Habsburgs verschollene Schätze - Katrin Unterreiner - E-Book

Habsburgs verschollene Schätze E-Book

Katrin Unterreiner

0,0

Beschreibung

Waren die Habsburger reich oder besaßen sie "nur" Staatsvermögen? Lebten sie im Luxus oder eher bescheiden? Woher kam das Geld, wovon lebten sie eigentlich und wie gingen sie mit ihren Apanagen um? Was passierte mit den Aussteigern? Gab es unterschiedlich vermögende Habsburger und wurden sie 1918 enteignet und verloren auch ihr Privatvermögen? Was passierte mit dem Vermögen nach dem Ende der Monarchie und wohin sind die Kronjuwelen verschwunden? In ihrem neuesten Buch begibt sich Katrin Unterreiner auf die Spurensuche nach dem Vermögen der Habsburger und geht unter anderem diesen bis heute immer wieder diskutierten Fragen auf den Grund. Das Buch bietet nicht nur spannende Einblicke in die Vermögensverhältnisse der kaiserlichen Familie, sondern zeigt auch, wofür die Habsburger ihr Geld ausgaben und wie ihr Lebensalltag aussah. Neben privaten Einblicken und spannenden neuen Erkenntnissen kann auch endlich der Krimi um die verschwundenen Kronjuwelen gelöst werden.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 245

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über das Buch

Die Habsburger regierten 640 Jahre in Österreich und machten aus dem kleinen Herzogtum, das sie von den Babenbergern übernahmen, ein Weltreich mit 52 Millionen Einwohnern, das von der heutigen Ukraine bis nach Spanien und darüber hinaus nach Südamerika reichte. Doch war dies gleichbedeutend mit Reichtum? Bislang gab es nur einzelne Informationen darüber, was die kaiserliche Familie einst besaß und was mit ihren Besitztümern nach 1918 geschah. Dieses Buch behandelt die Anfänge und die Entwicklung ihres Vermögens sowie die Frage nach dem Verbleib der habsburgischen Schätze. Es bietet spannende Einblicke in die Vermögensverhältnisse der kaiserlichen Familie und zeigt, wofür die Habsburger ihr Geld ausgaben und wie ihr Lebensalltag aussah.

INHALT

VORWORT

MACHT DURCH GELD – DIE ENTSTEHUNG EINES VERMÖGENS

Financiers im Hintergrund: die Fugger

Mit „Handsalben“ zur Krone – die gekaufte Kaiserwürde

Von Oppenheimer bis Rothschild – die Bankiers des Kaisers

Vermögenszuwachs durch Vertreibung und Enteignung

Die Entstehung des habsburgischen Vermögens – „Engelberto von Fino“

Der Allerhöchste Privat- und Familienversorgungsfonds

Kaiserliche Apanagen

VON ARMEN UND REICHEN HABSBURGERN

Erzherzog Otto – der „Lebemann“

Erzherzog Ludwig Salvator – der „Intellektuelle“

Erzherzog Ludwig Victor – der „Bonvivant“

Erzherzog Friedrich – der „Rahmreiche“

Erzherzog Ernst – der „Spieler“

Erzherzog Thronfolger Franz Ferdinand – der „heimlich Vermögende“

Elisabeth Fürstin Windisch-Graetz – die „rote Erzherzogin“

SEEMANN, EINTÄNZER UND GREISSLER – DIE AUSSTEIGER

Erzherzog Johann Salvator – verschollen im Südatlantik

Erzherzog Leopold Ferdinand Salvator – Eintänzer und Greißler

Erzherzogin Luise von Toskana – eine Kronprinzessin als Stenotypistin

Erzherzog Ferdinand Karl – Herr Burg und die „abgefeimte Canaille“

„PLÖTZLICH EIN REICHER MANN“ – KAISER FRANZ JOSEPH

Saure Milch mit trocken Brot

„Die zwei dunklen Fixsterne am pekuniären Horizonte des Kaisers“

Die Erben des Kaisers

VERSCHWENDERISCHE MILLIONÄRIN – KAISERIN ELISABETH

Mondäne Luxusreisen von Irland bis Marokko

Die Entourage der Kaiserin

Geheime Bankdepots

DIE HABSBURGER NACH 1918 – ENTEIGNET UND VERARMT ODER VERMÖGENDE PRIVATIERS?

Vermögenswerte

Gesperrtes Vermögen

Was passierte mit dem Habsburger-Vermögen? – Mythos und Realität

DIE SCHÄTZE DER HABSBURGER

Museale Prunkstücke

Die unbekannten Juwelen der Habsburger

Prunkvolle Brautaussteuern

Die Juwelenkönigin: Erzherzogin Maria Anna

Legendäre Habsburger-Juwelen

DIE „VERSCHWUNDENEN“ KRONJUWELEN – DIE LÖSUNG EINES RÄTSELS

Der vergessene Kunstschatz: die Borso-Bibel

Die mittellose Familie des Ex-Kaiser – Mythos und Realität

Anhang 1

Quellen

Ausgewählte Literatur

Anmerkungen

VORWORT

Mit diesem Buch wollte ich einer der am häufigsten an mich herangetragenen Fragen nachgehen, nämlich jener nach dem tatsächlichen Vermögen der Habsburger. Bislang gab es nur punktuelle Informationen darüber, was die kaiserliche Familie einst besaß und was mit ihren Besitztümern nach 1918 geschah. Das Buch behandelt sowohl die Anfänge und die Entwicklung ihres Vermögens als auch die Frage nach dem Verbleib der habsburgischen Schätze. Kurz zusammengefasst geht es also darum, woher das Vermögen kam, wie hoch es war und was daraus geworden ist. Zahlreiche Legenden umranken das Ende der Herrschaft der Habsburger und bis heute gab es Unklarheiten über mutmaßlich verschollene Schätze, die nun erstmals geklärt werden können.

