Guck mal, ob keiner guckt - Karin Brose - E-Book

Guck mal, ob keiner guckt E-Book

Karin Brose

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Beschreibung

"Guck mal, ob keiner guckt" ist eine neue Sammlung von Kolumnentexten von Karin Brose. Die Autorin blickt ohne zu beschönigen auf Themen des Lebens. Die nicht nur lustigen Texte bieten dem Leser gute Identifikationsmöglichkeiten und ausreichend Anlass zum Schmunzeln.

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Inhalt

Wie Affen im Kopf

Trau keiner Plastiktüte!

Mit Pfunden wuchern

Ein Huhn kann es besser...

Ein Kind muss nicht funktionieren!

Am liebsten Löffelchen – Stellung!

Elternsein für immer

Wenn in China ein Sack Reis umfällt

Was soll an einer Pandemie gut sein?

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne...

Steckbrief: „Wer kennt ihn?“

Wer mit Eifer sucht

Der Ton macht die Musik

Fön-Geschnatter

Momentaufnahme Glück

Eigentlich war die Alte gar nicht so schlecht

Versicherungswechsel online

Die schönste Stadt der Welt, daran ändert auch

Corona nichts.

....

damit die Oma sich nicht langlegt

Dein Name – maßgeschneidert oder ....

Es ist nie zu spät für alles

Wie viele Klicks verdient die Vernunft?

Johnny Walker

Macht Licht!

Weihnachten ist trotzdem

Kein Wort für so etwas

Online Queen

Wie Robinson

Aus dem Ruder

Frühling..fällt aus

Nicht ohne mein Auto

Auch wenn die Ohren zu lang sind

Beim Spielen geht’s um mehr!

Bist du das, Herta?

Ein Freund ist für dich da

Älter werden, das ist lustig, Älterwerden, das...

Oberflächlich

Tollfinder – Find’ ich mega!

Kleine Veränderung

Wir hätten gern mehr Zeit

Gender und Mohrenkopf

Sprichwörter sind Lebensweisheit

Verbindliche Elternschule

Pack ein

Guck mal, ob keiner guckt

Frau hat es schwer

Nur eine Bombe

Gelernt ist gelernt!

Einmal Lehrer, immer Lehrer

Immer schön fröhlich bleiben!

Alltagsgenörgel nur ein Fliegenschiss

Ein schwarzer Vogel

An die Freundin

Wenn du es willst!

„Scheiße, geht nicht das System“, ...

Schau zuerst unter dem Bett nach!

Der Fernseher geht nicht an.

Öffentlicher Nahverkehr,...

Perlen vor...

Sehnsucht nach der heilen Welt

Geschenktem Gaul guckt man

Lemminge!

Ich seh’ den Himmel

Hab ich Geld, bin ich Star!

Es grünt so grün

Es gibt Dinge, die wir nicht verstehen müssen

Gern Partner-Vermittlung, aber bitte nicht so!

..

als wäre ich 105 Jahre alt!

Bewegung bitte!

Kann das weg?

Männer ticken anders

Pumps und Blumenkübel

Endlich eine neue Küche!

War das alles?

Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss

Gewohnheit oder schlechte Angewohnheit?

Ich bin eine von den Guten

So ist das Leben oder auch nicht. Es kann soviel Schönes geben aus jeder Sicht. Mancher würd’ gern tauschen, sucht an anderem Platz sein Glück. Doch bei genauerem Lauschen Sehnt er sich zurück. Jeder trägt sein Schicksal Niemand ist ohne Last Auch wenn es nicht deine erste Wahl, in deinem Leben bist du nur Gast.

Dieses Buch widme ich H.F., ohne den es so manche Geschichte gar nicht gäbe.

