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Hannah Arendt und Karl Jaspers – zwei herausragende Persönlichkeiten der Philosophiegeschichte des 20. Jahrhunderts, die eine vor allem politische Denkerin, der andere ursprünglich Mediziner und Psychologe, die beide mit den Erschütterungen der Welt und ihres persönlichen Lebens durch Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg zurechtkommen mussten und dabei doch der Welt immer zugewandt blieben. Sie haben viele bedeutende Schriften hinterlassen, Denkansätze, deren Relevanz bis heute nicht nachgelassen hat.über beide ist viel geschrieben und geforscht worden – allein ihre sehr tiefe und besondere, fast lebenslange Freundschaft, beginnend mit Arendts Studium bei Jaspers ab 1926, ist bislang seltsam unerforscht. Zwar ist der umfangreiche Briefwechsel ediert, es existiert jedoch keine einzige Monographie zum Thema. Diesem Umstand will das vorliegende Buch abhelfen. Ingeborg Gleichauf, Philosophin und Schriftstellerin, nähert sich der Beziehung von Arendt und Jaspers über die Beschäftigung mit den großen Fragen und Themen, die die beiden zeit ihres Lebens umtrieben und legt den Focus auf das über lange Zeiträume und große Distanzen nie versiegende Gespräch zwischen ihnen, ob persönlich oder in Briefen – auf den fruchtbaren, auch manchmal streitbaren, immer vertrauensvollen, von Neugier, Offenheit und Redlichkeit geprägten Austausch.
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Seitenzahl: 240
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Ingeborg Gleichauf
Hannah Arendt und Karl Jaspers
Geschichte einer einzigartigen Freundschaft
BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR
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Cover: Hannah Arendt im Jahr 1941 (Portraitstudie von Fred Stein. © ullstein bild – dpa / Fred Stein) und Karl Jaspers, Porträt aus den 50er Jahren (© akg-images / picture alliance).
Korrektorat: Christoph Landgraf, St. Leon-RotUmschlaggestaltung: Guido Klütsch, KölnSatz und Layout: Michael Rauscher, WienEPUB-Produktion: Lumina Datametics, Griesheim
Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com
ISBN 978-3-412-52292-6
Für Tilman
Zwischenräume: Zur Einleitung
Die Bedeutung der Kommunikation für Jaspers und Arendt
Der Philosoph und die Denkerin
Arendt – Jaspers – Heidegger
Denken und Schreiben
Aneinander vorbeilesen: Gespräche mit und über Literatur
Natur und Welt
Liebe als Macht des Lebens oder Setzung eines Absoluten
Das Politische
Sprechen und Handeln
Gott und Transzendenz, Sterben und Tod
In der Gegenwart
Ins Offene gesprochen
Anmerkungen
Literaturverzeichnis und Abbildungsnachweis
Dank
Personenregister
Zwischenräume: Zur Einleitung
… als ich jung war, waren Sie der einzige Mensch, der mich erzogen hat. Als ich Sie nach dem Krieg als erwachsener Mensch wiederfand und eine Freundschaft zwischen uns entstand, haben Sie mir die Garantie für die Kontinuität meines Lebens gegeben. Und heute ist es so, daß ich an das Haus in Basel wie an die Heimat denke.1
Mit ihr konnte ich noch einmal wieder auf die Weise diskutieren, die ich mein Leben lang begehrte, aber von Jugend auf – außer mit den schicksalsverbundenen nächsten Menschen – eigentlich nur mit einigen Männern wirklich erfahren habe: in der vollkommenen Rückhaltlosigkeit, die keine Hintergedanken zuläßt – in dem Übermut, sich vergaloppieren zu dürfen, da es korrigiert wird und selber etwas anzeigt, das sich lohnt, in der Spannung vielleicht tief gegründeter Differenzen, die doch umgriffen sind von einem Vertrauen, das auch sie offenbar zu werden erlaubt, ohne daß die Neigung gemindert würde – das radikale gegenseitige Sichfreilassen und Aufhören von abstrakten Forderungen, da sie erlöschen in der faktischen Treue.2
Die beiden Zitate, das erste, von Hannah Arendt aus einem Brief an Karl Jaspers vom 18. November 1957, das zweite, aus Jaspers Philosophischer Autobiografie aus dem Jahr 1963, führen mitten hinein in alle Dimensionen ihrer Freundschaft. Wollte man es nicht genauer wissen, stärker in die Details gehen, ein wenig Tiefenschürfung betreiben, dann könnte man es dabei bewenden lassen. Man könnte sich verträumt zurücklehnen und über den Zauber nachsinnen, der einer solch großartigen Freundschaft innewohnt.
