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Kaum eine andere Dynastie hat so viele skurrile Persönlichkeiten hervorgebracht wie die Habsburger – egal, ob es sich dabei um schräge Vögel mit seltsamen Allüren, schwarze Schafe mit kuriosen Vorlieben, wunderliche Eigenbrötler mit Hang zur Kaprize oder rebellische Selbstdarsteller mit manischen Zügen handelte. Oft versuchten Angehörige oder Nachfahren die Eigenheiten des Verwandten vor dem Volk zu verheimlichen, doch fast immer wurden die sorgsam verborgenen Familiengeheimnisse von gehässigen Gegenspielern aufgedeckt oder von der tratschenden Dienerschaft ausgeplaudert. -Leopold I. -Friedrich III. -Maximilian I. -Rudolf II. -Maria Theresia und Franz I. Stephan -Joseph II. -Franz Joseph I. und Elisabeth -Franz II./I. -Ferdinand I. -Erzherzog Leopold Ferdinand -Salvator -Erzherzog Johann Salvator -Erzherzog Ludwig Viktor "Luziwuzi"
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Seitenzahl: 248
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Kaum eine andere Dynastie hat so viele skurrile Persönlichkeiten hervorgebracht wie die Habsburger – egal, ob es sich dabei um schräge Vögel mit seltsamen Allüren, schwarze Schafe mit kuriosen Vorlieben, wunderliche Eigenbrötler mit Hang zur Kaprize oder rebellische Selbstdarsteller mit manischen Zügen handelte. Oft versuchten Angehörige oder Nachfahren die Eigenheiten des Verwandten vor dem Volk zu verheimlichen, doch fast immer wurden die sorgsam verborgenen Familiengeheimnisse von gehässigen Gegenspielern aufgedeckt oder von der tratschenden Dienerschaft ausgeplaudert.
„Das Geld macht, genau wie der Schnaps,den Menschen zum Sonderling.“Anton Pawlowitsch Tschechow (1860–1904)russischer Schriftsteller, Novellist und Dramatiker
„Wie die Menschen gewöhnlich mehr sittliche Ungeheuer bewundernund anstaunen als wahrhaft Sittliche, so auch mehr das extravaganteGenie, das sich im Absurden gefällt, als das, was im Schönen verbleibt.“Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832)deutscher Dichter
Einleitung
Eigenbrötler und Exzentriker – eine Erklärung
Das Haus Habsburg
Marotten, Allüren und Extravaganzen – Sonderlinge im Kaiserhaus
Faszinierende Sonderlinge
Magie, Geisterglaube und Hellsicht
Wahnsinn und Wahn
Sado-Maso-Habsburger
Ticks, Zwangsneurosen, Phobien und Süchte
Narzisstische Lebemänner an der Macht
Dominanz, Kontrolle und Fanatismus versus Laissez-faire
Durchtriebene und trickreiche Schurkenstücke
Amouröse Eigenwilligkeiten und sexuelle Eskapaden
Skurrile Fakten und amüsante Anekdoten
Literaturverzeichnis und Quellen
Danksagung
Das Interesse am Hochadel ist auch hundert Jahre nach dem Ende der Monarchie ungebrochen und privater Klatsch aus hohen Kreisen hat Tradition – früher aufgesogen und mündlich verbreitet von fahrenden Sängern, heute aufgenommen und gesendet von Paparazzi. Natürlich wurde von jeher auch bei Hof gemunkelt und getuschelt: beim Tanz hinter vorgehaltenem Fächer, beim Perücken Pudern am Coiffeurtisch, Zigarrenrauchen in den Herrenzimmern oder beim Tafeln. Gerüchte und Spekulationen innerhalb und außerhalb des elitären Dunstkreises trieb den Plaudertaschen schon immer die vorfreudige Hitze ins Gesicht – häufig konnten die Zofen, adeligen Herrschaften oder Geschichtenschreiber die Schreibfeder vor Aufregung kaum halten, wenn sie die neuesten Flüstermeldungen notierten.
Aber warum ist das so interessant? Weil die Aristokraten die Geschichte Europas formten, dabei politisch, sozial und kulturell stilprägend waren und ihre Völker über eine lange Ära begleiteten, beherrschten und beeinflussten.
Es existieren weltweit viele Herrscherhäuser, doch kaum eine andere Dynastie hat so viele skurrile Persönlichkeiten hervorgebracht, über die immer schon mehr als über andere getratscht und gespottet wurde, wie die Habsburger – egal, ob es sich dabei um schräge Vögel mit seltsamen Marotten, weltfremde Sonderlinge mit auffälligem Charakter, schwarze Schafe mit exzentrischer Neigung, versponnene Eigenbrötler mit Hang zur Kaprize, rebellische Selbstdarsteller mit manischen Zügen oder wunderliche Spinner mit kuriosen Vorlieben handelte. Dabei hat bei vielen der Familienmitglieder im Hinblick auf ihr oft belächeltes Verhalten eine angezüchtete genetische Degeneration, gepaart mit einem über die Jahrhunderte hinweg kontinuierlich gepflegten präpotenten Snobismus, eine nicht unbedeutende Rolle gespielt.
Oft versuchten Angehörige oder Nachfahren die Allüren des betreffenden Verwandten vor dem Volk zu verheimlichen, doch fast immer wurden die sorgsam verborgenen Familiengeheimnisse von gehässigen Gegenspielern aufgedeckt oder der gesprächigen – und natürlich auch bestechlichen – Dienerschaft ausgeplaudert.
