wörter, die gegenüber dem Neuhochdeutschen einen etwas anderen Lautstand zeigen. Darauf kann man sich vorbereiten. Teilweise handelt es sich um Wörter, die man zu kennen glaubt, aber eben doch nicht kennt (»falsche Freunde«). Auch darauf kann man sich vorbereiten, auch dazu gibt es wie in den anderen Fällen ein eigenes Kapitel. Und schließlich geht es um systematische Kenntnisse zu den Wörtern, die ihre Identifizierung erleichtern. Dazu gehört Wissen über die Verben, Substantive und weitere Wortarten.

Das größte Problem aber dürfte im Bereich der Syntax liegen. Mittelhochdeutsche Sätze sind anders konstruiert als neuhochdeutsche. Vor allem die Nebensätze funktionieren anders, schon die Konjunktionen sind nicht die heutigen, die Negationen können einen auf eine harte Probe stellen. Und dann kommen noch merkwürdige Genitive, die im Neuhochdeutschen längst verschwunden sind. All dies lässt sich aufarbeiten, auf verträgliche Portionen verteilen, die wiederum einzelnen Lektionen anvertraut sind.

Schließlich muss dieses Wissen zusammenfließen beim konkreten Übersetzen. Ich habe es an 54 Sätzen aus dem Beginn des Erec vorgemacht. Die Taktik ist, das mittelhochdeutsche Original so wörtlich wie möglich zu übertragen, im ersten Schritt fast nur den Klang des Mittelhochdeutschen durch den neuhochdeutschen zu ersetzen (was gelegentlich zu Ungetümen führt, die man seinen Prüfern ja nicht unbedingt auf die Nase zu binden braucht). Es geht darum, den Text zunächst einmal gewissermaßen »im Mittelhochdeutschen« zu verstehen. Dazu muss man natürlich genau wissen, was jedes Wort, manchmal jeder Buchstabe »bedeutet«.

Das Verfahren ist etwas nervig, aber jeder, der es einmal ausprobiert hat, wird froh sein, auf diese Weise festen Boden unter die Füße zu bekommen. In der Klausur oder mündlichen Prüfung ist anderes, flüssigeres verlangt. Aber ich garantiere jedem, dass der Sprung zum Flüssigen leicht ist, wenn man wirklich genau weiß, was da steht. Ich meine mit genau: ganz genau. Das heißt, dass ich jede Form bestimmen kann, immer weiß, mit welcher Wortart, mit welchem Kasus oder welcher Konjugation ich es zu tun habe. Deshalb sind der Übersetzung grammatische Bestimmungen beigegeben. Und eine Extrazeile ist auch noch der Bestimmung von Haupt- und Nebensätzen mit ihren verschiedenen Formen vorbehalten.

Ausdrücklich sei eingeräumt, dass das Büchlein eine Auswahl trifft. Es sind bei weitem nicht alle Feinheiten der Grammatik berücksichtigt, nicht alle Ausnahmen erwähnt, vor allem nicht das Erklärungspotential ausgeschöpft, das die Indogermanistik bereitstellt. Ich meine aber, dass man mit dem zusammengetragenen Wissen im Normalfall zurechtkommt. Der nächste Schritt ist klar: Er besteht in der Ausweitung der Erfahrung mit mittelhochdeutschen Texten, in der Steigerung der Schwierigkeiten, die etwa ein Wolfram, Gottfried oder Walther abverlangen, auch die Einbeziehung späterer Sprachstufen in den Texten des Spätmittelalters.

Im übrigen orientiert sich das hier behandelte Mittelhochdeutsch an den Textausgaben, die seit dem 19. Jahrhundert mit »Normalisierungen« arbeiten, also Akzente benutzen und die tatsächlichen Dialekte der Handschriften ausgleichen. Um noch einmal auf die ausgewählten Verse zurückzukommen: Hartmann von Aue, so habe ich es mir schon in Tagträumen vorgestellt, hat irgendwie um die Nöte heutiger Studierender gewusst und einen Text geschrieben, dessen erste 200 Zeilen das Wichtigste enthalten, was man in Prüfungen können muss. Hartmann wird Ihnen also zur Belohnung Ihrer Mühe über die Schultern blicken und Sie zum Ziel führen.

Lektion 1 Richtig lesen

Mittelhochdeutsche Texte sehen eigenartig aus. Sie werden aber noch eigenartiger, wenn man sie falsch liest. Was muss man wissen?

