Harlekin - Morris L. West - E-Book

Harlekin E-Book

Morris L. West

0,0

Beschreibung

Der Bankier George Harlekin wird beschuldigt, Gelder seiner Bank zu unterschlagen. Der Vorwurf stammt von Basil Yanko, Chef einer der weltgrößten Computerfirmen. Sein Ziel: Die Übernahme von Harlekins Unternehmen. Harlekin erkennt schnell, dass dies für Yanko nur der Auftakt zu einer weit größeren Operation ist: Um die weltweite Vorherrschaft seiner Computer durchzusetzen, schreckt Yanko auch vor Mord und Terror nicht zurück. Doch Harlekin nimmt den Kampf auf – in einer atemberaubenden Jagd von Genf über New York, Washington und Los Angeles – bis zum Showdown der beiden Gegenspieler in Mexico City...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 537

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Morris L. West

Harlekin

Roman

Ins Deutsche übertragen von Karl-Otto von Czernicki

Edel eBooks

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Impressum

1

George Harlekin und ich sind seit zwanzig Jahren miteinander befreundet; dennoch muß ich gestehen, daß er der einzige Mann ist, den ich jemals wirklich beneidet habe. Es gab eine Zeit, da ich glaubte, ihn zu hassen; und nur dank seines Großmutes und seines klaren Geistes bin ich wieder zur Vernunft gekommen.

Er ist all das, was ich nicht bin. Ich bin groß, stämmig, etwas ungeschlacht – zur Verzweiflung jedes Schneiders. Er ist schlank, elegant, ein klassischer Reiter, ein Tennisspieler, dem man mit Vergnügen zusieht. Ich kann mich gerade in einer Sprache ausdrücken. Harlekin ist ein Polyglotte und beherrscht ein halbes Dutzend Sprachen. Mehr noch: Er trägt eine geradezu erstaunliche Bildung mit dem entwaffnenden Charme eines Höflings der Renaissance zur Schau. Ich bin ein Antipode, übereifrig, impulsiv, zu voreiligen oder allzu simplen Schlußfolgerungen neigend. Harlekin ist Europäer, kühl, verbindlich, feinsinnig, geduldig selbst mit Narren.

Er wurde in die Finanzwelt hineingeboren. Sein Großvater gründete in Genf die Handelsbank Harlekin et Cie. Sein Vater knüpfte internationale Verbindungen an und eröffnete Filialen in Paris, London und New York. Harlekin baute diesen Bereich weiter aus, erbte dann den Vorsitz im Aufsichtsrat und das größte Aktienpaket. Die Tradition des Hauses war ihm heilig: Der Charakter eines Klienten war ihm wichtiger als jede Bürgschaft; wenn ein Geschäftsrisiko erst einmal eingegangen war, blieb er bei der Stange; ein Vertrag wurde nie durch juristische Spitzfindigkeiten nach allen Seiten abgesichert; ein Händedruck war ebenso bindend wie ein schriftlicher Vertrag; wenn der Klient oder seine Familie in Schwierigkeiten geriet, bewährte sich das Motto der Bank: »Amicus certus in re incerta – Den wahren Freund erkennt man in der Not.«

Ich dagegen habe ganz schlicht und einfach als Vertreter angefangen. Ich habe mich im Metallgeschäft nach oben gearbeitet, Geld gemacht und wieder verloren. In den darauffolgenden mageren Jahren fühlte ich mich durch die Anteilnahme, die mir Harlekin in überreichem Maße entgegenbrachte, zutiefst beschämt; staunend betrachtete ich die Summen, die er, nur auf mein Wort hin, aufs Spiel setzte. Als es mir finanziell wieder besser ging, gab ich ihm das Geld, damit er es für mich anlegte, während ich eine lange Kur gegen Magengeschwüre antrat und mich mit der Kunst der Genügsamkeit befreundete.

Ich heiratete früh und erlebte einen Reinfall. Harlekin tobte sich aus, bis er fünfunddreißig war, und heiratete dann, Hals über Kopf, Juliette Gerard, die er auf meinem Boot kennenlernte, während ich sie noch zu überreden versuchte, mich zu heiraten. Danach kamen wir drei Jahre hindurch nicht mehr privat zusammen. Er blieb mein Bankier und ich sein Klient, aber es bestand eine gewisse Reserviertheit zwischen uns, bis ihr Sohn geboren wurde und sie ihn nach mir, Paul Desmond, nannten und ich bei seiner Taufe Pate stand. Am selben Tag bot mir Harlekin einen Sitz in seinem Aufsichtsrat an. In einer plötzlichen Gefühlsaufwallung nahm ich an und wurde damit bei Harlekin et Cie. ein Direktor ohne Geschäftsbereich und der ganz vernarrte Pate eines kleinen, blonden Wurms.

Ich will hier kein Blatt vor den Mund nehmen. Wir waren die besten Freunde, aber noch immer war ich neidisch und eifersüchtig auf Harlekin. Er war so sehr der Maßstab hoher Lebenskunst und doch so klug und vernünftig, daß auch die alten Füchse im Geldgeschäft ihm ihren rabbinischen Respekt nicht versagen konnten. Er hatte zuviel Glück, er war zu vielseitig. Man konnte vielleicht sagen, daß er allzu offensichtlich glücklich war. Er ritt, er segelte, er ließ Vollblüter laufen, er sammelte Bilder und Porzellan. Er wurde von schönen Frauen umschwärmt und war vernarrt in seine Frau. Ihn faszinierte das Vollkommene, so daß sich Durchschnittsmenschen in seiner Gegenwart entmutigt fühlten. Ich fragte mich in trüben Stunden oft, warum er sich mit einem so ungehobelten Kerl wie mir überhaupt abgab. Ich kam mir wie ein Hofnarr vor, der in Gegenwart des erlauchten Fürsten seine Späße macht.

Ich schreibe dies nicht, um ihn herabzusetzen – Gott ist mein Zeuge! Es darf kein Zweifel daran bestehen, daß der Narr den Fürsten liebte und – wider alle Vernunft – noch immer in die Fürstin verliebt war. Ich will Ihnen zeigen, wie hoch Harlekin stand, wie exponiert und verletzlich er war, wie wenig er die Gefahr erkannte, nur er selbst zu sein. Nicht einmal ich sah es ganz deutlich. Juliette konnte es nur erahnen; und als Frau gab sie den Dingen einen anderen Namen.

»... ich fühle mich so überflüssig, Paul. Ich kann ihm nichts geben, außer mich selbst im Bett und noch ein Kind, wenn er es will. Es gibt zwanzig Frauen, die morgen meinen Platz einnehmen könnten. Dabei ist es gleichgültig, ob George es auch so sieht. Ich tue es jedenfalls. Er braucht mich nicht, und eines Tages wird er es wissen ...«

Ich bin kein Jago, wenn ich auch manchmal gewünscht hätte, einer zu sein. Ich sagte ihr die einzige Wahrheit, die ich kannte.

»Julie, du bist mit einem Glückspilz verheiratet. Sei glücklich bei ihm. Alles ist für ihn eine Freude, und du bist die größte Freude von allem. Finde dich damit ab, und zum Teufel mit dem, was später ist.«

Dann kam Harlekin herein, überschäumend vor guter Laune, mit einem neuen Bild unter dem Arm und einem neuen Klienten in den Büchern und Plänen für ein Wochenende in Gstaad, wo noch Tiefschnee lag und das Wetter schön zu bleiben versprach.

Bald darauf, im April, fuhren Harlekin und ich nach Peking, weil die Chinesen mit Europa ins Geschäft gekommen waren und Harlekin für sich selbst und seine Klienten Nutzen daraus ziehen wollte. Ich fragte mich besorgt, wie er, der Mandarin der Mandarine, sich wohl bei dem spartanischen Lebensstil der Volksrepublik ausnehmen würde. Wie gewöhnlich hatte ich ihn auch diesmal unterschätzt. Er fühlte sich sofort wie zu Hause und benahm sich ganz ungezwungen. Er sprach und schrieb die Landessprache fließend. Seine Höflichkeit war ohne Makel, seine Geduld grenzenlos. Innerhalb eines Monats verstand er sich ausgezeichnet mit der höheren Beamtenschaft, geachtet von Politikern wie von Technokraten. Er tätigte größere Einkäufe in Antiquitäten, Jade und Teppichen. Er besprach Projekte zur Herstellung von Antibiotika, Arzneimitteln und Präzisionsinstrumenten. Er freundete sich mit Gelehrten und Antiquaren an. Er erkannte die geschliffene Feinheit des orientalischen Humors und verlor nie das Gesicht oder seine gute Laune. Die Art, wie er auftrat, war makellos und brachte ihm die offene Anerkennung unserer Gastgeber ein.

Doch war dies alles nicht nur Charme und Virtuosität. Harlekin war von den Erlebnissen zutiefst bewegt. Die Dinge, die mich zu erdrücken drohten, die Unendlichkeit des Landes, die ungeheure Ausdehnung und die Vielzahl der Stammesinteressen – all das erweckte in ihm den Dichter und Träumer. Er konnte eine Stunde gedankenverloren dastehen und die episch anmutenden Gestalten in der Landschaft beobachten – einen einsamen Fischer, der im Licht der untergehenden Sonne heimkehrte, Frauen, die mit der Tretmühle die Reisfelder bewässerten. Dann erging er sich in leidenschaftlichen, aber zusammenhanglosen Kommentaren.