Und dennoch: Es fallen nachdenklich machende, zu einem weiter gehenden Nachdenken anregende Grundwörter in den beiden persönlichen Zeugnissen: Erziehung, Lebenskontinuität, Heimat, diskutieren, Differenzen, Neigung, Sichfreilassen, abstrakte Forderungen, faktische Treue. Welche Facetten ihrer Beziehung werden von dem einen oder anderen Grundwort besonders beleuchtet? Wem fällt welche Aufgabe zu? Um welche möglichen Differenzen könnte es gehen, welche Spannungen gilt es auszuhalten? Welcher Art ist die gegenseitige Neigung?
Hannah Arendt und Karl Jaspers: Die Geschichte einer besonderen Beziehung, einer Freundschaft, eines wissenschaftlichen, philosophischen, persönlichen Gesprächs, eines politischen Diskurses. Erzählen, wie es war, als sie sich begegneten? Erzählen, wie es weiterging? Immerhin handelt es sich um eine Beziehung von mehr als vierzig Jahren. Da müsste es doch einiges zu berichten geben. Spannende Details, Entwicklungsschritte, Hoch- und Tiefpunkte, Krisen.
Nehmen wir einmal an, dass genau dies die angemessene Zugangsweise wäre, dann stellt sich allerdings die Frage, warum zum Beispiel in Margarethe von Trottas Spielfilm über Hannah Arendt der Freund Karl Jaspers nicht vorkommt. Margarethe von Trotta, die bedeutende Erzählerin biografischer Filme, in denen es immer auch und ganz wesentlich um Beziehungen geht, verweigert dem Lebensfreund ihrer Protagonistin einen Auftritt. Auch in der 2019 bei dtv erschienenen Grafic Novel Die drei Leben der Hannah Arendt von Ken Krimstein fehlt der Freund Karl Jaspers. Sowohl Filme als auch Grafic Novels leben von einer starken Bildmächtigkeit. Bilder liefert die besondere Beziehung zwischen Hannah Arendt und Karl Jaspers jedoch in der Tat kaum, auch wenig Dramatik. Es ist in erster Linie eine Beziehung der Worte, des Gesprächs, des intellektuellen Austauschs. Das mag erklären, warum dort, wo im Mittelpunkt der Darstellung Bilder stehen, dieser vordergründig nicht unbedingt dramatischen Beziehung kein Platz eingeräumt wurde. Unverständlich bleibt es, wenn man bedenkt, welch hohen Stellenwert sie für die Protagonisten hatte.
Fällt die Wahl auf eine solch besondere Beziehung wie die von Hannah Arendt und Karl Jaspers als eigenständiges Thema, so tut sich in der Tat zunächst die Frage auf nach einer dem Gegenstand angemessenen Zugangsweise. Begibt man sich hinein in die Kontinuität ihrer Gespräche, in die stete Ansprechbereitschaft beider, ihren jahrzehntelangen Umgang miteinander auf Augenhöhe, dann verbietet es sich, dies faszinierende Ich und Du einfach in die Kontinuität einer Geschichte, einer einfachen Lebenserzählung packen zu wollen. Dann wird sehr schnell klar, dass es einen anderen Weg geben muss, sich dieser Freundschaft zu nähern. In der Beschäftigung mit Arendt und Jaspers stellt sich überhaupt die Frage nach dem, was Freundschaft sein kann, völlig neu. Als hätte man bisher überhaupt keine Ahnung gehabt davon, wie Freundschaft zu leben wäre. Über Arendt und Jaspers schreiben hieße dann, über Freundschaft schreiben, als hätte es noch niemand zuvor getan.
In der Auseinandersetzung mit der Beziehung Arendt-Jaspers stellt sich selbstverständlich auch die Frage nach dem, was oder wer die beiden Personen waren, neu. Über Arendt sind viele biografische Arbeiten erschienen, über Jaspers eher wenige. Bislang Erarbeitetes, vielleicht fest Zusammengefügtes, erkenntnismäßig Gesichertes, beginnt zu bröckeln, sobald man sich einlässt auf eine nähere Untersuchung ihrer Beziehung. Zunehmend wichtiger als die individuellen Gestalten der beiden wird der Raum dazwischen, in dem sich die Grenzen der Personen auflösen. Dieser Raum ist bevölkert von Stimmen, die fragen und antworten, staunen und feststellen, zweifeln und urteilen. Vor allem natürlich treten zwei Stimmen ins Gespräch: die von Hannah Arendt und die von Karl Jaspers. Aber viele weitere gesellen sich dazu, manche bleiben, manche verstummen nach einer Weile. Es handelt sich um Stimmen lebender Personen, von Freundinnen und Freunden, Geliebten, Ehepartnerinnen und Ehepartnern, wissenschaftlicher Weggefährtinnen und -gefährten, und Menschen, die bereits gestorben sind oder aus Texten heraus sprechen. Ähnlich verhält es sich mit den Themen, die besprochen werden. Auch hier haben wir es mit einem Kommen und Gehen oder Bleiben zu tun. Dieser Zwischenraum weitet sich mit den Jahren. Niemals wird er enger.