Wie Affen im Kopf

Guten Morgen! Hast du gut geschlafen? – Ach, ich hatte eine unruhige und kurze Nacht. Nachdem ich aufs Klo musste, konnte ich nicht wieder einschlafen. Üble Gedanken machten sich selbstständig. – Du kennst das? – Sie schnattern wie Affen in deinem Kopf und lassen sich durch nichts vertreiben. Du stehst auf, trinkst ein Glas Wasser, legst dich wieder hin. Kaum schließt du die Augen, sind sie wieder da. Nahtlos geht der Terror weiter! Ja, wirklich, sie sind wie Terroristen. Schleichen sich unbemerkt heran und schlagen aus dem Hinterhalt zu. Sie bedienen sich deiner Ängste, wählen aus deinem Seelen-Katalog genau das Thema, das dich gerade am meisten beunruhigt. Klebrig wie Kaugummi hängen sie dir Sorgen an. Ein Gedanke zieht den nächsten nach sich. Es nützt auch wenig, wenn du dir dessen bewusst bist und denkst „ich hak es einfach ab!“ Denn gerade das gelingt oft nicht. Die Terroristen weben ihre Ränke unheimlich geschickt. Und sie haben Erfolg. Schließlich schläfst du doch noch ein, aber mit dem Wecker erwachst du wie gerädert und kannst den Tag gleich vergessen. Der steht nämlich vom Aufstehen an unter dem Motto „etwas könnte passieren“. Eigentlich bist du Realist und diese ungelegten Eier sind nicht deine. Jedoch – das Unterbewusstsein ist voller Überraschungen. Wäre es nicht schön, man könnte es steuern? Wäre es nicht prima, man hätte Einfluss auf den Verlauf der Ereignisse? – Hat man aber nicht. Also wartest du auf die nächste Nacht und hoffst, dass die Affen dieses Mal schlafen mögen. Zur Zeit brauchen manche nicht einmal die Augen zu schließen, um ihren Sorgen zu erliegen. Viele zweifeln an den Verschwörungstheorien, die in Internet und Presse herumgeistern, denn ihre Zahl nimmt erschreckend zu. Viele schlafen schlecht, denn niemand weiß, was die Zukunft bringen wird. Wir sollten uns ganz schnell auf Werte besinnen, die uns Halt geben und für alle gelten. Wenigstens darauf könnte man sich verlassen und den Terroristen der Nacht die Stirn bieten. Und wenn du die kommende Nacht aufstehst, weil deine Blase es so will, dann tust du so, als wäre das ganz ok und lässt die Gedankenaffen ins Leere laufen, nach dem Motto „Euch kenne ich, aber heute nicht mit mir!“ – Denn alles kommt so, wie es kommen soll. Und du glaubst daran, dass es gut wird – ohne Affen.

Trau keiner Plastiktüte!

„Schatz, es geht nun wirklich nicht mehr!“ – „Ich komme nicht an die Raststätte heran, Liebes. Schau dir all die LKWs an! In Viererreihen ist alles dicht. Dieser Stau ist eine Katastrophe.“ „Aber ich halte jetzt schon zwei Stunden aus und habe inzwischen Bauchschmerzen. Was soll ich bloß tun?“ „Du musst eben durchhalten, bis der Stau sich aufgelöst hat.“ „Es geht nicht mehr! Ich nehme jetzt eine Plastiktüte. Die habe ich bestimmt noch im Handschuhfach.“ „Du wirst doch nicht..!“ Aber sie hat die Tüte schon auseinander gefaltet. Gerade befreit sie sich mühsam zwischen Armaturenbrett und Vordersitz von ihrer Wäsche. Er schaut nicht hin. Das grenzt an Akrobatik! Es dauert, es dauert, bis sie aufatmet und sich wieder auf den Sitz fallen lässt. „Geschafft! – Ich entsorge das gleich, wenn wir halten“, beruhigt sie ihn. Einige Stunden später rollen sie zu Hause auf den Hof. Vorsichtig hebt sie die Tüte aus dem Fußraum. Bloß nicht auslaufen lassen! denkt sie. Bis sie entsetzt feststellt, dass das Ding entschieden zu leicht ist. Da ist ein Loch im Boden! „Die Fußmatten mussten sowieso mal gereinigt werden, Schatz!“ – Kurze Zeit später erfährt er am eigenen Leib, welche Not einen überfallen kann, der dringend pinkeln muss. Kurz vor ihrem Heimatort geraten sie in einen Stau. Sie hätten nur noch drei Kilometer Luftlinie, aber die Autoschlange ist seit zwanzig Minuten eingeschlafen. „Liebes, setz dich bitte ans Steuer“, ordnet er an, „ich hole dich wieder ein.“ Sprach’s, verlässt das Fahrzeug und steigt über die Leitplanke zu zwei anderen Fahrern, die dort bereits ihre Notdurft verrichten, sehr zur Freude anderer Stauteilnehmer. „Männer haben es eben leichter,“ seufzte seine Frau.

