Heimat-Roman Treueband 64 - Christian Seiler - E-Book

Heimat-Roman Treueband 64 E-Book

Christian Seiler

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Beschreibung

Lesen, was glücklich macht. Und das zum Sparpreis!

Seit Jahrzehnten erfreut sich das Genre des Heimat-Bergromans sehr großer Beliebtheit. Je hektischer unser Alltag ist, umso größer wird unsere Sehnsucht nach dem einfachen Leben, wo nur das Plätschern des Brunnens und der Gesang der Amsel die Feierabendstille unterbrechen.
Zwischenmenschliche Konflikte sind ebenso Thema wie Tradition, Bauernstolz und romantische heimliche Abenteuer. Ob es die schöne Magd ist oder der erfolgreiche Großbauer - die Liebe dieser Menschen wird von unseren beliebtesten und erfolgreichsten Autoren mit Gefühl und viel dramatischem Empfinden in Szene gesetzt.

Alle Geschichten werden mit solcher Intensität erzählt, dass sie niemanden unberührt lassen. Reisen Sie mit unseren Helden und Heldinnen in eine herrliche Bergwelt, die sich ihren Zauber bewahrt hat.

Dieser Sammelband enthält die folgenden Romane:

Alpengold 222: Schenk mir Vergessen
Bergkristall 303: Im verflixten siebten Jahr
Der Bergdoktor 1801: Schneeglöckchen für Dr. Burger
Der Bergdoktor 1802: Heimlich, still und leise ...
Das Berghotel 159: Kein Madel war ihm gut genug
Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 320 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 598

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Christian Seiler
Heimat-Roman Treueband 64

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2016/2018 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2024 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Henry_film/ Shutterstock

ISBN: 978-3-7517-6500-8

https://www.bastei.de

https://www.sinclair.de

https://www.luebbe.de

https://www.lesejury.de

Heimat-Roman Treueband 64

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Alpengold 222

Schenk mir Vergessen

Bergkristall - Folge 303

Im verflixten siebten Jahr

Der Bergdoktor 1801

Schneeglöckchen für Dr. Burger

Der Bergdoktor 1802

Heimlich, still und leise ...

Das Berghotel 159

Kein Madel war ihm gut genug

Guide

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Contents

Schenk mir Vergessen

Die Schatten der Vergangenheit lassen Mira nicht los

Von Sissi Merz

Wie ein Schmuckstück liegt der prächtige Tannenhof inmitten weiter Wiesen, und der schönen Gruber-Mira geht beim Anblick der herrlichen Hängegeranien, die in üppiger Pracht von den Balkonen ranken, das Herz auf. Als der junge Bauer Andreas Hofacker sie wenig später als Hauserin einstellt, hofft das Madel, hier im schönen Oberbayern eine neue Heimat zu finden und die Schrecken der Vergangenheit endlich hinter sich lassen zu können. Und ihre Hoffnung scheint sich zu erfüllen: Schon bald verlieben Mira und Andreas sich ineinander. Noch vor Kirchweih soll Hochzeit sein …

Doch da erscheint ein Fremder auf dem Tannenhof und behauptet Ungeheuerliches! Mira soll eine von der Polizei gesuchte Brandstifterin sein, die den Hof seiner Eltern niedergebrannt hat! Mira kann diesen Vorwurf nicht entkräften – und sieht nur eine Lösung: die Flucht aus Oberaudorf, wo sie mit Andreas so glücklich war …

Es ging gerade erst auf sechs Uhr in der Früh zu. Die Sonne kletterte eben über die charakteristische Spitze des Schwarzbergs und ließ das goldene Gipfelkreuz vor dem klaren Sommerhimmel strahlen.

Katharina Strohfuß betrachtete dieses Schauspiel immer wieder gern. Seit über vierzig Jahren war sie nun die Hauserin auf dem traditionsreichen Tannenhof in Oberaudorf. Sie war morgens stets die Erste in der Küche und verließ ihr »Reich« erst, wenn alles blitzte und blinkte und an seinem Platz stand. Flink und geschickt, nimmermüde und sehr gewissenhaft, so konnte man die gute Seele des Tannenhofes ohne Übertreibung charakterisieren.

Als Katharina seinerzeit beim Hofacker-Bauern eingestanden war, war sie erst dreiundzwanzig Jahre alt gewesen, eine hübsche, unbeschwerte Frau, patent und fleißig. Sie hatte sich leicht in die Männerwirtschaft eingefunden und alles wieder auf Vordermann gebracht. Der damalige Bauer, Vinzenz Hofacker, hatte seine Frau früh verloren und seinen Sohn Lukas allein großgezogen.

Katharina erinnerte sich noch gut an den feschen Lukas, der damals allen Madeln den Kopf verdreht hatte. Dann aber hatte es ihn selbst erwischt, und er hatte die schöne Christel Moosbacher heimgeführt. Die beiden hatten zwei Söhne bekommen, Andreas, den Älteren, und seinen um zwei Jahre jüngeren Bruder Sebastian.

Die Ehe war sehr glücklich gewesen, die Bäuerin eine Seele von einem Menschen. Katharina hatte sich wirklich gut mit ihr verstanden, die beiden waren Freundinnen geworden.

Dann, als Andreas gerade zehn Jahre alt geworden war und sein Bruder acht, hatte ein schreckliches Unglück den Buben die Eltern genommen. Bei einem späten Lawinenabgang waren Lukas und Christel Hofacker mit ihrem Wagen von der Straße abgekommen und in die Schwarzbergklamm gestürzt.

Für den Altbauern kam zu dem schmerzhaften Verlust die Bürde, die ihn letztendlich nicht alt hatte werden lassen. Er musste den Hof nun für seine Enkel führen und ihnen zugleich Vater und Mutter sein, eine beinahe unmögliche Aufgabe für den herzkranken Mann. Er hatte tapfer durchgehalten, bis Andreas volljährig geworden war.

Katharina hatte sich um die Buben gekümmert und ihnen die Mutter nach Kräften ersetzt. Auch heute hörten die beiden inzwischen erwachsenen Männer noch auf den Rat der Hauserin, die für sie beide längst zur Familie gehörte.

Andreas hatte den Hof kurz nach seiner Volljährigkeit übernehmen müssen, als sein Großvater einem Infarkt erlegen war. Die frühe Verantwortung hatte den sowieso ernsten, in sich gekehrten Burschen geprägt. Er war zu einem gewissenhaften Bauern geworden, der überaus fleißig und besonnen sein Tagwerk verrichtete und für den der Tannenhof Mittelpunkt seines Lebens war.

Erst die Bekanntschaft mit der hübschen Barbara Mayr hatte dafür gesorgt, dass Andreas nicht nur an seine Arbeit dachte, sondern mit Mitte zwanzig auch anfing, die schönen Seiten des Lebens zu genießen.

Katharina erinnerte sich noch gut an die Verlobungsfeier. So glücklich war das junge Paar gewesen! Doch leider sollte dieses Glück nicht von Dauer sein. Vor knapp einem Jahr hatte ein rücksichtsloser, betrunkener Autofahrer Barbara die Vorfahrt genommen. Es schien ein grausamer Zufall gewesen zu sein, dass Andreas’ Verlobte an beinahe der gleichen Stelle tödlich verunglückt war, an der der Bauer schon seine Eltern verloren hatte.

Seither war Andreas noch verschlossener als zuvor, sein Leben bestand nur noch aus Arbeit, nichts anderes interessierte ihn mehr. Der schwere Verlust ließ ihn nicht mehr an die Liebe denken. Einzig seine Freundschaft mit Barbaras jüngerer Schwester Inge lenkte ihn noch ein wenig von seinem grauen Alltag ab.

Katharina fragte sich allerdings, ob Andreas überhaupt ahnte, wie das hübsche Madel in Wahrheit zu ihm stand.

Die Hauserin war nämlich davon überzeugt, dass Inge Mayr in den älteren Hofacker-Bruder verliebt war. Sie schien allerdings klug genug zu sein, ihre Gefühle nicht zu deutlich zu zeigen. Dass Andreas noch immer trauerte, machte ihr das nämlich unmöglich. Doch sie war ein Madel mit viel Geduld …

Sebastian, Andreas’ jüngerer Bruder, war das genaue Gegenteil des ernsthaften, bodenständigen Bauern: ein fescher Hallodri, ein Schürzenjäger, wie er im Buche stand. Kein Madel in Oberaudorf konnte ihm widerstehen. Und er konnte keiner treu sein. Für ihn war die Liebe nur ein Spiel.

Das bedeutete aber nicht, dass die Brüder schlecht miteinander auskamen, im Gegenteil. Sie teilten sich die Hofarbeit und waren bei allen nötigen Entscheidungen meist einer Meinung.

Sebastian fühlte mit Andreas, er hatte ihn nach Barbaras Tod sehr getröstet und war erstaunlich einfühlsam auf seinen Bruder eingegangen. Es mochte an dem frühen Tod der Eltern liegen, dass aus den beiden eine so eingeschworene Gemeinschaft geworden war. Sie kamen stets gut miteinander aus.

Katharina freute sich darüber, aber sie hätte sich doch gewünscht, dass Andreas ein klein wenig auf seinen jüngeren Bruder eingewirkt hätte. Doch er sah großzügig über dessen Eskapaden hinweg und lehnte es ab, Sebastian Vorschriften zu machen. Und was die Madeln anging, da hörte der leider auch nicht auf Katharina …

Die alte Hauserin wandte sich nun von ihrem Kammerfenster ab. Die Sonne war schon ein Stück höher geklettert, draußen zwitscherten die Vögel, und es versprach, wieder ein Sommertag wie aus dem Bilderbuch zu werden.