Karl Jaspers bei einer Vorlesung in der Aula der Universität Heidelberg, vermutlich 1947.
Über Hannah Arendt und Karl Jaspers schreiben heißt: sich in diesen Gesprächsraum begeben, der Vielstimmigkeit lauschen, sich selbst ins Spiel bringen, mitreden, ins Gespräch treten mit Menschen, über Themen.
Wenn Menschen von sich sagen, Heimat, die auch eine gesuchte, ersehnte, verlorene und vielleicht wiedergefundene sein kann, sei die Welt, wirft dies ein bestimmtes Licht auf die Art und Weise, wie sie ihre Beziehungen mit anderen Menschen leben. So ist die Freundschaft von Hannah Arendt und Karl Jaspers nie eine weltlose, denn sie sehen beide auch und sogar vor allem die Welt, in der Menschen handeln und sprechen, als ihre Heimat an.
Dabei lebt Hannah Arendt, als sie im Sommersemester 1926 ihr Studium der Philosophie nach drei Semestern bei Martin Heidegger in Marburg und einem Semester bei Edmund Husserl in Freiburg bei Karl Jaspers an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg beginnt, zu dieser Zeit noch immer in der Liebesbeziehung zu Martin Heidegger befangen, die mit einer Art Weltlosigkeit einhergeht, denn zuhause kann Arendt in dieser Beziehung nicht sein. Vielmehr fühlt sie sich verloren, haltlos, umhergewirbelt. Es ist eine in weiten Teilen erzählbare Geschichte. Sie ist immer wieder erzählt worden.
Arendt ist nach dem Abbruch der konkreten Liebesbeziehung mit Heidegger innerlich noch immer verstrickt, als sie den Universitätsprofessor Karl Jaspers kennenlernt. Sie war aus Marburg geflohen, weil sie die Heimlichtuerei nicht mehr ertrug. Es war also kein rein freiwilliger Wegzug. Durch die Begegnung mit Jaspers erfährt die junge Studentin zum ersten Mal eine echte Öffnung in die Welt hinein. Viel später wird sie begeistert über diesen frühen Eindruck sprechen und darüber, dass es vor allem auch die Art, wie Jaspers spricht, war, was von Anfang an faszinierte. Sie lernt einen ganz neuen Typus Professor und vor allem Lehrer kennen. Jaspers spricht nicht vom Katheder in sich hinein, sondern aus sich heraus auf seine Zuhörerinnen und Zuhörer zu. In seiner persönlichen Zugewandtheit und Sprechweise ist er das genaue Gegenteil von Martin Heidegger. Und Arendt hat Augen und Ohren, dies genau wahrzunehmen.
Betrachtet man die Lebenswege beider bis zu dem Zeitpunkt, als sie sich begegnen, zeigt sich ein Detail, das für die Biografien sowohl von Arendt wie auch Jaspers hervorstechend ist: Das Unvorhersehbare als Chance nimmt schon in der Jugend einen großen Platz ein, beide zeigen eine starke Neigung, vorgegebene Wege zu verlassen, Umwege zu gehen oder ganz andere, neue Wege zu suchen. Arendt und Jaspers sind »Abweichler« im besten Sinn des Wortes. Hannah Arendt verlässt ein Jahr vor dem Abitur die Schule und macht das Abitur als Externe. Schon als Schülerin studiert sie an der Universität. Karl Jaspers promoviert in Medizin, habilitiert sich mit einer psychologischen Arbeit und wird dennoch Ordinarius für Philosophie. Hier treffen zwei Menschen aufeinander, denen schnurgerade Wege nicht viel bedeuten und die keine Angst vor offenen Zukunftsperspektiven haben.
Die »Geschichte« Hannah Arendts mit Heidegger geht weiter, wird eine lebenslängliche sein. Für die Welt wird es darin nie einen wirklichen Platz geben. Aber auch dem ehemaligen Geliebten gegenüber wird Arendt sich selbst treu bleiben, aus der jeweiligen Lebenssituation heraus eine Haltung finden und ihren eigenen Denkweg gehen, ohne die Inspirationen der ersten Studiensemester in Marburg hinter sich zu lassen. Dafür hat sie bei Heidegger zu viel gelernt.