»...Unser Dasein hat etwas Irrsinniges an sich, Paul... Wir leben von Phantasien und Fragmenten. Wir haben den Clan zerstört und uns in die Einsamkeit der Großstädte verdammt. Wir jagen uns ab nach überflüssigen Dingen und zerschlagen uns dann die Köpfe, um zu verteidigen, was wir nicht brauchen. Wir verschachern Geld und entwerten das Vermögen, das wir anhäufen. Wir haben uns vom Gott unserer Väter abgewandt, nur um uns in den Vorzimmern von Zauberern und Scharlatanen herumzutreiben. Weißt du, manchmal wird mir angst und bange. Ich lebe in einem wohlbehüteten Garten, mit schönen Rasenflächen und Blumen. Aber ich frage mich zuweilen, in Alpträumen, ob es nicht das Tal der Meuchelmörder ist...«

Von Peking flogen wir nach Hongkong und Tokio und von dort nach Hawaii und Los Angeles, wo Harlekin plötzlich erkrankte. Der Arzt wies ihn sofort ins Krankenhaus ein, wo Röntgenaufnahmen eine schwere Infektion beider Lungen erkennen ließen. Zuerst bestand Verdacht auf Tuberkulose, als aber die entsprechenden Tests negativ verliefen, leitete man eine ganze Reihe verschiedener Untersuchungen ein. Juliette flog von Genf herüber, und ich kehrte nach Europa zurück. Harlekin ging es ein paar Tage besser, doch dann trat ein Rückfall ein. Man untersuchte ihn auf Q-Fieber und Papageienkrankheit und andere exotische Erkrankungen. Dann rief mich eines Tages Juliette an. Sie hatte beunruhigende Nachrichten. Die Ärzte vermuteten Lymphgefäßkrebs. Sie hatten eine Biopsie empfohlen. Harlekin hatte sich geweigert.

»Aber warum, Julie... warum?«

»Er sagt, der bloße Gedanke sei ihm zuwider. Er wolle lieber auf das warten, was er den Urteilsspruch der Natur nennt. Es ist sein gutes Recht. Ich will ihn nicht überreden.«

»Ist er deprimiert?«

»Merkwürdigerweise nicht. Er ist vollkommen ruhig. Er sagt, er habe sich mit seiner Lage abgefunden.«

»Und du?«

»Ich mache mir schreckliche Sorgen. Aber er braucht mich, Paul. Darüber bin ich wenigstens glücklich.«

»Klammere dich daran, Mädchen. Grüß ihn von mir. Sag ihm, der Junge mache sich prächtig und die Geschäfte werden in vollem Schwunge sein, wenn er heimkehrt...«

Ich konnte ihm dieses Versprechen ziemlich zuversichtlich geben. Ich konnte ihm jedoch nicht versprechen, die Geier loszuwerden, die bereits über seinem Haupte kreisten. Jeden Tag erkundigte sich irgendein besorgter Kollege telefonisch oder fernschriftlich, wie es denn nun um Harlekins Gesundheitszustand stehe. Man stellte Fragen nach Änderungen in der Geschäftsleitung, man machte Andeutungen über Fusionsangebote, falls Harlekin sterben oder dauernd arbeitsunfähig bleiben sollte. Ich wurde plötzlich von allen möglichen Leuten eingeladen – zum Lunch, zu Abendessen, Cocktails und privaten Besprechungen in kleinem Kreise in verschiedenen Hauptstädten der Erde. Mehr als einmal erschien irgendein längst verlorener Freund mit einem nützlichen Tip für den Markt oder einem Aktienpaket zu einem besonders günstigen Preis. Am bedeutsamsten war die persönliche Intervention eines Mannes: Basil Yanko, Präsident der Creative Systems Incorporated. Sein Fernschreiben aus New York war kurz und knapp:

»Bin morgen in Genf. Ersuche vertrauliche Besprechung mit Ihnen zehn Uhr. Erbitte Bestätigung. Yanko.«

Natürlich bestätigte ich. Harlekin et Cie. hatten alle Emissionen der Creative Systems Incorporated und ihrer Tochtergesellschaften garantiert. Unser Anteil an ihren Aktien bestand in einer Lizenz, Geld zu drucken. Ein Dutzend größerer Konten war auf ihre Empfehlung hin zu uns gekommen. Basil Yanko konnte mich bitten, auf dem Drahtseil einen Tango zu tanzen, und ich würde ihm den Gefallen tun.

Nicht daß er mir sympathisch gewesen wäre. Im Gegenteil, schon seine äußere Erscheinung stieß mich ab. Er wirkte wie das hohe, schlaksige Skelett eines Mannes, mit mausgrauer Gesichtsfarbe, einem schmalen Mund und schwarzen Knopfaugen, aus denen nicht eine Spur von Humor hervorleuchtete. Er war arrogant, kurz angebunden und hatte wenig einnehmende Umgangsformen. Auf der anderen Seite galt er als der originellste Kopf auf dem Gebiet der Computertechnik. Er hatte als Hardware-Ingenieur bei Honeywell angefangen; dann hatte er Creative Systems Incorporated aufgebaut und damit begonnen, Programme für wichtige Institutionen zu entwerfen – für Regierungsbehörden, internationale Konzerne, Banken Fluggesellschaften, Polizeibehörden. Seine Gesellschaften waren in allen europäischen Ländern, in Südamerika, Australien, Japan sowie in Großbritannien und Nordirland tätig. Sein Reichtum war bereits legendär. Seine Systeme waren die Schnüre, an denen Millionen lebendiger Marionetten hingen. Auch wir setzten sie ein. Basil Yanko ließ keinen Zweifel daran, daß die Systeme uns kontrollierten. Wir hatten uns kaum am Konferenztisch niedergelassen, als er mir auch schon einen Umschlag unter die Nase hielt.

»Lesen Sie das hier. Es ist George Harlekins ärztliches Gutachten.«

Ich ärgerte mich und machte kein Hehl daraus. »Das ist ein persönliches Dokument. Woher, zum Teufel, haben Sie es bekommen?«

»Ganz einfach. Das Krankenhaus ist ein Forschungsinstitut, das Computerzeit bei uns gemietet hat.«

»Das ist verdammt unmoralisch!«

»Lesen Sie es trotzdem. Es deutet zwei Möglichkeiten an: Harlekin hat entweder Lymphgefäßkrebs oder eine seltene Virusinfektion. Falls er sich wieder erholt, wird er eine längere Rekonvaleszenz nötig haben, und seine Arbeitskraft wird einige Zeit drastisch eingeschränkt sein.«

»Also...?«

»Falls er stirbt, sind die natürlichen Erben seine Frau und ein unmündiger Sohn. Die Geschäftsleitung von Harlekin et Cie. wird auf die Direktoren und eventuelle neue Talente, die man ausfindig machen kann, übergehen. Gute Bankiers sind dünn gesät. Die logische Folge: ein Fallen der Aktienkurse und eine Schwächung des Profitpotentials.«

»Das ist Ihre Logik, Mr. Yanko.«

»Ich bin bereit, darauf eine Wette einzugehen. Wenn Harlekin stirbt, möchte ich seinen Aktienbesitz aufkaufen. Ich werde jedes Angebot auf dem Markt überbieten.«

»Das ist eine Angelegenheit für seine Testamentsvollstrecker.«

»Wobei Sie an erster Stelle stehen.«

»Das ist mir neu.«

»Sie können es als gegeben ansehen.«

»Und wenn Harlekin am Leben bleibt, woran ich keinen Zweifel habe?«

»Dann bleibt dasselbe Angebot bestehen. Ich ersuche Sie, es ihm zu übermitteln, sobald er sich in der Lage fühlt, die Frage zu prüfen.«

»Ich bin sicher, daß er ablehnen wird.«

»In diesem Fall bin ich bereit, die Anteile seiner Gesellschafter zu übernehmen, von denen mehrere zum Verkauf entschlossen sind.«

»Nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages hat George Harlekin das Vorkaufsrecht.«

»Ich weiß. Vielleicht ist er aber geneigt, darauf zu verzichten oder die Option zu veräußern.«

»Das bezweifle ich sehr.«

»Sie sind Ihrer Sache zu sicher, Mr. Desmond. Ich muß Ihnen sagen, daß sich das Eventualverhalten bei nichtpsychotischen Individuen neuerdings mit fünfundsiebzig Prozent Genauigkeit im Computer vorausberechnen läßt.«

»Und Harlekin gehört bei Ihnen zu diesen Individuen?«

»Er ist eines der bedeutendsten.«

»Er wird sich geschmeichelt fühlen, wenn er es erfährt.«

»Überschätzen Sie ihn nicht, Desmond. Und unterschätzen Sie mich nicht. Ich erreiche gewöhnlich, was ich will.«

»Warum wollen Sie Harlekin et Cie.?«

Seine dünnen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Wissen Sie, wie Harlekin zu seinem Namen gekommen ist? Sein Ururgroßvater war ein Komödiant, der den Arlecchino in der Commedia dell’arte spielte. O ja, das ist wahr. Ich kenne die Familiengeschichte auswendig. In vier Generationen hat sich da eine gewisse Wandlung vollzogen. Aber das ist auch wiederum die uralte Rolle, nicht wahr? Harlekin verwandelt die Welt mit einer Berührung seiner Narrenpritsche... und lacht sich dann über ihre Verwirrung ins Fäustchen.