Als Katharina gleich darauf die Küche betrat, werkelte dort bereits Manuela Egger. Die Magd war sehr hübsch mit den rotbraunen Locken und den klaren grünen Augen.

Die Küchenhilfe Anni ging ihr zur Hand. Das einfältige Ding konnte kaum je etwas richtig machen. Aber Manuela wusste, wie sie mit Anni umzugehen hatte. Und bei ihr arbeitete sie meist ohne Beanstandungen. Manuela grüßte die Hauserin und stellte ein Haferl frischen Kaffee für Katharina auf den Tisch an der Eckbank.

»Ich dank dir, Madel«, seufzte diese und ließ sich ein wenig schwerfällig auf der Eckbank nieder. Im Herrgottswinkel brannte hier ein ewiges Licht vor dem Bild von Christel und Lukas Hofacker und dem des Großvaters. So blieb die Erinnerung an die früh verstorbenen Eltern und den Opa für die Brüder lebendig.

»Hast schlafen können, Katharina?«, fragte Manuela sie nun.

»Es ging so. Das Rheuma macht mir zu schaffen. Ein Glück, dass wir jetzt warmes, trockenes Wetter haben. Das tut meinen alten Knochen gut.«

Anni kicherte, dann verschwand sie mit dem Tablett, auf dem sich das Frühstücksgeschirr befand, um den Tisch im Esszimmer zu decken. Ein verdächtiges Klirren folgte.

Katharina schüttelte den Kopf. »Ich hab mein Lebtag noch kein so ungeschicktes Madel gesehen wie die Anni.«

»Sie ist halt ein bisserl hektisch, das ist so ihre Art. Aber wenn man sie in Ruh schaffen lässt, dann …«

»Dann schläft sie unter Garantie ein«, scherzte die Hauserin.

Manuela lachte. »Ja, gut möglich. Das Frühstück ist fertig.«

»Soll ich dir was sagen, Madel? Ich muss mich erst daran gewöhnen, die Hände in den Schoß zu legen und andere machen zu lassen. Das fühlt sich recht seltsam an.«

»Du hast dir den Ruhestand redlich verdient.«

»Das streit ich net ab. Aber er ist noch sehr fremd für mich.«

»Ganz aufhören kannst eh erst, wenn die neue Hauserin da ist. Und der Bauer hat noch keine ausgesucht. Ich glaub, es liegt daran, dass du eben nicht zu ersetzen bist, Katharina.«

»Geh, jeder ist zu ersetzen! Der Andi wird schon eine tüchtige neue Kraft einstellen. Ich glaub, es liegt eher am Bastian. Der will gewiss was fürs Auge.« Katharina bemerkte, wie sich das Gesicht der jungen Frau verschloss. Ganz blass wurde Manuela und schaute plötzlich recht unglücklich aus. Die alte Hauserin konnte sich schon denken, woher der Wind wehte.

»Du hast ihn gern, den Hallodri, gelt?«, sagte sie Manuela auf den Kopf zu, die daraufhin errötete.

»Wie kommst du denn auf den Gedanken?« Das Madel lachte unfroh auf. »Dann wär ich ja recht deppert. Der Bastian kann keiner treu sein. So was fehlte mir gerade noch.«

»Seinem Herzen kann man net befehlen. Ich war schließlich auch mal jung und weiß, wie das ist. Es ist gewiss keine Schande, jemanden lieb zu haben.«

»Wenn’s den Bastian betrifft, schon.« Manuela senkte den Blick und seufzte schwer. »Ich hab mich dagegen gewehrt, das kannst du mir glauben. Aber er hat so eine Art …«

»Du bist gewiss net die Erste, die das merkt.«

Das Madel lächelte unglücklich. »Und gewiss auch net die Letzte. Lass gut sein, Katharina! Ich mag lieber nicht darüber reden. Nix ist so arg wie das, was man sich selbst antut.«

»Das klingt nicht gut.«

»So war’s auch net gemeint. Jetzt komm, frühstücken wir erst mal! Hernach schaute die Welt freundlicher aus. Vielleicht.«

***

Andreas Hofacker hatte bereits einen Teil der Stallarbeit hinter sich gebracht, als er das Esszimmer betrat. Der hochgewachsene, sportliche junge Mann mit dem breiten Kreuz wirkte trotzdem nicht recht zufrieden. Er ließ sich am Kopfende des großen Tisches nieder, wo Bauersleute und Gesinde von jeher gemeinsam die Mahlzeiten einnahmen, und sagte zu seinem Bruder: »Die Milli frisst immer noch net richtig. Ich hab den Verdacht, dass sie das Milchfieber doch noch nicht los ist.«

»Soll ich den Viehdoktor für heut Nachmittag bestellen?«, fragte Sebastian. Er sah seinem Bruder recht ähnlich. Auch er war groß und von der Hofarbeit gestählt. Sein Haar war allerdings etwas heller als das seines Bruders. Und seine Augen waren von einem tiefen Blau, während Andreas die klaren grauen Augen der Mutter geerbt hatte.

»Wäre vielleicht besser. Es hat keinen Sinn abzuwarten. Ihr Zustand wird sich kaum von selbst bessern.«

Sebastian nickte. Er lächelte Manuela an und zwinkerte ihr zu, was Andreas nicht verborgen blieb. Das Madel senkte verlegen den Blick. Sebastian schnitt nun ein anderes Thema an, das den Hof betraf. Es ging um die Anschaffung eines neuen Heuwenders. Großknecht Valerian hatte dazu auch einiges zu sagen. Eine Weile wurde hin und her debattiert, schließlich beschloss Andreas, sich mit dem Lieferanten für landwirtschaftliche Maschinen in Kiefersfelden in Verbindung zu setzen.

»Beim Schuster hat schon der Großvater selig gekauft, der wird uns einen guten Preis machen«, war er überzeugt. Dann wandte er sich an Katharina, die schweigend neben ihm saß. »Stimmt was net, Kat? Geht’s dir schlecht? Du hast heut Morgen noch kein Wort gesagt. Das bin ich gar nicht von dir gewohnt.«

»Ich bin nur ein bisserl müd, das ist alles.«

»Hast schlecht geschlafen? Hat das Reißen dich wieder wach gehalten? Du musst deine Tabletten nehmen. Der Dr. Wanninger hat gesagt …«

»Ist schon recht«, unterbrach sie ihn bestimmt. »Ich nehm ja alles nach Vorschrift. Aber ein Wunderheilmittel ist das auch net. Und wenn’s irgendwo reißt, dann lässt sich das nicht ändern.«

Wieder fing Anni an zu kichern, woraufhin Sebastian sie mahnte: »Darüber lacht man net. Wart nur ab, wenn du mal in die Jahre kommst und deine Knochen knirschen und klappern! Dann ist dir’s auch nimmer nach Spaßletten zumute.«

Die Küchenmagd senkte rasch den Blick und verstummte.

»Ich find, mein Rheuma ist auch kein Thema am Esstisch«, stellte Katharina entschieden klar. »Mich würde viel mehr interessieren, wann ich die neue Hauserin einarbeiten kann. Nur hier herumzuhocken und den Mägden alles zu überlassen, das schmeckt mir ganz und gar net.«

»Wenn die neue Hauserin da ist, wirst aber genau das tun müssen, Kat. Von morgens bis abends«, scherzte Sebastian.

»Das werden wir noch sehen. So ein junges Ding kann viel von mir lernen. Ich lass es mir net nehmen, sie in alles einzuweisen. Schließlich kann ich meine Küche net einem dummen Hühnerl überlassen, das von nix eine Ahnung hat.«

»Das sollst du auch net«, versicherte Andreas. »Ich hab schon eine Anzeige im Bauernblatt aufgegeben, und die ersten Bewerbungen sind auch eingegangen. Ich wollte bis zum Wochenende abwarten und hernach entscheiden, wen ich zum Vorstellungsgespräch einlade.«

»So ein Brimborium wegen einer Hauserin!«, brummte Sebastian.

»Es ist wichtig, eine geeignete Kraft einzustellen, damit es keine Scherereien gibt«, hielt Andreas ihm entgegen.

»Dann sollte die Kat sie aussuchen. Sie kennt sich aus. Magst, Kat? Ich fürchte nur, deinem strengen Urteil wird keine standhalten können, net wahr?«

»Hör auf mit dem Ulk und sei einmal ernst!«, bat die alte Hauserin den Burschen da streng. »Ich find, wir sollten uns die Bewerbungen zusammen anschauen und die Vorauswahl gemeinsam treffen. Oder hast du was dagegen, Andi?«

»Freilich net, mir soll’s recht sein. Schließlich müssen wir ja dann auch alle miteinander auskommen. Also schön, dann warten wir ab, ob noch Bewerbungen eintreffen, und am Samstag schauen wir uns alles zusammen an.«

Sebastian verdrehte die Augen. »Das wird was werden …«

Nach dem Frühstück hatte Andreas Schriftliches zu erledigen. Sebastian rief den Tierarzt an. Bevor er in den Stall ging, schaute er noch kurz in die Küche. Und er hatte Glück, denn Manuela war gerade allein. Freilich nutzte er die Gunst des Augenblicks und stahl seinem Schatz ein Busserl.

Manuela schob ihn allerdings erschrocken von sich und schimpfte: »Lass das doch! Wenn jetzt einer reinkommt, das gibt nur Gerede.«

»Na und? Ist doch wurscht. Von mir aus kann jeder wissen, dass wir uns gut sind«, meinte er lässig.