Die meisten dieser Aristokraten litten zudem an imperialem Narzissmus, gepaart mit einem Hang zur Selbstüberschätzung sowie deutlichen Anzeichen von Fanatismus, und haben mit ihrer Art zu leben nicht selten die Grenzen des guten Geschmacks überschritten, die Regeln des Anstands ignoriert, ihren Willen durchgesetzt, sich dabei nicht um die Etikette geschert, keinesfalls den Wünschen ihrer Angehörigen oder des Volkes gebeugt oder von „wohlmeinenden Beratern“ verbiegen lassen. Die selbstgewählte Außenseiterrolle war in vielen Fällen mit dem Verzicht auf alle Annehmlichkeiten, die eine adelige Abstammung mit sich brachte, verbunden. Damit einher gingen zumeist nicht nur der Verlust des Herrschaftsanspruchs samt royalem Titel, sondern auch Enterbung, Enteignung und sogar Verbannung. Unverschuldete Schrägheit jedoch galt nicht selten sogar als Markenzeichen des betreffenden Monarchen oder wurde zumindest geduldet.
Doch nicht nur die Bewunderer der Schönen und Reichen sollen beim Lesen dieses Buches auf ihre Kosten kommen; die Berichte über die skurrilen Persönlichkeiten aus dem Haus Habsburg werden auch jene Personen bestens unterhalten, die keine Fans der Monarchie und von Thron, Krone und Zepter sind.
Auf der Suche nach Anekdoten und Schilderungen über die schrägsten Vögel des Habsburger-Clans, der auf dem Gebiet des heutigen Österreichs über mehrere Jahrhunderte lang fast durchgehend geherrscht hat, bin ich einmal quer durch die Geschichte gereist. Ich konnte dabei diese exzentrische Familie recht gut kennenlernen, ohne jedoch auch nur ansatzweise einen Expertenstatus zu erlangen. Das war allerdings auch nicht mein Anspruch. Wer sich eingehender über eine der mächtigsten Dynastien der Welt, zu deren politischen Leistungen und Bedeutung in der Geschichte unseres Landes, informieren möchte, dem steht ausreichend Literatur zu dem Thema zur Verfügung.
Noch eine Anmerkung zur „falschen Bezeichnung“ einiger Damen: Ich betitle Maria Theresia (Erzherzogin von Österreich, Königin von Ungarn, Böhmen usw.) als Kaiserin, obwohl sie das streng genommen nicht gewesen ist – auch wenn sie beim Regieren die Hosen an und das Zepter in der Hand hatte. Ähnliches gilt für Elisabeth (Prinzessin aus dem Haus Wittelsbach, Königin von Ungarn, Ehefrau von Kaiser Franz Joseph) und Zita (Prinzessin von Bourbon-Parma, Ehefrau von Kaiser Karl I.).
Trotz meines Mottos „ad fontes“ (lat. für „an die Quellen“), das für die Recherchen meiner Geschichten gilt, möchte ich mein Vorwort mit einem Zitat von Napoleon, Kaiser von Frankreich, schließen:
„Geschichte ist die Lüge, auf die man sich geeinigt hat!“
In diesem Sinne – viel Spaß beim Lesen!
Ihre Gabriele Hasmann
www.wunschtext.at
Das Hervorstechen aus der Masse, das Abweichen von der Norm gilt heute als interessant und wird von manchen Menschen, die sich als freigeistige Querdenker empfinden, geradezu kultiviert. Einige etablieren ihre Schrulligkeit sogar als Markenzeichen und pflegen die Eigenheit fast schon obsessiv.
Der Neuropsychologe David Weeks hat Ende des 20. Jahrhunderts in einer umfangreichen Studie tausend Exzentriker, die aus dem Rahmen und zuweilen ihren Zeitgenossen auf die Nerven fielen, untersucht.
Er stellte fest, dass ein Drittel der Probanden Verdachtsmomente auf leichte Symptome einer geistigen Störung und verschiedene Bewusstseinstrübungen lieferten und unter milden Anwandlungen von Verfolgungswahn, Zwangsvorstellungen und schizoidem Verhalten litten. Sie verfügten in der Regel nicht über ein ausgeglichenes Seelenleben inklusive Harmoniebedürfnis und legten demonstrativ ein der Umwelt unangepasstes Verhalten an den Tag. Darüber hinaus war der Großteil von ihnen wissbegierig, erfinderisch und intelligent – und dazu so schlau, ihr Wissen gegen die von ihnen ein wenig verachtete Mehrheit der Bevölkerung zu verwenden.
Nach Weeks‘ Erkenntnissen empfinden sich Sonderlinge als die unverstandenen, verkannten Originale, die ihr Schattendasein genussvoll glorifizieren und zelebrieren. Zugleich bringen sie bei jeder Gelegenheit ihren unbedingten Willen zum Ausdruck, sich nicht von der Gesellschaft verbiegen zu lassen, und tragen diese Absicht wie einen Schutzschild vor sich her. Zuletzt kam der Neuropsychologe zu dem Ergebnis, dass die Exzentriker aufgrund ihres Muts zum Anderssein glücklicher leben, älter werden und von ihren Mitmenschen mehrheitlich als interessanter und daher sexuell attraktiver als die „Normalos“ empfunden werden.