In der Begegnung mit Karl Jaspers tritt die Hannah Arendt zutage, die in der Welt beheimatet ist. Nach dem Krieg ist ihr Wunsch, sich bei anderen Menschen heimisch zu fühlen, besonders stark. Und was die Erfüllung dieser Sehnsucht betrifft, ist die Beziehung zu Karl Jaspers ein absoluter Glücksfall. Am 4. Februar 1950 schreibt Arendt aus Basel an ihre Freundin Hilde Fränkel: »Heute nun endlich wieder in Basel, wie man nach Hause kommt. Dies hier ist, was Europa anlangt, zuhause.«3 Arendt berichtet in einem anderen Brief, diesmal an Heinrich Blücher am 14. November 1955, wie sehr sie sich bei Jaspers aufgehoben fühle, wie ein Kind. Dies ließe auf eine rein väterliche, beschützende Beziehung schließen, was aber voreilig geschähe, denn in genau diesem Brief, in dem Arendt ihr Kindsein im Hause Jaspers betont, berichtet sie auch von Streitgesprächen auf Augenhöhe und davon, dass Jaspers »viel aufgeschlossener als je zuvor«4 gewesen sei. Keineswegs also sind die beiden sich immer einig. Bereits am 11. April 1952 schreibt Arendt über die nicht immer einfachen, wenn auch großartigen Gespräche mit Jaspers an ihren Mann. Jaspers gehe es letztlich immer um »das Gültige, Maßstab Gebende, um die Tradition«. So sei es zum Beispiel sehr schwer, mit ihm über Rilke zu sprechen, weil er ihn sofort an Hölderlin messe und dadurch »irgendwie erledige«. Wörtlich schreibt Arendt: »Als ich kam, war ich den ersten Tag fast verzweifelt, so stark hatte das Rationalisieren und Moralisieren zugenommen. Dann habe ich ihn aber wieder gekriegt, weil er ja so ein großartiger Kerl ist, wie man ihn zum zweiten Mal nicht sieht.«5 Hier spricht ganz eindeutig kein Kind über seinen Vater, sondern eine Gesprächspartnerin, deren Argumentationsweise sich gewaschen hat, wie man vermuten mag. Oft dauern diese Gespräche ganze Tage, von Unterbrechungen abgesehen, die Jaspers’ fragiler Gesundheitslage geschuldet sind. Im bereits zitierten Brief an Blücher vom 11. April 1952 findet sich sogar eine ziemlich geheimnisvolle Stelle: »Er hat ein paar Sachen über seine Beziehung zu mir gesagt, die ich nicht wiederholen mag; aber es ist schon so, wie Du immer vermutetest, nur hat er im Grunde keine Ahnung davon.«6 Blücher antwortet am 18. April 1952: »Jaspers, ja Jaspers, natürlich hatte ich recht, weil es ja so im besten und herrlichsten Sinne natürlich ist. Was deine Philosophen Dir alles anrichten, und ›alles geben die Götter‹, frag mich nur nicht wie.«7
Worum genau es geht, wird nicht ausgesprochen. Was meint Blücher wohl mit »deinen Philosophen«? Möglicherweise, ja vielleicht sogar sehr wahrscheinlich spricht er auf die Liebesgeschichte seiner Frau mit Heidegger an. Außerdem würde es zu Blücher passen, nähme er an, auch Jaspers sei ein wenig verliebt in Arendt, was er ganz »natürlich« fände. Auf jeden Fäll gäbe Jaspers sich das nie zu und so könnte keine dramatische Geschichte daraus werden. Ebenfalls natürlich ist es auch, dass Arendt und Jaspers immer wieder über Heidegger sprechen. Am 31. Oktober 1956 schreibt Arendt an Blücher davon, dass sie bezüglich Heidegger mit Jaspers eine »Art Generalbesprechung« hatte. Auf all diese Andeutungen wird im Lauf der Arbeit näher einzugehen sein. Sie weisen darauf hin, dass die Beziehung zwischen Hannah Arendt und Karl Jaspers auf jeden Fall nicht einfach aufzuschlüsseln ist und durchaus auch ihre rätselhaften Seiten hat. Diese Freundschaft ist komplexer als vielleicht vermutet. In den Gesprächen zwischen den beiden geht es um Themen, über die auch immer wieder heftig gestritten wird, es geht um Methodisches, die Art, wie man zum Beispiel an Texte herangeht, sie liest und interpretiert, philosophische und literarische Texte, es geht um Formen des Nachdenkens, um Philosophie und Wissenschaft, um Politik, Moral, Distanz und Nähe, um Freundschaft und das Grundsätzliche von Beziehungen. Im Lauf der Jahre kommen neue Themen dazu, so zum Beispiel Fragen zu Sterben und Tod, zu Zeitlichkeit und Ewigkeit. Eine sehr große Rolle spielt auch die Beziehung von Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Wenn man sich in der riesigen Jaspers-Bibliothek im Jaspers-Haus in Oldenburg bewegt, sich umsieht, sich festliest, wird einem bewusst, was für ein gigantisches Lese-Pensum der Philosoph absolviert hat. Und auch Hannah Arendt war von Jugend an eine manische Leserin. So eröffnet sich eine schillernde Welt der Beziehungen und Bezüge, aus Kontinuität und Plötzlichkeit, Klarheit und Geheimnis.