Übrigens...« Er suchte in seiner Aktentasche und zog einen dicken Ordner heraus. »Sie haben uns beauftragt, eine Sicherheitsüberprüfung Ihres Abrechnungssystems vorzunehmen. Das hier ist der Bericht für die letzten sechs Monate. Der Computer hat einige höchst merkwürdige Unregelmäßigkeiten zu Tage gefördert. Sie werden feststellen, daß in einigen Fällen sofortiges Handeln geboten erscheint. Falls Sie weitere Klärung oder Hilfe benötigen, stehen Ihnen meine Leute zur Verfügung.« Er erhob sich. Die Hand, die er mir bot, war kalt und schlaff wie ein toter Fisch. »Ich danke Ihnen, daß Sie mir Ihre Zeit geopfert haben. Bitte übermitteln Sie meine Empfehlungen an Madame Harlekin und an ihren Gatten meine besten Wünsche für baldige Genesung. Guten Tag, Mr. Desmond.«

Als ich ihn zum Lift begleitete, überkam mich ein Frösteln, als hätte sich ein Abgrund vor mir aufgetan. Die frühesten Bankiers waren Priester, und die Sprache der Finanzwelt hat noch immer etwas Rituelles. Wenn man einem Bankmann sagt, in seinen Konten seien Unregelmäßigkeiten aufgetreten, so ist es, als weise man mit dem Finger auf ihn oder rufe den Fluch der Götter auf sein Haupt herab. Theoretisch sollte ihn der Computer natürlich gegen solche primitiven Unglücksfälle sichern. Der Computer ist ein mächtiges Gehirn, das das Wissen von Jahrhunderten speichern, innerhalb des Bruchteils einer Sekunde mathematische Wunder vollbringen und auf die abstrusesten Gleichungen unfehlbare Antworten liefern kann. In Wirklichkeit verleitet es den Menschen zu blindem Glauben, nur um ihm sogleich seine Geistesschwäche deutlich vor Augen zu führen.

Wir konnten das Gehirn nicht kaufen. Wir mieteten seine Arbeitszeit. Wir beschäftigten Systemanalytiker, um uns unsere Bedürfnisse erläutern zu lassen. Wir stellten Programmierer ein, um Fakten und Zahlen einzuspeichern. Wir gründeten wichtigste Entscheidungen auf die Antworten, die uns das Gehirn lieferte. Da wir aber die Angst nicht loswurden, daß sich die Programmierer irren oder zur mißbräuchlichen Benutzung des Rechners verleitet werden könnten, setzten wir Prüfgeräte ein, um das Gehirn gegen jeden Irrtum oder Mißbrauch unter Kontrolle zu halten. Deshalb glaubten wir, wie es religiösen Menschen nun einmal geziemt, daß das System geheiligt und sicher sei und Schutz gegen Narren oder Schurken biete.

Es gab nur ein einziges Problem: Das Gehirn sowie auch die Programmierer und Kontrolleure gehörten alle zur selben Familie – der Creative Systems Incorporated; Vater der Familie war Basil Yanko, der es darauf angelegt hatte, uns alle unter seine Kontrolle zu bringen. Ob es uns gefiel oder nicht – wir waren in einen Teufelskreis geraten, den ein Zauberer des zwanzigsten Jahrhunderts um uns gezogen hatte. Der noch ungeöffnet auf meinem Schreibtisch liegende Bericht war ein Zauberbuch, das voller geheimer Formeln und gefährlicher Mysterien war. Ich mußte meinen ganzen Mut zusammennehmen, um den Umschlag zu öffnen. Ich brauchte absolute Ruhe, um den Inhalt zu studieren. Ich wies Suzanne an, keine Anrufe durchzustellen, schloß meine Tür ab und machte mich an die Lektüre. Zwei Stunden später stand ich vor der brutalen Tatsache: Harlekin et Cie. waren um fünfzehn Millionen Dollar erleichtert worden – von niemand anderem als George Harlekin selbst.

Jetzt stellte sich natürlich eine einfache Frage: wie in der Geschichte vom Rabbi, der die Synagoge schwänzte, am Sabbat Golf spielte und ein »hole-in-one« erzielte – wem konnte man es sagen? Der Missetäter – oder das Opfer – lag zehntausend Kilometer von hier entfernt im Krankenhaus und wartete darauf, daß ein Mann in weißem Mantel ihm sagte, ob er leben oder sterben würde. Ich mußte fünfzehn Millionen aufbringen, bevor die Buchprüfer auf den Plan traten. Wenn ich alle meine persönlichen Vermögenswerte mobilisierte, war ich für fünf Millionen gut; aber dann fehlten immer noch zehn. Wem konnte ich diese Notlage erklären? Wem würde ich für so viel Geld kreditwürdig genug sein? In der Welt des Geldes gibt es nur wenige Helden. Bankiers sind empfindlich wie Seeanemonen. Wenn man sie anpiekt, rollen sie sich, zitternd vor Wut und Angst, zusammen.

Ich mußte Gewißheit haben, ob der Bericht falsch oder richtig war. Aber wem war zu trauen? Auch die Computerleute sind ein großer Klüngel. Sie heiraten untereinander und treffen sich nur mit ihresgleichen. Computerinformationen sind außerdem wie der Sex. Man kann ihn zehnmal verkaufen und behält ihn doch noch. Und wer kümmert sich schon darum, wenn man diesem Geschäft nicht gerade unter der Nase eines vorbeigehenden Polizisten nachgeht? Wenn Sie mir nicht glauben, kann ich Ihnen so einiges erzählen. Einer unserer Kunden gab zwanzig Millionen für Offshore-Ölbohrungen aus, nur um festzustellen, daß die Konkurrenz bereits in seinem Gebiet bohrte, bevor der Vertragstext fertiggestellt war.

Es war ein Uhr. Um ein Uhr dreißig wurde ich im Club Commercial de Genève zum Mittagessen und zu Geschäftsbesprechungen erwartet. Ich wußte, wenn ich nur die geringste Andeutung von Zweifel oder Unsicherheit erkennen ließe, würden meine Äußerungen um den ganzen Globus wandern, noch ehe die Börse in New York aufmachte. Ich steckte den Bericht in meine Aktentasche, erfrischte mich in Harlekins Badezimmer, öffnete die Tür und rief Suzanne. Da ich sie ohnehin vorstellen muß, lassen Sie mich kurz ein paar Worte über sie verlieren.

Suzanne ist Harlekins Sekretärin. Sie ist vierzig Jahre alt, wobei es auf ein paar Monate mehr oder weniger nicht ankommt, und sie liebt ihn seit dem Tag, da sie vor fünfzehn Jahren zum erstenmal sein Büro betrat. Sie wird schon ein wenig grau, aber sie ist noch immer eine ansehnliche Frau mit guter Figur, klarem Verstand und einer vernünftigen Einstellung zu Sex und Freundschaft. Eine Zeitlang unterhielten wir ein Liebesverhältnis, weil wir beide sonst niemand anderen hatten. Jetzt sind wir gute Freunde. Ich würde ihr mein Leben anvertrauen; aber ich hatte kein Recht, das gleiche mit Harlekins Leben zu tun. Deshalb erzählte ich ihr nur die halbe Wahrheit. Und darin zeigte sich ihr Format: Sie akzeptierte meine Worte, ohne weitere Fragen zu stellen oder verstimmt zu sein.

»Suzy, wir stecken in einer Klemme – in einer großen.«

»Basil Yanko?«

»Ja.«

»Ich hasse diesen Mann.«

»Ich auch. Aber ich muß mit ihm verhandeln. Und ich muß schnell handeln. Niemand außer dir darf wissen, wo ich bin und mit wem ich mich treffe. Klar?«

»Völlig klar.«

»Ruf Executive Charter an und laß heute ab drei Uhr nachmittags eine Maschine für mich bereithalten. Verbinde mich mit Karl Krüger in Hamburg. Ruf den Club an und sag den Leuten, ich würde mich für die Drinks verspäten, aber zur Rede pünktlich da sein. Dann geh in meine Wohnung, pack einen Koffer, hol mich nach dem Lunch ab und fahr mit mir zum Flugplatz. Ich will ein Telegramm diktieren, das verschlüsselt werden muß und an alle Filialleiter geht. Jemand hat unsere Computer manipuliert. Wir stehen mit fünfzehn Millionen in der Kreide.«

»Großer Gott! Weiß George davon?«

»Nein.«

»Willst du es ihm sagen?«

»Nicht, bevor wir das ärztliche Gutachten kennen.«

»Steckt er mit drin?«

»Bis zum Hals. Suzy, du mußt mir vertrauen.«

»Das tue ich, Paul. Aber du mußt auch mir vertrauen.«

»Je weniger du weißt, um so besser für uns alle. Laß es im Augenblick dabei bewenden.«

»Vergiß eines nicht, Paul. Harlekin ist zäher, als du glaubst.«

»Das wird er auch sein müssen, Suzy... Aber jetzt sei brav und setz dich ans Telefon.«

Karl Krüger, Vorsitzender von Krüger & Co. AG, saß noch bei Bier und Knackwurst am Schreibtisch, während seine jüngeren Partner beim Essen im Hotel Vier Jahreszeiten irgendwelche Bankkunden betreuten. Ich konnte mir vorstellen, wie der fünfundsechzig Jahre alte ostpreußische Bär über diese Störung brummte.

»So, so! In Genf spielt ihr wohl Murmeln mit Geld! Hier müssen wir dafür arbeiten. Was, zum Teufel, willst du von mir?«

»Essen, Bett und heute abend ein Gespräch.«

»Ausgeschlossen. Hilde ist da. Du weißt, was das heißt. Sie ist die einzige Frau, mit der ich es in diesen Tagen aushalten kann.«

»Schön, also reden wir zuerst, und dann führen wir sie gemeinsam zum Abendessen aus. Bitte, Karl!«

»Das hört sich nicht gerade beruhigend an, Paul. Stimmt was nicht?«

»Nichts stimmt. Harlekin liegt in Kalifornien im Krankenhaus. Ich habe eine böse Suppe auszulöffeln. Ich brauche dich, alter Freund.«

»Also dann um sechs in meinem Haus. Und wenn du zu lange bleibst, mußt du mit Hilde schlafen. Wiedersehen!«

»Wiedersehen, Karl. Und vielen Dank.« Ich kam rechtzeitig zum Lunch. Ich redete zwanzig Minuten, gab einige optimistische, aber nichtssagende Sätze von mir, die in der Morgenpresse eine halbe Spalte ausmachen würden.