»Ist das dein Ernst? Das sind ja ganz neue Töne.«

Er küsste sie auf den Nacken und umfing sie mit seinen starken Armen. »Was meinst jetzt damit?«, wollte er lachend wissen.

»Du magst also offiziell zu mir stehen?« Sie merkte, wie er kurz zusammenzuckte. Gleich darauf ließ er sie los, stopfte die Hände in die Hosentaschen und scherzte lau: »Man muss ja net immer gleich ans Schlimmste denken, oder?«

»Das find ich net lustig. Und jetzt lass mich in Ruh, ich hab zu arbeiten. Die Katharina kommt jede Minute zurück.«

»Sei halt net so! Gestern Abend bist viel lieber und vor allem anschmiegsamer gewesen.« Seine Rechte wanderte besitzergreifend auf ihre wohl gerundete Hüfte. »Gib mir noch ein Busserl, dann hab ich was, wovon ich träumen kann.«

»Bei der Stallarbeit solltest lieber wach bleiben«, riet sie ihm kühl und fing an, Kartoffeln fürs Mittagsmahl zu schälen.

Sebastian stand ein wenig unschlüssig neben ihr. Manuela gefiel ihm wirklich gut. Dass sie nun aber anfing, besitzergreifend zu werden, das gefiel ihm weniger.

In diesem Moment hielt der Jeep des Tierarztes im Wirtschaftshof. Für den Burschen war das eine willkommene Gelegenheit, sich aus der Affäre zu ziehen.

»Sehen wir uns heut Abend an der alten Linde?«, fragte er Manuela noch rasch, denn er hörte Katharinas Schritte in der Diele. »Sag halt Ja, Herzerl!«

Das Madel seufzte leise und murmelte: »Na schön.«

»Wunderbar!« Er drückte ihr ein Busserl aufs Haar und hatte im nächsten Moment bereits die Küche verlassen.

»Auch wenn ich’s bereuen werde«, murmelte Manuela und wandte sich dann mit einem neuerlichen Seufzer den Kartoffeln zu.

***

Andreas hatte eben sein Telefonat mit dem Vertreter der Landmaschinenfirma beendet, als jemand an die Tür des Arbeitszimmers klopfte. Gleich darauf betrat Inge Mayr den Raum, hübsch und adrett wie stets, im lichtblauen Dirndlkleid mit heller Schürze, das wunderbar zu ihrem weizenblonden Haar ausschaute.

Der Bauer schien es allerdings nicht zu bemerken, er lächelte ein wenig und stellte fest: »Ich hab noch viel zu erledigen bis zum Mittagsmahl, Inge. Hoffentlich hast nix Wichtiges auf dem Herzen! Oder doch zumindest etwas, das warten kann. Setz dich halt!«

»Ich will dich net lange stören, wollte nur mal schauen, wie es dir geht und was du machst. Vielleicht könnten wir ja heut Abend ein bisserl spazieren gehen.« Sie lehnte sich neben ihm an den Schreibtisch und lächelte ihm lieb zu. »Ich bin einfach gern mit dir zusammen, Andi. Dann hab ich fast ein bisserl das Gefühl, dass die Barbara noch bei mir ist.« Sie wusste genau, welchen Ton sie anschlagen musste, um den Bauern für sich einzunehmen. Er erwiderte ihr Lächeln herzlich.

»Ja, du hast recht, es tut gut, einen Menschen zu haben, der einen versteht und die eigenen Gefühle so gut nachvollziehen kann wie du. Weißt, ich mag den anderen net auf die Nerven gehen, aber so schnell lässt der Schmerz eben nicht nach.«

»Das musst du mir net sagen. Die Trauer verbindet uns auf eine besondere Weise, gelt? Deshalb sind wir auch so gute Freunde geworden.« Sie legte ihre schmale Rechte behutsam auf seine und fragte: »Also, was sagst? Magst heut auf d’ Nacht mit mir spazieren gehen? Gib mir geschwind eine Antwort, dann bist du mich ebenso schnell los!«

Er lachte, drückte ihre Hand, ließ sie dann aber los. »Heut geht’s net, leider. Ratssitzung. Aber morgen gern, wenn du dann noch frei bist.«

»Für dich immer«, versicherte sie mit einem treuherzigen Blick. »Dann will ich dich net länger stören.« Sie bemerkte die Mappe mit den Bewerbungen, die auf Andreas’ Schreibtisch lag, und da kam ihr eine Idee. »Sag, hast noch keine neue Hauserin eingestellt?«

»Nein, noch net. So was dauert seine Zeit. Wir haben ja erst die Anzeige aufgegeben. Und jetzt wart ich noch ein paar Tage, was so an Bewerbungen hereinkommt. Hernach werde ich zusammen mit der Kat und dem Bastian die Beste aussuchen.«

»Darf ich mal einen Blick hineinwerfen? Du kennst mich ja, ich bin von Natur aus neugierig.«

»Bitt schön, wenn du magst.« Er wandte sich wieder seiner Arbeit zu, während Inge die Mappe durchblätterte. Die meisten Bewerberinnen waren schon über vierzig und nicht unbedingt das, was man als klassische Schönheit bezeichnen würde. Doch es gab auch zwei Madeln in den Zwanzigern, die ausgemacht hübsch waren und somit als Konkurrenz betrachtet werden mussten.

Wenn Sebastian bei der Auswahl ein Wort mitzureden hatte, wie Andreas behauptete, dann würde er gewiss nur nach dem Aussehen gehen. Das wollte Inge verhindern, denn keine andere sollte ihr Andreas Hofacker wegschnappen. Sie hatte ihn schon lieb, solange sie denken konnte. Als er sich mit ihrer Schwester verlobt hatte, war ihr Herz gebrochen. Doch das Schicksal hatte ihr eine zweite Chance geschenkt, wenn auch unter sehr tragischen Umständen. Und die wollte sie um keinen Preis verspielen.

Sie allein würde die nächste Tannenhof-Bäuerin werden, und niemand sollte es wagen, sie daran zu hindern!

Mit einer bedächtigen Geste legte sie die Mappe schließlich wieder weg und fragte den Bauern: »Wäre es net besser, du stellst jemanden ein, den du schon gut kennst? Bei so einer Fremden ist es doch eher ein Glücksspiel. Man weiß nie genau, wen man sich da ins Haus holt und ob sie auch hält, was ihre Bewerbung versprochen hat.«

Andreas lächelte schmal. »Das wäre freilich besser. Nur leider kenn ich keine geeignete Kraft.«

»Ich schon.« Sie strahlte ihn erwartungsvoll an. »Mich!«

Einen Moment lang war der Bauer verblüfft, denn damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Er wusste nicht so recht, ob er nun lachen oder Inges Bemerkung ernst nehmen sollte. Schließlich erwiderte er freundlich, aber bestimmt: »Das kommt net infrage.«

»Und warum net? Ich hab die Haushaltsschule in Kiefersfelden besucht und mit einer guten Zensur abgeschlossen. Ich bin eine leidenschaftliche Köchin, und meine Nachspeisen sind legendär. Wenn du magst, vereinbaren wir sogar eine Probezeit.«

Er musterte sie abwägend. Sie schien es tatsächlich ernst zu meinen. »Was würden denn deine Eltern dazu sagen, wenn ihre Hoftochter bei anderen den Haushalt macht? Und wie würde dein Zukünftiger wohl darauf reagieren?«

»Darüber mach ich mir Gedanken, wenn es so weit ist«, erklärte sie leichthin. »Gib mir halt eine Chance, Andi! Es wäre für alle die perfekte Lösung. Und ich könnte mich mal in einem anderen Haushalt ausprobieren, müsste net allerweil nur machen, was die Mama mir aufträgt.«

»Ich weiß net …«

»Dann mache ich dir einen Vorschlag: Ich arbeite eine Woche lang auf dem Tannenhof als Hauserin. Wenn ihr hernach net mit mir zufrieden seid, kannst deine Bewerberinnen kommen lassen.« Sie lächelte siegessicher. »Aber ich kann mir beim besten Willen nicht denken, dass das passiert.«

»Das muss ich mit der Katharina besprechen. Es geht ja schließlich um ihr Ressort.«

Das war Inge gar nicht recht. Sie mochte die alte Hauserin nicht, denn sie hatte stets das Gefühl, dass diese sie durchschaute und auch ihre geheimsten Gedanken kannte. Gewiss würde Katharina gleich Bescheid wissen, wenn sie von Inges Angebot hörte. »Wenn du meinst. Sag mir bald Bescheid!«

»Mach ich. Wir sehen uns ja morgen Abend, bis dahin red ich mit der Kat«, versprach der Bauer ihr freundlich.

Als Inge wenig später den Tannenhof verließ, sank ihre Laune in den Keller. Da hatte sie eine so brillante Idee, und Andreas musste ihr – wenn auch unbewusst – alles kaputtmachen. Wie es aussah, war der Weg zum Glück recht lang und steinig …

***

Manuela war gerade damit beschäftigt, die Küche aufzuräumen, als Andreas erschien. Er wandte sich an Katharina, die auf der Eckbank saß und die Zeitung las.

»Ich möchte was mit dir besprechen, Kat. Hast du Zeit?«

»Gewiss, setz dich nur!« Sie bat Manuela, dem Bauern ein Haferl Kaffee zu bringen, und meinte dann wohlwollend: »Mach halt Feierabend für heut, den hast dir redlich verdient. Die Küche blitzt und blinkt nur so.«

»Ich dank dir, Katharina.« Sie schlüpfte aus der Küche und ließ die beiden allein.