Da es neben Ländereien, Immobilien, Kunstschätzen und Juwelen vielfach vor allem um Geldbeträge und Vermögenswerte geht, war es mir ein Anliegen, dieses Thema übersichtlich und leicht lesbar aufzubereiten. Aus diesem Grund habe ich mich entschieden, alle wesentlichen Geldbeträge in Euro umzurechnen, um eine Vorstellung davon zu geben, um welche Werte es sich jeweils handelte. Die Angabe historischer Beträge in heutiger Währung ist für eine Historikerin zwar heikel, da eine exakte Umrechnung unmöglich ist, ich habe mich dennoch dafür entschieden und dafür den historischen Währungsrechner der Österreichischen Nationalbank verwendet (www.eurologisch.at). Dieser vergleicht den Preis eines Bündels von Gütern und Dienstleistungen – den sogenannten „Warenkorb“ – im jeweiligen Ausgangsjahr mit heute. Er basiert also auf einem Verbraucherpreisindex und stellt demnach nur eine Möglichkeit dar, historische Werte für heute vergleichbar zu machen. Daher möchte ich darauf hinweisen, dass es sich bei den Beträgen um ungefähre Wertvorstellungen bzw. Annäherungen handelt, die in Summe aber dennoch erstmals eine Vorstellungen davon geben, um welche Größenordnungen es bei den verschiedenen Vermögenswerten, den Apanagen und nicht zuletzt den Ausgaben der Habsburger geht.

Da die Recherchen diesmal teilweise unter außergewöhnlichen und erschwerten Bedingungen stattfanden, möchte ich mich bei folgenden Kolleginnen und Kollegen ganz besonders herzlich bedanken: Mag. Thomas Just sowie Mag. Irmgard Pangerl (Haus-, Hof- und Staatsarchiv), Mag. Anja Hasenlechner, Dr. Eva Ottillinger und Dr. Marlene Ott-Wodni (Bundesmobilienverwaltung), Dr. Paulus Rainer (Schatzkammer Wien), Florian Köchert, Marion Leibetseder, Wolfgang Reitzi und Angelika Ullhofen.

MACHT DURCH GELD – DIE ENTSTEHUNG EINES VERMÖGENS

Die Habsburger regierten 640 Jahre in Österreich und machten aus dem kleinen Herzogtum, das sie von den Babenbergern übernahmen, ein Weltreich mit 52 Millionen Einwohnern, das von der heutigen Ukraine bis nach Spanien und darüber hinaus nach Südamerika reichte. Als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, Könige von Ungarn, Böhmen, Spanien, Lombardo-Venetien, Herzoge der Toskana, Erzherzoge von Österreich und vieles mehr waren die Habsburger über Jahrhunderte eine der mächtigsten Dynastien der Welt. Doch war dies gleichbedeutend mit Reichtum?

Ein Blick zurück auf die Anfänge der Familie macht klar, dass dem nicht so war und sich der Reichtum erst spät einstellte. Denn die Habsburger waren ursprünglich kein vermögendes Geschlecht. Als Rudolf I. 1273 zum röm.-dt. König gewählt wurde und 1282 seine Söhne mit Österreich belehnte – was den Beginn der habsburgischen Herrschaft in Österreich bedeutete –, kam eine Familie an die Macht, die zwar nicht arm, aber keineswegs vermögend war. Im Laufe der Jahrhunderte festigten die Habsburger zwar ihre Macht, zählten aber auch weiterhin nicht zu den begütertsten Dynastien. Die Basis ihrer finanziellen Mittel war also weder privater Reichtum noch Steuereinnahmen, die es damals noch nicht im heutigen Sinn gab. Als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches (ab Friedrich III., der 1452 zum Kaiser gewählt und gekrönt wurde) erhielten die Habsburger zwar sogenannte „Reichsmittel“, diese waren jedoch von der Zustimmung der Reichsstände abhängig, wurden unregelmäßig und in unterschiedlicher Höhe bewilligt und waren zudem meist zweckgebunden.1 Zu den wichtigsten Einnahmen eines Kaisers zählten die Erträge aus dem Berg- und Salzregal, also dem Hoheitsrecht der Salzgewinnung, da sich die bedeutendsten Bergbaureviere und Salzvorkommen Europas in Österreich, Ungarn und Böhmen befanden. Hinzu kamen beträchtliche Einkünfte aus verschiedenen Verkehrsabgaben (Zölle, Wege- und Brückengelder, diverse Gebühren etc.), verliefen doch die wichtigsten Handelsrouten durch die Erbländer. Diese Einnahmen reichten für den immer größeren Verwaltungsapparat, die Hofhaltung, notwendige Modernisierungen und vor allem Kriege jedoch nicht aus. Daher wurden Steuereinnahmen immer wichtiger; die entscheidende Rolle spielten jedoch private Geldgeber, die de facto über Aufstieg und Niedergang einer Dynastie entscheiden konnten.