Um 15 Uhr 15 waren wir in der Luft, und um fünf Minuten vor sechs klopfte ich am Alsterpark an Krügers Tür.

Wenn Sie Karl Krüger begegnen, würden Sie ihn wahrscheinlich nicht sympathisch finden. So geht es den meisten Menschen. Die Engländer werden Ihnen erzählen, er sei ein Erzjunker, der mit Hitler gemeinsame Sache gemacht, sich von den Amerikanern durch Bestechungen eine weiße Weste gekauft und sich schließlich niedergelassen habe, um in der Bundesrepublik wieder zu Geld zu kommen. Das stimmt vielleicht; vielleicht auch nicht. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß Helli Anspacher schwört, er habe Millionen ausgegeben, um ihren Mann nach der Schellenberg-Affäre vor den Henkern zu schützen, und Chaim Herzl in Tel Aviv sagt, er verdanke ihm sein Leben, und Jim Brandes versteckte sich drei Wochen in seinem Haus, nachdem er bei einem Luftangriff auf Lübeck abgeschossen worden war. Das gehört jetzt alles der Vergangenheit an, und im Detail läßt sich das gar nicht mehr so genau rekonstruieren. Ich kann Ihnen Karl Krüger nur so präsentieren, wie ich ihn in diesem Jahre des Herrn kenne.

Er ist ein hochgewachsener, breitschultriger Mann, mit dichtem eisgrauem Haar, Riesenfäusten, mit dem Gang eines Seemanns und einem Gesicht, das von Runzeln und Leberflecken übersät ist. Er sieht wie ein alter Boxer nach vielen Kämpfen im Ring aus; aber sein Verstand ist klarer und rascher als der der meisten Menschen. Er begrüßte mich wie einen verlorenen Bruder, legte mir den Arm um die Schultern und schob mich mit wiegenden Schritten an den Kamin. »Ach, du liebe Güte! Du bist ja bleich wie ein Tischtuch! Wir werden dir erst einmal innerlich etwas einheizen. Ich habe Hilde gesagt, daß du kommst. Sie sagt, sie werde ihre Liebesgefühle aufsparen, bis sie dich sieht... Scotch, nicht wahr?... Weißt du, Paul, ich hab Hilde zum erstenmal gesehen, als sie für Gregory in München Kitschfilme drehte. Das war vor zwanzig Jahren, und sie ist noch immer eine schöne Frau. Also, reden wir vom Geschäft. Wo drückt der Schuh?«

»Es geht um fünfzehn Millionen Dollar.«

»Was willst du denn verkaufen?«

»Nichts. Wir haben ein Minus in den Bilanzen. Wir sind geschröpft worden, Karl.«

»Von wem?«

»Aus den Unterlagen geht hervor, daß es George Harlekin gewesen sein soll.«

»Was sagst du da?«

»Ich sage, es war nicht George.«

»Hast du ihn gefragt?«

»Das werde ich tun, wenn ich weiß, ob er leben oder sterben wird.«

»Schön, George war es also nicht. Wer denn?«

»Jemand, der Zugang zu unserem Computersystem hat.«

»Name?«

»Ich sage, es war Basil Yanko.«

»Warum? Der hat doch Geld wie Heu.«

»Er will uns schlucken. Er hat mir das heute gesagt...«

»Und was willst du von mir, Paul?«

»Bürgschaft für zehn Millionen, auf Abruf, um uns über Wasser zu halten, bis ich die Bücher in Ordnung bringen und die erforderlichen Überweisungen vornehmen kann.«

»Woher kommen die anderen fünf?«

»Von mir. Alles, was ich besitze.«

»Du bist ein sentimentaler Narr. Du paukst Harlekin heraus, aber Yanko besitzt noch immer Beweise für die Veruntreuung.«

»Wenn wir gedeckt sind, ist es schwerer für ihn, dieses Beweismaterial zu verwenden. Versucht er es trotzdem, gerät er in den Verdacht der Mittäterschaft. Vielleicht werde ich die Geldmittel nie abrufen müssen, Karl. Verdammt noch mal, wir stehen da wie der Felsen von Gibraltar. Aber ich muß mir die nötige Zeit erkaufen, um mir Vollmachten von Harlekin zu beschaffen und eine unabhängige Untersuchung einzuleiten.«

»Warum ich? Warum nicht eure eigenen Aktionäre?«

»Yanko sagt, er habe sie alle in der Tasche. Du bist der einzige, dem ich zutraue, daß er den Mund hält – ob du mir nun die Deckung gibst oder nicht.«

»Und wer soll die Untersuchung durchführen?«

»Das ist ein anderes Problem. Ich brauche einen international angesehenen Experten oder eine bekannte Kontrollfirma. Der Markt ist begrenzt, und wenn ich da auftauche, weiß es Yanko sofort.«

»Und er wird euch den Mann unter der Nase wegkaufen.«

»Oder schlimmer. In dem Spiel gibt es auch Tote, Karl.«

»Wer hat behauptet, Geld stinke nicht? Du sitzt ganz schön in der Tinte, Paul, mein Junge. Schenk dir noch einen Whisky ein. Ich muß nachdenken.«

Karl Krügers Nachdenken klang wie das Zermahlen von Steinen in einem Kieswerk. Schnaubend, rülpsend und vor sich hin murmelnd schritt er in dem geräumigen Zimmer auf und ab. Er riß die Vorhänge auf, pflanzte seinen massigen Körper vor das Fenster und schaute lange auf das Lichtermeer der alten Hansestadt hinaus, die so tief im Wohlstand ihrer Bürgerschaft verwurzelt war, daß sie sogar den Bombenhagel und die Nachkriegsteilung Deutschlands überlebt hatte. Hier leben Bankiers und Händler und Schiffbauer und lärmende Seeleute, die eifersüchtig über ihre Heimatstadt und deren historische Freiheiten wachen. Sie sind gerissen und schwerfällig zugleich, treue Freunde und hartnäckige Feinde. Wenn sich Karl Krüger hinter mich stellte, konnte ich den Kampf aufnehmen. Ohne ihn war ich den Stürmen schutzlos preisgegeben. Schließlich wandte er sich mir zu. In seinen Zügen lag ernste Entschlossenheit.

»Ich habe Basil Yanko kennengelernt. Ich glaube, ich verstehe ihn. Er ist ein Genie. Nur Kopf und kein Sinn für Firlefanz. Deshalb spielt er um die Macht. Dein George Harlekin, was ist das für ein Mensch? Ein Playboy, ein Clown, ein Amateur? Geld ist Männersache. Diese Stadt ist der Beweis dafür. Euer Harlekin schlendert durch diese Welt der Finanzen, als wäre sie ein Kinderspiel.«

»Bist du auch eifersüchtig auf ihn, Karl?«

»Eifersüchtig? Gott im Himmel! Ich sollte auf einen Mann eifersüchtig sein, der Deckung von fünfzehn Millionen braucht, weil er den Überblick über seine eigenen Konten verloren hat!«

»Ach, laß das, Karl! Du weißt doch nur zu gut, daß jedes System korrumpiert werden kann. In London gibt es jemanden, der seine Klienten nur dadurch bekommt, daß er die Richtigkeit dieses Satzes beweist. Wenn du ihm entsprechende Sicherheiten gibst, wird er dir binnen sechs Monaten das Hemd ausziehen und das ganze Geld auf ein Sperrkonto einzahlen. Nein, tatsächlich willst du doch nur wissen, ob Harlekin eine Rettungsaktion wert ist. Und ich sage dir, er ist es. Du brauchst nicht in Sack und Asche herumzulaufen, um zu beweisen, da du ein guter Bankier bist. Du lebst ebenso gut wie Harlekin. In früheren Jahren hast du es dir an nichts fehlen lassen. Willst du ihn umbringen, nur weil dir sein Lebensstil nicht gefällt?«

»Darum geht es gar nicht. Warum hat Yanko sich gerade ihn ausgesucht? Warum nicht mich? Warum nicht ein halbes Dutzend anderer, die wir beide namentlich aufzählen könnten? Er hat sich Harlekin ausgesucht, weil in dem Mann wie in eurem System eine gewisse Schwäche liegt. Ich möchte wissen, worin sie besteht.«

»Diese Frage darfst du mir nicht stellen, Karl.«

»Warum nicht?«

»Weil er ein guter Freund von mir ist – weil ich der Pate seines Kindes bin und seine Frau liebe.«

»Gott der Allmächtige! Anstatt sie ihm wegzunehmen, machst du dich also zum Märtyrer eurer Bruderschaft! Du bist ein größerer Narr, als ich gedacht hatte.«

»Jetzt, da du es weißt – wie lautet deine Antwort, Karl?«

»Du hast die Deckung – unter einer Bedingung.«

»Und die wäre?«

»Ob er schon auf dem Totenbett liegt oder nicht – Harlekin muß alles erfahren. Und ich verlange das Vorkaufsrecht auf seine Anteile und auf seine Rechte gegenüber allen anderen Beteiligungen. Wenn er damit nicht einverstanden ist, dann ist mit mir kein Geschäft zu machen.«

»Das ist hart, Karl!«

»Wir sind hier in Hamburg, kleiner Bruder! Hier gibt es nichts umsonst. Und halt dir die Hose zu, wenn du dir keinen Tripper holen willst.«

»Ich werde Harlekin den Vorschlag unterbreiten.«

»Tu das. So, und jetzt zur Frage der Überprüfung... Du kannst auf dem Computermarkt nicht hausieren gehen, denn Yanko wird jedem deiner Schritte zuvorkommen. Stimmt’s?«