»Sie ist ein liebes Madel«, stellte die alte Hauserin versonnen fest. »Und sie würde eine gute Bäuerin abgeben.«

»So? Wie kommst jetzt auf den Gedanken? Hat die Manuela denn einen Verehrer mit Hof?«

»Net nur einen Verehrer.« Katharina lächelte vielsagend. »Aber ich mag net klatschen. Also, Bub, was hast auf dem Herzen?« Wenn sie unter sich waren, nannte sie den Bauern noch immer »Bub«. Eine Anrede, die zwar nicht mehr unbedingt zu ihm passte, ihm aber gut gefiel, weil sie so vertraut war.

»Die Inge hat heut bei mir vorbeigeschaut.«

»Das ist net ungewöhnlich. Das Madel verbringt mehr Zeit bei uns als daheim. Hat das was zu bedeuten?«

»Es bedeutet, dass sie gern hier ist und dass wir uns gut verstehen.« Andreas’ Blick wurde dunkel vor Kummer. »Sie ist der einzige Mensch, der meine Trauer um die Barbara wirklich teilt. Es tut mir einfach wohl, sie um mich zu haben. Heut hat sie zu mir gesagt, dass es für sie dann auch so ist, als hätte sie ihre Schwester noch.«

»Wie lieb.« Katharina verkniff sich einen weiteren Kommentar, denn Andreas hatte ihr bereits alles gesagt, was sie wissen wollte. Er hatte offenbar keine Ahnung, was Inge im Schilde führte. »Und was wollte sie?«

»Wir haben uns ein bisserl unterhalten, dabei kam die Sprach auf die neue Hauserin, die wir einstellen müssen. Sie hat einen Blick in die Bewerbungen auf meinem Schreibtisch geworfen und mir dann vorgeschlagen, es mit ihr zu versuchen.«

Das überraschte selbst Katharina. »Sie mag bei uns den Haushalt übernehmen? Was für eine seltsame Idee!«

»Ich hab es auch net gut gefunden, aber es scheint ihr wirklich ernst zu sein. Sie hat mich überredet, es mir zu überlegen. Sie möchte eine Woche für uns auf Probe arbeiten. Ich hab ihr gesagt, dass ich das erst mit dir besprechen muss.«

»Das wird ihr net gefallen haben.«

Andreas trank einen Schluck Kaffee und lächelte schmal. »Ich weiß, du magst die Inge net sonderlich. Aber ich möchte dich trotzdem bitten, dir ihren Vorschlag einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Ich wollte sie nicht einfach nur so ablehnen.«

Die alte Hauserin machte ein nachdenkliches Gesicht. Ihr war klar, dass sie sich ihre Worte nun gut überlegen musste, um Andreas zu überzeugen. Er mochte Inge und würde sich gewiss auf ihre Seite stellen, wenn Katharina sie allzu schroff ablehnte.

»Im Grunde ist nix gegen diese Idee zu sagen«, stellte sie deshalb diplomatisch fest. »Wir kennen das Madel, sie ist von hier und wird gewiss ordentlich arbeiten. Es gibt nur einen Haken bei der Sache. Auch wenn die Inge die Hauswirtschaft gelernt hat, eine Hauserin ist sie net. Sie wird den Hof ihrer Eltern erben und irgendwann heiraten, denn der Betrieb braucht ja wieder einen Bauern. Und dann wird sie hier kündigen.«

»Ja, du hast recht, Kat«, pflichtete der Bauer ihr bei.

»Das kann noch ein paar Jahre dauern, es kann aber auch schon bald passieren. Ihr muss nur der Rechte über den Weg laufen.« Sie bedachte den jungen Mann mit einem ausdrucksvollen Blick und fuhr dann fort: »Hernach stehen wir wieder vor dem gleichen Problem. Und ich kann mir net denken, dass sich dann noch einmal ein Madel aus Oberaudorf um die Stelle als Hauserin vom Tannenhof bewerben wird.«

Andreas nickte seufzend. »Das stimmt alles, ich kann dir net widersprechen. Aber ich glaub, es wird der Inge nicht gefallen.«

»Du solltest ihr danken, dass sie so selbstlos hat handeln wollen. Aber sie scheint das Ganze nicht wirklich durchdacht zu haben.« Katharina lächelte dem Bauern warm zu. »Gut, dass wir zwei darüber geredet haben. Jetzt ist ja alles klar.«

»Ja, das ist es. Ich dank dir, Kat. Ich werde mit der Inge sprechen. Gewiss sieht sie ein, dass wir uns besser an die Bewerberinnen halten, damit es keine Komplikationen gibt.«

»Gewiss.« Sie schaute Andreas, der nun die Küche verließ, nachdenklich hinterher und murmelte, als sie allein war: »Die Komplikationen sind längst da, Andi. Du hast es nur noch net gemerkt …«

Währenddessen hatte Manuela den Tannenhof verlassen, um sich mit Sebastian an der alten Linde zu treffen. Der Baum, der schon weit über hundert Jahre alt war, stand an einem Wegkreuz unweit des Erbhofs. Manuela hatte sich umgezogen, sie trug nun ein hübsches, helles Sommerkleid, denn der Abend war angenehm mild.

Je weiter das Madel dem schmalen Feldweg folgte, der zwischen Ackerland und Tann zum Treffpunkt führte, desto weiter blieb der Tannenhof im Licht der tief stehenden Sonne hinter ihr zurück. Sie warf einen kurzen Blick nach hinten und stellte fest, dass sie sich hier schon ganz daheim fühlte.

Obwohl Manuela erst seit zwei Jahren auf dem Tannenhof lebte und arbeitete, war das große Haus mit dem mächtigen Schindeldach und den umlaufenden Holzbalkonen doch so etwas wie ihr Zuhause geworden. Zu beiden Seiten des Hauptgebäudes schlossen sich Gesindehaus, Scheune, Stallungen und Remise an. Es war ein schönes Anwesen mit viel Land, das leicht mehrere Familie ernähren konnte.

Die Tannenhof-Bauern betrieben von jeher Viehwirtschaft und Ackerbau, waren also Selbstversorger. Es gab nie an etwas Mangel, und man konnte sich auf dem prächtigen Anwesen wohlfühlen.

Als Manuela nach Oberaudorf gekommen war, um hier einzustehen, hatte der Tannenhof sie gleich beeindruckt. Sie kam aus einem winzigen Bergdorf im Allgäu, war mit fünf Geschwistern aufgewachsen und kannte das Wort »Mangel« aus eigener Erfahrung. Da war ihren die geräumige Kammer im Gesindehaus und ihr anständiges Gehalt wie ein Sechser im Lotto vorgekommen.

Freilich hatte es nicht lange gedauert, bis sie herausgefunden hatte, dass Andreas der Anständige und Sebastian der Hallodri war. Sie hatte sich fest vorgenommen, sich von dem Burschen mit dem gefährlichen Charme fernzuhalten. Doch was nützten alle guten Vorsätze, wenn das Herz einem einen Strich durch die Rechnung machte?

Manuela blieb stehen, als sie die alte Linde erreicht hatte. Niemand schien sich hier aufzuhalten. War Sebastian noch nicht da? Das passte so gar nicht zu ihm. Ihre heimlichen Verabredungen hielt er sonst immer ein. Sie schaute sich irritiert um, als sich von hinten zwei starke Arme um sie legten und der Bursch ihr ins Ohr flüsterte: »Da bist du ja, mein Engerl. Ich hab schon sehnsüchtig auf dich gewartet. Und ich hab aufgepasst, dass mich keiner sieht, damit es kein Gerede gibt. Bist also zufrieden?«

Sie drehte sich um und schaute ihn bekümmert an. »Ich weiß net recht. Es wär mir lieber, wenn wir uns nicht verstecken müssten.«

»Du bist wohl ein bisserl unentschlossen, was?« Er zog sie fester an sich und schenkte ihr ein zartes Busserl. »Ich werde dich schon überzeugen, dass wir zwei zusammengehören.«

»Wirklich, Bastian? Meinst du das ernst?«

Er lächelte unbekümmert. »Und wie!« Wieder fand sein Mund ihre Lippen, und es dauerte nicht lange, bis seine innigen Zärtlichkeiten Manuela alles andere vergessen ließen. Sie hatte Sebastian von Herzen lieb. Auch wenn es falsch war, sie kam gegen dieses Gefühl einfach nicht an …

***

Am Samstag, gleich nach dem Frühstück, bat Andreas seinen Bruder und Katharina ins Arbeitszimmer, damit sie gemeinsam die Bewerbungen für die Stelle der Hauserin durchgehen konnten.

Sebastian überflog die Seiten eher lustlos, bis sein Blick am Bild eines wunderschönen Mädchengesichts hängen blieb. So sanft und ebenmäßig wie das Antlitz eines Engels, dazu das glänzende, honigblonde Haar und die großen, rehbraunen Augen. Dieses Madel war ein Wirklichkeit gewordener Traum – er musste sie unbedingt kennenlernen! Allerdings machte er nicht den Fehler, sich vorschnell in die Karten schauen zu lassen. Er kannte seinen Bruder und wusste, dass dieser nur auf die Qualifikation schauen würde. Wie die zukünftige Hauserin aussah, war ihm ganz einerlei. Sollte er also merken, dass Sebastian aus den allseits bekannten Gründen eine Entscheidung traf, würde er sich gewiss dagegen aussprechen. Also hieß es, geschickt vorzugehen.