– Es gibt im Handel Flaschen, sogar mit Ladies’ Adapter. Vielleicht sollten die zur Grundausstattung jeden Autos gehören. Die heutige Verkehrslage sorgt ja täglich für Überraschungen. Ich fürchte, der Autobahnstau bleibt sonst ein Problem. - Auf dem Weg durch die Shopping Meile hat Frau inzwischen verschiedene Stützpunkte. Sie weiß genau, in welcher Abteilung des Kaufhauses, in welchem Eiscafé oder welchem U-Bahn Niedergang sich das nächst gelegene Klo befindet. Hilfreich wäre natürlich, wenn die WCs auch auf google-maps verzeichnet wären..– schon allein, weil die Plastiktüte ja noch aus ganz anderen Gründen ein Auslaufmodell ist!

Mit Pfunden wuchern

Schatz, darf ich dir noch Kartoffeln auffüllen? – Auf keinen Fall! Ich muss dringend abnehmen! All diese Feiertage sind meiner Figur nicht bekommen. – Ach, Schatz, ich liebe jedes Kilo an dir. – Machst du Witze? – Und wie willst du das, was deiner Meinung nach zu viel an dir ist, loswerden? – Ich esse lowcarb und außerdem 8/16. – Was ist denn das schon wieder? Ich kenne 08/15, aber 8/16? Und was ist lowcarb? – Das ist Essen mit wenig Kohlehydraten und gar nicht 08/15. 8/16 bedeutet, dass ich nur 8 Stunden am Tag esse, danach 16 Stunden nicht. – Ach, das fällt dir sicher ganz leicht! höhnt er und grinst. Er kennt ja ihre Gewohnheiten. Sie hält gerade noch die Tagesschau aus. Kaum hat der Spielfilm begonnen, schleicht sie in die Küche. Der Teller, mit dem sie zurückkommt, ist voll leckerer Käsewürfel und Weintrauben. – Nur für den Fall, dass du Lust darauf hast, mein Lieber. – Klar. – Als er das erste Mal zugreift, sind gerade noch zwei Trauben und ein Stück Käse da. Ertappt bewegt sie sich erneut in die Küche. Das Schälchen mit Schokis stellt sie neben die Chips. Er mag es nicht so süß. Bevor der Film zu Ende ist, vernichtet sie noch genüsslich mehrere Scheiben Parmaschinken. – Ach, ein Glas Bier wird doch erlaubt sein? – Soviel zu 8/16 und lowcarb. Diese abendlichen Exkursionen zum Kühlschrank werden auf Dauer recht kostspielig. Wenn Pfund um Pfund sich auf die Hüften schwingt, braucht sie neue Hosen, denn Größe 34 ist nur endlich dehnbar – auch bei 4% Elastan. Als sie noch berufstätig war, gab es kein Gewichtsproblem. Klar, da war sie auch jünger und der Stoffwechsel funktionierte anders. Jetzt, im Ruhestand ist aber nicht nur der verminderte Stoffwechsel schuld, sondern vielmehr die Ruhe selbst. Bewegung ist das Zauberwort! – Was hältst du davon, wenn wir beide jeden Morgen, bevor du wieder essen darfst, einmal um den Teich walken? – Vor dem Frühstück? – Klar. Danach duschen und dann haben wir uns ein gemütliches Frühstück verdient. Wir können auch nachmittags auf den Stepper steigen und die kleinen Einkäufe zu Fuß oder mit dem Rad erledigen. Und die TV_Nascherei kriegen wir auch noch in den Griff. Wirst sehen, bald passt die Jeans wieder, auch wenn du ganz normal isst.– Ach, du bist ein Schatz! – Weiß ich, Liebste, obwohl mich die paar Pfunde mehr an dir wirklich nicht stören. – Von dir kann ich nie genug kriegen.