Bei dem einen oder anderen Habsburger dürfte genau diese Tatsache zum Ausgleich der eher bescheiden ausgefallenen optischen Reize gedient haben. Im Gegensatz zu heute hatten es Sonderlinge früher allerdings recht schwer, denn es herrschte, zumindest bis Mitte des 20. Jahrhunderts, die durchschnittlich-normale Bürgerwelt als Maßstab. Und die Masse der „Mit-dem-Strom-Schwimmer“ zeigte sich meist verständnislos oder gab sich gar angewidert angesichts der Außenseiter. Oder aber sie machte diese Personen, die sich erdreisteten, öffentlich von der Norm abzuweichen, lächerlich und mokierte sich in doppelmoralischer Prüderie über diese Flecken auf der weißen Weste der Gesellschaft. Nicht selten landeten diese schwarzen Schafe irgendwann in Irrenhäusern, Gefängnissen oder gar auf dem Scheiterhaufen.
Und doch sind es häufig gerade die „Spinner“, die neue Impulse liefern, mit ihrer Kreativität ihr Umfeld bereichern und die Welt ein klein wenig bunter machen.
Aber warum, mag man sich fragen, sind so viele Menschen freiwillig anders als die anderen und stolz auf ihre Verhaltensoriginalität – mit dem Risiko, anzuecken, nachteilig behandelt oder belächelt zu werden? Weil sie nicht anders können – als geistige Kinder des Nonkonformismus ist der Druck, der eigenen Intuition zu folgen, größer als die Forderung der Umgebung nach Anpassung.
Dabei zeichnete sich bei der Untersuchung des Phänomens „schräge Vögel“ ab, dass es auch eine Rolle spielt, wo diese leben: je starrer die Struktur einer Gesellschaft und je größer die Angst vor unangepassten Rebellen, desto weniger Raum für exzentrische Lebensweisen und desto vehementer die Ablehnung derselben.
Die besten Chancen für Andersartigkeit gab und gibt es offenbar ausgerechnet im spießigen England: Hier galt ein Spleen immer schon als schick, besonders in den höheren Kreisen – das ist vermutlich die Erklärung dafür, dass die eingangs erwähnte Studie aus Großbritannien stammt.
Dass uns in der Geschichte auch nicht die „Normalen“, sondern eben genau die anderen Persönlichkeiten interessieren, versteht sich von selbst. Sie unterhalten, wie etwa der „liebe Augustin“, schockieren, wie die perverse Serienmörderin Elisabeth Báthory, oder regen zum Nachdenken an, wie zum Beispiel der Friedensaktivist „Waluliso“. Es berühren uns Sonderlinge wie der verschrobene Erfinder Alexander Graham Bell, ohne dessen seltsamer Obsession, seinem Hund das Sprechen zu ermöglichen, es das Telefon heute nicht gäbe.
Vielleicht beruht sogar das Freiheitsstreben des Gründervaters der USA, Benjamin Franklin, der die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten forcierte, auf seinem Hang zum Nudismus. Und hätte der Physiker Albert Einstein die Welt so akzeptiert, wie sie zu seiner Zeit definiert wurde, gäbe es keine Relativitätstheorie. Ebenso galten unter anderem Künstler wie Vincent van Gogh, Salvatore Dali, Michael Jackson oder Woody Allen als gnadenlose Exzentriker. Jesus und Buddha sollen ebenfalls kauzige Eigenbrötler gewesen sein.
Und so gab es auch in der polyglotten Habsburger-Dynastie so manchen Fall von Schrulligkeit oder sonderlichem Individualismus – was dazu führte, dass einige der betreffenden Blaublütigen vom Volk und von ihresgleichen verlacht, verachtet und sogar verstoßen wurden.
Natürlich hat man innerhalb des Hochadelskreises, dem am Wiener Kaiserhof nie mehr als rund 400 Familien angehörten, versucht, jedem Nachkommen einen möglichst biederen, angepassten Lebenswandel aufzuerlegen. Ein Paradebeispiel für fast schon stupide und fern jeder Fantasie ausgeübte rituelle Pflichterfüllung war Kaiser Franz Joseph I., über den der österreichische Psychiater Erwin Ringel sagte: „Mit der zwangsneurotischen Pedanterie einer Maschine ist er am Schreibtisch gesessen, hat Akten studiert und unterschrieben, als personifiziertes Pflichtgefühl.“
Belohnt wurde jeder fügsame Monarch mit grotesken Hausgesetzen, die ihm Souveränität und Gerichtsbarkeit zusicherten und die Möglichkeit gaben, mit totalitärer Allgewalt in fast alle Lebensbereiche ihrer Familienmitglieder einzugreifen.
Abweichungen der vom Protokoll verlangten Unterordnung als Ausnahmen von der Regel gab es, wenn ein nicht von Geburt an standesbewusster Staatsdiener, sondern ein selbstständig denkender Aristokrat als „Fehler im System“ das Licht der Welt erblickte. Bei einigen war das Anderssein offensichtlich erkennbar, andere verbargen ihr eigentliches Wesen aufgrund falschen Pflichtbewusstseins bis hin zur Selbstverleugnung. Wieder andere gingen sogar im strengen Clan der Habsburger als „liebenswert kurios“ durch, was einerseits am Ausmaß ihrer Wunderlichkeit lag, andererseits davon abhing, ob die betreffende Person ihren vermeintlichen Makel mit guten Charaktereigenschaften und beruflichen Fähigkeiten auszugleichen vermochte.