»Stimmt.«

»Du könntest zur Polizei gehen.«

»Wir arbeiten in zu vielen Ländern mit unterschiedlichen Rechtsordnungen. Wir würden überall einen Skandal hervorrufen.«

»Ihr könntet Privatdetektive einsetzen.«

»Dann würden wir trotzdem einen Computerfachmann brauchen, um das System zu überprüfen.«

»Ich glaube, ihr braucht noch mehr.«

»Ich verstehe nicht.«

»Yanko steht alles zur Verfügung... Geld, Informationen, weltweiter Einfluß. Er besitzt Macht. Er kann ein ganzes Lügengebäude errichten und es der halben Welt im Handumdrehen verkaufen. Wenn ihr euch einmal mit ihm angelegt habt, müßt ihr ihn zur Strecke bringen, bevor er euch vernichten kann. Das ist der Grund, warum ich wissen will, ob George Harlekin den Mut dazu in den Knochen hat. Wenn nicht, sollte er jetzt lieber alles verkaufen, solange er noch einen Markt besitzt.«

»Ich werde ihm auch das sagen, Karl.«

»Falls er zum Kampf bereit ist, gibt es in New York einen Mann, der ihm helfen könnte. Er hat mehrere Namen. In Wirklichkeit heißt er Aaron Bogdanovich. Auch er ist eine Art Genie; aber sein größter Vorzug liegt darin, daß er sich nicht kaufen läßt.«

»Was macht er?«

»Er organisiert den Terror.«

Einen kurzen Augenblick waren wir zweitausend Jahre von dem alten Patrizierhaus am Alsterpark entfernt. Wir fühlten uns zurückversetzt in den dunklen Forst Hamma, wo die Krieger trunken an den Feuerstellen lagen und auf neue Mord- und Raubzüge sannen. In jenem visionären Augenblick sah ich das wahre Gesicht unseres Berufs, den blutigen Kampf um Geld und Macht – während die Wölfe in der Ferne darauf warteten, das aufzufressen, was die Männer des Schwertes übriggelassen hatten.

Karl Krüger ließ sich schwer in einen Sessel fallen, schüttete Schnaps in ein Glas und trank es auf einen Zug leer. Dann betrachtete er mich mit sardonischem Lächeln: »Du glaubst wohl, ich mache Spaß, wie?«

»Nein.«

»Willst du mir irgendwelche Fragen stellen?«

»Ja. Woher kennst du Aaron Bogdanovich?«

»Ich bin Agent für seine Banken.«

»In wessen Diensten steht er?«

»Im Dienst des Staates Israel.«

»Warum würde er einen privaten Auftrag übernehmen?«

»Er ist mir persönlich zu Dank verpflichtet. Ich habe seine Geschwister aus Lettland herausgebracht.«

»Und was könnte er für uns tun?«

»So gut wie alles, glaube ich. Terror ist ein vielschichtiges Geschäft. Die Öffentlichkeit bekommt nur seine gröbsten Erscheinungsformen zu sehen – die Ermordung eines Agenten, die Entführung eines Flugzeugs. In Wirklichkeit werden wir alle von irgendeinem Erpresser unter Druck gesetzt. Spekulanten schaden unserer Währung; die Araber drehen uns den Ölhahn zu. So gesehen, ist Yankos Bericht, den er dir übergeben hat, ein Terrorakt.«

»Wie kann ich mich mit deinem Aaron Bogdanovich in Verbindung setzen?«

»Er betreibt ein Blumengeschäft auf der Third Avenue zwischen der 49th und der 50th Street. Du gehst hinein und überreichst meinen Brief. Ich schreibe ihn besser gleich. Hilde wird bald hier sein, und wir haben noch eine wilde Nacht vor uns.«

Ich war mit allem einverstanden. Ich war frei, ungebunden und brauchte niemanden um Erlaubnis zu fragen. Wenn Karl und Hilde einen nächtlichen Bummel vorhatten, war ich bereit, ihnen Gesellschaft zu leisten. Wir aßen zu Hause, weil Karl den besten Koch in ganz Schleswig-Holstein hat. Hilde, eine mollige, gemütliche und lustige Person, spielte die Gastgeberin. Dann beschloß Karl, der schon kaum noch zu halten war, Sankt Pauli heimzusuchen. Ich konnte ihn nicht davon abbringen; und Hilde wollte es nicht. So tummelten wir uns zwischen Mitternacht und vier Uhr morgens auf der Reeperbahn: exklusive Bars, Sex-Shows, Clubs für Lesbierinnen und Homosexuelle, ferner Seemannskneipen, wo Karl Krüger Akkordeon spielte und Holzschuhtänze auf dem mit Sägemehl bestreuten Tanzboden aufführte. Ich erwartete, daß ihn jeden Augenblick der Schlag treffen würde. Statt dessen beendete er die Show wie ein Schauspieler auf der Bühne. Als Hilde ihm das Hemd aufknöpfte und ich ihm die Socken auszog, öffnete er ein Auge und meinte:

»Siehst du, Paulchen, mein Junge, wenn du sie nicht schlagen kannst, machst du es eben anders. Wenn beides nicht geht, legst du dich hin und krepierst.«

Es war ein schöner, eindrucksvoller Gefühlsausbruch am Ende einer durchzechten Nacht. Ich zweifelte, ob ich den Sinn seiner Worte auch George Harlekin würde schmackhaft machen können – dem am wenigsten kämpferischen, dem kultiviertesten Menschen, den ich kannte.

Sechsunddreißig Stunden später war ich in Los Angeles. Ich ging im Garten des Bel Air Hotels mit Juliette spazieren und teilte ihre freudige Erregung über die gute Nachricht, daß George von den Ärzten nicht sein Todesurteil empfangen hatte, sondern dahingehend unterrichtet worden war, er könne in einer Woche aus dem Krankenhaus entlassen werden und sich nach weiteren vier Wochen wieder leichtere Arbeiten zumuten. Juliette steckte voller Pläne.

»...Wir haben beschlossen, nach Acapulco zu fahren. Lola Frank stellt uns ihre Villa zur Verfügung. Sie hat Personal, das sich um uns kümmern wird. Dort ist auch ein Boot und... Ach, Paul, es wird wie eine zweite Hochzeitsreise sein! Ich kann es kaum erwarten. Die letzten Wochen waren schrecklich. Ich bin jedesmal zusammengefahren, wenn das Telefon klingelte. George war wie ein Fremder, er schien so weit von mir fort zu sein. Es war, als müsse er sich mit jeder Faser die Kraft für den Tag des Urteilsspruches bewahren. Er hat nie geklagt. Er war stets um mich besorgt; aber er lebte in einem Reich zwielichtiger Dämmerung, zu dem nur er allein Zutritt hatte. Auch als man ihm die gute Nachricht überbrachte, blieb er in sich gekehrt – es war beinahe unheimlich. Er lächelte und dankte dem Arzt für seine Mühe. Als wir allein waren, zog er mich an sich und weinte ein wenig; dann sagte er etwas Seltsames: ›Jetzt kenne ich den Namen des Engels.‹ Als ich ihn fragte, was er damit meine, sagte er, es sei etwas, was er nicht näher erklären wolle...«

»Wann kann ich ihn besuchen?«

»Heute nachmittag. Warum gehst du nicht allein hin und überraschst ihn?«

»Wenn du sicher bist...«

»Natürlich. Dann kann ich zum Friseur gehen und Einkäufe machen. Aber du wirst doch nicht über geschäftliche Dinge mit ihm sprechen, nicht wahr?«

»Nur ganz kurz, das verspreche ich dir.«

»Er wird sich freuen, dich zu sehen. Ach, Paul! Ist es nicht ein herrlicher Tag?«

Ich fand, daß es ein ganz ekelhafter Tag war. Ich begriff, warum in den alten Zeiten den Überbringern schlechter Nachrichten die Kehle durchgeschnitten wurde. Auf der Fahrt in die Stadt hatte ich das Gefühl, als ob mir das gleiche geschähe. Ich spielte mit dem Gedanken, die Hiobsbotschaft zurückzuhalten, aber das konnte ich auch nicht tun. Ohne Harlekins Einwilligung waren mir die Hände gebunden. Als ich ihn sah, sank mir das Herz. Er saß, in seidenem Pyjama und Morgenmantel, in einem Lehnstuhl und war so bleich, daß er fast durchsichtig wirkte. Die Hand, die er mir bot, war trocken und fühlte sich wie Papier an. Nur sein Lächeln war noch das alte: strahlend, fast ernst, aber immer noch mit einem Anflug von Mutwillen. Er wollte nicht, wie es bei Kranken häufig der Fall ist, nur von seinem Zustand reden. Er schob meine diesbezüglichen Fragen achselzuckend beiseite.