FINANCIERS IM HINTERGRUND: DIE FUGGER

Die Bedeutung einer Herrscherfamilie hing natürlich von der Ausdehnung ihres Machtbereichs ab, der meist nur mit kriegerischen Mitteln erreicht und gesichert werden konnte. Die Habsburger sind zwar für den eleganteren Weg via clevere – und glückliche – Heiratspolitik bekannt, doch auch Erbansprüche mussten immer wieder auf dem Schlachtfeld verteidigt werden. Speziell wenn man in Kriegszeiten rasch Geld benötigte, waren private Kreditgeber die einzige Möglichkeit. Das wussten auch die Habsburger und suchten daher an einem entscheidenden und kritischen Wendepunkt in ihrer Geschichte einen verlässlichen und vor allem liquiden Partner.

Friedrich III. hatte zwar die Kaiserwürde erlangt, war jedoch völlig verschuldet, sein Hof in Wiener Neustadt war alles andere als glänzend und seine Macht bestand eher auf dem Papier als in der Realität. Daher sah er realistischerweise in einer prestigeträchtigen und vor allem finanziell vorteilhaften Vermählung seines Sohnes Maximilian die einzige Chance für den Weiterbestand seiner Familie als bedeutende Herrscherdynastie. Just zu diesem Zeitpunkt ergab es sich, dass eine der reichsten Erbinnen Europas einen geeigneten Gemahl suchte: Maria von Burgund, Tochter und Erbin Karls des Kühnen, Herzog von Burgund. Doch Friedrich hatte ein Problem: Um die begehrte Erbin buhlte halb Europa und Friedrich hatte – obwohl Kaiser – nicht die besten Karten, denn es fehlten ihm sogar die finanziellen Mittel für eine adäquate Ausstattung einer standesgemäße Brautwerbung seines Sohnes. Von einer guten Partie konnte also keine Rede sein. Friedrich benötigte also dringend und vor allem sofort Geld und wand sich daher Richtung Augsburg.

Die aufstrebende Stadt in Süddeutschland war, nachdem Rudolf von Habsburg sie 1276 zu einer reichsunmittelbaren, „freien Stadt“ gemacht hatte, direkt seiner Herrschaft unterstellt. Neben Köln und Nürnberg zählte Augsburg zu den wichtigsten Handelszentren Deutschlands und seine Kaufmannsfamilien – die Welser, Rehlinger und Fugger – waren im ganzen Reich bekannt. Vor allem die Familie Fugger zählte bereits zu den bedeutendsten Familien des Landes. Der erste Fugger, der 1367 in Augsburg ansässig wurde, war Hans Fugger, ein Weber aus dem nahe gelegenen Dorf Graben. Mit ihm begann der beispiellose Aufstieg der Familie, die als Händler und Bankiers mehr als alle anderen das Zeitalter des Frühkapitalismus prägte. Von ihren Finanzoperationen sollten schließlich vom Kaiser abwärts Könige und selbst die Kurie anhängig sein. Schon Mitte des 15. Jahrhunderts waren aus der einfachen Weberfamilie einflussreiche Kaufleute geworden, die mit kostbaren Stoffen und exotischen Gewürzen handelten und Niederlassungen in Nürnberg und Venedig unterhielten.

Zu dieser Zeit leitete Ulrich Fugger, ein Enkel des Augsburger Firmengründers, das Familienunternehmen und erkannte, dass sich eine Investition in die Habsburger langfristig lohnen könnte. Daher beschloss er 1473, Erzherzog Maximilian und seine Entourage nicht nur mit feinsten Stoffen für seine Brautwerbung prächtig auszustatten, sondern überhaupt die ganze Unternehmung zu finanzieren. Als Gegenleistung erhielt er vom Kaiser das Recht, ein Familienwappen zu führen, was für die aufstrebende Familie einen enormen Prestigegewinn bedeutete. Doch Ulrich Fugger hatte langfristig geplant und seine Investition sollte sich lohnen. Denn mit dieser Unterstützung entstand eine Finanzbeziehung, die über zwei Jahrhunderte währen sollte und für beide Seiten äußerst gewinnbringen war – für die Habsburger in machtpolitischer, für die Fugger in finanzieller Hinsicht. Aus kleinen Summen wurden immer größere, wobei die Darlehen nicht verzinst wurden, sondern in Form von Silberlieferungen aus den Gruben des Landesherrn rückerstattet wurden, die die Fugger dann mit Gewinnspannen von bis zu 40 Prozent auf dem freien Markt verkaufen konnten. Mit diesem System finanzierten die Fugger den Aufstieg der Habsburger zur mächtigsten Dynastie Europas, beglichen ihre Schulden, bezahlten Beamte und Kriege. Als Gegenleistung erhielten sie neben Silber zunehmend auch Kupfer, das sie zur Herstellung von Töpfen und Pfannen – ein einträgliches Geschäft in dieser Zeit – sowie für Waffen verwendeten. Als sie genug Edelmetall erhalten hatten, gingen schließlich auch ganze Ländereien in ihren Besitz über.