Vor allem die hochgebildeten Erzherzöge waren mangels ernsthafter Pflichten unterfordert, weshalb viele von ihnen an den ihrem Stand entsprechenden Rollen scheiterten. Sie bezogen fürstliche Apanagen und konnten mit ihrer Zeit und dem Geld mehr oder weniger machen, was sie wollten. Es ist somit nicht erstaunlich, dass diese Aristokraten auf verschiedenste Art und Weise stets ein wenig aus dem Rahmen fielen. Aber auch die Könige und Kaiser entwickelten im Laufe ihrer Herrschaft die eine oder andere Marotte – zur Verwunderung, Erheiterung oder Betroffenheit ihres Volks. Und zum Ärger Winston Churchills, der sich öffentlich über „die idiotischen habsburgischen Erzherzöge“ ausließ.
Und doch lässt sich eines mit Sicherheit sagen: So manche einst empört beraunte Kaprize bringt heute frischen Wind in die Erinnerung an die Habsburger.
In den 640 Jahren beinahe durchgehender Regentschaft entwickelte das Haus Habsburg im Laufe von 24 Generationen ein starkes und unerschütterliches Selbstbewusstsein. Andere Herrscherdynastien kamen und gingen teilweise schneller, als die Chronisten Zeit benötigten, deren Verwandtschaftsverhältnisse zu dechiffrieren, den Stammbaum zu zeichnen und ihre Geschichte in historischen Wälzern niederzuschreiben. Die royalen Vertreter des Habsburger-Clans wurden vom Volk angebetet – sie waren und sind bis heute Kult. Von den Habsburgern erreichten etwa 400 Personen das Erwachsenenalter, 18 davon wurden in der Hauptlinie Kaiser, vier Könige, eine Königin und fünf Herzöge.
Keine andere der tonangebenden Großfamilien in Europa hat so viele interessante wie exzentrische Persönlichkeiten hervorgebracht und war gleichzeitig so mächtig wie die Habsburger. Die Geschichte nahm während dieser Zeit kaum eine Wendung, bei der die Mitglieder dieser historisch bedeutenden Familie nicht ihre Finger im Spiel hatten: Mit ihren mutigen Händeln, taktisch klugen politischen Pakten sowie geheimen Abkommen bestimmten sie die Entwicklung des Landes ebenso wie mit ihrer legendären Unbeholfenheit, Ratlosigkeit und Feigheit. Sie nahmen in Europa Einfluss auf die Ländergrenzen, die Sprache und Religion von Millionen Erdenbürgern, außerdem auf die Gestaltung der Städte und die Bildung ihrer Einwohner. Die Habsburger wurden von weit mehr Menschen gehasst als geliebt und waren stets Opfer von Intrigen, Manipulation und Anschlägen auf ihr Leben, jedoch ohne dadurch jemals ernsthaft an Geltung und Wirkung zu verlieren.
Ihre Erfolge verdankten sie ebenfalls teilweise unsauberen Praktiken wie Bestechung, Drohung und Erpressung, denen sie bei Aussicht auf Reichtum und Machtzugewinn auch nicht abgeneigt waren. Auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs hatte sich ihr Herrschaftsgebiet auf große Teile Europas ausgedehnt, wobei diese Expansion weniger auf kriegerischen Eroberungen beruhte, als vielmehr der sogenannten „Heiratspolitik“ der Habsburger zu verdanken war.
Im Laufe der Jahre wurden die verwandtschaftlichen Verhältnisse innerhalb des Clans immer komplizierter und verworrener, nur noch Kenner konnten die Zugehörigkeit der Mitglieder genau einordnen. Darüber hinaus traten bei den Blaublütlern aufgrund oftmaliger Fortpflanzung in den eigenen Reihen zahlreiche erbliche Belastungen wie geistige und körperliche Leiden auf. Es setzten sich einige signifikante Merkmale im Aussehen durch, beispielsweise ein hervorstehender Unterkiefer samt Überbiss der unteren Schneidezähne, die „habsburgische Unterlippe“, ein Höcker auf der Nase und ein „Turmschädel“ mit hoher Stirn. Einige Familienmitglieder hatten zusätzlich einen wie nach einem Schlaganfall hängenden Mundwinkel sowie eine damit einhergehende schlecht artikulierte Aussprache, die teilweise den Eindruck von Debilität vermittelte. Einige der weiblichen Familienmitglieder wurden aufgrund dieser optischen Makel, die dem Gesicht eine gewisse Härte verliehen, nicht selten als „Mannweib“ bezeichnet.
Die Bevölkerung befürchtete aufgrund der genetischen Deformationen unfähige Herrscher und machte sich zugleich über die markanten Merkmale der Familienmitglieder lustig. Die Wiener spotteten in jener Zeit, begegneten sie einer Person mit einer derartigen Physiognomie, einem „Langschädel mit Gosch’n“: „Entweder is a Zangengeburt oda a Erzherzog!“
In Spanien soll ein in der Menge stehender Bauer Kaiser Karl V., der aufgrund eines starken Überbisses den Mund immer leicht geöffnet hatte, bei dessen Ritt durch die Gemeinde zugerufen haben: „Eure Majestät, schließen Sie bitte Ihren Mund, die Fliegen in unserem Land sind sehr unverschämt.“ Die Antwort des Regenten ist bedauerlicherweise nicht bekannt. Ähnliches ist von Leopold I. überliefert, der sich einmal beim Kegeln im Freien darüber ärgerte, dass es ihm in den Mund regnete. Sein Begleiter, Fürst Gionvanni Ferdinando de Porcia, riet daraufhin dem Monarchen, doch einfach den Mund zu schließen.