Während Sebastian Argumente für seine Wahl suchte, wurde draußen am Klingelstrang gezogen. Gleich darauf erschien Manuela und ließ den Bauern wissen, dass Inge Mayr ihn sprechen wolle.

Katharina bedachte Andreas mit einem fragenden Blick. »Hast du ihr denn noch nix gesagt?«

»Doch, freilich. Ich hab das geklärt«, versicherte er.

»Worum geht’s denn?«, wollte Sebastian wissen. Und als die alte Hauserin ihn aufklärte, lachte er amüsiert und murmelte: »Das Madel lässt sich was einfallen, um mein Bruderherz einzufangen.«

»Red keinen Schmarrn, wir sind nur Freunde!«, tuschte Andreas ihn nieder und verließ kurz den Raum, um mit Inge zu reden.

»Die ist doch hinter dem Andi her wie der Teufel hinter der armen Seele«, sagte Sebastian zu Katharina. »Glaubst du wirklich, dass er das net merkt?«

»Er merkt es net, weil er’s nicht merken will«, meinte diese. »Für ihn ist die Inge nach wie vor Barbaras kleine Schwester. Er käme nie auf den Gedanken, in ihr ein Madel zu sehen, das mehr für ihn sein könnte.«

»Man sollte ihr ein Lichterl aufstecken.« Sebastian grinste frech. »Es gibt ja schließlich noch einen Hofacker, und der ist ganz gewiss weniger unzugänglich.«

»Sie hat aber deinen Bruder lieb. Und was dich angeht, du solltest mal überlegen, ob es net allmählich Zeit wird, erwachsen zu werden. Zumal dir ein Madel wie die Manuela nimmer so schnell über den Weg laufen wird, da bin ich mir sicher.«

»Du weißt ja gut Bescheid, Kat. So was nennt man indiskret.«

»Dafür bist du zu diskret«, parierte sie und bedachte ihn mit einem Blick, der Bände sprach.

Gleich darauf kam Andreas zurück und setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch. Die alte Hauserin wollte wissen, wo Inge sei, und er erklärte: »Ich hab sie heimgeschickt. Heut hab ich freilich keine Zeit für sie, sie hat’s schon verstanden.«

»Ist sie net noch mal auf ihre Idee zurückgekommen, hier Hauserin zu werden?«

»Sie weiß Bescheid«, antwortete der Bauer ausweichend. Er mochte nicht zugeben, dass Inge ihm Vorhaltungen gemacht hatte, weil er angeblich Katharina über den Tannenhof bestimmen ließ. Er hatte fast den Eindruck gehabt, dass sie wirklich nicht nur aus Herzensgüte handelte, sondern es ihr dabei auch noch um etwas anderes ging. Aber diese Erkenntnis hatte er sogleich weit von sich geschoben. Inge war eine gute Freundin, der gemeinsame Verlust hatte sie einander nahegebracht, das war alles.

»Habt ihr schon jemanden ins Auge gefasst?«, fragte er nun, um das Thema zu wechseln und die emotionalen Untiefen zu verlassen.

»Ich find diese Gabi Wolters gut, die hat die besten Zeugnisse«, sagte Katharina.

»Die schaut aus wie ein Wischmopp«, murmelte Sebastian.

»Und wen hast du ausgesucht?«, wollte sein Bruder wissen, wobei er die despektierliche Bemerkung wohlweislich überging.

»Mira Gruber. Sie ist jung, hat gute Zeugnisse und macht einen wirklich positiven Eindruck. Ich mein, was haben wir von einer im mittleren Alter, die in zehn Jahren in den Ruhestand geht?«

Andreas schaute sich das Madel an, dann beschloss er: »Wir laden die beiden ein. Und ich bin für Marlis Heise, sie liegt im Alter zwischen den zweien. Das ist eine sinnvolle Auswahl, oder?«

Da er keinen Widerspruch hörte, notierte er sich die drei Namen und ging gleich daran, ein Antwortschreiben zu verfassen.

Katharina verließ das Arbeitszimmer, sie wollte sehen, ob es in der Küche etwas zu helfen gab. Sebastian hatte noch im Stall zu tun. Als er aus dem Haus trat, lief ihm Inge Mayr über den Weg, die offensichtlich auf ihn gewartet hatte.

»Grüß dich«, sagte er freundlich und setzte sein charmantes Lächeln auf. »Kann ich was für dich tun?«

»Vielleicht.« Sie erwiderte sein Lächeln angedeutet. »Ich hab eine gute Idee, aber dein Bruder mag net auf mich hören. Da hab ich mir gedacht, dass du ihn womöglich ein bisserl … überreden könntest.«

Sebastian schüttelte amüsiert den Kopf.

»Gehst etwa immer noch darauf aus, bei uns Hauserin zu werden? Ich find, das ist eine ziemlich depperte Idee. Und damit steh ich net allein.«

Ihr Gesicht verschloss sich. »Dann eben net.«

»He, warte mal! Wir sollten ehrlich zueinander sein. Ich weiß, dass du hinter meinem Bruder her bist. Vermutlich hat es wenig Sinn, dir zu sagen, dass du bei ihm net landen wirst. Er sieht nämlich nur Barbaras Schwester in dir. Und daran wird sich ganz gewiss nix ändern. Der Andi ist in den Dingen nämlich ein bisserl schwerfällig, verstehst?«

»Ich komm schon zum Ziel. Ich krieg nämlich immer, was ich will«, versetzte sie hochmütig. »Mit meinem Aussehen und dem Erbhof in der Hinterhand bin ich die beste Partie im Tal.«

»Und net eben von Minderwertigkeitsgefühlen gequält.«

»Dazu besteht auch kein Anlass.«

»Na schön, wie du meinst. Ich hab nix gegen dich, von mir aus kannst den Andi heiraten. Und ich könnte mir so einiges einfallen lassen, um dir dabei zu helfen.«

Inge lächelte abfällig. »Nein, danke. Dein Preis ist mir zu hoch. Ich kann mir nämlich denken, was du verlangst.«

»Sei net zickig. Wenn du den Andi wirklich willst, musst dich schon ein bisserl anstrengen. Bei uns die Hauserin zu mimen genügt gewiss net.«

Sie musterte ihn kühl. »Vergiss es. Ich hätte gar net erst damit anfangen sollen. Schon klar, dass man von dir keine Hilfe erwarten kann.«

»Ich bin sogar sehr hilfsbereit«, widersprach er ihr anzüglich und senkte die Stimme. »Ich verrate dir, dass der Andi drei Bewerberinnen einladen wird. Ein Krauthexerl, einen Wischmopp und ein Traummadel. Und rat mal, wer das Rennen machen wird?« Er lachte. »Dafür sorg dann ich. Pfiat di, Inge, einen schönen Tag noch!« Pfeifend überquerte er den Wirtschaftshof und verschwand bester Laune im Stall.

Inge ballte die Hände zu Fäusten und stampfte wütend mit dem Fuß auf. Wie konnte ein Mensch nur so gemein sein!

Niedergeschlagen machte sie sich auf den Heimweg. Wie es aussah, hatte sie nichts erreicht. Aber es dauerte nicht lange, bis ihr angeborener Optimismus wieder die Oberhand gewann. Sie hatte vielleicht eine Niederlage einstecken müssen, doch sie glaubte nach wie vor fest an ihren Sieg. Sie würde die neue Hauserin eben gut im Auge behalten. Und sobald sich eine passende Gelegenheit ergab, würde sie dafür sorgen, dass diese wieder vom Tannenhof verschwand!

***

»Wann kommen denn die Bewerberinnen? Ehrlich gesagt bin ich schon recht neugierig.« Manuela warf einen Blick aus dem Küchenfenster in den Wirtschaftshof, doch da ließ sich noch niemand blicken, der wie eine Hauserin ausschaute. »Meinst, es wird die Rechte dabei sein? Du hast doch ein Mitspracherecht.«

Katharina lächelte vielsagend. »Die Rechte für den Bastian gewiss, denn dem ist ja eine jede recht. Sei mir net bös, wenn ich das so offen sag! Aber ich hab ihn am Samstag mit der Inge gesehen, die zwei haben sich sehr angeregt unterhalten.«

Manuela wurde blass, gab sich aber Mühe, zumindest nach außen hin ruhig zu wirken. »Das ist nix Neues. Aber was hast eben damit gemeint? Hat er denn ein besonderes Madel im Sinn?«

»Ich will ehrlich zu dir sein, Manuela. Der Bastian ist wieder nur nach dem Äußeren gegangen. Aber wenn dieses Madel, das er vorgeschlagen hat, net die besten Zeugnisse vorweisen kann und überhaupt die beste Qualifikation hat, dann wird sie hier ganz bestimmt net eingestellt. Das werde ich zu verhindern wissen!«

Das Madel sagte dazu nichts, dachte sich aber sein Teil. Dass Sebastian es sogar bei der neuen Hauserin nur auf einen Flirt anlegte, war zwar typisch für ihn, tat ihr aber trotzdem weh. So wurde sie wieder einmal allzu deutlich daran erinnert, dass er auch ihr vermutlich nicht treu bleiben würde.

Nun wurde draußen am Klingelstrang gezogen, Manuela ging zur Tür, um zu öffnen. Davor stand eine resolute Person in mittleren Jahren mit kurzem, grauem Haar und herben Gesichtszügen. Sie trug ein Dirndlkleid in gedeckten Farben und drückte Manuela herzhaft die Hand.

»Gabi Wolters, ich soll mich hier vorstellen«, sagte sie burschikos.