Der finanzielle Aufstieg der Familie Fugger lässt sich recht anschaulich an ihrer Steuerleistung darstellen, die sich in 24 Jahren verzehnfachte, wobei das keine Rückschlüsse auf ihr wahres Vermögen erlaubt, denn Ulrichs Bruder Jakob, der das Unternehmen mittlerweile leitete, hatte 1516 „vorgesorgt“ und mit der Stadt das Privileg ausverhandelt, sein Vermögen nicht mehr angeben zu müssen, sondern nur noch Pauschalbeträge an den Fiskus abzuführen. Unter seiner Führung stieg die Firma zu einem Konzern auf, der von Skandinavien bis Süditalien und von Ungarn bis Spanien mit allem handelte, was Profit verhieß: Metalle und Textilien, Gewürze, Pelze, Juwelen – und Geld. Die Einnahmen aus ihren lukrativen Geschäften reichten allerdings nicht aus, um den enormen Finanzbedarf der Habsburger zu decken. Das heißt, auch die Fugger benötigten und operierten mit Fremdkapital. Ihr Name versprach Erfolg und so veranlagten zahlreiche wohlhabende Familien ihr Vermögen bei den Fuggern.

Einen Großteil ihres Geschäftskapitals bildeten die Einlagen Melchiors von Meckau, der pikanterweise als Fürstbischof von Brixen und später Kardinal über enorme Pfründe verfügte, als Kirchenmann jedoch keine Zinsen kassieren durfte. Fugger garantierte eine diskrete Geschäftsabwicklung, die so lange funktionierte, wie der Kardinal lebte. Bei seinem Tod wurden die Geschäftsbeziehungen jedoch publik und Rom verlangte erbost, das Vermögen umgehend der Kirche zu übergeben. Diese Auszahlung hätte den finanziellen Ruin des Hauses bedeutet. Da traf es sich gut, dass die Fugger „engste Beziehungen“ zu den Habsburgern pflegten, sprich deren Abhängigkeit umgehend für ihre Interessen einsetzen konnten: Maximilian intervenierte beim Papst – auch in seinem eigenen Interesse, denn ohne das Geld der Fugger hätte er sich nicht nur seine kostspieligen Feldzüge nicht mehr leisten können, sondern wäre mit diesen gemeinsam pleite gegangen, was auch sein politisches Ende und das Ende der Dynastie Habsburg bedeutet hätte. Dass die Rettung gelang, lag aber vermutlich nicht nur an der Intervention des Kaisers, sondern auch daran, dass auch der Papst selbst immer wieder Geld bei den Fuggern lieh, wobei er die anfallenden Zinsen geschickt als päpstliche Geschenke deklarierte. Dazu kam noch der damals florierende Handel mit Ablasszahlungen, bei denen die Fugger dank ihres verzweigten Bankensystems, das der Vatikan dafür nutzte, mitverdienten.

Diese für die Fugger heikle Situation veranschaulicht jedenfalls nicht nur die Abhängigkeit des Kaisers und des Papstes von den Fuggern, sondern auch die immense Macht, die die Familie innehatte. 1511 wurde Jakob Fugger in den Adelsstand erhoben und spielte einige Jahre später sogar die Schlüsselrolle für die Habsburger bei der Festigung ihrer Macht.

MIT „HANDSALBEN“ ZUR KRONE – DIE GEKAUFTE KAISERWÜRDE

Die Ehe Maximilians mit Maria von Burgund hatte tatsächlich die erhoffte Konsolidierung der Habsburger gebracht. Maximilian war zum Kaiser gewählt worden und es war ihm gelungen, seinen Sohn Philipp den Schönen mit der Erbin des Königsreichs Spanien zu verheiraten. Doch als er 1519 starb, war es längst keine ausgemachte Sache, dass wieder ein Habsburger Kaiser des Heiligen Römischen Reiches werden sollte. Im Gegenteil, mit dem englischen König Heinrich VIII. und dem französischen König Franz I. gab es prominente Gegenspieler – Franz I. wurde sogar vom Papst unterstützt. Der habsburgische Kandidat Karl I., ein Enkel Maximilians, war als spanischer König nicht der mächtigste Kandidat, doch er hatte den mächtigsten Unterstützer: Jakob Fugger. Dieser sah vor allem im Ausbau seiner Geschäfte im Königreich Spanien, zu dem ja auch die reichen Kolonien in Südamerika gehörten, eine große Chance und unterstützte daher KarI. Mit enormen Bestechungsgeldern, „Handsalben“ genannt, war er quasi „Bestbieter“ und erkaufte schlicht und einfach die Stimmen der wahlberechtigten Kurfürsten – und Karl wurde zum Kaiser gewählt. Als Karl V. gelang es ihm, aus der Habsburgermonarchie ein Weltreich zu machen, in dem sprichwörtlich die Sonne nie unterging. Als er die Kaiserwürde niederlegte und seinem Bruder Ferdinand übertrug, der mit Anna Jagiello die Erbin der Königreiche Ungarn und Böhmen geheiratet hatte, waren die Habsburger unbestritten zur mächtigste Dynastie Europas aufgestiegen.