Die Herrscher aus dem Haus Habsburg trugen eine berufliche Last, denn für die meisten war ihr Leben, das aus striktem Protokoll und gottgewollten Vorschriften bestand, als Träger der Krone mehr Bürde als Würde – einige von ihnen entschieden sich daher, ihren persönlichen Vorlieben den Vorzug zu geben und mehr privat zu agieren als öffentlich zu regieren. Oder sie integrierten ganz einfach ihre teilweise schrulligen Hobbys in den die meiste Zeit über langweiligen Job am Thron.
Als erstes Mitglied dieser Dynastie gilt Guntram „der Reiche“, der in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts lebte. Sein Nachkomme Otto II. (um 1100) war der erste aus dem Clan, der in seinem Namen die Bezeichnung „von Habsburg“ benutzte.
Der Name des bekannten Herrschergeschlechts leitet sich von ihrer Stammburg (ursprünglich „Habichtsburg“) in der Gemeinde Habsburg (heute Kanton Aargau in der Schweiz) ab, die zu Beginn des 11. Jahrhunderts errichtet wurde. Der Legende nach entfloh während einer Jagd ein abgerichteter Habicht, den Graf Radbot wenig später auf dem Wülpelsberg wiederfand und den Standort als ideal für den Bau einer Burg befand. Dort lebte die Familie aber nur rund 200 Jahre lang, danach verließen die Grafen ihre Heimat, um fremde Gebiete bzw. Herrschaften zu erobern.
Mit dem Tod des Babenbergers Herzog Friedrichs II. im Jahr 1246 geriet die Macht dieses bis dahin in Österreich herrschenden Adelsgeschlechts fränkisch-bayrischer Herkunft bereits ins Wanken, einige Jahre später erlosch es vollständig. Ihr Erbe fiel 1278 mit Rudolf I. (1218–1291) – in der neunten Generation nach Guntram „dem Reichen“ – an das Haus Habsburg. Rudolf, der bereits 1273 zum König des Heiligen Römischen Reiches (HRR) gekrönt worden war, begründete damit die überregionale Bedeutung seiner Dynastie.
Sein Urenkel, Herzog Rudolf IV. (1339–1365), erreichte 1358/59 als einflussreichster Habsburger des 14. Jahrhunderts mit der Urkundenfälschung „Privilegium maius” die Rangerhöhung der Habsburger zu „Erzherzogen”, die man nach der offiziellen Anerkennung des Dokuments mit umfangreichen Rechten ausstattete. Außerdem vergrößerte er das Reich um Tirol, das er 1363 von Margarete Maultasch erwarb.
Ab 1438 stellte das Adelsgeschlecht fast ununterbrochen die deutschen Könige und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, wobei mit der Krönung Friedrichs III. (1415–1493) im Jahr 1452 zum ersten Kaiser dieses Ranges die Stellung der Habsburger in Europa weiter gefestigt wurde. Sein Nachfolger war sein Sohn Maximilian I. (1459–1519).
Der in Spanien geborene spätere Kaiser Ferdinand I. (1503–1564) erhielt durch den Wormser Teilungsvertrag mit seinem Bruder Kaiser Karl V. (1500–1558) die Erblande der Habsburger in Mitteleuropa zugesprochen und begründete damit 1521 die österreichische Linie der Familie. 1526 gelangten Böhmen, Mähren, Schlesien und Ungarn an das Haus Habsburg. Ferdinands Nachfolger war sein Sohn Maximilian II. (1527–1576), der gemeinsam mit seiner Frau Maria von Spanien, der Tochter Karls V., als Begründer der österreichischen Hauptlinie der Dynastie gilt.
Auf Maximilian folgte dessen Sohn Rudolf II. (1552–1612). Da Rudolf ebenso wie sein Bruder Matthias kinderlos blieb, wurde Cousin Ferdinand II. (1578–1637) zum Familienoberhaupt und Nachfolger auf dem Kaiserthron ernannt. Mit seinem Sohn, Ferdinand III. (1608–1657), der die Kapuzinergruft (auch Kaisergruft) zur Erbbegräbnisstätte seiner Familie ausbauen ließ, setzte sich Wien nach dem von Rudolf II. favorisierten Prag als Hauptstadt des Habsburgerreiches durch.
Der Mannesstamm (Abstammungs- und Erbfolge von Vater zu ehelichem Sohn) der spanischen Linie der Dynastie (die über Spanien, Portugal und deren Besitzungen in Amerika, Afrika und Asien herrschte) starb mit dem spanischen König Karl II. (1661–1770) aus, der Mannesstamm der österreichischen Linie (als Regenten über Österreich und Steiermark, sowie später über Böhmen, Kroatien und Ungarn) endete mit Kaiser Karl VI. (1685–740). Die Tochter von Karl VI., Maria Theresia (1717–1780), begründete jedoch mit ihrem adeligen Gatten Franz Stephan von Lothringen (1708–1765) das Haus Habsburg-Lothringen und konnte dank der „Pragmatischen Sanktion“ ihres Vaters (Urkunde zur Sicherung der habsburgischen Thronfolge durch weibliche Nachkommen) die österreichische Linie fortführen. Als ihr Sohn Joseph II. (1741–1790) geboren wurde, hieß es – trotz Maria Theresias Geschick als Herrscherin neben ihrem Gemahl – seitens der Bevölkerung: „Gott sei Dank hat Österreich jetzt wieder Hosen an!“ In dieser österreichischen Linie verblieb die Kaiserwürde HRR (Heiliges Römisches Reich) dann bis zum Ende des alten Heiligen Römischen Reiches im Jahr 1806.