»Kommen Sie nur herein, der Bauer erwartet Sie schon!« Manuela führte sie zum Arbeitszimmer und kehrte dann in die Küche zurück. Sie verdrehte die Augen und sagte mit leiser Stimme zu Katharina: »Die hat gewiss mal als Masseurin gearbeitet, bei dem Händedruck … Aber dem Bastian wird sie net gefallen.« Das Madel musste schmunzeln. »Magst net rübergehen? Ich find, du solltest bei dem Gespräch dabei sein.«

»Ja, du hast recht.« Die alte Hauserin verließ die Küche, in der Diele kam ihr Sebastian entgegen.

Er grinste frech und frotzelte: »Magst auch ein bisserl spionieren, Kat? Ich geb zu, die Neugier hat mich hergelockt.«

»Sei net frech und komm mit! Hier geht’s um keinen Schönheitswettbewerb, sondern um eine wichtige Stelle auf dem Tannenhof. Da wird mit dem Kopf entschieden, andere Körperteile haben dabei nix zu suchen, hast mich verstanden?«

Der Bauer schüttelte leicht den Kopf. »Kat, du wirst auf deine alten Tage noch anzüglich …« Er lachte, als sie ihm einen Knuff gegen den Arm verpasste, und folgte ihr ins Arbeitszimmer.

Wenig später trafen auch die anderen beiden Bewerberinnen ein. Marlis Heise, die Sebastian wenig schmeichelhaft als »Krauthexerl« bezeichnet hatte, war eine rundliche Person jenseits der vierzig mit einem strengen, blonden Knoten und einem gutmütigen Gesicht. Sie hatte etwas Mütterliches und war Manuela, die sie hereinließ, auf Anhieb sympathisch – ganz im Gegensatz zu Mira Gruber.

Obwohl das Madel bescheiden und freundlich auftrat, verspürte Manuela sofort eine Abneigung gegen die Fremde. Sie war einfach zu hübsch. Sogleich war das Madel voreingenommen und überzeugt, dass Sebastian diese Schönheit ausgesucht hatte.

»Dort ist das Arbeitszimmer, kannst gleich hineingehen«, erklärte sie knapp und kehrte dann in die Küche zurück, ohne sich weiter im Mira Gruber zu kümmern. Gleich darauf fuhr sie Anni an, die neugierig die Ohren spitzte, statt ihre Arbeit zu tun.

Mira schaute sich ein wenig unsicher um. Der Tannenhof war ein imposanter Besitz, alles machte einen guten Eindruck. Der Knecht, den sie gefragt hatte, ob sie hier richtig sei, war freundlich gewesen. Nur die Köchin schien sie nicht leiden zu können. Mira erlebte so etwas nicht zum ersten Mal. Ihre Schönheit hatte sie schon häufig in unangenehme Situationen gebracht. Sie kannte alles – vom heißblütigen Hofsohn, der ihr unentwegt nachstellte, bis zur feindseligen Kollegin, die ihr am Zeug flicken wollte und ihr übel nachredete, weil Mira deren Liebsten besser gefiel.

Oft hatte das schöne Madel sich schon gewünscht, hässlich oder doch zumindest unscheinbar zu sein. Mit der Schönheit war es wie mit allen anderen Dingen im Leben, man musste sie sich leisten können. Und ein zauberhaftes, mittelloses Madel stellte leider für die meisten Mannsbilder so etwas wie Freiwild dar.

Mira hoffte sehr, dass es auf dem Tannenhof anders sein würde. Sie suchte einen Platz, an dem sie in Ruhe und Frieden leben konnte. Ob ihr das hier wohl vergönnt sein würde?

Behutsam stellte sie ihren Koffer ab und klopfte dann gegen die Tür, auf die Manuela gedeutet hatte. Das »Herein«, das folgte, klang freundlich. Doch als Mira die Stube betrat, bot sich ihr wieder einmal das altbekannte Bild. Zwei junge Männer, wohl die Brüder Hofacker, von denen einer sich nicht an ihr sattsehen konnte, während die Frauen sie abweisend musterten.

»Grüß Gott, ich bin die Mira Gruber«, stellte sie sich schüchtern vor.

Noch ehe Andreas etwas sagen konnte, sprintete Sebastian bereits vor und rückte ihr einen Stuhl. »Setz dich nur zu uns, wir beißen net!«, scherzte er gut aufgelegt. Er machte sie mit allen bekannt und fragte, ob sie vielleicht etwas essen oder trinken wolle. Als sie ablehnte, forderte er sie auf, ein wenig von sich zu erzählen.

Mira fühlte alle Augen auf sich gerichtet. Die der Frauen waren noch eine Spur unfreundlicher als zu Beginn. Nur Katharina kam ihr ein wenig entgegen und lächelte ihr sogar zu, während die Augen der Brüder sie mit freundlichem Interesse und sogar sichtlicher Begeisterung musterten.

Sie räusperte sich und sagte: »Ich bin dreiundzwanzig Jahre alt, komme aus Ofterschwang bei Sonthofen und steh allein. Meine Eltern sind tot, Geschwister hab ich keine. Ich hab die Haushaltsschule in Sonthofen besucht, meine Zeugnisse liegen Ihnen ja bereits vor. Ich koche sehr gern, und mein Hobby ist die Zuckerbäckerei. Ich hab vier Jahre Berufserfahrung bei drei verschiedenen Arbeitgebern.«

»Du hast oft gewechselt«, stellte Andreas fest. »Die Zeugnisse sind durchweg positiv. Hat es dir denn nirgends gefallen?«

Mira senkte den Blick. »Ja mei, net so wirklich. Ich hab mich nicht wohlgefühlt und konnte auch net heimisch werden bei den Leuten. Deshalb bin ich noch auf der Suche nach der richtigen Stelle. Es liegt gewiss net an mir …«

»Ein bisserl aber schon«, neckte Sebastian sie und lächelte ihr jungenhaft zu. »Du bist zu hübsch, das ist das Problem, net wahr?«

»So hübsch bin ich gar net«, versetzte sie scheu.

»Wenn ich mal unterbrechen dürfte.« Gabi Wolters reckte kampfeslustig das Kinn. »Ich hab über zwanzig Jahre Berufserfahrung! Das Kochen ist zwar net meine Stärke, aber ich halte sehr auf Sauberkeit und Ordnung. In meinen Küchen war nie auch nur ein Stäuberl zu finden.«

»Und vermutlich auch nix zu essen«, flüsterte Sebastian Mira zu, die aber nicht darauf reagierte.

Katharina schlug vor: »Wir sollten uns mal zu dritt bereden, hernach erfahren Sie dann, wer die Stelle hat.«

Die alte Hauserin wartete, bis die unterschiedlichen Frauen das Arbeitszimmer verlassen hatte, dann sagte sie offen: »Die Marlis Heise ist die Sympathischste. Aber die Mira Gruber ist, wenn sie die Wahrheit sagt, die einzig gute Köchin. Und darauf lege ich großen Wert. Wir können der Manuela net auf Dauer die ganze Kocherei aufbürden.«

»Ganz meine Meinung«, pflichtete Sebastian ihr prompt bei. »Ich hab mal wieder die richtige Spürnase gehabt. Meine Favoritin macht das Rennen.«

»Net so schnell«, bremste Andreas seinen Bruder. »Das Madel ist wirklich gut qualifiziert. Aber dass sie ständig die Stelle gewechselt hat, stimmt doch nachdenklich.«

»Mei, Andi, bist vielleicht blind? Ein so schönes Madel, das ganz allein auf der Welt steht, ist Freiwild für skrupellose Mannsbilder. Deshalb müssen wir sie einstellen.« Er machte ein dermaßen harmloses Gesicht, das es schon bühnenreif zu nennen war. »Um sie vor solchen Unholden und Übergriffen zu bewahren und ihr junges Leben zu beschützen!«

Katharina lachte herzhaft. »Bastian, der Ritter ohne Fehl und Tadel! Hast es net eine Nummer kleiner?«

»Ich mein, was ich sag«, beharrte er beleidigt. »Das ist mein voller Ernst. Was sagt ihr dazu?«

Andi wechselte einen fragenden Blick mit Katharina, die ihm leicht zunickte. »Versuchen wir es mit der Mira!«, entschied er.

***

Mira war überrascht, als sie erfuhr, dass sie bleiben durfte. Während der Bauer sich freundlich von Gabi Wolters und Marlis Heise verabschiedete, die dem Madel beide spitze Blicke zuwarfen, nahm Katharina ihre potenzielle Nachfolgerin zunächst mit in die Küche, um ihr alles Wichtige zu erklären. So erfuhr Mira auch, dass Manuela nicht die Köchin, sondern eine der Küchenmägde war. Sie reichte dem Madel die Hand und sagte bescheiden: »Ich hoff, wir werden gut miteinander auskommen. Du kennst dich gewiss in allem aus, ich kann viel von dir lernen.«

»Von mir auch!«, meldete sich Anni vorlaut zu Wort.

Katharina schüttelte den Kopf. »Höchstens, wie man in kurzer Zeit eine Menge Porzellan zerschlägt«, scherzte sie streng, woraufhin das Madel betreten schwieg.

Obwohl es Manuela sehr viel lieber gewesen wäre, wenn eine der beiden anderen Bewerberinnen das Rennen gemacht hätte, gab sie sich nun Mira gegenüber doch leidlich freundlich. Man würde zusammenarbeiten und im gleichen Haus leben, das bedeutete, man musste miteinander auskommen. In diesen Dingen dachte das Madel praktisch und drückte Miras Rechte kurz, während sie versicherte: »Wir werden uns schon vertragen.«

»Das hoffe ich sehr«, erwiderte diese leise.

