Harte Stunden der Bewährung: 7 Spannungsromane in einem Paket - W. K. Giesa - E-Book

Harte Stunden der Bewährung: 7 Spannungsromane in einem Paket E-Book

W. K. Giesa

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Spannungsromane: (599) In der Höhle des Löwen (Pete Hackett) Die Insel des Roten Todes (Horst Weymar Hübner) Mission Peacemaker (Pete Hackett) Schiffsreise in die Hölle (Horst Weymar Hübner) Die schweigende Front (Theodor Horschelt) Die Höllenpiste von Montana (W.K.Giesa) Flammen über Alabama (W.K.Giesa) Bei einer alljährlichen Kreuzfahrt, zu der Olof Peterson, Streichholzkönig und Reeder, die Reichsten der Reichen auf seine riesige Luxusjacht einlädt, geschehen seltsame Dinge. Ein Gast der Reise, die zu den Bermuda-Inseln führt, wird erstochen, ein weiterer erleidet einen tödlichen Unfall. Hat der mysteriöse Leibwächter Keglevic etwas damit zu tun? Der Erste Offizier, Iannis Moustakis, und der deutsche Schiffsarzt Dr. Wagener, versuchen, den Vorfällen auf den Grund zu gehen. Aber nicht nur ein Mörder treibt auf dem Schiff sein Unwesen. Plötzlich fallen beim Passieren des berüchtigten Bermuda-Dreiecks Kompass und Navigationsgeräte aus ...

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Pete Hackett, Horst Weymar Hübner, Theodor Horschelt, W.K.Giesa

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Inhaltsverzeichnis

Harte Stunden der Bewährung: 7 Spannungsromane in einem Paket

Copyright

In der Höhle des Löwen

DIE INSEL DES ROTEN TODES

Mission Peacemaker

Schiffsreise in die Hölle

Die schweigende Front

Die Höllenpiste von Montana

Flammen über Alabama

Harte Stunden der Bewährung: 7 Spannungsromane in einem Paket

Pete Hackett, Horst Weymar Hübner, Theodor Horschelt, W.K.Giesa

Dieser Band enthält folgende Spannungsromane:

In der Höhle des Löwen (Pete Hackett)

Die Insel des Roten Todes (Horst Weymar Hübner)

Mission Peacemaker (Pete Hackett)

Schiffsreise in die Hölle (Horst Weymar Hübner)

Die schweigende Front (Theodor Horschelt)

Die Höllenpiste von Montana (W.K.Giesa)

Flammen über Alabama (W.K.Giesa)

Bei einer alljährlichen Kreuzfahrt, zu der Olof Peterson, Streichholzkönig und Reeder, die Reichsten der Reichen auf seine riesige Luxusjacht einlädt, geschehen seltsame Dinge. Ein Gast der Reise, die zu den Bermuda-Inseln führt, wird erstochen, ein weiterer erleidet einen tödlichen Unfall. Hat der mysteriöse Leibwächter Keglevic etwas damit zu tun? Der Erste Offizier, Iannis Moustakis, und der deutsche Schiffsarzt Dr. Wagener, versuchen, den Vorfällen auf den Grund zu gehen. Aber nicht nur ein Mörder treibt auf dem Schiff sein Unwesen. Plötzlich fallen beim Passieren des berüchtigten Bermuda-Dreiecks Kompass und Navigationsgeräte aus ...

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author /

© dieser Ausgabe 2020 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Alles rund um Belletristik!

In der Höhle des Löwen

von Pete Hackett

Military Action Thriller

Ein CassiopeiaPress E-Book

© by Author www.Haberl-Peter.de

© der Digitalausgabe 2013 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

Maschinenpistolen ratterten. Jemand feuerte mit einer Pistole. Die Detonationen vermischten sich zu einem hämmernden Stakkato. Der Konvoi war zum Stehen gekommen. Raue Stimmen brüllten irgendwelche Befehle. Etwas explodierte, wahrscheinlich eine Handgranate. Max Steiner und Johann Weiser, die beiden deutschen Rot-Kreuz-Helfer, ahnten Schlimmes. Bei ihnen im Wagen saß Jim Svenson, der englische Journalist. Die drei Männer wechselten nervöse Blicke. In ihren Gesichtern zuckten die Muskeln.

Die Tür des Landrovers, in dem sie saßen, wurde aufgerissen und ein Mann hielt die MPi in den Wagen. Er rief einige Worte in arabischer Sprache und winkte mit der Waffe. Weitere Bewaffnete zeigten sich. Etwas weiter entfernt wurde nach wie vor geschossen.

Steiner, Weiser und Svenson hatten nicht verstanden, was der Bewaffnete von ihnen wollte. Vorsichtshalber hoben sie die Hände.

"Ich denke, dass wir aussteigen sollten", sagte Jim Svenson. Das Entsetzen verzerrte seine Stimme. Die Stimmbänder wollten ihm kaum gehorchen. "Himmel, was wollen die von uns?"

"Ja, aussteigen", radebrechte der Bewaffnete in schlechtem Englisch. "Hände oben lassen. Raus!"

Nacheinander kletterten die drei Europäer aus dem Landrover. Nebeneinander stellten sie sich auf.

"Aufständische", murmelte Max Steiner. "Leute von el Sadr. Was die wohl von uns..."

Einer der Kerle rammte Steiner den Lauf der MPi in den Leib. Der deutsche quittierte den Stoß mit einem erschreckten Aufschrei und beugte sich nach vorn. Einer der Bewaffneten griff ihm in die Haare. "Du ruhig. Kein Wort mehr - sonst sterben."

Steiner schluckte würgend. Er war überzeugt davon, dass der Überfall auf das Konto von Moktada el Sadr ging. Der radikale schiitische Geistliche führte seinen eigenen Krieg. Seine Anhänger waren es, die den US-Truppen die Stirn boten, die sie sogar aus einigen Städten vertrieben hatten und die ihren sunnitischen Glaubensbrüdern im umkämpften Falludscha zu Hilfe geeilt waren.

In Steiners Eingeweiden wühlte die Angst. Sie drückte sich in jedem Zug seines Gesichtes aus und ließ seine Hände zittern.

Auch Weiser und Svenson waren voll Furcht. Diese fanatischen Kerle, die sie mit ihren Waffen bedrohten, waren unberechenbar. Jeden Moment konnte einer von ihnen den Finger um den Abzug seiner MPi oder Pistole krümmen.

Ein Stück weiter ertönte Geschrei. Jemand wurde aus einem Jeep gezerrt. Es war in Mann im Tarnanzug der US-Streitkräfte. Eine MPi-Salve ratterte. Jemand lachte und rief etwas auf Arabisch.

"Wir sind Angehörige des Deutschen Roten Kreuzes", entrang es sich Johann Weiser. "Wir sind in Ihrem Land, um zu helfen. Warum..."

Weiser brach entsetzt ab, als er, Steiner und Svenson gepackt und fortgezerrt wurden. Ein Kolbenstoß traf den Journalisten. Er ging stöhnend in die Knie, wurde aber unerbittlich weiter getrieben. Zu beiden Seiten der Straße buckelten Hügel. Am Fuße einer dieser Anhöhen stand ein Lastwagen mit einer Plane über der Ladefläche. Die beiden Deutschen und der Engländer mussten aufsteigen. Ein halbes Dutzend Bewaffnete kletterten zu ihnen auf die Ladefläche. Da gab es hölzerne Sitzbänke. Die drei Gefangenen setzten sich und auch die Aufständischen ließen sich nieder.

Hoffnungslosigkeit und Resignation griff nach den drei Männern, deren Schicksal in absoluter Dunkelheit lag.

Die Fahrt ging nach Osten und nach etwa einer Stunde nahm sie das Felsengebirge auf. Das Fahrzeug bog von der Straße ab und benutzte schlechte Feldwege. Staub quoll unter den Rädern in die Höhe. Immer tiefer ging es in die Felswüste hinein. Dann wurde der LKW in eine Schlucht gelenkt und wenig später angehalten. Stimmen erklangen vorne beim Führerhaus. Schließlich ging es weiter. In einem Hochtal wurde der LKW erneut abgebremst und die Gefangenen mussten absteigen. Ihre Wächter sprangen ebenfalls von der Ladefläche.

Steiner, Weiser und Svenson sahen sich um. In einem Unterstand, über den ein Tarnnetz gespannt war, war ein weiterer LKW abgestellt. Daneben stand ein Jeep. Einige Männer, die sich bei den Fahrzeugen befanden, blickten zu ihnen her. Sie wurden auf ein Tor aus Stahlblech zu getrieben, das mit Tarnfarbe gestrichen war und in den Felsen führte. Einige Bewaffnete nahmen sie in Empfang.

*

Fort Conroy, South Carolina, Hauptquartier des Special Task Team Alpha, Büro des STTA-Oberbefehlshabers

Montag, 0732 ETZ

Das Telefon auf General Mantofanis Schreibtisch dudelte. General Mantofani war Oberbefehlshaber der STTA, der Eingreiftruppe, die vor kurzer Zeit ins Leben gerufen wurde und die in den Diensten der UN stand.

Der General drückte einen Knopf. Auf dem Monitor der Telefonanlage erschien das Gesicht Hermann von Schellhorns, seines Zeichens STTA-Attaché beim Sicherheitsrat und für die Verbindung der Spezialeinheit zur Politik zuständig.

"Guten Tag, General", tönte von Schellhorns Stimme aus dem Lautsprecher. "Ich muss Sie leider schon in aller Frühe mit wenig erfreulichen Nachrichten attackieren."

"Reden Sie nicht um den Brei herum, von Schellhorn", grollte Mantofani. "Worum geht es?"

"Soeben wurde durch das Pentagon bekannt gegeben, dass schiitische Aufständler einen Konvoi überfallen haben, der von Bagdad nach Falludscha unterwegs war. Der Überfall fand etwa zehn Meilen vor Falludscha statt."

"Dass die Gewalt zwischen den Koalitionstruppen und den Aufständischen im Irak eskaliert, ist uns allen klar", sagte Mantofani. "Um mir von dem Überfall zu erzählen haben Sie mich aber doch nicht angerufen, von Schellhorn. Also schießen Sie los. Was ist der Grund für Ihren Anruf?"

"Es wurden zwei Deutsche und ein englischer Journalist als Geiseln genommen. Bei den Deutschen handelt es sich um Angehörige des Roten Kreuzes. Die Entführer drohen, die Geiseln zu ermorden, wenn die Engländer ihre Truppen nicht innerhalb einer Woche aus dem Irak abziehen."

"Wer steckt dahinter?"

"Man vermutet hinter der Aktion Moktada el Sadr als Drahtzieher."

"Natürlich", murmelte Mantofani. "Wen auch sonst? Jeder Mann, der im Kampf gegen die Amerikaner sein Leben verliert, ist ein Märtyrer und festigt die Position dieses Burschen. Mit militärischen Mitteln ist ihm nicht beizukommen. Er gewinnt immer mehr Macht und Ansehen."