Maria Theresias Enkel, Franz II. (1768–1835), Sohn von Kaiser Leopold II. (1747–1792), war der letzte römisch-deutsche Kaiser (bis 1806) und unter dem Namen Franz I. ab 1804 Begründer und Regent des Kaisertums Österreich das 1867/68 zur Doppelmonarchie Österreich-Ungarn umgewandelt wurde.
Diese bestand mit Kaiser Karl I. (1887–1922), dem Neffen des in Sarajevo ermordeten Erzherzogs Franz Ferdinand, bis 1918. Nachdem der Erste Weltkrieg zum Zerfall der Habsburgermonarchie geführt hatte, verbanden sich die autonomen deutschsprachigen Kronländer zur heutigen Republik Österreich. Man könnte also durchaus sagen, dass eine der mächtigsten Dynastien der Welt mit Karls Abdankung von der Bühne der Geschichte abtrat.
Zuvor hatten allerdings noch drei der bekanntesten Mitglieder der Familie ihren Auftritt: Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916), der Enkel von Franz II., seine Gemahlin Elisabeth (1837–1898), genannt „Sisi“, und deren tragisch durch (vermutlich) Selbstmord früh aus dem Leben geschiedener Sohn Kronprinz Rudolf (1858–1889).
Endgültig geschlossen hat sich der imperiale Kreis im Jahr 1989 mit dem Tod des letzten gekrönten Mitglieds der Habsburger, Kaiserin Zita (1892–1989), Gattin von Kaiser Karl. Ihr Körper ruht in der Kapuzinergruft, aber ihr Herz wurde zurück an den Ursprung des Adelsgeschlechts gebracht: in ein Kloster im Schweizer Kanton Aargau. Das Familienoberhaupt der bürgerlich gewordenen Habsburger ist derzeit Karl (* 1961), der älteste Sohn des letzten Kronprinzen Österreich-Ungarns, Ottos von Habsburg-Lothringen (1912–2011).
Während ihrer über sechs Jahrhunderte lang dauernden Regierungszeit trugen 18 Habsburger den Kaisertitel (von 1452 mit Friedrich III. bis 1918 mit Karl I.). Dazu kam eine Unzahl von Königen, Fürsten, Herzögen und Erzherzögen, Grafen und anderen titeltragenden Mitgliedern der Familie in regierender Funktion quer durch alle Erblande. Spuren ihrer langen Herrschaft finden sich überall auf der Welt in oder an Gebäuden, in der Sprache oder in bis heute gültigen Gesetzen.
Abweichende Bezeichnungen oder Synonyme für die Herrschaft der Habsburger sind ab dem 15. Jahrhundert „Haus Österreich“ (österreichische Linie), „Casa de Austria“ (spanische Linie), „Erzhaus“ (die Adelsfamilie schuf den Titel „Erzherzog/Erzherzogin“ und war weltweit die einzige Dynastie, die ihn verwendete) sowie „Habsburgermonarchie“ als inoffizielle Benennung für die regierten Herrschaftsgebiete der österreichischen Linie.
Neben der Schaulust der „Gaffer“ – Personen, die einst beispielsweise Hinrichtungen mit feuchtfröhlichen Galgenfesten zelebrierten, existiert noch ein weiterer, tief in der Urgeschichte wurzelnder Reiz beim Betrachten von menschlichen oder tierischen Abnormitäten. Hier paaren sich Nervenkitzel und Sensationsgier oder Wissensdurst und Forscherdrang, in allen Fällen motiviert durch das Phänomen des Genusses am Grauen in Kombination mit dem Staunen über Unbekanntes.
Unter Umständen, so vermuten Psychologen, steht in vielen Fällen ein instinktiver Überlebenstrieb im Vordergrund: Durch das Ergründen von möglicherweise in dieser Form noch Unbekanntem, wiegt sich der Mensch in Sicherheit, mit der trügerischen Annahme, auf „alles“ vorbereitet zu sein. Andere wiederum erleben einen emotionalen Kick beim Betrachten von Abnormitäten, weil es einen Hauch von Einzigartigkeit hat, und noch viel elitärer fühlt man sich, wenn man die Raritäten sogar besitzt. Sehr häufig ist der Grund für „Sensation Seeking“ auch der Wunsch nach Abwechslung vom unbefriedigenden Alltag. Die betroffenen Personen haben in der Regel allerdings ein hohes Erregungslevel, um sich von der Tristesse ihres Daseins abzulenken – wie es beispielsweise bei Kaiserin Sisi der Fall war.
Die Habsburger zeigten großes Interesse an diversen eigenartigen Naturalien, die sie selbst von Reisen mitbrachten oder ihre Gesandten in ihrem Auftrag beschaffen mussten, sobald sie Kunde von deren Existenz erhielten. So sammelten sie beispielsweise in Spiritus eingelegte Hautlappen andersfarbiger Menschen, präparierte Finger oder Zehen von Massenmördern, Mumien oder Wachsmodelle von krankhaft veränderten Körperteilen Verstorbener. Zum wissenschaftlichen Interesse an den Objekten kam die Machtdemonstration, etwas zu besitzen, das kein anderer Herrscher weltweit sein Eigen nennen konnte.