»Es ist vorbei, Paul. Ich habe Glück gehabt. Ich freue mich für Julie. Ich will, so schnell wie möglich, hier rauskommen. Man sagt mir, es werde eine lange Rekonvaleszenz geben. Kannst du die Festung noch eine Zeitlang halten?«

»Selbstverständlich. Ich muß dich aber mit etwas Geschäftlichem belasten. Fühlst du dich dazu stark genug?«

»Klar. Schieß los.«

»Es sind schlechte Nachrichten, George.«

Er grinste und zuckte mit den Achseln. »Sag mir gleich das Schlimmste, und ich bin immer noch ein Glückspilz.«

Ich berichtete. Er hörte mir schweigend zu; seine Augen waren geschlossen, der Kopf war ihm auf die Brust gesunken, die Hände lagen ruhig in seinem Schoß. Als ich fertig war, stellte er mir ruhig die Frage: »Wie ist das möglich gewesen, Paul?«

»Es steht alles in dem Bericht. Wir werden einen Experten brauchen, um die Einzelheiten überprüfen zu lassen, denn eine große Anzahl verschiedener Transaktionen ist betroffen; aber im Grunde ist die Methode einfach: Man besticht einen Programmierer, falsche Daten in den Computer einzugeben. Falls diese nicht wieder gelöscht werden, arbeitet der Computer mit ihnen bis zum Jüngsten Tag... Du weißt ja, wie wir operieren. Wir kaufen und verkaufen en bloc für Gruppen von Kunden und rechnen Gewinne und Spesen hinterher ab. Unser Computer wurde so programmiert, daß er auf Transaktionen falsche Spesen berechnete und die Gewinne auf ein Geheimkonto bei der Unionsbank in Zürich einzahlte. Dieses Konto gehört dir.«

»Ich habe noch nie ein Konto bei der Unionsbank gehabt.«

»Der Bericht behauptet, die für die Kontoeröffnung erforderlichen Dokumente und die Schecks trügen deine Unterschrift.«

»Du meinst, das Konto ist benutzt worden?«

»Es wurde alles abgehoben.«

»Durch Urkundenfälschung!«

»Das müssen wir beweisen, und wir müssen den Fälscher ausfindig machen. Ferner müssen wir feststellen, wer die Computer für alle unsere Filialen manipuliert und wer für diese Manipulation bezahlt hat.«

»Warum ist uns die Diskrepanz nicht selbst aufgefallen?«

»Weil wir alle dem Computer blindes Vertrauen schenken. Solange die täglichen Kontenbewegungen stimmen, stellen wir keine Fragen; und unsere Operationen sind so vielfältig, daß nur die Buchhalter und Buchprüfer von den Endziffern Notiz nehmen.«

»Das ist doch Irrsinn, Paul! Ich soll meine eigene Gesellschaft beraubt haben... Ich verstehe das nicht.«

»Jemand wollte dich zum Sündenbock machen. Ich glaube, es ist Basil Yanko.«

»Wenn das stimmt, dann können wir uns doch von ihm trennen und einen anderen Computerservice suchen.«

»Hast du eine Ahnung! Weißt du denn nicht mehr, wie lange es dauert, ein einziges System zu installieren und das Personal dafür auszubilden?... Außerdem ist dies bloß eine Warnung – der erste Erpresserbrief.«

»Aber es ist trotzdem ein krimineller Akt.«

»Falls wir es beweisen können. Außerdem brauchen wir in der Bank eine Deckung für die fehlenden Millionen. Hierzu brauche ich deine Instruktionen. Im Augenblick bürgen Karl Krüger und ich, aber, wie ich dir gesagt habe, Karl verlangt sein Pfund Fleisch.«

»Dann gib es ihm, Paul.«

»In diesem Falle brauche ich Vollmacht und Verfügungsgewalt über dein Vermögen, jedenfalls so lange, bis du wieder reisen und wieder selbst in Aktion treten kannst. Das ist natürlich ein Risiko. Vielleicht willst du es nicht eingehen.«

»Irgend jemandem muß ich doch vertrauen, Paul. Wenn nicht dir, wem denn sonst?«

»Wir werden also den Kampf mit Basil Yanko aufnehmen.«

»Das habe ich nicht gesagt.« Ich starrte ihn ungläubig an.

Er schenkte mir ein mattes, wehmütiges Lächeln. »Schau mich nicht so entsetzt an, Paul. Ich bin eben noch bis ans Ende der Welt gegangen und zurückgekommen. Ich weiß, wie wenig Gepäck der Mensch braucht. Ich muß dir eins sagen: Ich bin mir nicht sicher, ob ich Harlekin et Cie. behalten will. Ich will zwar nicht, daß Basil Yanko die Firma schluckt; aber ich würde mich nicht dagegen sperren, sie Karl Krüger zu verkaufen. Das wäre eine saubere Lösung. Für Julie und den Jungen wäre gesorgt. Und ich wäre den Trödel los.«

»Wenn du unter diesen Umständen verkaufst, handelst du unter Zwang.«

»Das ist die eine Seite der Medaille.«

»Dann werde ich dir auch die andere zeigen. Wenn du nachgibst, gewinnen die Schurken die Oberhand. Und dann werden sie es wieder versuchen, und nicht jedes Opfer kommt dann mit einem blauen Auge davon – wie George Harlekin.«

Er war plötzlich grau geworden. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Ich kam mir wie ein Verbrecher vor, weil ich so hart in ihn drang. Ich half ihm, wieder ins Bett zu gehen, wischte ihm das Gesicht ab und wartete, bis das Leben in seine bleichen Wangen zurückkehrte. Die einzigen Worte, die mir einfielen, klangen banal.

»Es war zuviel. Verzeihung, George. Wie auch immer du dich entscheidest – wir bleiben Freunde.«

Er umklammerte mein Handgelenk mit seiner ausgemergelten Hand und sagte in bittendem Ton: »Ich will dir ein Geheimnis verraten, Paul. Es ist schwer, mit dem Todesengel zu ringen, denn er will nicht, daß du dich auflehnst. Er will nur eins von dir: daß du dich zur Ruhe begibst und schläfst. Es ist eine große Versuchung, einfach die Augen zu schließen und sich um nichts mehr zu kümmern. Verurteile mich noch nicht. Laß mir ein bißchen Zeit...«

»Wir haben nicht mehr viel Zeit, George.«

»Ich weiß.«

»Soll ich Julie unterrichten?«

»Noch nicht. Zwischen uns hat es kürzlich einige persönliche Probleme gegeben.«

»Möchtest du, daß ich noch etwas hierbleibe?«

»Nein, danke. Ich bin sehr müde. Komm morgen mit Julie wieder.«

Es war noch früh. Ich hatte keine Lust, ins Hotel mit den gekünstelten Starlets und den ergrauten Agenten zurückzukehren. Ich wollte anonym bleiben, um mich nach Herzenslust über die einfachen Dinge des täglichen Lebens unterhalten zu können: über den Preis des Beefsteaks, über die Bauchschmerzen des Taxifahrers und darüber, daß die Mädchen nicht mehr so waren wie früher. Ich liebe das einfache Leben. Es lebt sich leichter und man hat mehr Freunde, die es mit einem teilen. Ich ging auf dem Strip in eine schwach beleuchtete und fast verlassene Bar. Ich bestellte einen Bourbon, lud alle Anwesenden zu einem Bier ein und ließ mich zu einem halbstündigen, einsilbigen Gespräch mit dem Barmixer nieder.

Wir hatten gerade den Nahen Osten erledigt und waren im Begriff, über die vielen Skandale in der Regierung zu reden, als das Telefon klingelte. Der Barmixer nahm den Hörer ab und wandte sich dann zu mir um. »Heißen Sie Paul Desmond?«

»Ja.«

»New York ist am Apparat.«

»New York?«

»Das hat der Mann wenigstens gesagt. Nehmen Sie das Gespräch an?«

Er schob mir den Hörer hin, und ich sagte wenig geistreich: »Hallo.«

»Mr. Desmond? Hier spricht Basil Yanko. Ich rufe an, um Sie in den Vereinigten Staaten willkommen zu heißen.«

»Wie haben Sie herausbekommen, wo Sie mich erreichen können?«

»Wir sind eine leistungsfähige Organisation, Mr. Desmond. Haben Sie Neuigkeiten für mich?«

»Nur einen Rat, Mr. Yanko. Dringen Sie nicht in mein Privatleben ein.«

Er lachte, aber es klang nicht heiter.

»Gibt es irgendeinen Service, mit dem wir Ihnen während Ihres Aufenthaltes dienen können?«

»Nein, keinen.«

»Schön, lassen Sie es sich gutgehen. Wir werden in Verbindung bleiben. Au revoir, Mr. Desmond.«

Ich legte auf und wandte mich wieder meinem Bourbon zu.

Der Barmixer sah mich prüfend an. »Schlechte Nachrichten?«

»Ich habe auf den Verlierer gesetzt.«

»Zu dumm. Es können nicht alle gewinnen. Noch einen Drink?«

»Ja, bitte.«

Ich trank gedankenverloren, während mir der Barmixer des längeren und breiteren erzählte, wie er in der Nacht, als seine Scheidung perfekt geworden war, in Las Vegas das Große Los zog und – o Mannomann! – mit einem phantastischen Showgirl, das gerade kein Engagement hatte, ins Bett gegangen war.

Sein Glück gab mir wieder so viel Mut, daß ich beschloß, meinen Freund und Klienten Francis Xavier Mendoza, der in Brentwood lebt, anzurufen. Er ist noch ein Stück »Old California« – Missionsglocken, die Schwalben von Capistrano, all dies und noch viel mehr. Ein kleines Wunder: ein kastilischer Gentleman, der sich vor dem vulgären Treiben an der Westküste bewahrt hat. Er hat drei Söhne und eine hübsche Tochter. Er geht an Sonn- und Feiertagen zur Messe, keltert den besten Wein im Napa-Valley und müht sich in seiner Freizeit damit ab, die Gedichte von Alonso Machado ins Englische zu übersetzen. Im politischen Leben Kaliforniens ist er eine Art von Chamäleon – er ist allgegenwärtig, man muß immer mit ihm rechnen, aber man kann ihn nur schwer einordnen.