"Sehr richtig, General. Jetzt verlegt er sich auf Erpressung. Allerdings hat die US-Zivilverwaltung Verhandlungen mit den Geiselnehmern ausgeschlossen. Auch England ist nicht bereit, wegen der Geiseln zu verhandeln."

"Das heißt?"

"Dass STTA gefordert ist, General."

"Ist das nicht eine nationale Angelegenheit?", fragte Mantofani. "Sache der Engländer? Warum verhandeln sie nicht mit den Kidnappern?

"Keine Regierung lässt sich erpressen, General. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Man will aber auch die Geiseln nicht ihrem Schicksal überlassen. Darum wurde im Sicherheitsrat der Einsatz von STTA gefordert."

"Weiß man, wo die Geiseln gefangen gehalten werden?"

"Entweder in Falludscha, oder irgendwo in einem Bunker in den Bergen. Aber das ist nur Vermutung."

"Das ist ein Himmelfahrtskommando", gab Mantofani zu verstehen.

"Ja, die Situation ist ernster als je zuvor. Man vermutet, dass es nicht bei der einen Geiselnahme bleibt. Verschiedene nationale Hilfsorganisationen prüfen angesichts der dramatischen Lage ihren Rückzug aus den umkämpften Gebieten."

"Und der amerikanische Präsident spricht immer noch von einem Sieg über den internationalen Terrorismus", knurrte Mantofani. "Es ist ein Hohn."

"Er ist der mächtigste Mann der Welt", versetzte von Schellhorn. "Mag man persönlich von ihm halten, was man will - man sollte es für sich behalten." Es klang wie eine Zurechtweisung.

Mantofani hatte schon eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, schluckte sie aber und sagte lediglich: "Sicher, von Schellhorn. Ich verstehe."

"STTA hat sechs Tage Zeit, die Geiseln zu befreien", sagte der deutsche STTA-Attaché. "Eine verdammt kurze Zeit, wenn man bedenkt, dass niemand außer den Entführern weiß, wo die Geiseln festgehalten werden. Es gibt tausend Möglichkeiten."

"Vielen Dank für den Hinweis", kam es etwas spöttisch von Mantofani. "Meine Leute werden die tausend Möglichkeiten in Betracht ziehen. In 144 Stunden können sie wahrscheinlich die Welt aus den Angeln heben."

"Sparen Sie sich Ihren Zynismus, Mantofani", schnarrte die Stimme von Schellhorns. "Er ist angesichts der absolut ernsten Situation unangebracht."

"Ich halte Sie auf dem Laufenden", versprach Mantofani unbeeindruckt, dann beendet er das Gespräch. Sogleich tippte er eine Nummer und ging auf Verbindung. Eine dunkle Stimme meldete sich: "Colonel John Jarrett, Fort Conroy..."

"Mantofani. Colonel, kommen Sie sofort zu mir. Es gibt Arbeit für Sie und Ihr Team."

"Ich bin in zwei Minuten bei Ihnen, Sir."

*

Fort Conroy, South Carolina, Hauptquartier des Special Task Team Alpha, Büro des STTA-Oberbefehlshabers Mantofani,

Montag, 0742 ETZ

"Sechs Tage", murmelte Colonel John Jarrett. Er war Gruppenkommandant der STTA, die aus insgesamt sieben Männern und Frauen bestand. "Eine ausgesprochen kurze Zeit, Sir."

"Ich weiß, Colonel. Niemand weiß, wo die Geiseln festgehalten werden. Das herauszufinden und sie zu befreien ist Ihre Aufgabe. Es ist sicher nicht einfach. Aber denken Sie daran, dass STTA einen Ruf zu wahren hat. Es gibt auch Gegner dieser Einrichtung, und es wäre Wasser auf deren Mühlen, wenn STTA versagen würde."

"Wann fliegen wir?"

"In vier Stunden, würde ich sagen. Besprechen Sie sich mit Ihren Leuten, Colonel. Überlegen Sie sich, wie Sie vorzugehen gedenken. Sie werden mit einer Militärmaschine nach Bagdad geflogen. Sobald Sie abgesetzt werden, sind Sie und Ihre Mannschaft auf sich alleine gestellt."

Jarrett, der vor dem Schreibtisch des Generals auf einem Stuhl saß, erhob sich und nahm Haltung an. "Wir werden unser Bestes geben, Sir. Ob unserer Mission Erfolg beschieden sein wird, kann ich leider nicht voraussagen. Aber wir werden alles daransetzen."

"Das weiß ich, Colonel. Ich wünsche Ihnen und Ihren Leuten Hals- und Beinbruch. Kommen Sie gesund wieder - und kommen Sie vor allem mit einer Erfolgsmeldung zurück. Ich verlasse mich auf Sie."

Mantofani kam um den Schreibtisch herum und reichte Jarrett die Hand. Der Colonel schüttelte sie, dann salutierte er, machte kehrt und verließ das Büro des Generals.

*

Fort Conroy, South Carolina

Montag, 0750 ETZ

Sämtliche Mitglieder des STTA-Teams fanden sich im Besprechungszimmer ein. Zuletzt kam Martin Schnurrer, der Vertreter Jarretts. Er lächelte entschuldigend in die Runde und setzte sich.

"Einer kommt immer zu spät", schimpfte Dr. Longtree, meinte es aber nicht so ernst, wie es vielleicht den Eindruck hatte.

"Tut mit leid", erwiderte Schnurrer. "Ich stand unter der Dusche."

Sie waren vollzählig. Da waren die beiden Ladys des Teams, Dr. Ina Longtree und Angel Morales. Dr. Longtree begleitete das Team als Ärztin. Neben ihr hatte Sergeant Alfredo Rossero, der Nahkampfspezialist, der einer italienischen Eliteeinheit angehört hatte, Platz genommen. Außerdem waren noch Pierre Dupont, der Computerspezialist, und Wladimir Iwanow, der Motorisierungsexperte, anwesend.

Es war eine internationale Besetzung. Jedes Mitglied der Gruppe war für sich ein Spezialist. Einer war im Einsatz auf den anderen angewiesen. Einer für alle, alle für einen. Das war die Devise. Dieser Kodex war ihnen vom ersten Tag an eingeimpft worden.

"Okay", begann Colonel Jarrett. "Ein neuer Einsatz steht bevor, Leute. Im Irak haben schiitische Aufständische zwei Deutsche und einen Engländer als Geiseln genommen. Sie verlangen, dass England seine Truppen aus dem Irak abzieht. In und um den Irak sind derzeit etwa 11.000 Briten stationiert. Dazu kommen 15.000 Soldaten aus anderen Nationen. Die größten Kontingente haben Italien, Polen, die Ukraine, Spanien und Holland entsandt. Es besteht die Gefahr, dass weitere Geiseln aus den besagten Ländern genommen werden."

"Sollen wir die Geiseln etwa befreien?", kam sogleich die Frage von Alfredo Rossero. "Warum lenkt die englische Regierung nicht ein?"

"Weil die englische Regierung nicht erpressbar ist", versetzte der Colonel. "Ebenso wenig wie die amerikanische, die deutsche, die polnische und so weiter und so fort. Man will dem Terrorismus keinen Hebel bieten. Geht man einmal auf die Forderungen der Geiselnehmer ein, ist kein Ende von Erpressungen ähnlicher Art abzusehen."

"Wir sollen also in den Krieg eingreifen", stellte Dr. Longtree fest.

"Nicht in den Krieg, Dr. Longtree", widersprach Jarrett. "Der ist seit einem Jahr vorbei", fügte er dann mit sarkastischem Unterton hinzu. "Wir sollen Menschen aus der Gewalt der Aufständischen befreien, die mit dem Krieg nichts zu tun hatten, die in friedlicher Mission im Irak unterwegs waren und deren Leben auf dem Spiel steht."

Dr. Longtree verzog den Mund. "Weiß man denn, wo die Geiseln festgehalten werden?"

"Das ist das Problem", antwortete Jarrett. "Man weiß es nicht. Wir haben von heute an gerechnet sechs Tage Zeit, das Versteck der Geiseln herauszufinden und sie zu befreien."

"Das ist kaum zu schaffen", wandte Rossero ein. "Können nicht amerikanische oder britische Aufklärer..."

Jarrett winkte ab. "Nein. Die Geiseln können in einer Stadt gefangen gehalten werden, ebenso gut aber auch irgendwo in der Felswildnis."

"Wir wissen also gar nichts", mischte sich Martin Schnurrer ein.

"Und das ist nicht viel", setzte Rossero mit einem schiefen Grinsen hinzu.

"Sie haben Recht", erwiderte der Colonel. "Die Frage ist nun, wie wir vorgehen. Ich schlage vor, dass sich jemand von uns nach Falludscha begibt, also in die Höhle des Löwen. Er muss Informationen sammeln und hat dafür vier Tage Zeit. Spricht jemand von Ihnen arabisch?"

"Ich spreche nur deutsch, englisch, französisch und spanisch", sagte Dr. Longtree. "Damit komme ich in Falludscha aber nicht durch."

"Englisch kann wohl jeder von uns", gab Schnurrer zu verstehen. "Und das muss reichen. Ich bin auch dafür, dass wir zwei oder drei Leute in Falludscha einschleusen."

Pierre Dupont räusperte sich. "Was halten Sie davon, wenn sich einer von uns als Köder zur Verfügung stellt, Sir? Vielleicht bringen ihn die Aufständischen zum Versteck der Geiseln."

"Oder sie erschießen ihn an Ort und Stelle. Es hat bei dem Überfall auf den Konvoi viele Tote gegeben. Vor allem Amerikaner werden sofort getötet. Nein." Jarrett schüttelte den Kopf. "Das ist viel zu unsicher. Was wir brauchen, ist ein arabisch sprechender Verbündeter, der für uns in Falludscha die Lage sondiert. Und jemand von Ihnen muss zwischen dem Verbündeten und dem Team als Verbindungsmann fungieren."

"Diesen Job übernehme ich freiwillig", meldete sich Schnurrer.

"Wie werden wir bewaffnet sein?", fragte Rossero. "Mit der MPi7 werden wir unter Umständen nicht allzu viel anfangen können. Sie ist im Nahkampf gut. Möglicherweise aber brauchen wir Scharfschützengewehre. Ich denke an das SR25 mit Schalldämpfer."

"Die MPi7 ist gut", antwortete Jarrett. "Sie kann mit einem Laservisier und einem Schalldämpfer versehen werden, sie verfügt über die Feuerkraft einer Maschinenpistole und die Reichweite eines Sturmgewehres. Auf kurze Distanz ist sie wie eine Pistole einsetzbar. Ich denke, die MPi7 ist die richtige Bewaffnung für den Einsatz."

"Wann fliegen wir?", wollte Schnurrer wissen.

Jarrett schaute auf seine Uhr. "Gegen Mittag. Wir fliegen mit einer normalen Militärmaschine und werden auf dem Flughafen in Bagdad landen."

