Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
"Mit meiner Mutter stirbt die Dauerwelle" beschreibt die Zeit zwischen 1929 und 2017. Begebenheiten aus dem Alltag werden den älteren Leser an die eigene Kindheit erinnern, junge Leute vielleicht ungläubig schauen lassen. Aber so war die Zeit damals und ganz gewiss nicht in allen Punkten besser als heute.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 89
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
„Die Liebe zum Leben braucht auch den Mut, es zu wagen.“
(Annelie Keil)
Karin Brose
Jahrgang 1950
Studienrätin a.D.
Autorin, Malerin
Wirtschaftswunderkind
Wie Phönix aus der Asche
Schwiegermutter-Schwarm
Familieninteressen
Wann kommt das Kind
Ein Zimmer zur Untermiete
Eine Frage des Geschmacks
Die Ostzone
SBZ
Zwei Zimmer zum Verlaufen
Schweineschwanz und Pfoten
Kinder, Kinder
Gummitwist
Vorn schräg und hinten gerade
Supermarkt und Co
Arbeiter-Kind
Mutter geht arbeiten
Was bleibt?
Storch, Storch, bester...
Die Räbin lernt ihre Rolle
Regeln
Jungfernzwinger
Pubertät
Eigenes Geld
Kinder werden Erwachsene
Erste Liebe
Fast erwachsen
Dieses Buch wäre nicht zustande gekommen, wenn meine Alte Dame nicht so akribisch ihren Dauerwellenkalender geführt hätte.
Zit.: Die Dauerwelle ist wieder bitter nötig.“
Ich muss hier raus! Das flackernde Licht und die laute Musik gehen mir auf die Nerven!
Disco – das ist nicht mehr meins. Ich frage mich, ob ich nun alt bin. Wann ist das passiert?...
Überhaupt: damals. Alles ist immer im Fluss. Aber die Entwicklung der letzten 60 bis 70 Jahre kommt mir doch extrem vor. Musste alles so kommen oder hatte ich die Chance mich anders zu entscheiden? Gibt es wirklich so etwas wie Schicksal? Ich frage mich, wo die Schalt- und Wendepunkte waren, wo meine Wahl, die Richtung zu wechseln. Wer hat meinen Weg geprägt? Jeder begegnet in seinem Leben Menschen, die einen Richtungswechsel in seinem Lebensweg anstoßen können. Er muss nur aufmerksam genug sein, diesen Umstand zu erkennen. Häufig ist damit eine positive Entwicklung verbunden, manchmal sogar Erfolg. Ist es eine Eigenart des Alters, immer intensiver über sich selbst nachzudenken? Du bist, wie du bist, weil viele Faktoren zusammenwirkten. Deine Gene, deine Erziehung, dein Schicksal, die äußeren Bedingungen
So vieles war damals in der Kindheit anders. Nicht unbedingt besser, aber vertraut. Nicht schlechter, aber damals eben üblich.
Du stellst fest, dass sich das, was du für Werte hältst, was dich geprägt hat, heute im Wandel befindet. Du wunderst dich darüber, dass junge Menschen sich über richtig und falsch einfach erheben und über das, was die Grundlage deiner Erziehung war. Aber gewundert hat sich auch schon Sokrates. Zu allen Zeiten war die Jugend so.
Hattest du eine behütete Kindheit oder war sie schlimm? In jedem Fall hat sie dich geprägt, ohne sie wärest du heute nicht du. Wenn deine Mutter erzählt, hörst du ganz genau hin. An manches erinnerst du dich, an anderes nicht. Vieles kennst du aus Erzählungen deiner Familie. Es hat sich dir eingeprägt und es kommt dir so vor, als wäre es erst gestern gewesen.
Jeder von uns hat seine ganz individuelle Geschichte, auch wenn die Zeit Vorgaben macht, die für alle gelten.
Du kennst das Märchen vom Aschenputtel, wo die Stieftochter den Prinzen trotz ihrer bösen Stiefmutter bekommt. Du kennst auch den Film „Pretty Woman“, in dem sich ein sich prostituierendes Landmädel einen Millionär angelt. Hans im Glück ging seinen besonderen Weg. Hänsel und Gretel überwanden die Hexe. Dornröschen schlief 100 Jahre, bevor sie zu sich kam.
Jeder hat seinen Weg.
Nach dem zweiten Weltkrieg gestaltete sich die Situation in den beteiligten Ländern äußerst unterschiedlich.
Im Westen Deutschlands begann Ende der 1940er Jahre ein dynamischer wirtschaftlicher Aufschwung, der bis zur Ölpreiskrise im Jahr 1973 anhielt. Unterbrochen wurde dieser lediglich von einem Konjunktureinbruch in den Jahren 1966 und 1967.