Als ich ihm sagte, ich müsse ihn unbedingt sehen, hieß er mich auf seine altertümliche Art willkommen. »Mein Haus ist Ihr Haus. Kommen Sie sofort, je schneller, desto besser!«

Vierzig Minuten später stellte ich ihm, als wir gemütlich in seinem Garten saßen, die entscheidende Frage: »Was können Sie mir über Basil Yanko und Creative Systems Incorporated erzählen?«

Er verzog sein Gesicht mit der Adlernase voller Abscheu. »Der? Ein brutaler Mann, aber er besitzt Macht. Die Hälfte der Großunternehmen an der Westküste nehmen seine Dienstleistungen in Anspruch und gehen vor ihm auf die Knie, wenn seine Rechnungen fällig sind. Ich – ich würde nicht einmal in demselben Meer mit ihm baden gehen.«

»Was ist denn an ihm auszusetzen?«

»Rechtlich gar nichts. Er liefert den besten Computerservice im ganzen Land – Systeme, Programme, Sicherheit, alles, worauf es ankommt. Er ist ein Wunderknabe. Sobald er aber einmal drin ist, kann man ihn nicht mehr loswerden. Er kontrolliert die Systeme, so daß er von jedem Schritt erfährt, den der betreffende Unternehmer macht. Ein einziges Zeichen von Schwäche, und er sitzt im Büro des Präsidenten. So ist er bei drei Freunden von mir vorgegangen – außerdem bei einem Feind, der dieses Schicksal mehr als verdient hatte. Warum fragen Sie, Paul?«

»Auch wir arbeiten mit ihm. Wir glauben, daß er unsere Unterlagen manipuliert hat.«

»Ay de mí! Das ist böse.«

»Ist er hier auch bei anderen so vorgegangen?«

»Es gibt Gerüchte, aber keine Beweise.«

»Ließen sich Beweise beibringen, wenn wir Nachforschungen anstellten?«

»Im Kalifornien von heute? Ausgeschlossen. Was glauben Sie denn! Der Präsident ist in die Schußlinie geraten, der Kongreß hat Angst, das Volk ist demoralisiert. Ich könnte wahrscheinlich nicht einmal zwanzig Männer in dieser Stadt nennen, die nicht von irgend jemandem gekauft worden sind. Nicht einmal zehn würden einer öffentlichen Prüfung ihres Geschäftsgebarens standhalten.«

»Das ist ein trauriges Urteil.«

»Traurig und unheilvoll. Ich könnte Ihnen leichter einen Mörder als einen ehrlichen Mann oder einen tapferen Kerl beschaffen. Ich weiß...«, er warf die Arme mit dem Ausdruck der Verzweiflung in die Höhe, »... ich übertreibe, das tue ich immer. Ich bin wie Diogenes, der aus seinem Faß grollend herausschaut. Aber so ist nun einmal unsere Zeit. Wenn man auf Kredit lebt, wie es die meisten Amerikaner tun, kann man immer unter Druck gesetzt werden. Wenn man in der Firma die Leiter hinaufsteigt, fürchtet man sich vor dem Mann weiter oben und dem anderen unter einem. Darauf beruht Yankos Macht. Er kennt jedermanns Geheimnisse. Und was er nicht weiß, kann er erfinden, in den Computer einspeichern und als Evangelium verkünden, sobald er den Augenblick für gekommen hält.«

»Wie kann man ihn schlagen?«

»Es gibt nur eine Möglichkeit: Leben Sie in seiner Welt. Spielen Sie ihm – vielleicht jahrelang – im Schatten etwas vor, bis Sie ihn dann eines Tages ans Licht zerren und zur Strecke bringen. Für dieses Spiel brauchen Sie jedoch starke Nerven. Wenn Sie zum Essen ausgehen, setzen Sie sich stets mit dem Gesicht zur Tür und mit dem Rücken gegen eine feste Ziegelwand... Das ist ein guter Rat. Vergessen Sie ihn nicht. Ich werde mich umhören. Wenn ich irgend etwas Nützliches erfahre, werde ich Ihnen Bescheid sagen.«

»Sie sind ein guter Christ, Francis.«

»Das ist nicht mein Verdienst. Ich hatte eine Mutter – Gott hab sie selig –, die mir Ohrfeigen gegeben und gute Manieren beigebracht hat. So, und jetzt darf ich Ihnen einen Sherry anbieten. Es ist meine beste Flasche, und ich bin sehr stolz darauf.«

Er schenkte mir ein und brachte den Toast aus: auf Gesundheit, viel Geld und Liebe – und auf die Zeit, diese drei genießen zu können.

Während ich trank, hatte ich das unheimliche Gefühl, als blicke mir Basil Yanko über die Schulter – grinsend wie ein Totenschädel über so viel Ironie.

Vor Jahren, als ich noch in Tokio war und Eisenerz verhökerte, das noch in der Erde lag, und meine Kommission ausgab, bevor ich sie verdient hatte, schloß ich Freundschaft mit Kiyoshi Kawai, dem Nestor des japanischen Kunstdrucks. Er war damals schon ein alter Mann, aber noch voller Saft und Phantasie. Jedesmal, wenn ich mich elend fühlte – was häufig vorkam –, ging ich in sein Atelier und sah ihm stundenlang zu, wie er Druckstöcke schnitzte, Farben mischte und seine Gesellen schalt, wenn der Abdruck auch nur um Haaresbreite unscharf war.

Wenn Kiyoshi deprimiert war – was zwar selten vorkam, dann aber ungeheure Auswirkungen hatte –, nahm er mich in einen Transvestitenklub in Shinjuku mit, wo die Männer als Geishas verkleidet auftraten und die wenigen Mädchen wie alte Samurais wirkten. Sie umflatterten den Meister, während er Skizzen von ihnen entwarf. Sie schenkten ihm endlose Tassen Sake ein, und er improvisierte Haikus und hielt sie mit herrlichen Pinselstrichen fest. Für mich war es immer ein entnervendes Erlebnis, denn es fiel mir nach dem vielen Sake und dem Kirin-Bier schwer, die Knaben von den Mädchen zu unterscheiden – und ich mußte den Alten nach Hause bringen, bevor er anfing, Banknoten zu signieren und als Souvenirs zu verteilen.

Und auf einer dieser Exkursionen verriet er mir sein Rezept für ein gutes Leben. Als er nüchtern war, bat ich ihn, mir den Text in Kanji-Zeichen aufzuschreiben; und wo immer ich die Schriftrolle aufhänge, fühle ich mich zu Hause. Der Text lautet: »Mische niemals Farben, wenn der Westwind weht, und gehe niemals mit einer fuchsgesichtigen Frau ins Bett.« Es ist zu schwierig, diesen Ausdruck um Mitternacht zu erklären; deshalb habe ich ihn als Prolog der Schilderung eines sehr schlechten Tages vorangestellt.

Er begann mit einer Reihe kleinerer Unglücksfälle. Ich erwachte früh, ging zum Pool, um etwas zu schwimmen, rutschte auf den nassen Fliesen aus und verstauchte mir den Knöchel. Dann brach der Smog über uns herein, und in fünf Minuten tränten mir die Augen und ich mußte dauernd niesen. Um acht rief Suzanne aus Genf an. Ich gab ihr die gute Nachricht von Harlekins bevorstehender Genesung, und sie schloß einen Bericht von der Heimatfront an. Unsere Filialleiter seien durch mein Telegramm nervös geworden. Sie machten sich plötzlich große Sorgen um die Interessen ihrer Klienten und ihr eigenes Schicksal. Ob ich die Instruktionen wohl näher erläutern könne? Da ich nicht einmal das Alphabet ohne Harlekins Vollmacht erläutern konnte, diktierte ich eine beruhigende Mitteilung, daß der Direktor am Leben sei, es gehe ihm gut und er werde sich bald wieder persönlich um sie kümmern. Weitere Weisungen würden in achtundvierzig Stunden folgen – so hoffte ich wenigstens. Und zu allem Unglück rief Juliette an und bat mich, mit ihr zu frühstücken. Sie war sehr aufgeregt, weil der kleine Paul mit Windpocken im Bett liege und das dumme Kindermädchen das Ereignis mit einem in Schwyzerdütsch abgefaßten hundert Worte langen Telegramm gefeiert habe, das überdies verstümmelt angekommen war. Sie hatte auch noch andere Dinge auf dem Herzen; und ich war zum Beichtvater auserkoren.

»Paul, wir sind seit langer Zeit gute Freunde. Wir haben keine Geheimnisse voreinander.«

»Doch, meine Liebste, denn ohne sie könnten wir nicht leben. Fang noch einmal von vorn an.«

»Du bist gemein.«

»Schön, ich bin schlecht gelaunt und gräßlich, und ich habe heute keinen guten Tag. Was ist der nächste Punkt?«

»Ich mache mir Sorgen um George.«

»Um George und dich, oder nur um George?«

»Nur um George.«

»Gestern sprachst du noch von einer zweiten Hochzeitsreise. Was ist denn passiert, daß du jetzt auf einmal deine Meinung geändert hast?«

»Er sagte mir gestern abend, daß er daran denke, Harlekin et Cie. zu verkaufen.«

»Hat er dir auch gesagt, warum oder an wen?«

»Nein... Ich dachte, du wüßtest es.«

»Hör mal zu, Julie, machen wir uns doch nichts vor. Ich habe euch beide sehr gern. Aber ich mache mit deinem Mann Geschäfte und erzähle außerhalb des Direktionszimmers keine Märchen.«

»Er hat also darüber gesprochen.«

»Das habe ich nicht gesagt.«

»Scher dich zum Teufel, Paul Desmond.«

»Ich bin schon auf dem Wege, meine Liebe.«

»Nein, bitte! Warte!... Es tut mir leid. Ich bin gemein zu dir gewesen. Aber glaub mir, ich mache mir große Sorgen. George hat sich verändert. Du weißt gar nicht, wie sehr.«

»Du lieber Himmel! Er ist lange krank gewesen. Er ist noch nicht ganz wieder bei sich. Er hat Depressionen. Das ist normal. Du erwartest doch nicht etwa, daß er plötzlich Fandango tanzt, oder?«