*

Unbekannter Ort in der Felswildnis, östlich von Bagdad.

Montag, 1700 OZ

"Was haben Sie mit uns vor?", fragte Jim Svenson, der Journalist. Er war, wie auch die beiden Deutschen, auf einem Stuhl festgebunden. Obendrein hatte man ihnen die Hände und Füße gefesselt. Vier Vermummte bewachten sie. Von den Gesichtern der vier waren nur die Augen zu sehen.

"Wir werden euch töten, wenn in sechs Tagen die Engländer ihre Truppen nicht aus dem Irak abgezogen haben", erwiderte einer der Wächter in vorzüglichem Englisch. "Ihr drei seid erst der Anfang. Wir werden weitere Ausländer entführen, um sie als Druckmittel gegen die Nationen einzusetzen, die wir aus dem Land werfen möchten."

"Warum hört ihr nicht auf mit diesem Irrsinn? In wenigen Wochen will die USA das Land an eine irakische Regierung übergeben. Dann werden nur noch Truppen zur Friedenssicherung hier bleiben und..."

"Wir brauchen weder die Amerikaner noch sonst eine Nation dieser Welt!", stieß der Wächter hervor. "Unser Kampf wird solange fortgeführt, bis der letzte Ausländer den Irak verlassen hat."

"Ihr seid Schiiten, nicht wahr?"

"Ja. Wir kämpfen für Moktada el Sadr."

"Er ist ein Außenseiter", sagte der Engländer. "Im religiösen schiitischen Etablissement von Nadschaf hat er nichts zu melden. Ihm fehlt die theologische Reputation, um im Kreis der Ayatollahs mitzumischen. Deshalb wählt er den Weg an die Spitze, indem er den Aufstand praktiziert. Er..."

Mit zwei Schritten war der Wächter bei Svenson, und ehe dieser sich versah, schlug er ihm den Handrücken auf den Mund. "Sei still, Engländer!", zischte der Vermummte. "Niemand darf el Sadr beleidigen. Schon gar nicht ein verdammter Ausländerhund. Also hüte deine Zunge."

Blut sickerte aus der aufgeplatzten Unterlippe Jim Svensons. Es rann über sein Kinn und tropfte auf seine Brust. Der Schmerz von dem Schlag trieb ihm das Wasser in die Augen. "Ich - ich wollte el Sadr nicht beleidigen", murmelte er.

"El Sadr verfügt über Macht und Einfluss", knurrte der Wächter. "Sogar Großayatollah al-Sistani hört auf ihn. Al-Sistani ist unser weithin anerkannter geistiger Führer. Für kurze Zeit stellte er die einzige Hoffnung für die USA dar, der Mann zu sein, der die Kampfhandlungen beenden könne. Das ist vorbei. El Sadr hat Kraft und Stärke bewiesen und al-Sistani ist sich klar darüber geworden, dass fremde Nationen in unserem Land nichts zu suchen haben."

Ein Mann betrat den Raum. Er flüsterte dem Wächter, der mit Svenson gesprochen hatte, etwas ins Ohr. Daraufhin verließen alle den Raum. Die Gefangenen waren allein. Die Tür wurde abgesperrt. Es schepperte metallisch, als zusätzlich ein Riegel in die Halterung gestoßen wurde.

"Was denken Sie, Svenson?", fragte Max Steiner mit belegter Stimme. Sein Hals war wie zugeschnürt. Er verstand englisch und hatte den Dialog zwischen Svenson und dem Schiiten mitverfolgt. "Werden uns diese Fanatiker töten, wenn Ihre Regierung nicht klein beigibt?"

"Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche", antwortete Svenson.

Max Steiner schluckte würgend.

*

Unbekannter Ort in der Felswildnis, östlich von Bagdad,

Montag, 2005 OZ

Die Tür des Verlieses wurde geöffnet. Steiner, Weiser und Svenson schauten erwartungsvoll. Einige Männer drängten herein. Sie hatten Maschinenpistolen umgehängt und waren vermummt. Bei ihnen waren vier Asiaten. Wahrscheinlich Chinesen. Sie waren gefesselt.

Die Vermummten bugsierten die Asiaten durch den kahlen Raum, in dem es nur Stühle und einen Tisch gab. Auch die Asiaten wurden auf Stühle gedrückt und festgebunden. Einer sagte etwas in seiner Sprache und erntete dafür einen brutalen Schlag auf den Mund. Der Mann schrie auf.

Einer der Vermummten trug eine Videokamera. Er baute sich vor Jim Svenson auf und sagte: "Du wirst jetzt zu deiner Regierung sprechen. Sag den Verantwortlichen, dass du und die beiden Deutschen in sechs Tagen tot sein werdet, wenn Blair nicht auf unsere Forderungen eingeht. Appelliere überzeugend an deine Regierung. Sonst bist du tot."

Svenson erschauerte. Der Gedanke, in sechs Tagen getötet zu werden, trieb ihm eine Gänsehaut den Rücken hinunter. Sein Puls jagte das Blut durch die Adern, sein Hals war trocken wie Wüstensand.

"Was soll ich sagen?", fragte Svenson und seine Stimme kam ihm selbst fremd vor.

"Dass Blair seine Truppen abziehen soll, und zwar bis zum kommenden Samstag. Tut er es nicht, schneiden wir dir und den beiden Deutschen die Köpfe ab und schicken sie deinem Premierminister."

Der Sprecher richtete die Kamera auf Svenson. "Mach schon!"

"Bitte", entrang es sich Svenson, "ich bitte Sie im Namen der Menschlichkeit..."

"Du sollst zu deiner Regierung sprechen!"

Svenson holte tief Luft. Die Stimme drohte ihm zu versagen, als er hervorstieß: "Mein Name ist Jim Svenson. Ich bin britischer Staatsangehöriger und als Journalist bei der London Times beschäftigt. Die beiden Deutschen Max Steiner und Johann Weiser sowie ich sind seit gestern Gefangene einer schiitischen Kampfgruppe. Sie unterstehen dem Oberbefehl von Moktada el Sadr. Wenn die britische Regierung ihre Soldaten innerhalb der nächsten sechs Tage nicht abzieht, wird man uns töten. Ich appelliere daher an Sie, Mr. Blair, die Forderung unserer Entführer zu erfüllen. Andernfalls sterben wir."

Das Summen der Kamera endete. "Sehr gut", sagte der Vermummte, dann wandte er sich ab und sagte über die Schulter: "El Dschasira wird das Video ausstrahlen. Die Gruppe >Mudschahedin- Brigaden< wird noch einmal ihre Forderung formulieren. Und dann werden wir sehen, wie viel ihr der britischen Regierung wert seid."

Die schiitischen Kämpfer verließen den Raum und die Stahltür fiel wieder ins Schloss. Es gab ein Geräusch, das etwas unerbittliches, endgültiges beinhaltete und das Svenson zusammenzucken ließ wie unter einem Peitschenhieb.

"Was denken Sie?", fragte Max Steiner. "Haben wir eine Chance?"

"Nein", erwiderte Svenson. "Die englische Regierung lässt sich nicht erpressen. Selbst dann nicht, wenn Blair persönlich Gefangener der Aufständischen wäre. Entweder es gelingt uns, zu fliehen, oder wir sind in sechs Tagen tot."

Ein Ton entrang sich Johann Weiser, der sich anhörte wie ein trockenes Schluchzen.

Svenson wandte sich an die Asiaten, deren Gesichter unnatürlich bleich waren. Jeder Zug verriet die Angst, unter der sie standen. "Was seid ihr für Landsleute?", fragte Svenson. "Chinesen?"

"Nein", erwiderte einer von ihnen. Sein Haar war schon angegraut. "Wir sind Südkoreaner. Im Irak sind 700 südkoreanische Soldaten stationiert. Man hat uns entführt, um unsere Regierung zu veranlassen, ihre Soldaten abzuziehen."

"Aus diesem Grund sind wir auch hier", sagte Steiner und deutete mit dem Kinn auf Johann Weiser. "Wir sind Deutsche. Obwohl im Irak keine deutschen Soldaten stationiert sind, hat man uns entführt, um die britische Regierung zu erpressen."

"Wir sollten uns keine Hoffnungen machen", murmelte Johann Weiser. "Die Chance, dass sich irgendeine Regierung auf der Welt von diesen >Mudschahedin-Brigaden< erpressen lässt, ist gleich Null. Wir sind auf uns allein gestellt. Von außen können wir kaum Hilfe erwarten. Außerdem befinden wir uns an einem geheimen Ort, wo uns niemand finden wird."

Die Aussichtslosigkeit ihrer Situation war jedem von ihnen bewusst. Und obwohl sie sich zu siebt in dem Verlies befanden, spürte jeder für sich Einsamkeit und Verlorenheit.

Max Steiner zerrte an seinen Fesseln. Es waren dünne Kunststoffschnüre, die sich tief in die Haut einschnitten. Die Durchblutung der Hände war nicht mehr gewährleistet. Die Finger wurden taub.

Die Fesseln hielten. Im Raum war es ruhig. Nur der keuchende Atem Steiners war zu hören, der nicht aufgab. Die Schnüre scheuerten seine Handgelenke wund.

Jim Svenson sagte: "Die einzige Chance haben wir, wenn sie uns das Essen bringen und unsere Fesseln lösen. Füttern werden sie uns ja hoffentlich nicht. Sobald wir unsere Fesseln los sind, müssen wir den Ausbruch riskieren."

"Wir schaffen es nicht!", stöhnte Max Steiner. "Alles, was wir erreichen werden, wird sein, dass sie uns ein paar Tage früher umbringen."

"Lieber tot als diese verdammte Ungewissheit", stieß Svenson hervor. Er gab sich Mühe, seine Angst zu überspielen und versuchte, Courage zu zeigen, was ihm sogar einigermaßen gelang. Ganz jedoch konnte er nicht verbergen, dass auch ihn die Angst im Klammergriff hielt.

"Ich - ich habe zu Hause in Deutschland eine Frau und zwei Kinder", murmelte Johann Weiser mit brüchiger Stimme. "Ich werde sie wohl niemals wieder sehen. O mein Gott, warum hat es ausgerechnet mich erwischt. Ich bin im Irak, um zu helfen. Die Deutschen haben keinen einzigen Soldaten hierher geschickt. Warum?"

"Wo kommen Sie her?", fragte Svenson.

"Aus Karlsruhe."

"Und Sie, Steiner?"

"München."

"Aaah, Sie sind Bayer." Svenson brachte ein verzerrte Grinsen zustande. Dann sang er mit holprigem Deutsch: "In München steht ein Hofbräuhaus, eins, zwei, gsuffa..."

"Ihren Humor möchte ich haben", knurrte Max Steiner.

"Wir dürfen uns nur nicht selbst aufgeben", meinte Svenson. "Und solange ein Funke Leben in uns steckt, haben wir eine Chance."