Den bis dahin verbreiteten Tauschhandel und die Schwarzmarktwirtschaft beendete die Währungsreform 1948 praktisch über Nacht. Die Regale füllten sich zuerst mit Waren zur Deckung der Grundbedürfnisse. Die Bevölkerung wurde satt. Für eine breite Investitionstätigkeit fehlte es den Unternehmen zunächst noch an ausreichendem Kapital. Dies änderte sich in den Folgejahren zunächst langsam, dann durchgreifend. Grundlage war die gute Gewinnentwicklung. Die sich anschließende Investitionsbereitschaft war zu einem großen Teil selbstfinanziert. Damit verbesserte sich auch die bis Anfang der 1950er Jahre überaus prekäre Finanzlage sehr vieler Betriebe.
Diese Entwicklung vollzog sich mit enormer Geschwindigkeit. Das Realeinkommen der durchschnittlichen Arbeiterfamilie hatte schon 1950 das Vorkriegsniveau überschritten. Bereits in ihrem Gründungsjahr 1949 hatte die Bundesrepublik „das Wohlstandsniveau und den Grad der Modernität“ erreicht wie vor dem Krieg. Die Zahl der Arbeitslosen lag Anfang der 1950er Jahre noch bei über zwei Millionen, wurde aber ab 1952 zunehmend kleiner. Der Arbeitskräftebedarf der aufstrebenden Wirtschaft war enorm und schon 1955 wurden erstmals von offizieller Seite sogenannte Gastarbeiter angeworben. Der Bedarf an Arbeitskräften konnte trotz der Zuwanderung aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten und durch die Flucht aus der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR nicht mehr gedeckt werden Das Wachstum schien in Gefahr. Besonders die sogenannten Übersiedler aus der DDR waren für das Wirtschaftswunder aufgrund ihrer überdurchschnittlichen Qualifizierung von besonderer Bedeutung: hunderttausende von Akademikern, Selbstständigen und Handwerkern kamen bis zum Mauerbau 1961 in den Westen.
Ein weiterer wesentlicher Umstand war die Abwanderung von Betrieben aus den sowjetisch besetzten Gebieten und der späteren DDR in die westlichen Zonen und die spätere Bundesrepublik. In einigen westdeutschen Regionen führte dies ab 1945 zu einem starken Wachsen der Industrie, insbesondere in dem vor dem Zweiten Weltkrieg noch kaum industrialisierten Bayern. Beispielsweise wurde Ingolstadt erst durch die Abwanderung der Auto Union AG (heute Audi AG) aus Chemnitz in den ersten Nachkriegsjahren eine Industriestadt. Allein aus Chemnitz wanderte eine Vielzahl von weiteren Unternehmen nach Westen ab, darunter auch die Schubert & Salzer AG, die Wanderer Werke AG und die Hermann Pfauter AG. Die Konzernzentrale von Siemens wurde von Berlin nach München und Erlangen verlegt. Es ließen sich noch eine Vielzahl weiterer Beispiele anführen.
Die Investitionen in der Bundesrepublik stiegen bis 1960 um 120 Prozent, das Bruttosozialprodukt nahm um 80 Prozent zu. Dieses Tempo des Wiederaufbaus übertraf die Erwartungen; nach Kriegsende hatten Experten den Zeitbedarf für den Wiederaufbau der Städte noch auf 40 bis 50 Jahre geschätzt.
Die Wirtschaft wuchs real um 10,5 Prozent. Die Reallöhne stiegen ebenfalls um 10 Prozent und der Kfz-Bestand vergrößerte sich um 19 Prozent. Noch 1948 fuhren Automobile mit Holzvergaser über die leeren Autobahnen, jetzt bildeten sich in der Urlaubszeit die ersten Staus. Der bis dahin nur vereinzelt verwendete Begriff „Wirtschaftswunder“ wurde 1955 zum geflügelten Wort. Es war zugleich das Jahr, in dem die Bundesrepublik ihre Souveränität weitestgehend zurückerhielt – am 5. Mai 1955, bewusst auf den Tag genau 10 Jahre nach der Teilkapitulation der deutschen Wehrmacht gegenüber den Westalliierten.