Auf dem Weg einer Annäherung an die genannten Themen mag die Beziehung von Jaspers und Arendt hervortreten als das, was sie in aller Intensität war: ein spannendes, kontinuierliches, sensibles, in der Sache hartes, immer wieder kontroverses Gespräch zwischen zwei einander in tiefer Freundschaft zugetaner Menschen.
Die Bedeutung der Kommunikation für Jaspers und Arendt
Was nicht mitteilbar ist, ist, als ob es nicht sei.
(Karl Jaspers)
Am 21. Februar 1961 schreibt Hannah Arendt einen Geburtstagsbrief an Karl und Gertrud Jaspers. Darin betont sie die immense Bedeutung, die die Freundschaft mit den beiden für sie hat.
Immer um diese Zeit im Jahr denke ich, wie schön es ist, daß Sie beide überhaupt geboren wurden, daß Sie dann zueinander fanden und so dies einzigartige Beisammen errichteten, das für mich schließlich noch ein zweites Zuhause geworden ist.1
Ein wenig seltsam mutet es an, dass die drei einander zu diesem Zeitpunkt noch immer siezen. Offenbar braucht es einer weiteren Person, um das Eis ganz und gar zu brechen, und bald darauf, im Juli 1961 kommt es zur ersten Begegnung zwischen den Eheleuten Jaspers und Hannah Arendts Ehemann Heinrich Blücher, in deren Verlauf das formale »Sie« durch ein vertrautes »Du« abgelöst wird. Hannah Arendt schreibt an Jaspers am 6. August 1961:
Und dann das ›Du‹, das mich nicht einmal mehr erschreckte, kaum noch wunderte (Heinrich ist ja ohnehin nicht so leicht aus der Fassung zu bringen) – wie das Siegel darauf, daß ein Vertrauen, wie groß es auch sei, sich noch einmal steigern kann in die Vertrautheit.2
Brief von Hannah Arendt an Karl Jaspers vom 13.6.1929, erste Seite.
Wie sensibel Arendt mit den Wörtern umgeht, wie fein sie unterscheidet, in diesem Fall zwischen Vertrauen und Vertrautheit. Und was sie dazu sagt, leuchtet sofort ein. Von Anfang an war da ein Vertrauen, das gar kein Gefühl der Fremdheit aufkommen ließ. In der nun herrschenden Vertrautheit intensiviert sich die das Verhältnis schon lange beherrschende Erfahrung von Nähe.
Arendts Buch Über die Revolution, das 1963 erscheint, ist Gertrud und Karl Jaspers gewidmet »In Verehrung – in Freundschaft – in Liebe«. Die Widmung freut Jaspers ganz besonders und zwar aus zwei Gründen: erstens, weil Arendt darin beide, Gertrud und Karl, »in eins« nehme und sich zweitens die Verbundenheit »öffentlich zu zeigen wagt«. Hier kommt ein weiterer Aspekt des Verständnisses von Freundschaft bei Arendt und Jaspers zum Vorschein. Es handelt sich nicht um eine Art von Beziehung, die ganz und gar privater Natur ist, sondern durchaus im öffentlichen Raum sichtbar werden darf. Freundschaft ist also nicht einfach eine Empfindung, ein Gefühl, das seinen Ort im Innersten der Person hat. Freundschaft ereignet sich im Zwischen-den-Menschen, einem Raum, der sich öffnen kann in Richtung Öffentlichkeit. Der Raum zwischen den Menschen, der für Arendt wie für Jaspers erst Denken, Handeln und Sprechen möglich macht, ist nirgendwo von einer solch immensen Weite da wie in der Freundschaft.
Einen wichtigen Beleg für die vielfältigen Möglichkeiten von Freundschaft, die Arendt gepflegt hat, bilden ihre Briefe. So hat sie zum Beispiel den Briefwechsel mit Karl Jaspers im Marbacher Literaturarchiv selbst geordnet und ihn der Öffentlichkeit in einem Zustand übergeben, mit dem sie zufrieden sein konnte. Was Freundschaft ist, was sie sein kann, ist nicht ein für alle Mal zu klären. In ihrem Denktagebuch notiert Hannah Arendt schon im Januar 1953:
Im Bereich der Pluralität, der der politische Bereich ist, muß man all die alten Fragen neu stellen. Was ist Liebe, was ist Freundschaft, was ist Einsamkeit, was ist Handeln, Denken u.s.w. …3
Nicht im Bereich persönlicher Intimität sind diese »alten Fragen« neu zu klären. Die politische Theoretikerin stellt sie und zwar im Horizont des Grundwortes ihrer politischen Theorie: Pluralität.