Diese Zuversicht vermochte niemand mit ihm zu teilen.

*

Fort Conroy, South Carolina,

Montag, 1132 ETZ

"Geben Sie auf sich acht." Mit diesen Worten verabschiedete General Mantofani seine STTA-Crew. Er schüttelte Colonel Jarrett die Hand. Obwohl er sich schon in seinem Büro von dem Colonel verabschiedet hatte, ließ es sich der General nicht nehmen, jedes einzelne Mitglied des Spezialtrupps zu verabschieden und ihm Erfolg zu wünschen.

Das schuf ein gutes Verhältnis zwischen der Crew und ihrem Vorgesetzten und motivierte. Für jeden einzelnen hatte der General ein paar aufmunternde Worte übrig.

"Wir werden das schon auf die Reihe kriegen, Sir", sagte Alfredo Rossero, und es klang beinahe gut gelaunt. "Unkraut vergeht nicht. Darum werden wir als siegreiche Helden nach Hause zurückkehren."

"Nach Hause?", fragte der General lächelnd. "Sehen Sie das Fort zwischenzeitlich als Ihr Zuhause an, Sergeant?"

"Man muss aus jeder Situation das Beste machen, Sir. Natürlich kann Amerika >Bella Italia< nicht das Wasser reichen. Aber man kann sich dran gewöhnen."

"Es freut mich, wenn Sie so denken, Sergeant." Der General wandte sich von Rossero ab und bot Dr. Longtree die Hand dar. Die schöne Frau schüttelte sie. "Das mit dem Unkraut hat Rossero natürlich nur auf sich bezogen, Sir", sagte die Ärztin. "Wir anderen verlassen uns lieber auf unsere Erfahrung und unsere Kampfkraft."

"Ich glaube, sie mag mich", sagte Rossero grinsend zu Martin Schnurrer.

Der Hubschrauber stand bereit. Die Rotoren drehten sich und ließen die Haare fliegen. Als erster stieg Pierre Dupont ein. Martin Schnurrer rannte geduckt zu der riesigen Libelle und folgte Dupont. Dann kamen Rossero, Dr. Longtree, Angel Morales, Wladimir Iwanow und last but not least Colonel Jarrett.

Der Helikopter hob ab. Der Lärm, den er veranstaltete, verschluckte alle anderen Geräusche.

General Mantofani hatte erreicht, dass sich in Bagdad zur STTA ein Iraki namens Abdul Hamadi gesellen würde. Hamadi arbeitete für die CIA und sollte vorübergehend dem Kommando Colonel Jarretts unterstellt werden.

Die Mitglieder der Mannschaft schwiegen. Sie sprachen auch nicht miteinander, als sie später in einer Militärmaschine saßen und Richtung Bagdad flogen. Sie wussten, dass der Zeitunterschied, gemessen an der General Mean Time, neun Stunden betrug. In Bagdad war es also schon Abend.

Colonel Jarrett und Martin Schnurrer, sein Stellvertreter, saßen nebeneinander in einer der Sitzreihen. Gleichmäßig brummten die Motoren der Maschine. Wenn Schnurrer aus dem Fenster blickte, sah er weit unter sich eine dichte Wolkendecke, die die Sicht auf den Atlantik verhinderte.

"Ich habe schon einen Plan", gab Jarrett zu verstehen. "Und zwar schicken wir Abdul Hamadi und einen von uns nach Falludscha. Das ist die Hochburg des Widerstandes. Abdul Hamadi muss sich als Angehöriger der >Mudschahedin-Brigaden< ausgeben. So kommt er vielleicht an Informationen heran, die für uns wertvoll sind."

"Das ist ein Spiel mit dem Feuer", wandte Schnurrer ein. "Wenn sie Hamadi auf die Schliche kommen, ist sein Leben keinen Pfifferling wert."

"Das müssen wir riskieren. Eine andere Möglichkeit sehe ich nicht, herauszufinden, wo die Geiseln gefangen gehalten werden. Abdul Hamadi muss mit unserem Mann in Falludscha in Verbindung bleiben. Unser Verbindungsmann - respektive unsere Verbindungsfrau - bleibt mit uns in Kontakt. Sobald wir wissen, wo die Geiseln festgehalten werden, ziehen wir Hamadi und den Verbindungsmann aus Falludscha ab und schlagen gemeinsam zu."

"Wir können uns nicht den geringsten Fehler leisten, Colonel", erklärte Schnurrer. "Vor allen Dingen ist es notwendig, den Rückzug zu organisieren. Wenn wir die Geiseln befreit haben, sind wir nämlich noch lange nicht aus dem Schneider. Dann kommt wahrscheinlich erst der gefährliche Teil der Aufgabe, nämlich die Geiseln in Sicherheit zu bringen."

"Wir müssen drauf bestehen, dass eine Einheit amerikanischer oder britischer Soldaten unseren Rückzug sichert", erwiderte der Colonel. "Ohne diese Rückendeckung sind wir wahrscheinlich nicht in der Lage, uns und die Geiseln in Sicherheit zu bringen. Wir werden also mit den führenden Militärs in Bagdad Verbindung aufnehmen."

"Ich frage mich, wieso man mit dieser Mission nicht einfach einen Trupp Marines beauftragt hat", knurrte Schnurrer gedankenverloren.

"Diese Frage zu stellen steht uns nicht zu, Lieutenant. Befehl und Gehorsam. So hat man es uns gelernt, so halten wir es." Jarrett lächelte hintergründig. "Vielleicht traut man uns mehr zu als einem Trupp Marines. Vielleicht will man auch mal wieder die Berechtigung unserer Existenz prüfen. Wer weiß das schon, Lieutenant."

"Ich bin nicht besonders glücklich, mit diesem Abdul Hamadi zusammenarbeiten zu müssen", wechselte Schnurrer das Thema. "Wenn er mit falschen Karten spielt, ist derjenige, der mit ihm nach Falludscha geht, aufgeschmissen."

"Warum sollte er mit falschen Karten spielen?"

"Er ist Iraker. Sogar die gemäßigten Ayatollahs schwenken schon in ihrer Gesinnung um und intrigieren gegen die Besatzung. Ich habe gelesen, dass der Aufruf al-Sistanis, die Gewalt im Irak zu beenden, in ziemlich zweideutige Worte gefasst war. Al-Sistani wollte sich damit eine Hintertür offen halten, falls er sich dem Druck, den el Sadr ausübt, beugen muss. Diese Burschen gehen kein Risiko ein. Sie stellen ihre Fahne immer in den Wind des Stärkeren. Und dieser scheint im Moment el Sadr zu sein."

Schnurrer wiegte bedenklich den Kopf.

Jarrett musterte ihn von der Seite. "Sie scheinen gut informiert zu sein, Lieutenant."

"Nun, die Medien bringen es laufend. Und man macht sich eben seine Gedanken. Wir legen das Leben unseres Verbindungsmannes in die Hände eines Irakers. Was ist, wenn auch er in seiner Gesinnung umgeschwenkt und als Doppelagent tätig ist?"

"Verdammt, Schnurrer, Sie verunsichern mich."

"Das ist nicht meine Absicht gewesen, Sir. Aber wir dürfen nichts außer Acht lassen."

"Nun, wir werden wohl keine andere Chance haben, als uns auf Abdul Hamadi zu verlassen. - Wen schlagen Sie vor, sollen wir als Verbindungsmann mit Hamadi nach Falludscha schicken?"

"Ich stelle mich freiwillig zur Verfügung", erklärte Schnurrer mit Bestimmtheit im Tonfall.

"Sie?!"

"Warum nicht? Einer ist so gut wie der andere. Und ich würde den Respekt vor mir selbst verlieren, wenn ich einen der Kameraden in die Höhle des Löwen schicken müsste."

Der Colonel schaute nicht gerade begeistert drein. Schließlich aber stimmte er zu. „Sie werden sich mit Landestracht kleiden müssen, Lieutenant. Außerdem bleiben wir in Verbindung."

*

Unbekannter Ort in der Felswildnis, östlich von Bagdad.

Dienstag, 0612 OZ

Die Tür des Verlieses öffnete sich und ein Mann betrat den Raum. Er trug ein Tablett, auf dem einige Tassen standen und einige Fladenbrote lagen. Drei Männer, die mit MPi's bewaffnet waren, folgten ihm.

Zwei der Kerle machten sich daran, die Fesseln der Geiseln zu öffnen. Jeder durfte sich eine Tasse Kaffee und ein Fladenbrot nehmen.

"Versucht nur nichts", warnte einer der Bewaffneten, hob die MPi etwas an und ließ die Mündung der Waffe über die Geiseln pendeln.

Die Gefangenen aßen und tranken. Die Wächter passten auf und ließen sie nicht aus den Augen. Die Waffen waren unablässig auf sie angeschlagen.

Jim Svenson beobachtete die vier Kerle unter halb gesenkten Lidern hervor und suchte krampfhaft nach einer Chance, ihre Wächter zu überrumpeln. In seinen Augen war ein lauerndes Glitzern. "Wo befinden wir uns überhaupt?", fragte er kauend.

"Warum interessiert dich das?", wollte einer ihrer Bewacher wissen.

"Es interessiert mich eben."

"Du hoffst, dass man euch befreit, ehe das Ultimatum abgelaufen ist, nicht wahr?"

"Du sprichst gut englisch", anerkannte Svenson, ohne auf die Frage einzugehen. "Wo hast du das gelernt? Warst du schon mal in England?"

"Ich habe drei Jahre in London studiert. Aber dann begriff ich, dass mich mein Land notwendig braucht. Ich hasse England. Eure Regierung hat zusammen mit den Amerikanern unser Land ins Chaos gestürzt."

"Wollt ihr etwa wieder einen Sadam Hussein?"

"Schweig!"

"Hat die britische Regierung schon auf eure Forderung geantwortet?"

"Nein. Und wenn sie bis zum Samstag nicht antwortet, wirst du der erste sein, dem wir den Kopf abschlagen. Also bete zu deinem Gott, dass Blair einlenkt."

Eine unsichtbare Hand schien Svenson zu würgen. Sein Kehlkopf rutschte hinauf und hinunter, als er mühsam schluckte. Der Bissen, an dem er kaute, blieb ihm regelrecht im Hals stecken. Sein Herz schlug schneller.

"Es ist sinnlos", murmelte Max Steiner. "Die Briten werden nicht auf eure Forderung eingehen. Großer Gott, warum wurden Weiser und ich entführt? Wir sind Deutsche!"

"Vielleicht übt die deutsche Regierung Druck auf die Briten aus", erwiderte der Sprecher der Vermummten.

Steiner schwieg.

Svenson erhob sich, stellte die Kaffeetasse auf den Tisch und machte ein paar Schritte. Sofort richteten sich drei Waffen auf ihn. Er hob die rechte Hand und zeigte die Handfläche. "Ich will mir nur ein wenig die Beine vertreten", erklärte er. "Dagegen gibt es doch sicher nichts einzuwenden."