Das Geschäft sollte sich für die Fugger lohnen: Unter Anton Fugger, einem Neffen Jakobs, erreichte das Haus ab 1525 den Besitz von halb Südamerika und Anton wurde 1546 zum reichsten Mann der Welt erklärt. Doch gerade am Höhepunkt ihrer Macht erhielten sie einen Gegner, den am Beginn alle unterschätzt hatten: Martin Luther. Luther thematisierte nicht nur die Geschäfte der Kirche und vor allem den Ablasshandel, an dem die Fugger ja kräftig mitverdienten, sondern generell die Auswüchse des Geldhandels auf Kosten der Bauern, Handwerker und Bergleute und nannte das Übel auch beim Namen: „Man müsste wirklich dem Fugger und dergleichen Gesellschaft einen Zaum ins Maul legen.“

Der enorme Erfolg der Protestanten und ihr Kampf gegen die „heillosen Ablasskrämer“ brachten die Fugger in Bedrängnis. Die Stimmung war bereits 1523 erstmals gekippt, als der Reichsfiskal – der höchste Ankläger des Landes – die Fugger wegen Monopolvergehens verklagte. Die Fugger wandten sich in wohlerprobter Manier umgehend an den Kaiser, der sofort handelte und erreichte, dass die Klage vom Tisch kam, doch die Zeiten wurden zusehends schwieriger. In Böhmen und Tirol gab es erste Aufstände der Bergknappen, im ganzen Land revoltierten die Bauern gegen Leibeigenschaft und Abgabenlast. Als Bankiers des Kaisers und des Papstes verteidigten die Fugger eisern ihren katholischen Glauben und finanzierten die einsetzenden Glaubenskriege. Doch das einst so einträgliche Geschäft lief nicht mehr so geschmiert wie früher. Die Habsburger blieben immer öfter ihre Gegenleistungen schuldig, die gebotenen Sicherheiten stellten sich immer wieder als wertlos heraus. Anton Fugger agierte zunehmend frustriert und verkündete wiederholt, mit dem Gedanken zu spielen, das Geschäft einzustellen. Als Anton Fugger 1560 starb, ging mit ihm die goldene Ära der Familie zu Ende. Die Schwierigkeiten nahmen in der Folge unaufhörlich zu. Die Firma konnte sich zwar über den Dreißigjährigen Krieg hinwegretten, wurde jedoch 1658 aufgelöst. Die Familie existiert jedoch bis heute. Nach wie vor gibt es in Deutschland das Bankhaus Fugger als Privatbank für den gehobenen Mittelstand und die Fugger selbst zählen nach den Hohenzollern, Hohenlohe, Thurn und Taxis, Fürstenberg und Waldburg-Zeil immer noch zu den größten Grundbesitzern Deutschlands.

Die Habsburger hatten zwar mit den Fuggern ihre maßgeblichste Geldquelle verloren, ihr Glück war jedoch, dass dies zu einem Zeitpunkt passierte, als sie ihre Macht bereits konsolidiert hatten und unbestreitbar zur mächtigsten Herrscherfamilie aufgestiegen waren. Dennoch ist der Anteil der Fugger am Erfolg der Dynastie Habsburg beinahe in Vergessenheit geraten, obwohl sie de facto den entscheidenden Grundstein für deren Machtstellung – und damit auch deren späteren Reichtum – gelegt hatten.

VON OPPENHEIMER BIS ROTHSCHILD – DIE BANKIERS DES KAISERS

Doch auch als etablierte Dynastie brauchten die Habsburger weiterhin starke Finanzpartner. Nach dem Niedergang der Fugger avancierte zu Beginn des 18. Jahrhunderts Samuel Oppenheimer zur potentesten Geldquelle. Da sah sogar der sonst Juden gegenüber wenig tolerante Kaiser Leopold I. gnädig über diesen „Makel“ hinweg. Seit Beginn ihrer Herrschaft hatten die Habsburger immer wieder mit jüdischem Geld operiert, das in Form einer allgemeinen Judensteuer eingehoben wurde, die Ende des 13. Jahrhunderts eingeführt worden war.2 Im Laufe des 17. Jahrhunderts, als die Kaiser für Kriege sowie die immer kostspieligere, da repräsentativere Hofhaltung stetig mehr Geld benötigten, hatten sich zunehmend jüdische Händler als Financiers des Hofes etabliert. Als Warenlieferanten des Kaisers, der nur auf Kredit kaufte, entwickelten sie sich schließlich auch zu Bankiers.

Samuel Oppenheimer war während der Türkenkriege mit Nahrungsmitteln, Munition und Pferden zum größten und unverzichtbaren Armeelieferanten und damit zum wichtigsten Financier der Habsburger geworden. Allein in den ersten zwei Jahren des Spanischen Erbfolgekriegs hatte Oppenheimer die Habsburger bis 1703 mit 3 Millionen Gulden unterstützt.3 Der „Hofjude“ wurde zum „Hoffaktor“, also zum obersten Financier des Hofes, ernannt und begründete damit eine „Tradition“, die bis zum Ende der Monarchie währte.4 Die der Hofkammer, der seit 1527 bestehenden obersten Finanzzentralstelle, gewährten Kredite der jüdischen Hoffinanciers von Oppenheimer über dessen Neffen Samson Wertheimer bis zu Lazarus Hirschl beliefen sich von 1698–1739 auf über 78 Millionen Gulden, d. h. knapp 2 Millionen jährlich, was einem Zehntel der gesamten Staatseinnahmen entsprach.5