Freundschaft ist kein fragloser, irgendwann erreichter Zustand, sondern eine stetige Frage, die im Vollzug, mit dem Bewusstsein der Pluralität, perspektivische Antworten findet. Arendt unterscheidet im Denktagebuch sehr genau zwischen Privatheit und Intimität:
Intimität (Innigkeit) und Privatheit sind nicht dasselbe. Die Intimität ist die große Entdeckung, die aus der Erfahrung des Gesellschaftlichen kommt. Die Intimität ist das Verborgene, dessen man sich nicht schämt, beziehungsweise das im Öffentlichen nicht Schande bedeutet.4
Aus der Erfahrung des Gesellschaftlichen und das heißt aus der Erfahrung von Pluralität erwächst die Erkenntnis darüber, was Intimität heißt. Im Bereich der Intimität verortet Arendt Freundschaft und Liebe. Das Private hat es mit dem »Eigenen« zu tun, mit dem, was man vor der Welt verbergen will. Die Freundschaft mit Karl Jaspers ist eine in Arendts Sinn »intime«, »innige« Beziehung und das heißt für sie eine solche, die im Bereich des Öffentlichen nicht mit Scham behaftet ist.
Gleichursprünglich mit der Befragung dessen, was Freundschaft sein kann, ergibt sich die Frage nach dem Wesen derer, zwischen denen Freundschaft entsteht, sich entwickelt, vielleicht irgendwann endet. Sind es Individuen, Personen, Persönlichkeiten oder einfach nur Menschen? Und wenn ja, welchen Begriff vom Menschen haben Jaspers und Arendt? Da beide theoretisch veranlagt sind, sich denkerisch betätigen, mag die Frage legitim sein, welche Vorstellungen Arendt und Jaspers vom Ich, von der Person, vom Selbst entwickeln und in welcher Beziehung diese Begriffe zur Kommunikation stehen?
Jaspers geht aus von einem »Selbstsein als isoliertes Ichsein«, dessen Aufgabe darin besteht, zum »Selbstsein in Kommunikation zu werden«. Menschen müssen also aus sich heraustreten, um eine Beziehung zu anderen herzustellen. Wenn Menschen ihr Selbstsein wirklich ergreifen wollen, müssen sie kommunizieren. Als isoliertes Ich kann das Selbst sich nicht entfalten. Es ist zunächst ganz bei sich, eingekapselt in einem Kern und verlässt diesen Innenraum, geht hinaus und trifft auf andere Menschen, die ebenfalls aus sich heraus auf den anderen zugehen. Der Zwischenraum zwischen beiden ergibt sich also in dem Moment, in dem ein Gespräch möglich wird, die Selbst-Zentrierung im Ich aufgehoben wird. Vorher ist dieser Zwischenraum nicht da. Ich und Du erschaffen diesen Raum.
Hannah Arendt geht anders vor. Für sie sind wir zuerst und zumeist erscheinende Wesen. Indem wir erscheinen, sind wir auch soziale Wesen, müssen also nicht aus uns herauszutreten, um miteinander in Beziehung treten zu können. Wir sind immer schon auf die anderen ausgerichtet und sind für die anderen ebenfalls andere. Auch im Inneren ist das Ich nicht isoliert, sondern eine Reflexion des erscheinenden Menschen. Dieses erscheinende Ich ist das Selbst. Es hat eine Geschichte, verändert sich in der Zeit, erscheint in der Welt. Es kann also dieses Selbst nur geben, weil es andere Menschen gibt, weil wir handeln und sprechen und weil wir Weltbezug haben.
Die große Bedeutung der anderen für die einzelnen Menschen ist bei beiden, Arendt und Jaspers, gleichermaßen ausgebildet. Nur hat dies bei und mit anderen sein bei Arendt eine Ursprünglichkeit und damit Natürlichkeit, die es für Jaspers so nicht gibt.
Da wo Jaspers ein isoliertes Ich erkennen will, entwickelt Arendt ihre Vorstellung vom denkenden Ich, das unsichtbar ist und, wie sie sich ausdrückt, »die Farbe des Todes hat«. Das denkende Ich wird aktiv, wenn ich mich aus der Welt der Erscheinungen zurückziehe. Auch dies denkende Ich aber hat dialogischen Charakter. Nur weil wir mit uns selbst Freundschaft pflegen im Denken, sind wir fähig zur Freundschaft mit anderen Menschen. Eine Wirkung hat dies im Dialog mit mir selbst Gedachte aber nur dann, wenn es versprachlicht wird, also ausgesprochen oder aufgeschrieben.