Der Westen Deutschlands näherte sich im Laufe der 1950er Jahre dem US-Standard. Die deutsche Fahrzeugindustrie konnte ihre Produktion zwischen 1950 und 1960 verfünffachen. Industrie und Dienstleister konnten innerhalb weniger Jahre zwei Millionen Arbeitslose absorbieren. Die 8 Millionen Heimatvertriebenen und 2,7 Millionen Menschen, die aus der DDR zuwanderten, fanden ebenfalls Arbeit. Seit den späten 1950er Jahren herrschte Vollbeschäftigung, die Arbeitslosenquote lag unter zwei Prozent. Nach heutigem Verständnis war mit einer Quote von circa 4 bis 5 Prozent sogar schon 1955/1956 Vollbeschäftigung erreicht. Von 1950 bis 1970 stiegen die Reallöhne um das Zweieinhalbfache. In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre konnte die Bundesrepublik die wirtschaftlichen Lasten der Wiederbewaffnung bereits schultern. In dieser Zeit begann die Deutsche Bundesbank wegen anhaltender Exportüberschüsse hohe Devisenreserven anzuhäufen und die Goldbestände aufzubauen, die sie bis heute besitzt. Auslandsverbindlichkeiten wurden vorfristig getilgt, die D-Mark mehrfach aufgewertet. Der Bundeshaushalt war zwischen 1949 und 1968 fast völlig ausgeglichen, die Staatsverschuldung nahm – gemessen am Sozialprodukt – rapide ab. Gleichzeitig vollzog sich ein rapider Strukturwandel: Noch 1949 waren weite Teile Deutschlands ländlich-agrarisch geprägt und 21 % der Beschäftigten waren in der Landwirtschaft tätig. Bis 1970 sank dieser Anteil auf unter 10 %, zugunsten der Industrie und später vor allem des Dienstleistungssektors. Die Produktion der verbleibenden Landwirte wurde durch Technisierung gesteigert und ihr wirtschaftliches Überleben durch staatliche Subventionen gesichert.
Ab Anfang der 1960er Jahre ging der Investitionsboom langsam zurück. Die Kapazitäten konnten die Nachfrage befriedigen, der technische Rückstand war aufgeholt. Die Wirtschaft wuchs jedoch bis einschließlich 1973, dem Jahr der ersten Ölkrise, weiterhin sehr dynamisch, nur unterbrochen von der leichten Rezession des Jahres 1967: „Erst 1973 endete demnach der Nachkriegsboom. Diese wirtschaftliche Entwicklung, die Wohlstand, Stabilität und sozialen Ausgleich versprach, gilt als einer der Gründe dafür, dass die zweite deutsche Demokratie, anders als die Weimarer Republik, von der Bevölkerung akzeptiert wurde, obwohl sie ein Produkt der alliierten Besatzung war.
Er entsprach nicht unbedingt den Vorstellungen seiner zukünftigen Schwiegereltern. Aber während der schlechten Zeiten nach dem Zweiten Weltkrieg, konnte er als Fahrer bei den englischen Besatzern Lebensmittel und Zigaretten organisieren. Die haben sie gern genommen. Wie damals, als Butter und Margarine noch knapp waren und er einen Kanister Öl mitbrachte. Meine spätere Großmutter backte darin Kartoffelpuffer. Alle langten kräftig zu. Nach dem Essen schauten sie betreten auf ihre Stuhlkissen. Jedes hatte in der Mitte einen großen, dunklen Fleck. Was geschehen war? Er hatte Flugzeugöl erwischt, statt Speiseöl, und das war sofort durchgeschlagen! Diese Aktion brachte ihm nicht unbedingt Punkte bei den Eltern seiner Angebeteten. Außerdem war er nicht von hier, was für ihren Vater erschwerend hinzukam. Dabei war er der freundlichste Mann der Erde und äußerst klug dazu. Vielleicht ein wenig zu flippig für ihre Eltern. – Später ließen sie dann auf ihren Schwiegersohn nichts mehr kommen, aber zu dieser Zeit damals hatten die jungen Verliebten es nicht leicht.
Heiraten war und ist ein spannendes Thema. In manchen Kreisen suchen, wie vor hundert Jahren. die Eltern den Ehemann nach wirtschaftlichen Belangen aus. Opportunismus leitet die Wahl des Partners. Manche glauben, dass sich Paarungen notgedrungen ergäben, weil man in den gleichen Kreisen verkehre. Andere sprechen auch von Zweckgemeinschaften. Geld gegen Jugend und Schönheit. Wo es auf Geld nicht ankommt, kann auch aus Liebe geheiratet werden. Die Frage ist, ob das vernünftig ist. Eine Freundin war der Auffassung, man solle sich vor der Ehe ausleben, dann könne man jemanden heiraten, der es gut mit einem meint, der zuverlässig und unterhaltsam sei. Für manche kommt eine Eheschließung überhaupt nicht in Frage, auch nicht für Frauen. Diese Einstellung konnte sich früher keine normale Frau leisten. Wer nicht eine finanzstarke Familie hinter sich hatte, war darauf angewiesen, von einem Ehemann subventioniert zu werden. Frauen waren nicht berufstätig.
Außerdem schrieb Das Bürgerliche Gesetzbuch bis 1977 vor, dass der Ehemann es seiner Frau erlauben musste, zu arbeiten. Erst 1977 wurde das Gesetz geändert. Bis 1. Juli 1958 hatte der Mann, wenn es ihm beliebte, den Anstellungsvertrag der Frau nach eigenem Ermessen und ohne deren Zustimmung fristlos kündigen können. In Bayern mussten Lehrerinnen zölibatär leben wie Priester – heirateten sie, mussten sie ihren Beruf aufgeben. Denn sie sollten entweder voll und ganz für die Erziehung fremder Kinder zur Verfügung stehen oder alle Zeit der Welt haben, um den eigenen Nachwuchs zu hegen.