Die jüdischen Financiers blieben über die Jahrhunderte ein wesentlicher Bestandteil des habsburgischen Finanzwesens, bis hin zur Familie Rothschild unter Kaiser Franz Joseph. Doch während Maria Theresia noch alle Nicht-Katholiken verfolgt hatte – von den Protestanten in Steiermark und Kärnten, die enteignet und nach Siebenbürgen deportiert wurden, bis hin zu den Juden, die vor allem in Böhmen zahlreichen Pogromen ausgesetzt waren und mehrmals nur gegen enorme Zahlungen und Sondersteuern wieder zurückkehren „durften“ –, sollte sich deren gesellschaftlicher Status im 19. Jahrhundert ändern. Im Unterschied zur Barockzeit, die noch vom intoleranten Geist der Gegenreformation geprägt war, sah man das vor allem dank der Aufklärung im 19. Jahrhundert, als sich die k. u. k. Monarchie zu einem Vielvölker- und damit auch einem multikonfessionellen Staat entwickelt hatte, wesentlich entspannter. Jüdische Bankiers hatten sich von „nützlichen Hofjuden“6, wie Kaiser Leopold es noch formuliert hatte, weitgehend nicht nur als Geschäftspartner, sondern auch gesellschaftlich etabliert. So zählte Nathaniel „Nathi“ Rothschild, der sowohl das Bankhaus Rothschild leitete als auch als Hauptaktionär der Creditanstalt die größte Bank Österreichs kontrollierte, zur gesellschaftlichen Oberschicht. Bereits 1817 hatte die Familie Rothschild für ihre Dienste in den napoleonischen Kriegen den Titel „Baron“ erhalten, der 1885 als erblicher Titel noch aufgewertet wurde.

VERMÖGENSZUWACHS DURCH VERTREIBUNG UND ENTEIGNUNG

Doch die Habsburger bauten ihre politische Macht und ihren Besitz nicht allein mit Unterstützung von Financiers und Bankiers aus, sondern durchaus auch weniger elegant. Dabei spielte die Religion eine nicht unwichtige Rolle. Denn die Glaubenskämpfe im 16. und 17. Jahrhundert kosteten zwar einerseits Unsummen, auf der anderen Seite kamen den Habsburgern aber vor allem die Adelsverschwörungen in Böhmen und Ungarn insofern zupass, als den Aufständischen als Strafe kurzerhand ihre Güter und damit ihr Vermögen entzogen wurde, das die Habsburger einfach übernahmen. Ferdinand II. holte nach der Schlacht am Weißen Berg, in welcher die Habsburger über die böhmischen protestantischen Aufständischen siegten, zu einem finanziell einträglichen Gegenschlag aus: Im Mai 1622 verkündete er einen „Generalpardon“ – sprich Amnestie – für alle Adeligen, die sich quasi selbst anklagten. Nicht weniger als 728 Adelige folgten gutgläubig dem Aufruf um festzustellen, dass der kaiserliche Pardon mit der Konfiszierung von mindestens zwei Dritteln ihres Vermögens und ihrer Güter einherging, welche die Habsburger übernahmen. Die lukrierten finanziellen Mittel – angeblich 43 Millionen Gulden – dienten aber nicht nur der Finanzierung des Dreißigjährigen Krieges, sondern bildeten den Grundstein der zahlreichen privaten Besitzungen der Habsburger im Königreich Böhmen. Nach Wallensteins Ermordung 1634 wurde sein gesamter auf 50 Millionen geschätzter Besitz konfisziert, Diese Praxis wurde auch von Ferdinands Nachfolgern fortgesetzt. So konfiszierte Kaiser Leopold I. im Zuge der Aufstände protestantischer ungarischer Adeliger die gesamten Besitzungen zahlreicher mächtiger Familien, u. a. der Rákóczy, Thököly, Wesselényi und Nádasty, wobei allein die Besitzungen der Familie Nádasty 1671 einen geschätzten Wert von 200.000 Gulden hatten7 (heute über 100.000.000 €). Insgesamt verloren damals Tausende Ungarn ihre Besitzungen zugunsten der Habsburger.

Dennoch zählten die Habsburger auch weiterhin nicht zu den vermögenden Familien. Die Erhaltung ihrer Macht verschlang aufgrund ständiger Kriege, sei es gegen Protestanten oder Osmanen, Unsummen. Da die Habsburger keinen Unterschied zwischen Privat- und Staatsbesitz machten, war trotz glanzvoller Repräsentation nicht nur der Staat verschuldet, sondern auch die Dynastie.

DIE ENTSTEHUNG DES HABSBURGISCHEN VERMÖGENS – „ENGELBERTO VON FINO“

Dies änderte sich erst Mitte des 18. Jahrhunderts mit Franz Stephan von Lothringen, der politisch weder bedeutend noch besonders interessiert war und das Regieren gern seiner Frau Maria Theresia als Erzherzogin von Österreich sowie Königin von Ungarn und Böhmen überließ. Damit war der Kaiser für seine eigenen Interessen freigespielt und zeigte sich dabei nicht nur ehrgeizig, sondern auch überaus begabt. Selbst Zeitgenossen ließen sich von dem nach außen zurückhaltenden Auftreten des Kaisers täuschen und beschrieben ihn als träge, faul und an Geschäften jeglicher Art uninteressiert. Darin irrten sie jedoch gewaltig. Denn in Wahrheit widmete sich Franz Stephan ohne viel Aufsehen zu erregen dem Aufbau der wirtschaftlich höchst erfolgreichen Firma „Habsburg-Lothringen“. Während der Kaiser in der Hofburg den Eindruck charmanter Untätigkeit vermittelte, baute er wenige Schritte von der kaiserlichen Residenz entfernt im sogenannten „Kaiserhaus“ in der Wallnerstraße diskret und abseits des öffentlichen Interesses ein florierendes Wirtschaftsimperium auf und erwies sich dabei als kluger und glücklicher Unternehmer, Investor und Börsenspekulant. Der Kaiser konsolidierte damit nicht nur nebenbei die Finanzen des Reiches, sondern schuf quasi im Stillen vor allem die wirtschaftlichen und finanziellen Voraussetzungen und den Grundstein für den privaten Reichtum der Habsburger.