»Nun komm, ich zeig dir deine Kammer. Und hernach kannst der Manuela beim Mittagsmahl helfen.«

Mira war einverstanden. Sie folgte Katharina nach draußen, blieb kurz stehen und fragte: »Was ist denn das da drüben für ein Berg? Er hat ein schönes Gipfelkreuz.«

»Das ist der Schwarzberg, unser Hausberg. An seiner Westseite gibt es eine Klamm, die an die hundert Meter tief ist. Dort sind vor vielen Jahren die Eltern der beiden Bauern verunglückt. Und der Andreas hat seine Verlobte dort ebenfalls bei einem Unfall verloren. Es ist schon ein rechter Unglücksfleck für die Familie Hofacker.«

»Man sieht es dem Berg net an, er schaut so still und majestätisch aus. Und dort gegenüber, wie heißt dieser Gipfel?«

Die alte Hauserin seufzte. »Du willst es wohl ganz genau wissen, Madel. Also, pass auf: Im Norden siehst das Aschenjoch und den kleinen und großen Traithen. Gegenüber fließt der Inn. Und hinter dem Schwarzberg im Osten liegt Niederaudorf. Im Westen findet sich noch der Hechtsee. Und ein Stückerl weiter führt die Landstraße nach Wallhausen. Jetzt kennst dich aus.«

»Ich dank dir schön, Katharina. Gelt, es gibt nur eine Straße, die nach Oberaudorf führt.«

»Gewiss, das genügt ja auch. Und jetzt komm, ich zeig dir deine Kammer im Gesindehaus. Sie liegt im ersten Stock, wirst sozusagen meine Nachbarin.«

»Führen die Brüder den Hof eigentlich schon lange? Sie schauen beide noch so jung aus. Aber wenn ihre Eltern bereits vor Jahren verunglückt sind …«

»Der Großvater selig hat den Hof wieder übernommen, bis der Andi volljährig war. Fast zehn Jahre ist das her. Im Grunde war der Bub noch zu jung, um den Hof zu leiten. Aber der alte Hofacker war herzkrank. Über Jahre hat er sich mehr zugemutet, als gut für ihn war. Als er dann am Infarkt gestorben ist, musste der Andi alles übernehmen.«

»Das stell ich mir schwer vor, in dem Alter …«

»Keine Sorge, unser Bauer ist ein besonnener Mann. Was man von seinem Bruder net unbedingt behaupten kann.«

»Ich hab schon gemerkt, dass er ein rechter Hallodri ist. Einer von der Sorte, von der man sich besser fernhält.«

»Du hast vermutlich entsprechende Erfahrungen.« Katharina öffnete die Tür zu einer hellen, geräumigen Stube. Decke und Wände waren teilweise vertäfelt, die Möbel bestanden aus gewachstem Weichholz. Der Blick aus dem Fenster ging zu den bewaldeten Hängen des Schwarzbergs hinüber.

Mira schaute sich einen Moment lang andächtig um, dann murmelte sie: »So eine schöne Kammer hab ich noch nie bewohnt.«

»Freut mich, dass es dir gefällt. Auspacken kannst später. Jetzt sollten wir rüber in die Küche gehen und schauen, ob die Manuela beim Mittagsmahl Hilfe braucht.«

Mira blickte versonnen aus dem Fenster, sie schien plötzlich mit den Gedanken ganz weit weg zu sein. Die alte Hauserin wiederholte ihre Aufforderung, und als das Madel noch immer nicht reagierte, trat Katharina neben Mira und legte ihr eine Hand auf die Schulter.

Da wich das Madel panisch zurück, riss die Augen auf und gab einen erstickten Entsetzenslaut von sich. Von einem Moment zum anderen schien Mira völlig verändert zu sein. So schnell dieser Zustand über sie gekommen war, so schnell verschwand er wieder. Das Madel senkte betreten den Blick und murmelte: »Entschuldige, Katharina, ich bin wohl ein bisserl schreckhaft.«

»Ist ja nix geschehen. Nun komm!« Die alte Hauserin machte ein nachdenkliches Gesicht. Auch wenn Mira ihre Frage von eben nicht mit Worten beantwortet hatte, so war ihre Reaktion auf eine flüchtige Berührung doch bezeichnend. Dieses Madel schien bereits schlimme Erfahrungen in seinem jungen Leben gemacht zu haben. Katharina empfand Mitleid mit Mira. Und sie beschloss, das Madel unter ihre Fittiche zu nehmen.

Bedachte man, warum Sebastian Mira unbedingt als Hauserin hatte einstellen wollen, würde dies wohl auch nötig sein …

***

Manuela hatte an diesem Tag einen Schweinsbraten mit Knödeln und Kraut gerichtet. Mira schlug vor, dazu als Nachspeise einen Grießpudding mit Erdbeeren und Vanillesoße zuzubereiten. Das Madel hatte nichts dagegen, und Katharina bewunderte die Sicherheit und Fingerfertigkeit, mit der Mira zu Werke ging. Sie war wirklich eine versierte Köchin. Und ihr Nachtisch erntete am Mittagstisch einhelliges Lob.

Den Rest des ersten Tages auf dem Tannenhof verbrachte Mira damit, sich in die Abläufe in Haus und Hof einzufinden. Katharina musste ihr nicht viel erklären. Obwohl Mira noch so jung war, war sie doch bereits eine erfahrene Wirtschafterin und wusste stets, worauf es ankam.

Als die alte Hauserin am Abend mit Andreas in der guten Stube saß, ließ sie anklingen: »Mit der Mira haben wir einen guten Griff getan. Sie ist fleißig und bescheiden. Obwohl sie übers Wirtschaften fast mehr weiß als ich, fragt sie ohne Zögern um Rat und lässt jede Meinung gelten.«

»Ich bin froh, dass sie herpasst. Hoffentlich bleibt es dabei!«

»Solange wir den Bastian von ihr fernhalten …«

Der Bauer seufzte. »Mir war von Anfang an klar, dass er dieses Madel nur wegen seiner Schönheit ausgesucht hat. Sie wird sich aber gewiss gegen ihn behaupten. Wenn sie schon lange auf sich gestellt ist, musste sie das ja schließlich lernen.«

»Ich weiß net recht … Die Mira hat ein gutes, weiches Herz. Das ist wohl auch der Grund, weshalb sie so häufig die Stellen gewechselt hat.«

»Du meinst, sie hat sich net gegen die Zudringlichkeiten der Mannsbilder wehren können?«

»Sie hat wohl schon einiges Hässliche erlebt«, vermutete Katharina. »Sie ist sehr schreckhaft. Und außerdem auch zurückhaltend, fast schüchtern. Dein Bruder wird das als Einladung auffassen. Wir kennen ihn ja schließlich beide ganz genau und wissen, wie er tickt.«

Obwohl Andreas ihr nicht direkt widersprechen konnte, gab er doch zu bedenken: »Er wird sich der Mira sicher net aufdrängen. So einer ist er nicht. Er geht halt gern aufs Flirten aus, das liegt ihm im Blut. Ich glaub nicht, dass es da Komplikationen geben wird.«

»Weil du eben von allen Menschen immer nur das Beste annimmst, Bub. Und das ist in den seltensten Fällen gerechtfertigt.«

»Geh, Kat, sei keine Unke!«

»Bin ich net. Aber ich hab’s einfach im Gefühl, dass es dein Bruder nicht dabei bewenden lässt, das schöne Gesicht unserer neuen Hauserin sehnsuchtsvoll zu betrachten …«

Katharinas Vermutung sollte sich bereits an diesem Abend bewahrheiten. Während Manuela an der Linde vergeblich auf ihren Liebsten wartete, schlich Sebastian vor Miras Kammertür herum und suchte nach einem Vorwand, um mit dem Madel sprechen zu können. Als ihm gar nichts Gescheites einfallen wollte, klopfte er einfach gegen die Tür und rief: »Alles in Ordnung da drin? Kann ich was für dich tun, Mira?«

Es dauerte einen Moment, bis sie zögerliche Antwort kam: »Mir geht’s gut, dank schön. Ich pack noch fertig aus, dann geh ich gleich schlafen.«

»So früh? Du bist doch kein Gackerl«, scherzte er. »Wollen wir net noch ein bisserl spazieren gehen? Es ist ein ganz wunderbarer Sommerabend.«

»Nein danke, ich bin müd. Gute Nacht!«

»Sei halt net so!« Sebastian wollte die Tür öffnen, als er bemerkte, dass diese abgeschlossen war. Er stutzte. »Schließt du dich immer ein? Hast Angst, geklaut zu werden?«

Der Schlüssel wurde im Schloss gedreht, gleich darauf stand Mira vor ihm und erklärte entschieden: »Wenn ich in meiner Kammer bin, dann möchte ich meine Ruh haben. Ich muss dich bitten, das zu akzeptieren, Bauer. Gute Nacht!«

»Net so schnell.« Er legte eine Hand gegen das Türblatt, Mira wich erschrocken zurück. Sebastian machte eine beschwichtigende Geste und beteuerte: »Ich will dir nix Böses. Vor mir musst dich net fürchten. Gewiss sind dir schon viele Mannsbilder zu nahgetreten. Du bist eben besonders hübsch. Aber keine Sorge, ich bin keiner von der Sorte. Du gefällst mir, ich würde dich gern besser kennenlernen. Wenn du das aber net willst, musst es nur sagen, dann bist mich sofort los.«

»Ich will net. Und jetzt lass mich allein!«, forderte sie.