Der Mann, der einige Jahre in England verbracht hatte, sagte etwas auf Arabisch.

Ein anderer antwortete. Der Tonfall seiner Stimme verhieß nichts Gutes.

Schließlich sagte der Sprecher der Geiselnehmer: "Setzt dich wieder."

Einen Moment lang vermittelte Jim Svenson den Eindruck, sich auf den Burschen stürzen zu wollen. Doch dann sanken seine Schultern nach unten, er ging zu seinem Stuhl und ließ sich nieder. Er wurde gefesselt. Nacheinander wurden auch Steiner, Weiser und die vier Südkoreaner wieder gefesselt, und dann verließen ihre Bewacher das Verlies.

Svenson stieß hervor: "Verdammt, uns rennt die Zeit davon. Heute ist schon Dienstag. Den heutigen Tag mit eingerechnet haben wir noch fünf Tage Zeit, zu fliehen."

"Wir schaffen es nicht", murmelte Johann Weiser.

"Wir müssen es riskieren, ehe sie uns wie Hammel zur Schlachtbank führen", presste Max Steiner hervor. Er schaute nacheinander die vier Südkoreaner an. "Macht ihr mit?"

"Es ist unsere einzige Chance", sagte einer der Asiaten. "Ja, wir sind dabei."

"Gut. Wir müssen versuchen, die Kerle abzulenken. Und dann muss alles blitzschnell gehen. Wer kann mit ihren Waffen umgehen?"

Keiner meldete sich. Lediglich Svenson sagte: "Wir werden es wohl schaffen, den Abzug durchzuziehen. Das kann ja nicht so schwer sein."

"Ich war bei der Bundeswehr", erklärte Steiner. "Dort haben wir lediglich den Umgang mit der P1, dem G3 und der Uzi gelernt. Aber sicher werden wir in der Lage sein, mit den russischen MPi's ein paar Schüsse abzugeben."

"Wir sind verloren", stöhnte Johann Weiser. "Sie werden uns..."

"Mann", knurrte Steiner wütend und unterbrach seinen Kollegen. "Kannst du nicht etwas positiver denken. Du ziehst uns alle mit hinunter mit deiner Schwarzseherei."

"Ich denke real", versetzte Weiser. "Du rechnest dir doch selbst keine Chancen aus. Wir sind nicht Rambo."

Svenson und Steiner wechselten einen schnellen Blick. Schließlich sagte Svenson: "Überlassen Sie es mir und Steiner."

"Auszubaden werden wir es alle haben", prophezeite Weiser. "Es - es ist zum Verzweifeln."

Die Angst wütete in seinen Augen.

*

Die Maschine war auf dem Flughafen von Bagdad gelandet. Ein Amerikaner im Kampfanzug und ein Mann in Zivil erwarteten mit einem Jeep und einem 7,5-Tonner, über dessen Ladefläche eine Plane gespannt war, das Team. Der Soldat stellte sich als Major Roger McGregor vor. Bei dem Burschen in Zivilkleidung handelte es sich um Abdul Hamadi.

"Sie sind eingeweiht in unsere Mission?", fragte Colonel Jarrett, nachdem sie sich begrüßt und gegenseitig vorgestellt hatten.

Der Major nickte. "Nur ich, Colonel Sherman und der Chefverwalter John Wesley. Ihre Mission ist absolut top secret, Colonel."

Sie stiegen in den Jeep, den ein Soldat lenkte. Jarrett und Schnurrer warfen ihre Seesäcke auf die Ladefläche des Fahrzeugs.

Die anderen fünf Mitglieder des Teams stiegen mit ihrem Gepäck auf die Ladefläche des Lastwagens und setzten sich auf die Holzbank, die am Boden verschraubt war. Abdul Hamadi gesellte sich zu ihnen. "Wie war der Flug?", fragte er in vorzüglichem Englisch.

"Danke der Nachfrage", erwiderte Rossero. "Wir können nicht klagen."

"Das freut mich."

Der Motor des Lasters sprang an, dann begann das Fahrzeug zu rollen.

"Wohin werden wir gebracht?"

"Ins Hotel Palestine", erklärte der Araber in Diensten der CIA. "Es ist zwar ein wenig ramponiert von den vielen Anschlägen, aber Sie werden dort einigermaßen sicher wohnen können."

Der Jeep fuhr voraus.

Jarrett und Schnurrer ließen ihre Blicke schweifen. Vom Flughafen aus hatte man einen guten Blick auf die Skyline von Bagdad. Und selbst auf diese Entfernung konnte man schon einige Ruinen am Stadtrand ausmachen.

"Bagdad ist zu einem großen Teil zerstört", erklärte Major McGregor. "Es mangelt an vielen Dingen. Die Iraker, Sunniten und Schiiten wollen einerseits einen schnellen Abzug der ausländischen Truppen, andererseits erwartet eine große Zahl von ihnen aber zuerst den Aufbau und die Wiederherstellung der Ordnung."

"Von Ordnung kann man wohl nicht sprechen", antwortete Colonel Jarrett. »Ich würde eher sagen, es geht drunter und drüber hier. Und die jüngsten US-Offensiven machen meiner Meinung nach alles nur noch schlimmer."

"Wir wissen nicht, wie wir dem Chaos Einhalt gebieten können. In Falludscha finden Straßenkämpfe statt. Überall in den Straßen liegen Leichen. Niemand hat Zeit, die Toten zu bergen. Die Zivilisten sind samt und sonders geflohen. Es ist ein Horrorszenarium..."

Der Jeep holperte durch die Schlaglöcher. Die Straße war eine einzige Katastrophe. Schnurrer dachte an seine Kameraden auf dem Lastwagen, die sicher durch und durch geschüttelt wurden. Er sagte: "Was ist Hamadi für ein Mann?"

"Er ist Iraker."

"Das meine ich nicht. Kann man ihm vertrauen?"

Der Major schaute Martin Schnurrer verblüfft an. "Wieso nicht. Er ist CIA-Agent."

"Vielleicht sympathisiert er mit den Aufständischen. Ich will wissen, ob wir es uns leisten können, das Leben der Mitglieder unseres Teams in seine Hände zu legen."

"In ihn hineinschauen kann ich natürlich auch nicht", sagte Major McGregor. "Aber ich gehe davon aus, dass Hamadi loyal zu uns steht. Nein, ich gehe nicht nur davon aus, ich bin überzeugt davon. Hamadi ist sauber."

"Ihr Wort in Gottes Ohr, Major", stieß Colonel Jarrett hervor.

Von nun an schwiegen sie. Der Jeep holperte durch die Vorstadt Bagdads. Überall säumten Ruinen die Straße. Armeeposten in Kampfanzügen patrouillierten. Bei Straßenkreuzungen waren Panzer und Mannschaftstransportwagen mit aufmontierten MG's postiert. Auch bärtige Männer in der typischen Kleidung der Eingeborenen trugen Gewehre mit sich.

Bis sie in die Innenstadt von Bagdad gelangten, wurden sie etliche Male kontrolliert. Die ganze Stadt mutete an wie ein Trümmerfeld. Hotels, Restaurants, Moscheen - alles zerstört. Ruinen, wohin man schaute. Ein Bild, das mit erschreckender Schärfe in die Augen sprang. Irgendwo in der Stadt donnerten Schüsse. Die Detonationen trieben heran wie ein Gruß aus der Hölle.

Das Team von STTA checkte im Hotel Palestine ein.

Anschließend trafen sich die Mitglieder in der Hotelhalle. Major McGregor und Abdul Hamadi waren anwesend. Als sie sich sicher waren, nicht belauscht zu werden, fragte der Major: "Wie haben Sie sich Ihr Vorgehen vorgestellt?"

Colonel Jarrett antwortete: "Zunächst mal müssen wir herausfinden, wo die Geiseln festgehalten werden. Zu diesem Zweck werden sich Abdul Hamadi und mein Vertreter, Lieutenant Schnurrer, nach Falludscha begeben. Hamadi soll versuchen, an die Entführer heranzukommen, Schnurrer fungiert als Verbindungsmann zwischen ihm und uns."

"Gut", meinte der Major. "Sie wissen, dass sie von jetzt an gerechnet nur noch fünf Tage Zeit haben, die Geiseln herauszuholen."

"Das ist uns bekannt", gab Schnurrer zu verstehen. "Wenn wir erst mal wissen, wo sie sich befinden, dürfte der Rest ein Kinderspiel sein. Vorausgesetzt, eine Einheit Marines deckt unseren Rückzug. Auf uns alleine gestellt werden wir ein Problem haben."

"Das müsste das Oberkommando entscheiden", erklärte der Major. "Da Ihre Aktion jedoch unter dem Siegel der absoluten Geheimhaltung läuft, werden wir ein Problem haben. Den Geheimhaltungsstatus aufzugeben ist nicht ratsam. Es könnte durchsickern, dass eine Spezialeinheit im Land weilt, deren Aufgabe es ist, die Geiseln zu befreien. Dann wäre Ihrer aller Leben keinen rostigen Cent mehr wert."

Schnurrer kniff die Lippen zusammen, so dass sie nur noch einen dünnen, messerrückenscharfen Strich bildeten. Sekundenlang herrschte Schweigen. Dann stieß Pierre Dupont zwischen den Zähnen hervor: "Das heißt im Klartext, dass wir mit keiner Unterstützung von Seiten des Militärs rechnen können."

"Sie agieren inoffiziell. Die englische Regierung weiß von Ihrem Einsatz nichts. Zwischenzeitlich wurden auch vier Südkoreaner entführt. Auch die südkoreanische Regierung wurde über ihre Aktion nicht informiert. Es wird befürchtet, dass ihr Einsatz auf Widerstand stößt. Offiziell weiß man auch im Weißen Haus nichts von Ihrer Mission. Sie existieren sozusagen nicht für uns."

"Das sind ja völlig neue Aspekte", knurrte Schnurrer unzufrieden. "Wir sind also ausschließlich auf uns selbst gestellt.“

"So sieht es aus", erwiderte der Major. "Im Übrigen begibt sich übermorgen wieder ein Konvoi auf den Weg nach Falludscha. Mit ihm können Hamadi und Ihr Verbindungsmann fahren.«

Sie ahnten zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass alles anders kommen sollte, als sie es jetzt besprochen hatten - ganz anders!

*

Unbekannter Ort in der Felswildnis, östlich von Bagdad.

Dienstag, 1216 OZ

Wieder wurde die Tür des Verlieses geöffnet. Es gab Mittagessen. Hirsebrei und Fladenbrot. Die Fesseln der Gefangenen wurden gelöst.

Die drei Bewaffneten passten auf wie Schießhunde.

Der Bursche, der das Tablett in den Händen hielt, trug ein Holster mit einer Pistole am Koppel.

Als Jim Svenson seinen Teller mit dem Brei und das Brot in Empfang nahm, handelte er.