Aus dem Bedürfnis heraus, besonders seltene, wertvolle, exotische und höchst eigenwillige Dinge anzuhäufen, gründete Rudolf IV. im 14. Jahrhundert den Hausschatz der Habsburger – nicht umsonst wurde der Herzog auch „der Stifter“ genannt, stand er doch im Ruf, durch Institutionalisierungen, und seien sie noch so absurd, im Gedächtnis des Landes bleiben zu wollen. Schon bald schwenkte Rudolfs Wesen von „höchst eigenwillig“ auf „bizarr“ und konnte sich dabei auch der Faszination am Abnormen nicht entziehen. Und so fügte er seiner anfänglich aus raren Kostbarkeiten bestehenden Sammlung diverse Kuriositäten aus aller Herren Länder hinzu.
Einer von Rudolfs Nachfahren, Kaiser Maximilian I., verbarg die geerbten Schätze seiner Familie noch in finsteren Gewölben unter der Hofburg, einerseits aus Angst vor Diebstahl, andererseits wollte er vermeiden, dass das Volk einen Blick auf die teilweise sehr morbiden Exponate werfen konnte. Nur Menschen aristokratischer Abstammung und edlen Geblüts sollten das Privileg genießen, die Raritäten zu Gesicht zu bekommen.
Maximilians Enkel, Kaiser Ferdinand I., widmete dem sorgsam gehüteten, mysteriösen Hausschatz bereits eigene Räumlichkeiten zur Aufbewahrung und ließ sie sortieren und katalogisieren – so entstand im Jahr 1558 in der Hofburg die erste geheime „Kunsst Camer“, deren Fundament Forscher erst 2013 nahe dem Schweizertor entdeckten.
Dieser Habsburger galt als eher bescheidener Mann, der zur weiteren Bestückung der Sammlung mehr Kuriositäten als Wertgegenstände sammelte. Besonders beliebt waren zu jener Zeit Porträts von Haarmenschen und aus den Armen und Beinen der Betroffenen herausgeschnittene Hautfetzen.
Ab dem frühen 17. Jahrhundert, als sich der Adel langsam nicht mehr völlig vom Volk abschottete und die Bürger teilweise an seinen Privilegien teilhaben ließ, wurden unter der Regentschaft Ferdinands III. bereits Führungen durch die „Kunst- und Wunderkammern“ veranstaltet. Die Sammlung galt zu jener Zeit in ihrer Gesamtheit als Spiegel des Kosmos, stellte die Summe des damaligen Wissens über die Welt dar und symbolisierte deren Beherrschung.
Ein weiterer Bewunderer und exzessiver Sammler von Abnormitäten war Erzherzog Ferdinand II. von Tirol, der Sohn von Ferdinand I. Auf seinem Schloss Ambras in Innsbruck sammelte er im 16. Jahrhundert vorwiegend Porträts des Haarmenschen Petrus Gonsalvus von Teneriffa (bis heute bezeichnet man die krankhafte übermäßige Behaarung als „Ambras-Syndrom“). Darüber hinaus ließ er auf seinem Anwesen „verwachsene und verkrüppelte“ Menschen malen, deren Bilder er dann in allen Räumen verteilte und stolz seinen Besuchern zeigte. Der Erzherzog bemaß den Wert dieser Werke weit höher als den von Geld, Gold und Geschmeide – Reichtümer, die schließlich jeder Herrscher haben konnte. Neben seinem Faible für Haarmenschen holte er außerdem „Zwerge“ auf sein Schloss und liebte es, sie in ihrer Rolle als „Hofnarren“ zu beobachten.
Die Habsburger scheinen überhaupt eine sehr eigene Beziehung zu Haaren gehabt zu haben – so sprach etwa Philipp II. von Spanien beim Anblick eines seiner Bediensteten, der sich seinen grauen Bart schwarz gefärbt hatte: „Wer seinen eigenen Haaren nicht getreu ist, der wird auch seinem Könige untreu sein!“
Nach Ferdinand II. von Tirol begann dessen Neffe Rudolf II. in seiner Residenz auf dem Prager Hradschin mit dem Aufbau einer „idealen“ Kunst- und Wunderkammer. Er beschäftigte Agenten in ganz Europa, die nach Objekten Ausschau halten und ihm alles herausragend Schöne, Wertvolle oder Seltene bringen sollten. Unter seinen wertvollsten Sammelstücken befanden sich der Dolch, mit dem der Überlieferung nach Julius Cäsar erstochen worden war, und eine Schale aus Achat, der Heilige Gral, mit der einst Josef von Arimatäa auf Golgatha das Blut Christi unter dem Kreuz aufgefangen haben soll. Allerdings gab es auch jede Menge Abnormes, wie beispielsweise in Alkohol eingelegte Missgeburten, die sich der Kaiser gerne abends bei Kerzenschein ansah und eingehend studierte.