Für Arendt und Jaspers gehört Kommunikation, unabhängig von den philosophischen Begriffen, unter denen sie Ich und Selbst denken und unabhängig von den unterschiedlichen Denkansätzen zu den zentralen Möglichkeiten des Menschseins.
In der Kommunikation, durch die ich mich selbst getroffen weiß, ist der Andere nur dieser Andere; die Einzigkeit ist Erscheinung der Substantialität dieses Seins. Existentielle Kommunikation ist nicht vorzumachen und nicht nachzumachen, sondern schlechthin in ihrer jeweiligen Einmaligkeit. Sie ist zwischen zwei Selbst, die nur diese und nicht Repräsentanten, darum nicht vertretbar sind. Das Selbst hat seine Gewißheit in dieser Kommunikation als der absolut geschichtlichen, von außen unerkennbaren. Allein in ihr ist das Selbst für das Selbst in gegenseitiger Schöpfung. In geschichtlicher Entscheidung hat es durch Bindung an sie sein Selbstsein als isoliertes Ichsein aufgehoben, um das Selbstsein in Kommunikation zu ergreifen.5
Für Jaspers geht der Weg von innen nach außen. Bei Arendt ist das Selbst immer schon »draußen«. Das Grundwort heißt bei ihr »Zwischenraum«, egal ob es um die Kommunikation einer Person mit einer anderen geht oder um das Denken als Dialog im Zwischenraum zwischen mir und mir. Arendt denkt Kommunikation eher räumlich, Jaspers eher zeitlich.
Eine Frage allerdings drängt sich in diesem Zusammenhang auf: Ganz selbstverständlich wurde bisher der Begriff Kommunikation sowohl für Hannah Arendt als auch für Karl Jaspers in Anspruch genommen. Tatsächlich aber verhält es sich so, dass vor allem Jaspers mit dem Wort Kommunikation operiert, während Arendt es eher meidet. Wir sind es gewohnt, Kommunikation als eine Art Oberbegriff zu verwenden für nahezu alle Formen von in-Beziehung-Treten, sich einer anderen Person öffnen, etwas mitteilen wollen. Arendt geht sparsam damit um. Das Wort suggeriert eine starke Aktivität derer, die ins Gespräch treten. Der Zwischenraum wird in der Kommunikation erst geschaffen.
Es ist erstaunlich, wie rasch sich das freundschaftliche Gespräch zwischen Arendt und Jaspers intensiviert. Schon nach kurzer Zeit erkennt Jaspers, wen er in Hannah Arendt vor sich hat, entwickelt ein Gespür für ihre Besonderheiten, Vorlieben, Abneigungen. Nachdem sie sich mit Günther Stern verheiratet hat, in Berlin lebt und ihren Besuch in Heidelberg ankündigt, um mit ihm über ihre Rahel Varnhagen Biografie zu sprechen, nennt Jaspers zwei Tage, an denen sie im Hause Jaspers willkommen wäre, fügt aber hinzu: »Da wir Hausbesuch haben, der Sie nicht interessiert, lade ich Sie diesmal nicht zu den Mahlzeiten ein.«6 Jaspers weiß also, wie empfindlich Arendt manchmal reagiert auf Leute, mit denen sie nichts anzufangen weiß. Ihre Reaktion kann andere durchaus befremden. Womöglich strahlt sie dann in Wort und Geste eine ironische Distanziertheit aus, mit der nicht jedermann sich anfreunden kann. In einem späten Interview aus dem Jahr 1965, in dem es um Eichmann in Jerusalem und die kontroversen Reaktionen, die das Buch in der Öffentlichkeit ausgelöst hat, geht, spricht Jaspers davon, dass er gerade diesen besonderen ganz eigenen »Ton« an Hannah Arendt schätze, und dass er in seinen Augen ein Zeichen ihrer Unabhängigkeit sei. Genau diesen Eindruck hatte Jaspers auch schon mehr als 30 Jahre zuvor. Freundschaft, das kann heißen und tut es in diesem besonderen Fall von Freundschaft, die Unabhängigkeit des/der anderen zu erkennen, zu schätzen, zu schützen und niemals zu untergraben.