Ein Huhn kann es besser...

Kind, du weißt doch, dass man Nomen groß schreibt! Nun schmier’ doch nicht so! Da steht, was du tun sollst, kannst du lesen? – Bekannt? – Nur drei der zahlreichen Probleme, die Eltern heute kennen. Sinnentnehmendes Lesen fällt manchem Kind schwer. Leider ist es die Grundlage für jegliche Aufgabenstellung. Wenn ich nicht verstehe, was ich tun soll, kann ich nichts tun. Da muss ich mir die Zeit nehmen und vielleicht dreimal lesen. – Wenn ein normal begabtes Kind in der 5. Klasse nicht richtig schreiben kann, muss man sich fragen, warum. „Richtig“ meint zweierlei: Rechtschreibung und Schrift. Da turnt das kleine p oben auf der Linie neben dem g herum, obwohl sich beide so richtig schön auf der Linie ausruhen könnten, wenn ihr Unterteil da wäre, wo es hingehört. Das große F sieht aus wie das kleine und ein großes G gibt es überhaupt nicht. Schreibschrift mischt sich mit Druckbuchstaben in willkürlicher Abfolge zu irgendwelchen Wörtern, ob groß oder klein bleibt dem Zufall überlassen. In mancher Grundschule gibt es keine tägliche Rechtschreibübung. Das Schriftbild wird nicht korrigiert. Später hat man den Salat. – Ach, nicht so schlimm, das killer ich weg. Neuerdings kann man sogar Kugelschreiber schadfrei wegradieren. Nur das Überschreiben sieht meist richtig fies aus. Aber egal! – So wird Kindern die Rechtschreibung latte. Es ist ihnen auch wurscht, wie das aussieht, was sie produzieren. Ein Huhn, das über das Papier rennt, könnte es oftmals besser. Ist es nicht so, dass man seine Muttersprache in Wort und Schrift beherrschen sollte? Das muss man wollen! Wenn Lehrer und Eltern aber Schmiererei durchgehen lassen, wird dem Kind seine Schrift und Arbeitsweise egal bleiben. Diese Haltung dehnt sich gern auf andere Bereiche aus. Kein Bock, egal, morgen vielleicht, ist doch nicht wichtig! Eih Mama, chill mal! – Selbstdisziplin wird zum Fremdwort. Auf die Gefahr, dass ich mich wiederhole und mancher von Ihnen denkt >Jetzt kommt wieder der erhobene Zeigefinger<: Kinder brauchen Regeln und Konsequenzen. Wenn sie diese befolgen gibt es Lob, wenn nicht, Tadel. Das gilt auch für das Lesen und Schreiben. Eltern und Lehrer brauchen Geduld, das Kind braucht Zeit. Wer bei den Hausaufgaben auf dem Sprung sitzt, weil Luise schon wartet, hat ein Problem. Wenn Ihrem Kind klar ist, dass es mehr Zeit zum Spielen hat, wenn es sich gleich Mühe gibt, haben Sie gewonnen. Langfristig prägt diese Strategie nicht nur die positive Einstellung zur Muttersprache, sondern unterstützt auch die persönliche Haltung zum Leben überhaupt. – Wie war das? Selbst-disziplin?

Ein Kind muss nicht funktionieren!