Er ließ den Teller und das Brot fallen, schlug dem Iraki das Tablett aus der Hand und wirbelte ihn herum. Sein linker Arm legte sich von hinten um den Hals des Vermummten, mit der Rechten zog er ihm die Pistole aus dem Holster. Svenson legte mit dem Daumen den Sicherungshebel um.

"Fallen lassen!", stieß er scharf hervor und schwenkte die Mündung der Waffe über die drei Iraker, die ihre MPi's in den Händen hielten.

Einer der Vermummten zuckte herum. Ein Feuerstoß aus seiner MPi warf einen der Südkoreaner samt Stuhl um. Im Raum hörten sich die Detonationen an wie Kanonendonner. Der Bunker schien in seinen Fundamenten erschüttert zu werden.

Jim Svenson feuerte auf den Iraki, der geschossen hatte. Dem Mann riss es die Beine unter dem Leib weg. Schwer krachte er auf den Boden. Seine MPi schlitterte ein Stück über den Boden.

Max Steiner vollführte einen weiten Satz und wollte sich nach der MPi bücken. Da feuerte einer der anderen Vermummten. Steiner wurde von der Kugelgarbe umgerissen.

Der Bursche, den Jim Svenson im Klammergriff hielt, rammte den Ellenbogen nach hinten und traf Svenson in den Magen. Ein gequälter Ton entrang sich dem Engländer, als ihm die Luft aus den Lungen gepresst wurde. Sein Griff lockerte sich, der Iraki riss sich los und sprang zur Seite. Die MPi dröhnte. Svenson bäumte sich auf, dann stürzte er schwer. Die Pistole fiel auf den Betonboden. Ein letztes unkontrolliertes Zucken durchlief Svensons Körper, dann erschlaffte er.

Johann Weiser riss die Arme in die Höhe. "Nicht schießen!", brüllte er überschnappend. Er war nicht mehr Herr seiner Empfindungen. Die Panik überwältigte ihn und riss ihn mit.

Auch die drei Südkoreaner hoben die Hände. Das Grauen ließ ihre Augen flackerten. Angst wäre in ihrem Zustand wohl ein zu mildes Wort gewesen, um auszudrücken, was sie empfanden. Der letzte Tropfen Blut schien aus ihren Gesichtern gewichen zu sein.

Einer stammelte etwas in seiner Heimatsprache.

Einer der Vermummten brüllte etwas. Die Situation war brenzlig und konnte jeden Moment eskalieren. Die Atmosphäre war gefährlich und kaum noch zu ertragen.

Einige Bewaffnete stürzten in den Bunker. Stimmen schwirrten durcheinander. Einer derjenigen, die das Essen gebracht hatten, gestikulierte heftig. Immer wieder deutete er auf die reglose Gestalt Svensons.

Einer ging zu Svenson hin, hob die Pistole auf und drehte den Engländer auf den Rücken. "Tot", stieß er hervor. "Das verdammte Schwein ist tot. Bei Allah, wir werden ihn seiner Regierung präsentieren. Sie sollen sehen, dass wir nicht spaßen." Er versetzte dem Leichnam einen Tritt.

Johann Weiser und die drei Südkoreaner wurden wieder gefesselt. Max Steiner, der tote Iraki und Jim Svenson wurden aus dem Raum gebracht. Einer der Wachposten sagte zu Weiser: "Euch blüht dasselbe Schicksal. Auch ihr werdet bald so tot sein wie die."

Weiser zog sich der Magen zusammen. So hautnah war er noch nie mit der brutalen Gewalt und dem Tod konfrontiert worden. In seinen Eingeweiden rumorte die Übelkeit und sein Atem ging schneller.

*

Büro des englischen Premierministers, London,

Dienstag, 1425 MEZ

Der Berater des Premierministers sagte: "Der katarische Sender el Dschasira hat ein Video ausgestrahlt, Sir, dass den Leichnam Jim Svensons zeigt. Svenson ist der Journalist von der London Times, den die Gruppe >Mudschahedin-Brigaden< vor zwei Tagen entführt hat."

"Diese Verbrecher machen also ernst", sagte der Premier. "Mein Gott, was tun wir nur. Wir können doch nicht zusehen, wie sie eine Geisel nach der anderen abschlachten. Überhaupt wäre das Ultimatum erst am Samstag abgelaufen. Wieso haben die Aufständischen Svenson schon fünf Tage vor Ablauf des Ultimatums erschossen?"

"Niemand weiß, was der Grund war, Sir. Der Kommentar eines Sprechers der >Mahdi-Armee< von el Sadr war, dass die Welt sehen sollte, dass die Kidnapper nicht spaßen." Der Berater machte eine kurze Pause, dann fuhr er fort: "Natürlich ist es tragisch, dass Svenson ums Leben gekommen ist. Aber die englische Regierung kann und darf nicht nachgeben, Sir. Wenn wir uns erpressen lassen, wären wir nicht mehr glaubwürdig. Die Interessen einzelner müssen in diesem Fall zurückstehen. Zwischenzeitlich wurden auch vier Südkoreaner entführt. Die südkoreanische Regierung ist zu Verhandlungen nicht bereit."

Der Premierminister griff sich an den Kopf. "Kann man denn nichts tun?"

"Nun, Sir, aus Geheimdienstkreisen wurde bekannt, dass die UN eine speziell ausgebildete Kampfgruppe nach Bagdad geschickt hat. Die STTA wurde mit der UN-Resolution 58732/879-SEC ins Leben gerufen. Es soll eine Gruppe sein, die aus fünf Männern und zwei Frauen besteht. Näheres weiß ich auch nicht. Die Gruppe operiert auf sich alleine gestellt. Sie soll in der Vergangenheit schon beachtliche Erfolge erzielt haben."

"Was will diese STTA ausrichten, wenn nicht bekannt ist, wo die Geiseln gefangen gehalten werden?", gab der Premierminister zu bedenken.

"Wie die Gruppe vorgeht, weiß ich auch nicht. Ich weiß nur, dass sie nach Bagdad geschickt wurde, um die Geiseln herauszuholen."

"Werden wir auf dem Laufenden gehalten?"

"Wir werden erfahren, ob die Geiselbefreiung geklappt hat oder nicht, Sir."

"Stellen Sie eine Verbindung mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten her. Ich muss mit ihm sprechen."

"Wegen der Erpressung?"

"Ja."

"Seine Antwort glaube ich zu kennen, Sir."

"Ich auch. Trotzdem will ich mich mit ihm kurzschließen. Ich werde auch mit dem deutschen Bundeskanzler Verbindung aufnehmen. Immerhin sind auch deutsche Geiseln betroffen."

"Wir dürfen den Geiselnehmern keine Schwäche zeigen, Sir. Wenn sie merken, dass sie nichts erreichen, werden sie diese niederträchtige Art der Kriegsführung sehr schnell wieder aufgeben."

"Bis dahin werden aber wahrscheinlich viele Geiseln das Schicksal des armen Svenson geteilt haben."

"Das müssen wir wohl oder übel in Kauf nehmen, Sir."

*

Bagdad,

Mittwoch, 0835 OZ

Martin Schnurrer trug Landestracht, so wie sie die >Heiligen Krieger< auch trugen. Es war ein hemdartiges, langes Gewand, das bis zu den Knöcheln reichte. Beim Gehen schlug der Saum um Schnurrers Beine.

Abdul Hamadi war ähnlich gekleidet. Sein Gesicht hatte er vermummt, so dass nur seine Augen zu sehen waren. Er hatte sich eine russische MPi umgehängt. Es handelte sich um eine von den US-Streitkräften erbeutete Waffe.

Schnurrer und Hamadi bestiegen einen Transporter, auf dessen Ladefläche eine Holzbank festgeschraubt war. Eine Plane spannte sich über ihren Köpfen. Insgesamt waren es sieben solcher Laster, drei Jeeps und zwei gepanzerte Fahrzeuge mit aufmontierten MG's, die nach Falludscha aufbrachen. Ungefähr zwei Dutzend Menschen reisten mit dem Konvoi. Es waren die unterschiedlichsten Gründe, die sie nach Falludscha führten. Auf der Bank saßen bereits vier Männer in Kampfanzügen und mit Gewehren vom Typ M4.

Schnurrer hatte sich im Hotel schon von Jarrett und den anderen Kameraden verabschiedet. Da er sich seit drei Tagen nicht mehr rasiert hatte, sah er ziemlich verwegen aus. Er grüßte und setzte sich, Hamadi ließ sich neben ihm nieder.

Der Konvoi verließ nach Westen die Stadt. Die Entfernung nach Falludscha betrug knapp 20 Kilometer. Auf dieser Strecke war der Konvoi überfallen worden, mit dem Svenson, Steiner und Weiser gereist waren.

Wenn die Fahrzeuge das Tempo beibehielten, würden sie für die kurze Strecke eine halbe Stunde benötigen. Aber die Straße war ausgesprochen schlecht. Sie hatte während des Krieges einiges abbekommen, als der irakische Nachschub ausgeschaltet wurde. Oftmals wies sie richtige Krater auf, die umfahren werden mussten. Das Gelände war bergig. Zu beiden Seiten schwangen sich Abhänge empor. Verschiedene Wege aus den Bergen mündeten in die Straße.

Ein gepanzerter Spähwagen fuhr voraus. Man rechnete mit einem Überfall schiitischer oder sunnitischer Freischärler. Den Schluss bildete ebenfalls ein gepanzerter Spähwagen.

Bagdad lag etwa zehn Meilen zurück, als der Zauber begann. Auf den Hügeln begannen Maschinengewehre zu hämmern. Ein Jeep raste auf einem der Seitenwege heran, schnitt dem Spähwagen an der Spitze den Weg ab, und dann gab es eine gewaltige Detonation. Einer der Freischärler hatte eine Handgranate geworfen.

Die MG's schleuderten ihre rasenden Detonationen über die Fahrzeuge hinweg, die zum Stehen gekommen waren. In den Führerhäusern brachen Fahrer und Beifahrer blutüberströmt zusammen. Aus den beiden Spähfahrzeugen wurde das Feuer erwidert. Von den Lastwagen sprangen Soldaten, eilten in Deckung und schossen die Rohre ihrer Gewehre heiß.

Glas klirrte unter den Einschüssen. Mit metallischem Klang durchschlugen Kugeln das Stahlblech der Karosserien. Der Lärm steigerte sich zu einem höllischen Choral.

Martin Schnurrer und Abdul Hamadi lagen flach auf der Ladefläche des Lastwagens. Die vier Soldaten, die sich bei ihnen befunden hatten, waren abgesprungen und kämpften. Kugeln durchschlugen die Plane und pfiffen über Schnurrer und Hamadi hinweg.

Und plötzlich trat Ruhe ein. Hamadi erhob sich, lief zum Ausstieg und schaute hinaus. Schnurrer schob sich neben ihn. Motorengeräusch erklang und dann kam ein Jeep querfeldein. Plötzlich war Geschrei zu vernehmen, eine Pistole wummerte zweimal.