Zunächst einmal ist Hannah Arendt aber einfach eine Studentin und Schülerin von Karl Jaspers. Über seine eigene universitäre Laufbahn schreibt Jaspers: »Meine Laufbahn an der Universität ist so abnorm, daß man sagen muß, ein freundlicher Engel war zu meinen Gunsten im Spiel.«7
Vielleicht muss es ja gerade solch ein Professor sein, dessen beruflicher Werdegang den Charakter des von ihm selbst so empfundenen »Abnormen«, etwas Sonderbaren hat, dem Hannah Arendt nun in Heidelberg begegnet. Jaspers gehört keiner philosophischen Schule an. Allein der innere Antrieb brachte ihn zum Philosophieren. Auch für Hannah Arendt gab es bereits in sehr jungen Jahren keine Alternative zur Philosophie. Insofern ist dieses Lehrer-Schülerin-Verhältnis von Anfang an ein besonderes, zumal Arendt mit nicht unerheblichen philosophischen Leseerfahrungen glänzen kann. Außerdem hat sie bei Martin Heidegger studiert in einer entscheidenden Phase, nämlich als er begann, an Sein und Zeit zu schreiben. Wie sie sehr viel später betonen wird, habe sie bei ihm das Denken gelernt. Nicht Denkergebnisse stehen bei Heidegger im Vordergrund, sondern der Denkprozess als solcher. So und nicht anders begreift auch Karl Jaspers seine Arbeit. In seinen Vorlesungen und Seminaren können seine Studentinnen und Studenten dieses lebendige Denken in der Praxis erleben. Jaspers präsentiert keine Ergebnisse oder Lösungen, sondern lädt ein, mitzudenken, den Denkprozess als lebendigen kommunikativen Austausch zu erfahren. Jaspers will keine Autorität sein, er will nicht Vorbildcharakter haben und doch ist er streng mit sich und anderen, wenn es um die Sache geht. Er muss wissen, wer das ist, der oder die von ihm etwas will, bei ihm zu lernen vorhat. Und er merkt sehr schnell, dass er es bei Hannah Arendt mit einer besonderen Studentin zu tun hat. Als Abschluss ihres Studiums schreibt sie eine Dissertation zum Thema Der Liebesbegriff bei Augustinus.
Jaspers bietet seinen Studentinnen und Studenten an, sich mit Fragen, die im Rahmen seiner Seminare und Vorlesungen auftauchen, per Brief an ihn zu wenden. Der erste erhaltene Brief von Hannah Arendt an ihren Lehrer ist datiert vom 15. Juli 1926. Es ist ein bemerkenswerter Brief, in dem das Thema »Kommunikation« eine entscheidende Rolle spielt und der zeigt, dass Arendt in ihrer Jugend durchaus noch einen Bezug zum Begriff »Kommunikation« hat. Anlass ist ein Seminar zu Schelling, das Jaspers im Sommersemester 1926 hält. Es geht Arendt in diesem Brief um ein Verständnis dessen, was eine philosophische Deutung der Geschichte leisten könnte. »Ich verstehe die Geschichte nur von dem Boden aus, auf dem ich selbst stehe. Mein absolutes Bewußtsein versucht in Kommunikation zu treten mit dem absoluten Bewußtsein, das gewissermaßen hinter den uns überlieferten Werken steht. Das würde heißen: ich versuche die Geschichte zu deuten, das, was sich in ihr ausdrückt zu verstehen von dem her, was ich aus meiner Erfahrung schon weiß.«8 Jaspers fügt am Rand hinzu: »Nicht deuten, sondern kommunizieren.« Deuten scheint ihm nicht das richtige Wort zu sein, wenn es darum geht, kommunikativ verstehen zu wollen. Er geht nicht ein auf Arendts Vorstellung von Kommunikation in Bezug auf die von ihr genannten zwei Formen von absolutem Bewusstsein. Arendts früher Begriff von Kommunikation ist einer, der Abständigkeit signalisiert. Deutung geschieht aus einem Abstand heraus. Deutung würde Jaspers nicht als eine Form von Kommunikation begreifen. Eine solche Herangehensweise ist ihm fremd. Für ihn kann es nur darum gehen, in ein Gespräch zu treten, sei es mit Personen, Texten oder, wie in diesem Fall, mit Geschichte.
Hannah Arendt ist auf jeden Fall auf dem richtigen Weg, indem sie sich klarmacht, dass ein Verstehen von geschichtlichen Vorgängen nur möglich ist auf der Basis der eigenen Existenz. In Arendts Verständnis ist jedoch die Position des deutenden Menschen die stärkere. Man spürt hier bei der frühen Hannah Arendt ganz deutlich das große Interesse an Theorie, an theoretischem Durchdringen von Phänomenen. Wenn man diese Stelle im Horizont der späteren Werke Arendts liest, erkennt man sehr schnell, dass sie am Anfang ihres Denkweges steht, dass sie noch viel vorhat.
Karl Jaspers arbeitet zu dieser Zeit an seiner auf drei Bände ausgerichteten Philosophie. Im zweiten Band geht es auch um Kommunikation und Geschichtlichkeit. Für Jaspers wird Geschichte dann spannend, wenn man sich von ihr direkt ansprechen lasse,