„Bitte, bitte Mama, ich will auch wieder artig sein!“ wimmert das vierjährige Kind, das zitternd vor seiner wutschäumenden Mutter steht. Die hält den Bügel noch in der Hand, mit dem sie es soeben verprügelt hat. – Als ich mich neulich an dieses Bild erinnerte, bekam ich prompt eine Gänsehaut und Tränen schossen mir in die Augen. Was muss geschehen, dass eine Mutter ihr Kind schlägt? Was, damit sie dazu nach einem Werkzeug greift? Was kann ein Vierjähriger getan haben, dass es seine Mutter derart aus dem Gleichgewicht bringt?

Gehen wir davon aus, dass Eltern immer das Beste für ihren Nachwuchs wollen, dass sie ihn zu guten Mitgliedern der Gesellschaft erziehen wollen. Wir alle wissen, dass manche Babys Schreikinder sind, dass Kinder sehr nerven können, dass sie provozieren und ihre Grenzen ausloten. Manchmal übertreiben sie und bringen ihre Eltern an den Rand ihrer Belastbarkeit. Die wollen dann einfach nur noch Ruhe. Wir lesen von den furchtbaren Folgen, wenn wieder ein Vater durchgedreht ist und sein Kind so lange geschüttelt hat, bis endlich Ruhe war. Von den meisten anderen Übergriffen, die Kindern täglich angetan werden, erfahren wir nichts. Wir wissen nicht, wie oft ein Kind zur Strafe für irgendwas in den dunklen Keller gesperrt wird, wir ahnen nur, dass zahlreiche Kinder in ihrem Zimmer eingeschlossen werden und dass ihre Eltern danach das Haus verlassen. Der dunkle Keller manifestiert sich als etwas Bedrohliches. Das Kind hat Angst und diese Angst meldet sich später als Trauma. Das eingesperrte Kind weiß nicht, dass seine Eltern wiederkommen. Es fühlt nur, dass es verlassen wurde. Auch das speichert ungute Energien für immer. „Ich will auch wieder artig sein“, da möchte ein Kind der Erwartungshaltung seiner Mutter entsprechen. „Artig sein“, erscheint hier wie eine Dressurnummer. Ein Kind will funktionieren, damit es wieder geliebt wird. Im Erwachsenenleben wundert sich dieser Mensch später, warum er ein Problem mit Eifersucht hat oder sich immer klein und unterlegen fühlt. Ich wage zu denken, dass nicht jeder Mensch als Eltern geeignet ist. Elternmenschen müssen wissen, dass Kinder zu haben mehr mit aushalten können, als mit Eiapopeia zu tun haben kann. Wenn ich mir ein Kind anschaffe, sollte mir bewusst sein, dass dieses ein Recht auf freie Entfaltung und Entwicklung hat. Natürlich bin ich als Eltern verantwortlich. Dennoch muss ich bestrebt sein, dem Kind Freiräume zu gewähren, bevor ich ihm Grenzen setze. Ich muss wissen, dass ich dieses kleine Wesen nicht schlagen oder schütteln darf. Bevor ich mein Kind einsperre oder in die Dunkelheit verbanne, muss ich mich fragen, was das bewirken soll. Denken kommt in jedem Fall vor Handeln. Wenn ich mein Kind in ein Muster presse, das mir vorschwebt, nehme ich ihm die Chance auf Eigenständigkeit und ein selbstverantwortetes Leben. Niemand hat das Recht, einen anderen Menschen zu misshandeln. Nur schwache Menschen tun das. – Wer sein Kind schlägt, hat dieses Kind nicht verdient.

Am liebsten Löffelchen – Stellung!

Du, Schatz, ich kaufe noch schnell eine Flasche Wein. Magst du inzwischen ein wenig Klar-schiff machen? Die Gäste kommen in einer Stunde. – Mach’ ich! ruft sie und wühlt weiter im Kleiderschrank. Was soll sie bloß heute anziehen? Sybille hat bestimmt wieder was Neues. Voller Schreck schaut sie auf die Uhr. Jetzt wird es Zeit! Sie schnappt sich den Staubsauger und schiebt mit 10 km/h durch das Erdgeschoss. Auf den Wischeimer verzichtet sie und nimmt stattdessen eine Flasche Glasputz zur Hand. Großzügig versprüht sie das Putzmittel auf den Fliesen und wischt dann mit dem Micro-fleece-Schrubber darüber. So, das muss reichen. Schon dreht sich der Schlüssel im Schloss. Er ist vom Einkaufen zurück. Wortlos schaut er sich um. Du wolltest doch putzen, ärgert er sich und greift nach dem Schrubber. Sein einziger Kommentar >dann wische ich mal eben<. Hab ich schon, Schatz, kannst dich gleich umziehen! ruft sie aus dem Kleiderschrank. Das überfordert seine Toleranzgrenze. Was hast du? fragt er provokant. Na, ich habe gesaugt und gewischt. – Das ist nicht dein Ernst! ruft er empört. Schau, hier und da und da hinten, überall Dreck! Sie nennt ihn einen Piefer und findet ihn schlimmer als seine Mutter. Er füllt den Wischeimer und feudelt das gesamte Untergeschoss noch einmal. Sie findet das lächerlich und denkt, kurz mal drüber gewischt hätte es auch getan. Und weil sie das nicht auf sich sitzen lassen kann, prophezeit sie ihm, dass er von nun an auch das Wischen als seins betrachten dürfe. – Der beste Mann der Welt lächelt nachsichtig. Er hat es gern ordentlich. Sie eigentlich auch. Nur ist Ordnung keine feste Größe, sondern wird subjektiv und individuell äußerst verschieden empfunden. Sie kann es nicht leiden, wenn er alles Mögliche auf ihrem Schreibtisch ablegt. Seine schwarzen Pantoffeln mitten auf dem cremefarbenen Wohnzimmerteppich beleidigen ihr Gefühl für Ästhetik. Wenn sie morgens noch benutzte Gläser vom Vorabend einsammeln muss, bebt ihre Laune schon vor dem Frühstück. Er ordnet Messer und Gabeln in der Besteckschublade nach der Größe. Groß, mittel, klein liegen sie in Löffelchen-Stellung nebeneinander gekuschelt. Ihr reicht es, wenn die T-Shirts von vorne glatt sind, er bügelt in Perfektion. Sie ahnen es schon? Klar! Auch das Bügeln ist seins. So langsam verteilen sich die Aufgaben mit einem leichten Übergewicht zu einer Seite. – Toll, was dein Mann alles macht! staunt Sybille. Meiner dagegen... – Er hat es so gewollt, sagt sie erbarmungslos. Aber er kann Haushalt auch einfach besser. Weißt du, das ist definitiv nicht meins. In der Zeit wo er bügelt, kocht und abwäscht kann ich zwei Kolumnen schreiben...

Elternsein für immer

Kinder muss man loslassen. Dabei ist das das Schwerste. Als Mutter oder Vater bist du zuständig, du bist verantwortlich für deine Kinder, solange sie klein sind, solange sie nicht mündig sind. Wenn sie Babys sind, ergibt sich die Fürsorge von ganz allein. Du sorgst für sie, denn allein können sie es ja noch nicht. Du fütterst und wickelst, du hältst sie warm und geborgen. Du bist der Beschützer dieser kleinen Wesen. Das erste Mal, dass du loslassen musst, erlebst du, wenn dein Kind seine ersten Schritte tut. Es steht auf und läuft, erst an der Hand, dann lässt du los und plötzlich geht es ohne deine Hilfe. Du kannst es kaum glauben. Was für ein Moment! Irgendwann kommt es in den Kindergarten. Du bringst es bis vor die Tür. Es fällt dir schwer zu gehen. Du weißt ja nicht, ob das Kind weint. Später beim Abholen erfährst du, dass es sich sofort zu zwei anderen gesellt und gespielt hat. Du warst mit dem Türenschließen vergessen. So ist das nicht bei jedem Kind. Mäxchen wollte nie