Hamadi sprang von der Ladefläche. Er richtete die MPi auf Martin Schnurrer. "Absitzen, Lieutenant. Die Reise ist zu Ende."

Es traf Schnurrer wie ein eisiger Guss. Seine Zähne knirschten übereinander. Hart traten die Backenknochen aus seinem Gesicht hervor. "Sie elender Verräter", presste er hervor. "Ich habe Ihnen gleich nicht getraut."

"Keine langen Reden, Schnurrer! Steigen Sie ab."

Einige Vermummte gesellten sich zu Hamadi. Er sprach auf sie ein. Rein äußerlich unterschied er sich nicht von ihnen. Was gesprochen wurde, konnte Schnurrer nicht verstehen. Er sprang vom Lastwagen und blieb stehen.

Einige Männer in Kampfanzügen wurden zusammengetrieben und auf Lastwagen verfrachtet, die zwischenzeitlich aus den Bergen gekommen waren. Jemand trat an Schnurrer heran und stieß ihm den Lauf des MPi in die Seite. "Du bist Deutscher?", fragte der Vermummte auf Englisch.

"Ja."

Der Vermummte machte eine ausholende Handbewegung. "Sieh dich um. Die meisten US-Soldaten sind tot. Wir haben insgesamt 12 Gefangene gemacht. Mal sehen, wie viel das Leben dieser Gefangenen den Amerikanern und Briten wert ist."

Hamadi stand inmitten einer Gruppe von Kämpfern. Er sprach mit ihnen arabisch. Bei Schnurrer kam der Hass in heißen, stürmischen Wogen. Ich habe es gewusst, durchfuhr es ihn siedend. Dieser dreckige Hurensohn...

Er wurde auf einen der Laster dirigiert. Dort saßen schon sechs Männer. Sie trugen Kampfanzüge, die Binden an den Armen wiesen sie jedoch als Angehörige des Internationalen Roten Kreuzes aus.

Schnurrer setzte sich auf den Boden der Ladefläche. Bänke wie auf den amerikanischen Lastern gab es hier nicht.

Einige Bewaffnete kamen auf die Ladefläche, um die Gefangenen in Schach zu halten.

Seinen Einsatz hatte sich Schnurrer anders vorgestellt. Er hatte Falludscha nicht mal erreicht. Unfreiwilligerweise würde er nun erfahren, wo die Geiseln festgehalten wurden, die zu befreien er mit seinen Kollegen erhofft hatte mit denen er nach Bagdad gekommen war.

Aber dieses Wissen brachte ihn nicht weiter. Er war selbst Gefangener der >Mahdi-Truppen< von el Sadr. Jarrett und die anderen hatten keine Ahnung, wohin man ihn bringen würde. Schnurrer sah den Erfolg ihrer Mission auf der ganzen Linie gefährdet.

Er verfluchte Hamadi. Aber hatten sie eine andere Chance, als sich auf ihn zu verlassen? CIA-Agent!, durchzuckte es Schnurrer sarkastisch. Der Schuft hat uns allen Sand in die Augen gestreut. Großer Gott! Er wird auch Jarrett und die anderen verraten. Sie sind von Minute an ihres Lebens nicht mehr sicher. Irgendein Todeskommando von el Sadr wird sich ihrer annehmen.

Wie ätzende Säure durchdrang es Schnurrers Verstand.

War das das Ende von STTA?

Es überstieg sein Begriffsvermögen. Er wollte es einfach nicht akzeptieren. Es durfte nicht sein.

Die Laster fuhren zwischen den Hügeln dahin. Schnurrer wurde hin und her geschleudert, durch und durch geschüttelt. Der Fahrer des Lasters fuhr wie ein Verrückter über Stock und Stein. Über eine Stunde dauerte die Fahrt. Dann hielt der Laster an. Der Motor starb ab.

"Aussteigen!", brüllte jemand.

Die Männer, die sie bewacht hatten, sprangen von der Ladefläche. Ihnen folgten die Gefangenen. Zuletzt stieg Martin Schnurrer ab. Sie wurden von vermummten Bewaffneten eingekreist und nach Waffen durchsucht. Man fand bei Martin Schnurrer das Handy, das ihm Major McGregor überlassen hatte, und nahm es ihm weg.

Schnurrer schaute sich um. Von Hamadi sah er nichts mehr. Er bekam einen Kolbenstoß in den Rücken. Ein erschreckter Ton entrang sich ihm und er stolperte zwei Schritte nach vorn.

Sie befanden sich inmitten einer kahlen Gebirgslandschaft. Hier gab es nur Steine, Staub und einen Unterstand, der mit einem tarnfarbenen Netzen gesichert war. In diesem Unterstand waren ein 7,5-Tonner und ein Jeep zu sehen. Einige Männer mit Waffen kamen auf die Lastwagen zu. Aufgewirbelter Staub senkte sich auf die Erde zurück.

Die nicht besonders weitläufige Ebene wurden von hochragenden Felsmassiven eingeschlossen. In den Felsen, vor dem die Lastwagen angehalten hatten, führte ein Tor aus Stahlblech. Es war mit einer Farbe gestrichen, die sich kaum von der Farbe der Felsen abhob. Dieses Tor wurde jetzt geöffnet. Das Rumoren eines Aggregats war zu vernehmen. Wahrscheinlich wurde damit Strom erzeugt.

An den Wänden des Flures, der hinter der Tür lag, brannten einige Lampen.

Die Gefangenen wurden in den Bunker getrieben. Ein Teil von ihnen wurde in einen Raum dirigiert, der mit einer Eisentür abgeschlossen werden konnte. Schnurrer und vier andere Geiseln trieb man weiter durch den Gang, vorbei an einer Reihe von Fässern, die sicherlich Treibstoff enthielten, und schließlich wurden sie in einen Raum gestoßen, an dessen Decke ein Neonstab Licht spendete. Es gab hier einige Stühle und einen Tisch. Die Wände waren kahl und fensterlos. Muffiger, abgestandener Geruch schlug den Gefangenen entgegen.

Sie wurden gefesselt und gezwungen sich zu setzen. Dann band man sie mit dünnen Perlonschnüren auf den Stühlen fest. Einer schlug Schnurrer ins Gesicht und zischte gehässig:

"Du hast wohl gedacht, mit dieser Verkleidung erkennen wir dich nicht als Ausländer. Es war ein Trugschluss. Deine Regierung wird Druck auf die englische ausüben. Wenn nicht, werden wir dich töten. Wie wir den englischen Journalisten und einen der anderen Deutschen auch getötet haben."

Der Vermummte sprach englisch.

"Ihr - habt - auch eine der deutschen Geiseln erschossen?", würgte Schnurrer hervor.

"Ja. Und eine der südkoreanischen. Morgen gehen wir mit dem toten Deutschen an die Öffentlichkeit. Übermorgen mit dem Südkoreaner. Niemand soll denken, dass wir nicht ernst machen. Und wenn in vier Tagen das Ultimatum abläuft, das wir der britischen Regierung gesetzt haben, und sie nicht auf unsere Forderung eingeht, werden wir euch andere alle töten."

"Ihr seid Barbaren!", entfuhr es Schnurrer.

Er erntete dafür einen brutalen Schlag ins Gesicht.

Dann ließ man sie allein. Die Tür wurde abgeschlossen und verriegelt.

Bald wusste Schnurrer, dass es sich bei den vier anderen Geiseln um Polen handelte. Sie alle waren misshandelt worden. Einer der Männer blutete aus der Nase. Die Unterlippe eines anderen war aufgeschlagen.

"Bei Gott", entrang es sich einem der Polen, "wir sind verloren. Uns wird es wie dem englischen Journalisten ergehen."

"Und einem der deutschen Gefangenen, sowie einem Südkoreaner", vervollständigte Schnurrer. "Diese Schufte machen Nägel mit Köpfen. Wahrscheinlich wollen sie bis zum Ablauf des Ultimatums der Welt jeden Tag eine andere Leiche präsentieren, um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen."

Seinen Worten folgte betroffenes Schweigen.

*

Bagdad, Hotel Palestine

Mittwoch, 1032 OZ

Major McGregor hatte sich eingefunden. Er saß in der Lobby Colonel Jarrett gegenüber in einem der Sessel, die um einen niedrigen Tisch gruppiert waren.

Hinter der Rezeption lief ein tragbarer Fernsehapparat. Die beiden Bediensteten des Hotels hatten im Moment nichts anderes zu tun, als fern zu sehen. Es war ein arabisches Programm. Selbst wenn die beiden Offiziere hören hätten können, was gesprochen wurde, sie hätten es nicht verstanden.

"Der Konvoi wurde überfallen, Colonel", gab McGregor mit kehliger Stimme zu verstehen. "Es gab über 20 Tote. Zumeist erwischte es die Fahrer und Beifahrer der Fahrzeuge. Aber auch die Männer des Begleitschutzes starben. Ein Dutzend Männer befinden sich als Geisel in der Gewalt der Entführer."

"Was wurde aus Lieutenant Schnurrer?", wollte der Colonel wissen. Sein Gesicht war wie aus Granit gemeißelt. Er hatte in den vergangenen Wochen Schnurrer schätzen gelernt. Der Deutsche war eine absolute Bereicherung für STTA.

"Unter den Toten befindet er sich nicht. Ich denke, er wurde zusammen mit 11 anderen Männer verschleppt. Man wird sie als Druckmittel gegen die jeweiligen Regierungen einsetzen wollen."

"Was ist mit Abdul Hamadi?"

"Auch sein Schicksal ist ungewiss."

"Von welcher Staatsangehörigkeit sind die Männer, die gekidnappt wurden?"

"Polen, Ukrainer und Schnurrer als Deutscher."

Colonel Jarrett nagte an seiner Unterlippe. Sein Blick schien sich nach innen verkehrt zu haben. Nach einiger Zeit sagte er: "Man kann also davon ausgehen, dass Schnurrer und Hamadi noch leben."

Der Major nickte. "Es sieht so aus. Man kann natürlich nicht ausschließen, dass sie verschleppt worden sind und dann umgebracht wurden."

"Malen Sie den Teufel nicht an die Wand, Major."

McGregor zuckte mit den Schultern. "Alles ist möglich. Die aufständischen Schiiten sind unberechenbar. Sie sehen es daran, dass sie das Ultimatum für den Abzug der Briten auf Samstag festgesetzt haben, gestern aber bereits die Leiche einer der Geiseln präsentierten."

Jarrett schlug die geballte Rechte in die geöffnete Linke, dass es klatschte. "Gibt es denn überhaupt keinen Anhaltspunkt, wo sich die Geiseln und ihre Entführer aufhalten?"

"Nicht den geringsten. Aus amerikanischen Regierungskreisen wurde bekannt, dass Blair und Bush eine längere telefonische Aussprache führten. Man hat sich geeinigt, nicht auf die Forderungen der Entführer einzugehen. Keine Verhandlungen ist die Devise."

"Man ist also bereit, das Leben der Geiseln zu opfern", murmelte Jarrett. "Nun, das war nicht anders zu erwarten." Ein Ruck durchfuhr den Colonel. Seine Schultern strafften sich. "Unser erster Versuch scheint fehlgeschlagen zu haben. Nun müssen wir uns was Neues ausdenken, um den Schlupfwinkel der Geiselnehmer und das Versteck der Geiseln zu orten."

"Was?"

"Ich muss mit meinen Leuten darüber sprechen. Wir treten sozusagen auf der Stelle. Unsere Informationen über die Geiselnehmer tendieren gegen Null. Wir wissen lediglich, dass es sich um schiitische Aufrührer handelt, die el Sadr befehligt."

Einer der Angestellten, der in der Rezeption saß und das Programm auf dem Fernseher verfolgte, rief auf Englisch: "Sehen Sie, Major. El Dschasira bringt was Neues über die entführten Ausländer."

Jarrett und den Major riss es richtiggehend von ihren Sitzen hoch. Sie eilten zur Rezeption. Das Bild eines toten Mannes wurde ausgestrahlt. Er trug einen tarnfarbenen Kampfanzug. Dann war wieder der Nachrichtensprecher zu sehen.

"Übersetzen Sie", forderte McGregor den Hotelangestellten auf.

Der Mann sagte: "Die Entführer haben eine zweite Geisel erschossen. Es handelt sich um den Deutschen Max Steiner. Und für morgen haben die Entführer angedroht, eine der südkoreanischen Geiseln zu erschießen."

"Sonst noch etwas?"

"Als Begründung ließen die Kidnapper verlauten, dass man mit der Ermordung des Deutschen den Druck der deutschen Regierung auf England und Amerika ankurbeln will. Im Übrigen verlautbarte ein enger Mitarbeiter von el Sadr, Kais el Chasaali, in einem Interview, dass el Sadr zu bedingungslosen Verhandlungen mit der US-geführten Koalition bereit sei. El Sadr sei auch bereit, den Empfehlungen der höchsten schiitischen Autorität im Irak, der >Mardschaija<, zu folgen und einen Waffenstillstand auszuhandeln."

"Danke."

Jarrett und der Major kehrten zu ihren Plätzen zurück. Ratlosigkeit beherrschte ihr Mienenspiel.

"Heute eingerechnet noch vier Tage", murmelte Jarrett. "Dann läuft das Ultimatum ab. Wir müssen dann mit einem Blutbad unter den Geiseln rechnen."

"Das ist wohl so, nachdem die Regierungen nicht zum Einlenken bereit sind."

"Es ist frustrierend", murmelte Jarrett.

*

Versteck der Entführer,

Mittwoch, 1040 OZ

"Warum erschießt ihr die Geiseln schon vor Ablauf des Ultimatums?", fragte Abdul Hamadi einen seiner Gefährten, die im Unterstand herumlümmelten. Er hatte sich nach dem Überfall als Kämpfer für el Sadr zu erkennen gegeben. Und da er gleich eine Geisel lieferte, einen Deutschen, misstraute ihm niemand. Er war von den Aufständischen als einer der ihren anerkannt worden.

Jetzt befand sich Hamadi inmitten einer Gruppe Schiiten. Er hatte erklärt, dass er el Sadr blindlings folgen würde, weil el Sadr der kommende Mann im Irak sei. Sein Bestreben, sämtliche Ausländer aus dem Irak zu verjagen, müsse jeden Schiiten, Sunniten und überhaupt jeden Iraker veranlassen, zu den Waffen zu eilen. Hamadi sprach von Verrätern im eigenen Land und erklärte mit aller Entschiedenheit, dass man diese amerikafreundlichen Schurken eliminieren werde, sobald im Irak eine Regierung im Sinne der Pläne von el Sadr etabliert sei.

Er stieß mit seinen Ausführungen auf den Beifall der Männer, die sich in dem Lager verkrochen hatten.

Hamadi wusste, dass sich das Lager östlich von Bagdad befand. Riesige Bergmassive schlossen die Ebene ein, in der es sich befand. Es gab nur einen Zugang durch eine Schlucht, durch die ein Weg angelegt worden war, so dass man sie mit 7,5-Tonnern durchqueren konnte.

Er musste nach Bagdad, um Colonel Jarrett zu sprechen. Aber wie sollte er sich von hier absetzen. Sich ein Fahrzeug anzueignen war viel zu gefährlich. Die Aufständischen standen mit der Außenwelt in Verbindung. Selbst wenn ihm, Hamadi, die Flucht aus dem Lager gelingen sollte, draußen würde man ihn irgendwo abfangen und ihm den Garaus machen.

Hamadi beschloss, die Nacht abzuwarten und dann zu Fuß zu fliehen. Bis zur Autostraße würde er zwar gut zwei Stunden laufen müssen. Aber das musste er in Kauf nehmen. Auf der Autostraße patrouillierten amerikanische Soldaten in gepanzerten Fahrzeugen, und an eine dieser Patrouillen wollte sich Hamadi wenden.

Hamadi hörte den Mann, dem er eben eine Frage stellte, sagen: "Es war ein Ausbruchsversuch. Der Engländer und der Deutsche versuchten, die Männer zu überwältigen, die ihnen das Essen brachten. Es kam zu einer Schießerei, bei der der Engländer, der Deutsche und ein Koreaner ums Leben kamen. Auch einer unserer Leute wurde getötet."

"Dann wurden die Geiseln gar nicht erschossen, um Druck auszuüben", stellte Hamadi fest.

"Nein. Wir haben nur die Gelegenheit beim Schopf gepackt und der Welt gestern und heute die beiden Leichen präsentiert. Die betroffenen Regierungen sollten damit von der Ernsthaftigkeit unserer Forderung überzeugt werden."

Hamadi verließ den Unterstand und schlenderte in die Nähe des eisernen Tores, das in den Berg führte. Es stand offen. Das Dröhnen des Generators, der Strom erzeugte, wurde intensiver, je näher er dem Eingang kam. Hamadi ahnte, dass es viele solcher Verstecke in der Felswildnis gab. Sie waren ausgesprochen gut getarnt und kaum zu entdecken.

Zwei Wachen waren beim Tor postiert. Sie hatten sich die MPi's umgehängt. Die beiden blickten Hamadi entgegen.

"Allah sei mit euch", sagte Hamadi.

"Allah sei mit dir", versetzte einer der Wachposten. "Was willst du?

"Mich ein wenig umsehen. Wie viele Geiseln werden in dem Bunker festgehalten?"

"Warum willst du das wissen?"

"Ein rein persönliches Interesse. Es können gar nicht genug dieser Ausländerhunde sein, die wir festhalten. Ich möchte sie alle höchstpersönlich erschießen."

"Dazu wirst du sicher Gelegenheit kriegen", lachte einer der Wachposten. "Denn es ist nicht davon auszugehen, dass unsere Forderungen erfüllt werden. Gedulde dich noch ein paar Tage, mein Freund. Dann darfst du auf die Ausländerhunde schießen."

"Also, dann gib mir Antwort. Wie viele dieser Bastarde werden hier festgehalten."

"Es sind noch 16. Morgen werden wir den toten Südkoreaner präsentieren. Und dann sind es nur noch zwei Tage bis zum Ablauf des Ultimatums."

"Habt ihr keine Angst, dass man dieses Lager entdeckt?"

Der Wachposten lachte verächtlich auf. "Al Dschasira hat heute Morgen ein Interview mit dem amerikanischen Verteidigungsminister ausgestrahlt. Danach wäre Amerika bereit, die Geiseln mit Waffengewalt zu befreien, was allerdings daran scheitert, dass man keine Ahnung hat, wo sie sich befinden. Nicht mal ihre Aufklärer haben uns bisher entdeckt. Darum haben wir hier nichts zu befürchten."

Hamadi wandte sich ab. Bis zum Abend waren es noch gut acht Stunden. Er musste aber die Nacht abwarten. Sicher waren in der Schlucht Wachposten aufgestellt. Hamadi wusste, dass es nicht einfach werden würde, aus der Hochebene hinauszukommen. Und noch schwieriger würde es sich gestalten, in der Nacht die Richtung beizubehalten. Wenn er sich verlief, würde er in der Wildnis elend zugrunde gehen. Hamadi gab sich keinen Illusionen hin.

Die Zeit verrann nur zähflüssig. Als die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hatte, brachte man den Gefangenen das Mittagessen. Das Essen wurde per Jeep angeliefert, der mit drei Männern besetzt gewesen war. Die Besatzung des Camps bekam dasselbe Essen wie die Gefangenen. Es war ein scharfer Pampf aus Reis und kleinen Fleischbrocken.

Hamadi aß mit gesundem Appetit.

Dann begann wieder die Warterei auf die Nacht. Hamadi wanderte in dem Lager umher und prägte sich alle Örtlichkeiten genau ein.

*

Der Abend kam, und dann die Nacht. Im Camp kehrte Ruhe ein. Das Tor, durch das man in den Felsen gelangte, wurde geschlossen. Einige Kämpfer blieben in dem Bunker. Andere verzogen sich in den Unterstand.

Der Mond ging auf und stand im Osten über den Bergen. Ein kalter Wind fegte unter der gelben Mondsichel dahin.

Auch Hamadi hatte sich zur Ruhe begeben. Aber er schlief nicht. Hamadi wusste, dass alles davon abhing, dass er keinen Fehler beging. Ob die Geiseln lebten oder starben war von seinem Erfolg abhängig. Wurde er geschnappt, war auch die letzte Chance für die Geiseln dahin.

Der CIA-Agent wartete. Bald verkündeten regelmäßige Atemzüge in seiner unmittelbaren Umgebung, dass die Kerle in dem Unterstand eingeschlafen waren.

Hamadi öffnete seinen Schlafsack und schälte sich heraus. Er verursachte kaum Geräusche, nicht mehr, als er verursachen würde, wenn er sich im Schlaf herumgedreht hätte. Vorsichtig erhob er sich. Geduckt, mit angehaltenem Atem, stand er da, lauschte und rührte sich nicht. Einige Sekunden verstrichen. Hamadi bückte sich nach seiner MPi, hob sie auf und hängte sie sich um. Dann entfernte er sich langsam in Richtung der Schlucht, durch die man zu der Hochebene gelangte.

Der Agent hielt sich hart an den Felswänden. Behutsam setzte er einen Fuß vor den anderen. Er atmete ganz flach. Die absolute Finsternis in der Schlucht war sein Verbündeter. Leises Säuseln, mit dem der Wind an den Felswänden entlangstrich, erfüllte die Nacht.

Wenn er entdeckt wurde, was das Spiel aus. Selbst wenn ihm die Flucht gelang. Die Aufständischen würden die Geiseln noch in der Nacht an einen anderen, geheimen Ort bringen. Dann wäre alles umsonst gewesen.