Der Bursche war verblüfft, denn mit so einer Reaktion hatte er nicht gerechnet. War er sonst lieb und nett, zeigten sich die Madeln stets zugänglich. Die schöne Mira schien da anders zu sein. Vermutlich brauchte er einfach mehr Geduld und sehr viel Einfühlungsvermögen, um das Traummadel, wie er Mira im Stillen nannte, für sich zu gewinnen. Sebastian war davon überzeugt, dass ihm dies gelingen würde, denn er verfügte ja schließlich über beide Eigenschaften. Also lächelte er ihr freundlich zu, wünschte ihr eine gute Nacht und war im nächsten Moment bereits gegangen.

Kaum hatte er die Kammer verlassen, wurde die Tür hinter ihm geschlossen und der Schlüssel gedreht.

Sebastian seufzte. Dieses Madel schien bereits eine Menge schlechter Erfahrungen gemacht zu haben, sonst hätte es ihn gewiss nicht wie einen Sittenstrolch behandelt.

Er hob die breiten Schultern, überzeugt, am Ende doch noch sein Ziel zu erreichen. Er würde schon einen Weg finden, die schöne Mira für sich zu gewinnen. Da fiel ihm siedend heiß ein, dass er ja mit Manuela an der alten Linde verabredet war. Rasch verließ er das Gesindehaus und machte sich auf den Weg zum Treffpunkt. Auch wenn ihm nun bereits der Sinn nach einer anderen stand, konnte es doch nicht schaden, seine Zeit mit einem anschmiegsamen Madel zu verbringen, das ihn von Herzen lieb hatte.

Wie hieß doch der Spruch? Besser der Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach …

***

Die ersten Tage auf dem Tannenhof waren für Mira lang und anstrengend. Sie gab sich große Mühe, alles richtig zu machen und so schnell wie irgend möglich zu lernen. Katharina riet ihr öfter, die Dinge langsamer anzugehen, doch ihr Ehrgeiz ließ das nicht zu. Mira wollte die perfekte Hauserin auf dem Tannenhof werden, niemand sollte einen Grund finden, sie wegzuschicken, denn sie war gern hier und wollte noch lieber bleiben.

Sie ahnte nicht, dass bereits fleißig gegen sie intrigiert wurde. Und zwar von einem Madel, das sie noch nie im Leben gesehen hatte.

Inge Mayr aber hatte Mira bereits des Öfteren in Augenschein nehmen können. Einmal im Kramladen beim Einkaufen, dann als Mira auf dem Trockenplatz hinter dem Haus Wäsche aufhängte, und ein andermal, als das Madel nach Feierabend auf einer Bank vor dem Haus gesessen und gelesen hatte.

Seither kochte Inge vor Wut und Eifersucht. Obwohl klar zu sein schien, dass es eher Sebastian war, der es auf die schöne Hauserin abgesehen hatte, war Inge doch überzeugt, in ihr auch eine Konkurrentin im Kampf um Andreas’ Zuneigung zu haben. Ein Madel, das so schön war, dass alle anderen neben ihr verblassten, würde ganz gewiss diesen Vorteil zu nutzen wissen.

Inge kam nun noch öfter auf den Tannenhof, um Zeit mit Andreas zu verbringen. Mittlerweile hatte die große Ernte begonnen, Bauern und Gesinde sowie Saisonkräfte hatten vom ersten Sonnenstrahl am Morgen bis zum späten Abend alle Hände voll zu tun. Andreas war nun am Abend oft so müde, dass er nur noch ins Bett wollte. Einen Spaziergang mit Inge zu unternehmen oder vielleicht sogar mit ihr zusammen ins Kino oder essen zu gehen, das alles war ihm zu viel. Das Madel schien dafür kein Verständnis zu haben.

Daheim hatte Inge kaum Pflichten. Alles wurde vom Gesinde erledigt. Und sie verstand nicht, wieso Andreas es nicht ebenso hielt, um zumindest ein wenig mehr Zeit mit ihr verbringen zu können. Als sie ihn darauf ansprach, wies er sie scharf zurecht, erinnerte sie an seine Verpflichtung den seligen Eltern und dem Großvater gegenüber, den Tannenhof immer gewissenhaft zu führen.

Inge fand das albern, und so gab ein Wort das andere, bis die beiden sich verkracht hatten. Danach herrschte zunächst einmal Funkstille. Das bedeutete jedoch nicht, dass Inge nicht heimlich hinter Andreas’ Rücken agierte.

Sie lief den ganzen Tag im Dorf herum und erzählte einem jeden, der es hören wollte, von den »unmoralischen Vorgängen auf dem Tannenhof«. Ihre Fantasie kannte keine Grenzen, wenn es darum ging, der schönen Hauserin ein Gspusi mit gleich beiden Hofacker-Brüdern anzudichten. Gehässig und niederträchtig brachte sie ein Madel in Verruf, das sich nichts hatte zuschulden kommen lassen.

Es dauerte nicht lange, bis auch Hochwürden etwas von den bösen Gerüchten zu Ohren kam.

Katharina saß an einem noch sehr warmen Sommerabend im Wirtschaftshof auf der Baumbank unter den ausladenden Ästen der alten Kastanie, die angenehmen Schatten und Kühle spendete, als der Dorfpfarrer plötzlich erschien. Im ersten Moment erschrak die alte Hauserin und bekreuzigte sich.

Doch Hochwürden Spengler machte eine beschwichtigende Geste und versicherte: »Niemand ist gestorben, kein Unglück ist geschehen. Ich wollte mich nur mal in aller Ruhe mit den Burschen unterhalten. Sind sie da?«

»Der Andi hockt noch am Schreibtisch. Wo der Bastian ist, weiß ich leider net, Hochwürden.« Die alte Hauserin warf ihm einen unsicheren Blick zu. »Gibt es dafür einen bestimmten Grund?«

»Freilich, aber den möchte ich gern mit dem Andreas selbst bereden. Ich find mich schon zurecht.«

Der Bauer machte ein verdutztes Gesicht, als der unerwartete Gast vor ihm stand.

»Hast du kurz Zeit, mein Sohn?«, fragte Hochwürden freundlich. »Ich möchte gern über gewisse Dinge, die mir zu Ohren gekommen sind, mit dir reden.«

»Freilich, Hochwürden. Setzen Sie sich bitt schön! Kann ich Ihnen etwas anbieten? Vielleicht ein Haferl Kaffee?«

»Da sag ich net Nein.« Er beobachtete genau, wie Mira den Kaffee servierte, und sagte dann, nachdem die junge Hauserin wieder gegangen war: »Ein sehr schönes Madel. Wenn ich bedenke, wie leichtfertig dein Bruder sich benimmt, fürchte ich, dass es da zu gewissen Komplikationen kommen könnte, net wahr?«

»Der Bastian lässt die Mira in Ruh, dafür sorge ich schon«, versicherte Andreas. »Sie hat sich bislang auch net beschwert.« Er stutzte. »Oder doch? War sie vielleicht bei Ihnen?«

Hochwürden schüttelte den Kopf. Er trank einen Schluck Kaffee und erklärte dann direkt: »Im Dorf wird viel über Mira geredet. Es heißt, dass hier unmoralische Zustände herrschen. Man nennt den Tannenhof bereits einen ›Sündenpfuhl‹. Ich mag das schmutzige Gerede net im Detail wiederholen. Aber ich hab mich genötigt gefühlt, bei euch einmal nach dem Rechten zu sehen und euch auch zu sagen, was unter der Hand für Gerüchte umgehen.«

Andreas war perplex. »Das darf doch net wahr sein!«, murmelte er betreten. »Wer setzt denn solche Lügen in die Welt?«

»Ein Gerede kommt schnell auf, wenn jemand neu im Dorf ist. Vor allem, wenn es sich um ein so schönes Madel handelt, das zwei jungen Burschen den Haushalt führt.«

»Wie Sie das sagen, klingt es wirklich anstößig. Aber ich kann Ihnen versichern, Hochwürden, dass es net so ist. Hier leben ja schließlich noch mehr Menschen außer uns dreien. Die Mira hat ihre Kammer im Gesindehaus neben der Kat. Alles hat seine Ordnung, darauf können Sie sich verlassen.«

»Ich hab’s net anders erwartet. Ihr solltet aber trotzdem darauf achten, dass dieser Tratsch keine neue Nahrung bekommt. Ich will mich diskret ein bisserl umhören, vielleicht kann ich ja herausfinden, woher das Gerede kommt, und es unterbinden.«

»Dafür wäre ich Ihnen dankbar, Hochwürden.« Andreas begleitete den Pfarrer noch hinaus. Nachdem er gegangen war, sagte der Bauer zu Katharina: »Da redet uns einer übel nach. Na warte, wenn ich den erwische, der kann was erleben!«

***

»Vielleicht mal eine ganz leichte Gemüsesuppe und frischgebackenes Brot. Bei der Hitze ist das leichter verdaulich, was meint ihr?« Mira schaute von Katharina zu Manuela, sie saßen zusammen auf der Eckbank und tranken kühle Limonade.

»Eine gute Idee«, meinte Manuela, doch die alte Hauserin gab zu bedenken: »Die Burschen werden murren. Ein Essen ohne Fleisch ist für sie keine rechte Mahlzeit.«

»Mit einem gekochten Rindfleisch ging’s auch …«

Manuela warf Mira einen aufmerksamen Blick zu. Und als diese ihn bemerkte, stellte Manuela fest: »Du bist ganz anders, als ich am Anfang gedacht hab.«