Im Mittelhochdeutschen gilt Kleinschreibung. Nur Namen und Kapitelanfänge werden großgeschrieben, zum Beispiel in Vers 18 des Erec:

18 Êrec der junge man

An diesem Beispiel sieht man, dass lange Vokale einen Akzent (ein Dach) erhalten. Vokale ohne Dach sind also kurz. Das kann irritierend sein, wenn man Vokale vor sich hat, die im Nhd. lang gesprochen werden:

29 als ir geboten wart

geboten zerfällt in die Silben ge-bo-ten. Hier kommt es auf die mittlere Silbe an. Sie ist offen (hat keinen »schließenden« Konsonanten). Diese Silben wurden im Nhd. gedehnt, wir sprechen also »geboten« mit langem o. Im Mhd. ist es aber kurz.

Ansonsten gibt es über die Vokale nichts zu berichten. Sie funktionieren wie im Nhd. Man kann es noch einmal üben:

36 durch ir zuht gebôt si mir

durch und ir haben jeweils kurze Vokale, zuht wird wie nhd. »Zucht« gesprochen, die zweite Silbe in gebôt ist lang, si und mir sind anders als im Nhd. kurz.

Soweit die Vokale. Es gibt aber auch doppelte, die Diphthonge, die etwas schwieriger sind. Die meisten werden gesprochen wie geschrieben, aber nicht alle:

28 diu juncvrouwe huop sich an die vart

Das iu in diu wird als langes ü gesprochen (also nicht etwa i-u). Das ou in vrouwe wird als o-u gesprochen, das uo in huop als u-o und schließlich das ie in die als i-e.

Es gibt noch zweiweitere Diphthonge: eu (auch öu geschrieben) gibt nhd. eu wieder und wird auch so gesprochen, üe wird ü-e gesprochen.

192 vreuden »Freuden« 32 grüeze »grü-eße«

Schließlich gibt es auch noch die Langvokale, die als Ligaturen zusammengeschrieben werden, langes ä und langes ö:

51 wære 13 schœne

Das waren die Vokale und Diphthonge. Und nun zu den Konsonanten. Es gibt im Mhd. einfache Konsonanten und Doppelkonsonanten. Die Doppelkonsonanten bezeichnen aber nicht wie im Nhd. die Kürze des vorausgehenden Vokals. Sie sind »echte« Doppelkonsonanten in dem Sinne, dass der erste Konsonant zur ersten Silbe gehört, der zweite zur zweiten. Das kommt eher selten vor. Ein Beispiel wäre

135 nimmer (»nim-mer«)

Ansonsten funktionieren die mhd. genauso wie die nhd. Konsonanten. Aufpassen muss man jedoch erstens beim f-Laut. Im Mhd. wird er meist durch v wiedergegeben, aber wie ein nhd. f gelesen:

5 vrist 8 verre 12 juncvrouwen

Das Mittelhochdeutsche Wörterbuch von Lexer (s. Lektürehinweise) hat überhaupt keinen Abschnitt mit f, sondern führt die wenigen Wörter, die auch im Mhd. mit f be­ginnen, unter denen mit v auf. Dazu gehört z. B. fardel (»Bündel«), das sein f hat, weil es von ital. fardello abgeleitet ist. Auch der »Fasan« wird als fasan geführt.

Zweitens muss man bei h aufpassen. Es ist niemals wie im Nhd. Dehnungszeichen, sondern wird als h gesprochen oder als ich- bzw. ach-Laut. Hier einige Beispiele:

45 hiez (gesprochen »hi-ez«) 8 gâhen (gesprochen »ga-hen«) 66 ahten (gesprochen »achten«) 84 niht (gesprochen »nicht«)

Drittens ist das z kein nhd. tz, sondern ein stimmloses (scharfes) s:

37 daz (gesprochen »das/dass«) 49 vürbaz (gesprochen »fürbass«)

Viertens wird im Mhd. die Auslautverhärtung, die gesprochen wird, auch geschrieben:

11 getwerc (gesprochen »getwerk«)

Dieser »Zwerg« lautet im Genitiv getwerges, mit stimmhaftem g also. Die Auslautverhärtung wird im Mhd. als c wiedergegeben. Ansonsten gibt es auch k-Schreibung, bei der künegîn zum Beispiel.

Und nun üben Sie einmal anhand der vv. 5–13: