Herbst - Karin Brose - E-Book

Herbst E-Book

Karin Brose

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Beschreibung

Wie die Blätter im Wind überfliegt dieses Buch Themen, die Jung-Senioren beschäftigen. Erektionsstörungen, Übergewicht und Dritte Zähne genauso wie Kunst, Kultur und Ehrenamt. Es gibt keine Tabus. Ein Lebensabschnitt, wo wir nichts mehr müssen müssen aber vieles können können. Wenn der Bus eine Pinkelpause macht, können Minuten zählen. Bis sich 50 alte Menschen erhoben und hinaus bewegt haben, versagt so manche Blase. Du findest das Thema Inkontinenz peinlich? Na ja, schön ist das auch nicht. Lasst uns das Leben genießen! Jeden Tag.

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Die Liebe zum Leben braucht auch den Mut, es zu wagen.“

(Annelie Keil)

Karin Brose Jahrgang 1950 Studienrätin a.D. Autorin, Malerin

Inhalt

Ene – mene – mu

Er hat Rücken

Flaute

Wenn die Knie nicht mehr wollen

Du sprichst so leise..

Altersstarrsinn?

Nichts müssen müssen

Die Glucke hat Pause

Ich hab überhaupt keine Zeit

Kaschmir muss es sein

Wer schön sein will, ,..

FDH

Schönheitsreparaturen & Co

Fit im Kopf

Rommée

Nicht einsam, sondern gemeinsam

Endlich Zeit für Reisen

Feiertage

Seniorentreff

Ordnung muss sein!

Swing ist es nicht

Dating Portal

Pfui, Rex!

Klassentreffen

Nochmal Gas geben

Gedanken über das Leben

Ich danke dir, du Mensch an meiner Seite,

der du mein Leben so leicht machst.

Lass uns unseren Herbst gemeinsam genießen!

Jeden Tag.

Ene – mene – mu..

„Is’ der Kaffee fertig?“ Er schlurft in die Küche. Frisch aus dem Bett, klebt sein weißes Haar verschwitzt an seinem Kopf. Seine graue Jogginghose ist ein Opfer der Erdanziehung und lässt viel weiße Haut blitzen. Es ist 10:15 Uhr. Er kratzt sich am Bauch. „Du hast ja noch nichts fertig!“ nörgelt er und gähnt. Sie sitzt am Fenster und beobachtet ein paar Meisen, die sich um Nistmaterial zanken. Sie lächelt. „Die Meisen beginnen etwas Neues“, denkt sie, „wir auch.“ Sie ist schon vor einer Stunde aufgestanden, denn sie braucht morgens Ihre Zeit um zu sich zu finden. Dann kocht sie sich Tee, macht ihre morgendlichen Übungen und liest die Zeitung. Diese Zeit braucht sie ohne ihn.

Er hat die Pensionierung verdrängt bis zum letzten Tag. „Es ist ja noch nicht so weit“, hat er gesagt, und „was schert mich das heute?“ „Willst du nicht einmal darüber nachdenken, was dir Spaß machen könnte?“ hatte sie ihn gefragt. Er war unwirsch geworden, hatte sich unter Druck gesetzt gefühlt.

Jetzt ist es soweit. Er ist in Pension und zu Hause. 41 Berufsjahre liegen hinter ihm. „Machst du Kaffee und holst Brötchen?“ tönt es aus dem Wohnzimmer. Wortlos zieht sie ihren Mantel über und greift nach dem Autoschlüssel. – „Jaaaaaaa! Tooooor!“ – Auf welchem Kanal, zum Teufel, gibt es zu dieser Zeit schon Fußball? Sie schüttelt den Kopf. Ob sich die viele neue Zeit mit Fernsehen totschlagen lässt? Man wird sehen. Die Frage, was jetzt noch kommen soll, beschäftigt sie schon.

Sie hatten ein ausgefülltes Leben. Beide waren sie immer sehr engagiert berufstätig gewesen. Sie sind viel gereist, haben die Freizeit mit Freunden geteilt. Ihre Kinder wuchsen im geborgenen Familienkreis auf. Nun sind sie schon lange erwachsen und haben selbst Kinder. Was soll jetzt also noch kommen? Haben sie irgendetwas versäumt? Fehlen noch Erfahrungen, auf die sie nicht verzichten möchten?

Was es bedeutet, in den Ruhestand zu gehen, wird dir erst so richtig bewusst, wenn du betroffen bist. Dieses diffuse Gefühl, ausgemustert zu werden, Jüngeren Platz machen zu müssen, dieses Gefühl, ins Nichts zu gehen, ist wenig amüsant.

Schon die letzten Monate des Berufslebens gestalten sich sonderbar. Obwohl noch voll im Geschehen, betrifft dich doch schon nichts mehr so richtig. Sitzungen und Konferenzen, die sich mit Umsetzungen in der Zukunft befassen, kannst du getrost versäumen. Mit jedem Mal, das du nicht teilnimmst, schleichst du dich ein wenig mehr hinaus. Du schaffst Abstand, versuchst loszulassen. So tröstend die Ansprache jüngerer Kollegen auch ist „wie schade, dass du gehst“ und „ohne dich kann ich mir den Laden gar nicht vorstellen“, so klar ist dir, dass sie dich in ihrem zukünftigen Alltag nicht vermissen werden. Man kennt die Peinlichkeit, wenn Ehemalige zu Besuch kommen. Die stehen dann da rum, mitten im Getriebe und fühlen sich so überflüssig wie sie sind. Alle freuen sich eigentlich, sie wieder zu sehen, aber niemand hat Zeit für sie. Ja – äh..

Du warst es gewohnt, morgens um sechs Uhr deinem Wecker bedingungslos zu gehorchen. Deine Abläufe hattest du ein Leben lang durchstrukturiert: Aufstehen, Gymnastik, Bad, Frühstück/Zeitung/Nachrichten, Zähneputzen, Anziehen, rein ins Auto und los. Ankommen. Arbeiten. Kollegen treffen. Feierabend.

Wie wirst du in Zukunft deine Tage gestalten? Du träumst „erst einmal ausschlafen!“ Und du genießt das. „Kein Wecker!“ Dann stellst du vielleicht fest, dass der Tag sehr kurz ist , wenn du lange schläfst. Oder aber deine Abläufe verschieben sich einfach nach hinten und aus dem Frühaufsteher wird ein Nachtmensch. Während du früher um 23 Uhr im Bett sein musstest, um morgens um sechs wieder wach zu werden, kannst du nun gern um 2:00 Uhr schlafen gehen, denn der Wecker klingelt ja nicht. (..außer du stellst ihn dir doch)

Das Leben von Lehrern, zum Beispiel, wird durch die Schulklingel getaktet. Es ist schwer diesen Rhythmus abzulegen. 9:35 Uhr, Große Pause! Wie lange dauert es, sich davon zu lösen und dem eigenen Takt zu folgen?

Abgesehen vom Ausschlafen am Morgen und dem Verfolgen jeder Sportsendung im Fernsehen, erliegen manche einem packenden Aktionismus. Sie streichen Regale, reparieren Schuhe, erledigen Liegengebliebenes, als müsse alles dringend fertig werden. Jeder braucht Bestätigung und das Gefühl, dass er etwas bewegt. – Klar.

Wenn ein Berufsleben ausgefüllt und erfolgreich war, kann das Loch am Ende ziemlich tief sein.

Willa und David haben beide gern als Lehrer gearbeitet und immer den Kontakt zu ihren Schülern genossen. Mit jedem neuen Jahrgang konnten sie „an der Zeit“ sein. Auch ihr Privatleben war nicht frei von Gedanken an Unterricht und die Belange der Kinder. Generationen von jungen Menschen hat sie „Füße fürs Leben verpasst“, sagt Willa gern. Das Lehramt ist wohl einer der abwechslungsreichsten und anstrengendsten Berufe überhaupt.

Sie hat sich in der Bildungspolitik engagiert und sich für die Chancengerechtigkeit der Kinder eingesetzt. Und nun?

>Ene, mene, mu und raus bist du..<

Ehemalige Lehrer haben ein besonderes Problem. Sie werden im Ruhestand nicht mehr gefragt. In der Schule hören sie ihren Namen pro Tag ein paar hundert mal. „Frau Meyer! ..?.“ Was wird sie für den dritten Lebensabschnitt ausmachen? Wo werden sie Bestätigung finden. Ganz ehrlich, so völlig ohne geht es ja nicht. Jeder, der seinen Beruf ausgefüllt hat, wird dieses Gefühl kennen.

Bea hat 52 Jahre ihres Lebens als Friseurin gearbeitet, viele davon im eigenen Salon. Dass sie sich je zur Ruhe setzen würde, erschien ihr ganz weit weg. Dann hatte sie plötzlich einen Hörsturz und fiel für längere Zeit aus. Sie musste kürzer treten und schließlich mit 68 Jahren doch in den Ruhestand gehen. Es fiel ihr ungeheuer schwer, denn sie hatte immer gern gearbeitet. Der Kontakt zu den Kunden und die Kreativität fehlten nun.

Noch heute, viele Jahre später, hat sie den Verlust ihrer Arbeit nicht ganz verwunden. Ab und an besucht sie ihren Nachfolger im Geschäft, nur, um wieder einmal ein wenig „Job“ zu atmen.

Nicht mehr gebraucht zu werden, heißt aber nicht nur <ausgemustert sein>, sondern hat auch eine positive Seite. Es bedeutet, die Freiheit zu haben, jetzt selbst über die Art der eigenen Zeitgestaltung bestimmen zu können.

David denkt darüber nach, noch einmal in die Uni zu gehen. Den Wirtschaftsexperten interessiert Geschichte. Seine Frau coacht Schüler, macht sie fit für die Schule und das Leben. Sie möchte vorerst keinen festen Dienst übernehmen, aber später wird sie sich ein Ehrenamt suchen.

Ehrenamt – ein weites Feld der Betätigung für Pensionisten und Rentner. Wo man gebraucht wird, erfährt man im Internet oder bei Hilfsorganisationen, wenn man nicht schon zu Zeiten der Berufstätigkeit begonnen hat, eine sinnvolle Betätigung zu suchen. Mancher intensiviert sein Engagement im Verein oder in der Kirchengemeinde, andere spielen plötzlich Theater für Kinder.

Die meisten von uns haben auch Hobbies, für die nun endlich mehr Zeit ist. Vielleicht machst du eine bisherige Freizeitbeschäftigung zu deinem neuen Beruf?

Andere freuen sich schon Jahre vorher auf den Ruhestand und zählen die Tage. Über Helmuts Schreibtisch hängt ein Maßband. Davon schneidet er bis zum letzten Arbeitstag täglich einen Zentimeter ab. „Wenn wir endlich in Rente sind, dann..“ Häufig wird die Arbeit einfach zu belastend, wobei körperliche Tätigkeiten mit zunehmendem Alter meist schwerer fallen, als Büro- oder Schreibtischarbeit.

Fest steht, dass Frühling und Sommer nun vorbei sind und der Herbst des Lebens anbricht.

Schön, wenn Körper und Seele noch intakt sind und man diesen auch genießen kann. Schaffe dir also Erfreuliches! Lache und sei dankbar für jeden guten Tag. Die dritte Lebensphase ist nicht unendlich.

Carpe Diem!

Herbst voller Hoffnung

Der Nebel schwindet

nur langsam,

windet

sich wie ein Arm

um Busch und Baum,

umschlingt auch mich,

verspür es kaum.

Wie eine kühle Hand

greift Feuchtigkeit nach mir.

Die Nebelwand

umhüllt mich schier.

Legt sich auf Haar und Haut

sogar auf meine Seele,

die schaut

verklärt.

Greller Sommer ist gewichen,

Lichter werden fade,

Farben sind verblichen.

Schade.

Herbst färbt die Welt,

ein letzter Versuch,

bald fällt

das Leichentuch