Das Palais in der Wallnerstraße war dabei die Schaltzentrale seines Imperiums, das er nicht nur mit großem wirtschaftlichen Geschick, sondern vor allem auch mit Cleverness regierte: Ein Geheimnis seines Erfolges war, dass er im Unterschied zum streng hierarchisch geregelten Hof in seinem business weder Standesdünkel noch religiöse Ressentiments zuließ. Franz Stephan hatte die Gabe, besondere Talente und Fähigkeiten zu erkennen und entsprechend einzusetzen. Er umgab sich ausschließlich mit „Profis“ und fähigen Fachleuten, was sicherlich mit ausschlaggebend für seinen enormen Erfolg war. Dabei darf nicht vergessen werden, dass er praktisch bei null begonnen hatte. Als Herzog von Lothringen führte er zwar einen klingenden Titel, das Land jedoch war seit mehreren Generationen von den Franzosen besetzt und die Familie besaß keinerlei Vermögen. Auch der Tausch Lothringens gegen die Toskana, der ja Bedingung für seine Heirat mit Maria Theresia gewesen war, bedeutete zunächst keinen finanziellen Wohlstand.8 Sein Glück bei dem Tauschhandel war jedoch, dass er das toskanische Erbe erst nach dem Tod des letzten Großherzogs der Toskana, Gian Gastone de’ Medici, antreten konnte und als „Ersatz“ dafür zusätzlich 28 Millionen Livres von Frankreich erhielt9, was immerhin ein Startkapital war.

Als Gemahl der österreichischen Erzherzogin und Königin von Ungarn und Böhmen Maria Theresia hatte er zwar in eine mächtige, nicht aber eine reiche Familie eingeheiratet. Daher standen am Beginn seiner Geschäfte nur kleine Investitionen, die sich jedoch langfristig als äußerst gewinnbringend erwiesen. Franz Stephan kaufte günstig zahlreiche kleine Güter und Herrschaften in desolatem und abgewirtschaftetem Zustand und ging daran, sie in moderne, wirtschaftlich gewinnbringende Betriebe zu verwandeln.

Das Know-how dazu hatte er sich bei seinen Reisen durch Holland, England und Schlesien in den Jahren 1731/32 erworben. Franz Stephan hatte seine grand tour, eine Reise durch europäische Länder, die bei jungen Adeligen als Standesmerkmal üblich war, nicht für savoir vivre und das Verfeinern höfischen Auftretens und aristokratischer Umgangsformen genutzt, sondern technische Neuerungen, neue Anbaumethoden und moderne Produktionsmöglichkeiten studiert. Er investierte in neue Maschinen, verbesserte die Produktionsabläufe und konnte damit die Erträge aus Viehzucht, Landwirtschaft, Brauerei, Weinbau, Fischzucht und Forstwirtschaft um ein Vielfaches erhöhen. Auch Brau- und Wirtshäuser erwiesen sich als äußerst lukrativ. Vor allem die Güter Holics und Sassin in der heutigen Slowakei entwickelten sich besonders ertragreich und wurden zu Mustergütern der Monarchie. Dazu kamen die Güter Ungarisch Altenburg, Göding und Eckartsau. 1764 lag der Ertrag dieser Güter bereits bei 991.579 Gulden und die böhmischen Güter mit ihren Eisenwerken, die 1743 490.000 Gulden eingebracht hatten, lagen 1760 bereits bei 1,1 Millionen.10 Mittels modernster Methoden, die er in Holland kennengelernt hatte, etablierte sich Franz Stephan z. B. auch als erfolgreichster Entenzüchter des Reiches mit dem größten Gewinn, indem Wildenten angelockt, mit Netzen gefangen und im großen Stil in alle Teile der Monarchie – und an den Hof – geliefert wurden.

Doch nicht nur als Landwirt, sondern auch als Industrieller erwies sich Franz Stephan als äußerst erfolgreich. Nach dem vor allem wirtschaftlich herben Verlust Schlesiens bereiste er Böhmen und Mähren auf der Suche nach besten Standorten für Tuchmanufakturen, Webereien und Spinnereien, gründete in Kladrub und Potstein Betriebe und sorgte als Arbeitgeber für Zehntausende Arbeiter für einen enormen industriellen und wirtschaftlichen Aufschwung der Regionen. Gleichzeitig war er an der staatlichen Lotterie beteiligt und belieferte das österreichische Heer mit Waffen, Pferden und Monturen. Selbst hier agierte er als Geschäftsmann, wie ein Vertrag mit seiner Frau Maria Theresia belegt, in dem er ihr 1744 knapp 1 Million Gulden für den 2. Schlesischen Krieg zu Verfügung stellte. Dafür musste sie ihm allerdings auf Lebenszeit „die sametlichen Königlichen Böhmischen Cammer Herrschaften und Gütter“11 verpfänden.