»Warum will er die Firma verkaufen?«

»Vielleicht will er seine Anteile realisieren, das Geld investieren und eine Weltreise antreten. Warum nicht?«

»Was wäre er ohne die Firma?«

»Ein glücklicher Mensch?«

»Oder ein reicher Nichtstuer mehr.«

»In den langen Jahren unserer Freundschaft habe ich ihn nie untätig erlebt.«

»Also ein Amateur, der keinerlei Verpflichtungen hat.«

»Er ist dir gegenüber verpflichtet.«

»Ist er das wirklich? Ich frage mich das oft.«

»Ich weiß nicht, Julie, ich bin nur ein alter Junggeselle, den manchmal der Hafer sticht.«

»Paul, ich hasse dich, wenn du dein Grinsen aufsetzt und dich vor einem ernsten Gespräch herumdrückst.«

»Was erwartest du denn von mir? Du bist eine erwachsene, verheiratete Dame. Du kennst den Text und die Melodie. Sing sie George vor.«

»Ich würde nicht den richtigen Ton treffen.«

»Das nehme ich dir nicht ab. Du willst dich einfach nur nicht entscheiden.«

»Wozu?«

»Ob du aus George Harlekin wieder den kleinen Jungen machen sollst – oder dich selbst wie ein erwachsenes Frauenzimmer benehmen willst.«

»Weißt du denn nicht, warum?«

»Ich will es gar nicht wissen. Es ist deine Sache, nicht meine... Harlekin will uns beide heute nachmittag im Krankenhaus sehen. Ich werde dich um drei abholen.«

Ich ließ sie bei ihrem kalten Kaffee sitzen und ging im Garten spazieren. Ich ärgerte mich über sie, über mich selbst, über Harlekin und über die ganze verkrampfte Welt. Eine Ehekrise konnte ich ebensowenig gebrauchen wie ein drittes Bein. Wenn wir nicht innerhalb von achtundvierzig Stunden eine neue Geschäftspolitik entwickeln konnten, würde es mit Sicherheit zu einer Palastrevolution kommen. Und was die Sache noch schlimmer machte: Harlekin, der sonst allen Situationen gewachsen war, schien mit den Kräften nachzulassen. Drei Menschen hatten eine Schwäche in ihm gespürt und wollten diese ausnutzen: Basil Yanko, Karl Krüger, seine eigene Frau. Ich war der einzige, der nichts davon gemerkt hatte. War ich der Einäugige, der unter den Blinden König war? Oder war ich nur der dumme Paul, der Trottel, der sich von dem Glanz eines Talmi-Prinzen hinters Licht führen ließ? Ich mußte es wissen, wenn auch nur deshalb, um meine Selbstachtung zu behalten.

Dann, weil ich mich ärgerte und weil ich, wenn ich mich ärgere, mit dem Kopf durch die Wand gehe, beschloß ich, meinen eigenen Privatkrieg zu führen. Ich rief das New Yorker Büro der Creative Systems Incorporated an und verlangte, mit Basil Yanko zu sprechen. Ich mußte nacheinander vier Leuten meinen Namen nennen, bevor er an den Apparat kam.

»Mr. Desmond, welch ein Vergnügen! Was kann ich für Sie tun?«

»Ich bin übermorgen in New York. Ich möchte mich mit dem Mann unterhalten, der unseren Bericht zusammengestellt hat.«

»Es ist kein Mann, sondern eine Frau. Ihr Name ist Hallstrom ... Valerie Hallstrom.«

»Ich möchte sie trotzdem gern kennenlernen. Anschließend möchte ich mit Ihnen sprechen.«

»Ausgezeichnet. Würden Sie vielleicht einen Zeitpunkt vorschlagen?«

»Ich habe noch keine Buchungen vorgenommen. Kann ich Sie anrufen, wenn ich da bin?«

»Ja. Haben Sie mein Angebot an Mr. Harlekin weitergeleitet?«

»Ja. Er überlegt es sich. Ich erwarte seine Entscheidung im Laufe des heutigen Tages.«

»Gut! Wie geht es ihm?«

»Er erholt sich langsam.«

»Ich bin sehr froh darüber. Übermitteln Sie ihm meine besten Wünsche.«

»Das werde ich tun. Also dann, bis später...«

Ich hatte noch keine Vorstellung, was ich ihm an jenem Tag oder an irgendeinem anderen Tag sagen würde. Aber ich hatte ihm wenigstens eine Laus in den Pelz gesetzt und hoffte, er würde eine Weile etwas zum Kratzen haben. Ich ging in mein Zimmer zurück und rief die Hotelsekretärin an. Sie kam, und wir setzten uns neben den Swimmingpool, um die von George Harlekin auszufertigenden Vollmachten und Aufträge zu entwerfen. Es war eine unangenehme Arbeit, aber sie vertrieb mir die Zeit bis zum Mittag, als ich mich in die Bar zu einem kurzen Drink vor dem Lunch begab.

Der Barmixer begrüßte mich mit Namen und wies auf einen Mann, der allein in der Ecke neben dem Fenster saß. »Der Herr dort, Sir. Er ist gerade hereingekommen und hat nach Ihnen gefragt.«

Er war jung, kaum dreißig, und trug einen Jersey-Anzug in italienischem Schnitt. Er erhob sich, als ich auf ihn zuging, und stellte sich wohlerzogen vor. »Mr. Desmond? Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Sir. Ich bin Alex Duggan von Creative Systems Incorporated. Unser New Yorker Büro hat mich beauftragt, eine dringende Nachricht zu übermitteln. Ich habe in Ihrem Appartement angerufen. Sie waren nicht da. Ich dachte, ich könnte es in der Bar versuchen. Wollen Sie sich nicht setzen?«

Ich setzte mich.

Der Barmixer stellte mir den Drink auf den Tisch. Ich fragte: »Sagten Sie nicht, Sie hätten eine Nachricht für mich?«

»Ja, Sir. Es ist ein Fernschreiben aus dem Büro unseres Präsidenten. Falls Sie antworten wollen, würden wir uns freuen, Ihren Text nach New York weiterleiten zu dürfen.«

Die Nachricht war ein formelles, präzise formuliertes Dokument:

»Auf der Basis überprüfter Berechnungen und einer Drei-Jahres-Produktion bewerten wir Harlekin et Cie. mit 58 Dollar je Aktie. Diese Mitteilung bildet festes Barangebot für Gesamtaktien zu 1000 Dollar je Aktie. Sie werden ersucht, Angebot unmittelbar an Mr. George Harlekin zu übermitteln und ihn zu informieren, daß wir bereit sind, über großzügige Verkaufsbedingungen oder Verzicht seiner bestehenden Optionen zu verhandeln. Andere Aktionäre sind unterrichtet worden... Basil Yanko, Präsident, Creative Systems Incorporated.«

Ich schob die Nachricht in meine Brusttasche und kritzelte auf den Umschlag eine Antwort:

»Empfang der Mitteilung bestätigt... Paul Desmond.«

Der junge Mann legte den gefalteten Umschlag andachtsvoll in seine Brieftasche.

»Ich werde den Text durchgeben, sobald ich wieder im Büro bin.«

»Darf ich Ihnen einen Drink anbieten, Mr. Duggan?«

»Nein, vielen Dank, Sir. Ich trinke nie im Dienst. Das ist bei uns so üblich, wissen Sie.«

»Wie lange arbeiten Sie schon für Creative Systems, Mr. Duggan?«

»Drei Jahre.«

»Und was tun Sie?«

»Kundendienst.«

»Und was beinhaltet das?«

»Ich habe mein eigenes Arbeitsgebiet, Sir. Ich besuche alle unsere Kunden einmal im Monat. Ich untersuche Beschwerden, schlage Verbesserungen vor, entwickle Pläne für den Einsatz größerer Geräte, was auf das Wachstum der betreffenden Firma abgestimmt sein muß.«

»Werden Sie gut bezahlt?«

»Sehr gut. Wir haben Prämiensysteme, Vorkaufsrechte und so weiter. Es ist ein guter Job mit ausgezeichneten Entwicklungsmöglichkeiten.«

»Sehen Sie Mr. Basil Yanko ab und zu?«

»Nicht oft. Aber wir wissen, daß er da ist – o ja, Sir! Er weiß, was jeder einzelne tut, bis hinunter zum Reinigungspersonal. Wenn man nichts leistet, bleibt man nicht lange bei Creative Systems.«

»Sie haben also einen erheblichen Wechsel im Personal?«

»Eigentlich nicht. Der laufende Wechsel ist gerade so groß, daß wir in Schwung bleiben. Man behauptet, daß sogar Bewerber, die von uns abgelehnt werden, besser als die meisten sind. Sie finden deshalb leicht andere Jobs.«

»Das ist interessant. Wo bewerben sie sich?«

»Die meisten älteren Computerleute lassen sich bei drei großen Agenturen in New York und zwei weiteren hier an der Westküste eintragen.«

»Und betreibt Ihre Gesellschaft auch eine Stellenvermittlung?«

»Nein, Sir. Wir rekrutieren und bilden Mitarbeiter nur für uns selbst und unsere Kunden aus. Das ist unser System. Mr. Yanko achtet streng darauf.«

»Schön, ich danke Ihnen, Mr. Duggan. Ich möchte Sie jetzt nicht länger aufhalten.«

»Es war mir ein großes Vergnügen, Sir. Und Ihre Nachricht wird in einer halben Stunde in New York sein.«

Er war ein angenehmer, junger Mann – gerade noch so naiv, daß er echt wirkte. Ich gab ihm die Hand, begleitete ihn zur Tür und ging dann nachdenklich zu meinem Drink zurück. Mir war unbehaglich zumute. Jetzt hatte ich