Eine Vorliebe für „kuriose Menschen“ zeigte auch Rudolfs Cousin, Kaiser Ferdinand II. Allerdings gehörte es damals fast zum guten Ton, Winzlinge, Riesen, Missgestaltete oder „Mohren“ als Beweis für die Launen der Natur zu beschäftigen und sie bei Gesellschaften vorzuführen. Der „Besitz“ von „ungewöhnlichen Kreaturen“, stärkte den guten Ruf eines Monarchen. Es belegte seine weitreichenden Verbindungen in alle Teile der Welt, da gute Beziehungen notwendig waren, um sich mit den begehrten „Anomalien“ zu versorgen.
Teuer kam der aufwendig geführte und mit Wunderlichkeiten bestückte Regentenhaushalt auch schon bislang, wie man in dem Buch „Allgemeine Weltgeschichte von der Schöpfung an bis auf gegenwärtige Zeit“ aus dem Jahr 1795 nachlesen kann, in dem der Autor Christoph-Gottlob Heinrich die üblichen Aufwendungen an einem Kaiserhof beschrieb: Zu diesen ungeheuren Verschwendungen der Tafel rechne man noch an den fürstlichen Höfen die musicalischen Kapellen, die Feuerwerke seit dem Anfange des 17ten Jahrhunderts, die große Menge unnöthiger Hofleute, Hofzwerge, Hofnarren und Hofbediensteten.
Ferdinand II. selbst war kein großer Mann, ging zudem aufgrund eines Rückenleidens im weiter fortgeschrittenen Alter stets etwas gebückt und erinnerte selbst an einen Gnom. Möglicherweise rührte seine Faszination vor allem für kleinwüchsige Menschen von einem Komplex hinsichtlich seines für einen Herrscher eher ungünstigen Wuchses. Er ließ sich sogar mit einem seiner „Zwerge“ malen (vermutlich handelte es sich dabei um seinen „treuen Hänsel“, den er von seinem Cousin, Kaiser Matthias, übernommen hatte). Der Monarch erscheint auf dem Bild aus dem Jahr 1604 unverhältnismäßig groß, an seiner Seite ist eine kleine Person zu sehen, der er huldvoll die Hand auf den Kopf legt – eine Geste zur Demonstration seiner Größe und für die Stärkung des Egos.
Im Jahr 1891 wurden viele der Exponate und Gemälde aus dem Besitz der genannten Habsburger im Kunsthistorischen Museum vereint. Daneben existieren noch die Exotika-Sammlung auf Schloss Ambras in Innsbruck sowie die Wunderkammer Salzburg als barockes Kuriositätenkabinett.
Einer der letzten Liebhaber von aus der Norm fallenden Artefakten war Erzherzog Rainer, der Onkel von Kaiser Franz Joseph, der Ende des 19. Jahrhunderts exzessiv „seltene Papiere“ aus aller Welt zusammentrug. Unter seinen Gustostückerln befanden sich beispielsweise eine medizinische Rezeptur für Zahnpulver aus dem „Urwald“, Schriftübungen von Schreibschülern aus fernen Ländern oder ein Strafmandat wegen Straßenverschmutzung aus Wien. Insgesamt bestand die Sammlung aus rund 180 000 Papyri aus drei Jahrtausenden, die in die UNESCO-Liste „Memory of the World“ aufgenommen wurde und in der Neuen Hofburg zu besichtigen ist.
„Andersartigkeiten“ besaß Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts auch Franz II./I., der sich im Kaisergarten der Hofburg, heute der Burggarten, gerne mit exotischen Pflanzen und Tieren umgab. Er liebte es, den Affen beim Klettern zuzusehen und bewunderte deren Possierlichkeit, wie er oft und gerne gegenüber seinen Bekannten äußerte. Viel lieber als zu herrschen, hätte er wie andere Weltenbummler und Forscher die verschiedensten Länder der Erde bereist und sich an den prächtigen Geschöpfen der Natur erfreut. So finanzierte er aufwendige und für die Botaniker und Zoologen in seinen Diensten sehr strapaziöse Expeditionen rund um den Globus, um von dort seltene Pflanzen und Tiere nach Österreich bringen zu lassen.
Um dem fernwehgeplagten Monarchen eine ganz besondere Freude zu machen, brachte ihm eines Tages einer seiner Wissenschaftler, Johann Pohl, einen dunkelhäutigen Eingeborenen aus Übersee mit und überreichte das Geschenk mit den Worten: „A Wüda zum Studiern, moch mit eam wosd wüst.“ Der Kaiser, mehr erschrocken als erfreut, wusste nicht so recht, was er mit ihm anfangen sollte und ließ aus Mangel an anderen Ideen einen Pavillon im Affengehege – nobler ausgedrückt: im Tropenbereich des Kaisergartens – bauen. Doch das Präsent hielt ihn ganz schön auf Trab, sorgte er sich doch um den Mann, der trotz Pflege und Fürsorge immer kränker aussah, und den er nicht verstand. Ihm war nach den Reisestrapazen und aufgrund des neuen Klimas sowie der ungewohnten Kost kein langes Leben beschert – er lag eines Tages tot im Gehege. Kaiser Franz ließ den verstorbenen Exoten ausstopfen und in einem künstlichen Urwald zur Schau stellen.
Immer wieder bekam er Eingeborene aus afrikanischen Buschdörfern geschenkt, die allesamt bald starben und die Franz präpariert in Schönbrunn ausstellte. Als sein Dschungelnachbau immer voller wurde, wurden die „Wüden“ sukzessive in sein Naturalienkabinett in der Hofbibliothek am Josefsplatz gebracht.