Einer seiner lukrativsten Geschäftszweige waren jedoch seine Börsenspekulationen, deren Gewinne er in mehreren europäischen Banken anlegte. Maria Theresias Obersthofmeister Fürst Khevenhüller-Metsch notierte in seinem Tagebuch die „in Holland negocirten Gelder“12 und der deutsche Gesandte Graf Podewils berichtete nach Berlin: „Was die finanzielle Hilfsmittel dieses Hofes angeht, so hat der Kaiser, der ein sehr guter Wirtschafter ist, mehrere Millionen zusammengetragen, die er in den Banken von Genua, Venedig und angeblich teilweise auch Amsterdam liegen hat.“13 Wer genau seine Bankiers waren, geht aus den dazu erhaltenen Akten jedoch nicht hervor. Immer wieder scheint das Bankhaus der Madame Nettine in Antwerpen auf, womit wahrscheinlich das von Barbe Louise Nettine und ihrem Sohn André geleitete Bankhaus „Messieurs la Veuve de Nettine et fils“ gemeint war. Da Franz Stephan jedoch auf Diskretion bedacht war, wusste er seine genauen Bösen- und Bankgeschäfte klug zu verschleiern. Außerdem wurden die meisten Transaktionen und Investitionen auch unter falschen – und äußerst phantasievollen – Namen gemacht, u. a. als Johann von Edelzierd, Hannibal von Schild, Theresia Hebauf, Engelberto von Fino, Alexander Joppenbron und Ewangelist von Lilieninsel.14 Dazu hatte er sicher auch erstklassige Finanz- und Wirtschaftsexperten als Berater – und ließ sein Geld arbeiten. Nach seinem Tod betrug seine Erbschaft an Bargeld, Realitäten und Papieren 18.798,178 Gulden15, ein gigantischer Betrag, den er in 30 Jahren erwirtschaftet hatte. Als entscheidend für die Familie erwies sich jedoch vor allem, dass Franz Stephan Privat- und Staatsvermögen unterschied und damit die finanzielle Grundlage für den nächsten Schritt schuf: den Familienversorgungsfonds.

DER ALLERHÖCHSTE PRIVAT- UND FAMILIENVERSORGUNGSFONDS

Die Habsburger nehmen innerhalb der europäischen Dynastien insofern eine Sonderstellung ein, als sie als Erste – und das bereits im 18. Jahrhundert – eine Trennung zwischen Staats- und Privatvermögen vollzogen. Hintergrund mag sein, dass Franz Stephan von Lothringen, Maria Theresias Gemahl und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, erstmals ein privates Vermögen erwirtschaftete und daher von den Staatsfinanzen getrennt wissen wollte. Bis dahin hatte es de facto keine Trennung zwischen Staat und Privat gegeben, die Monarchen hatten in ihrem absoluten Herrscherverständnis dafür einfach keine Notwendigkeit gesehen. Zudem war es über Jahrhunderte Usus, bei Bedarf einfach Kredite aufzunehmen bzw. Schulden zu machen.

In einem klugen und für die Zukunft der Dynastie entscheidenden Schritt trennten Maria Theresia und ihr Sohn Kaiser Joseph II. das Erbe Kaiser Franz’ I. in der Höhe von knapp 18,8 Millionen Gulden in zwei Teile. Mit dem ersten Teil, rund 12,9 Millionen Gulden, sanierten sie die maroden Staatsfinanzen und schufen die Basis für einen wirtschaftlich funktionierenden Staat. Und mit den restlichen 5,86 Millionen Gulden sowie den Gütern Mannersdorf in Niederösterreich und Ungarisch Altenburg im heutigen Ungarn aus dem Besitz der Kaiserin errichteten sie einen Fonds: den habsburgischen Familienversorgungsfond, kurz Familienfond genannt. Dieser Fonds diente seiner Widmung nach „zur besseren Versorgung und Standsmässigen Unterhalt Unserer Kinder und Abstammung … Und gleichwie Wir aus diesem Fond die Versorgung Unserer Familie übernehmen; also solle Sie auch künftig dem Staat nicht weiter zur Last fallen, als was sonsten wegen des Brautschazes und der Ausstaffirung bey Unserem Hauß gewöhnlich ist.“16 Durch die Gründung dieses Fonds – eine Art Familien-Privatstiftung – blieb dieses Privatvermögen über die Generationen hinweg bis zum Ende der Monarchie gesichert. 1766 erwarb Maria Theresia dazu mit einem Teil des Fondskapitals von Joseph II. noch eine Reihe von Gütern, die Franz Stephan gekauft hatte, für den Fonds. Dazu gehörten das Herzogtum Teschen – heute zwischen Tschechien und Polen geteilt –, die Güter Göding, Paulowitz im heutigen Tschechien, Holics und Sassin in der heutigen Slowakei sowie Eckartsau, Essling und Schlosshof in Niederösterreich, womit sie den Anteil der gewinnbringenden Realitäten entscheidend vergrößerte.

Das Habsburgervermögen geht demnach einerseits auf Maria Theresias Gemahl Kaiser Franz I. Stephan von Lothringen zurück, der als geschickter Geschäftsmann, Unternehmer, Investor und Börsenspekulant aus eigener Kraft ein enormes Privatvermögen erwirtschaftet. Andererseits gründeten Maria Theresia und Joseph II. mit dem Vermögen den alles entscheidenden Fonds, der nicht nur den Staat bei der Finanzierung des Kaiserhauses entlastete, sondern dessen Kapital sich dank seiner jährlichen Gewinne und Zinsen – etwa zwei Millionen Gulden pro Jahr – auch stetig vermehrte.