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Bekannte und unbekannte Persönlichkeiten waren es, die zum Gelingen der Friedlichen Revolution beigetragen haben. Thomas Mayer, Chefreporter der Leipziger Volkszeitung, hält schon fast vergessene Geschichten von Menschen fest, die zu den Wegbereitern der Friedlichen Revolution gehörten. Unter Ihnen Christoph Wonneberger, der Koordinator der Leipziger Friedensgebete, Jochen Läßig, der mit seiner Gitarre in den Widerstand ging, Gisela Kallenbach, eine Umweltschützerin mit Mut und Ideen, Gesine Oltmanns, die ihren Ausreiseantrag zurückzog und demonstrierte, Katrin Hattenhauer, die am 9. Oktober 1989 im Gefängnis saß, Edgar Dusdal, einer der sieben Sprecher des Leipziger Neuen Forums, Jürgen Tallig, der Perestroika-Losungen in den Fußgängertunnel malte, Ernst Demele, der illegal ein ZDF Kamerateam durch Leipzig führte, Uwe Schwabe, dessen eigene Stasiakte heute im Dienstregal steht, ebenso wie Thomas Rudolph, Brigitte Moritz, Rolf-Michael Turek, Michael Arnold, Rainer Müller, Friedel Fischer, Roland Quester, Kathrin Walther und Petra Lux.
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Seitenzahl: 120
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Thomas Mayer
Helden derFriedlichen Revolution
18 Porträts von Wegbereitern aus Leipzig
Schriftenreihe des Sächsischen Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen
Band10
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
2. Auflage 2009
© 2009 by Evangelische Verlagsanstalt GmbH, Leipzig
Alle Rechte vorbehalten
Umschlagfoto: DPA / Foto: Wolfgang Kumm
Am 4. September 1989 entrollen Gesine Oltmanns und Katrin Hattenhauer nach
dem Friedensgebet in der Leipziger Nikolaikirche ein Transparent.
Layout: behnelux gestaltung, Halle/Saale
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2017
ISBN 978-3-374-04996-7
www.eva-leipzig.de
www.lstu-sachsen.de
Cover
Titel
Impressum
Geleitwort des Autors
Vorwort von Michael Beleites
Mutig auf Kanzel und Drahtesel
Erst renitent, dann am Boden zerstört und nun gelassen – die Leben des Pfarrers Christoph Wonneberger
Der singende Revolutionär
Widerstand mit Stimme und Gitarre – Der einstige DDR-Staatsfeind Jochen Läßig arbeitet heute als Rechtsanwalt
Der Chef des Ameisentransports
Intelligent und renitent – Thomas Rudolph, einst wichtiger Kopf der Bürgerrechtler, heute Sozialarbeiter
Eine Frau der mutigen Minderheit
Still und effektiv – Brigitte Moritz engagiert sich meist im Verborgenen für die Bürgerrechte
Protest in Smaragdgrün
Der Umwelt und den Kindern zuliebe – Gisela Kallenbach trägt auf ihre Weise zum Fall des SED-Regimes bei
Ganz oder gar nicht
Widerstand mit Angst und Glücksmomenten – Gesine Oltmanns sorgt mutig für den öffentlichen Protest
Steuermann im Pfarramt
Klug die Bürgerrechtsgruppen geeint – Rolf-Michael Turek und die Privilegien der Markuskirchgemeinde
Der revoltierende Student
Nicht konspirativ, sondern offensiv – Michael Arnold und die Demaskierung der Stasi
Im Vollzeit-Widerstand
Nicht Jugendspaß, sondern Lebensernst – Rainer Müller und sein konsequentes Handeln
Die Freiheit wagen
Widerstand mit Risiko – Am 9. Oktober 1989, dem Tag der Entscheidung, sitzt Katrin Hattenhauer im Gefängnis
Pfarrer Löwenherz
Christliche Verantwortung ohne konfessionelle Schranken – Der Katholik Friedel Fischer im Widerstand
Der Philosoph
Für Frieden und Freiheit – Der Pfarrer Edgar Dusdal sprach 1989 auch im Namen des Neuen Forums
Ein Ökolöwe
Früher und heute – Roland Quester setzt sich für die Umwelt ein
Jeanne d’Arc aus Lindenau
Jung und unerschrocken – Kathrin Walther riskiert schon mit 16 viel für ein neues Leben
Protest aus dem Glashaus
Immer ein Mann in der Öffentlichkeit – Jürgen Tallig, der bekennende Perestroikianer
Unangepasste Klubhauschefin
Petra Lux leitete das Jugendobjekt »Jörgen Schmidtchen« und engagierte sich im Neuen Forum
Ein bisschen Schwejk
Mit Nadelstichen gegen die Mächtigen – der pfiffige Bürgerprotest des Ernst Demele
Vom Widerstand zum Rasenmäher
Protest gegen den Status quo – Uwe Schwabe ist eine Hauptfigur der Revolutionäre
Der Autor
Schriftenreihe des Sächsischen Landesbeauftragten für die Stasi- Unterlagen
Weitere Bücher
Mit dem Begriff des »Helden« ist sorgsam umzugehen.
Ein Held ist eine Person mit besonders herausragenden Fähigkeiten oder Eigenschaften, die sie zu außergewöhnlichen Leistungen treibt: den sogenannten Heldentaten. Jene 18 Frauen und Männer aber, die unter der Überschrift »Helden der Friedlichen Revolution« in diesem Buch porträtiert werden, sind für uns Helden im außerordentlichen Sinn des Wortes. Sie haben mutig, jede, jeder auf seine ureigene Weise dazu beigetragen, dass im Herbst 1989 die SED-Diktatur ihr Ende fand.
Die Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler sind dabei sicherlich eher stille Helden. Sie standen und sie stehen auch gegenwärtig meistens nicht im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Ein herausgehobenes Beispiel dafür ist der Lebensweg von Pfarrer Christoph Wonneberger. Auf seine Initiative hin sind die Friedensgebete ins Leben gerufen worden, die bis heute als ganz wichtiger Markstein auf dem Weg hin zu jenen dramatischen Ereignissen im Herbst ’89 gelten.
Thomas Mayer
Als »Held« benannt zu werden, das wird den meisten der hier vorgestellten Menschen eher peinlich sein. Helden, kennen wir als Figuren der Geschichte, meist als heroische Kämpfer. Dort sind Helden immer Menschen, die sich unter der bewussten Eingehung eines hohen persönlichen Risikos, bei einer Zurückstellung ihrer persönlichen Interessen mit einer außergewöhnlichen Kraftanstrengung für das Wohl der Gemeinschaft, für ihr Volk, eingesetzt haben – und dabei Erfolg hatten. Nun sind die »Helden« dieses Buches keine Krieger, die mit dem Schwert gekämpft haben. Ihnen haftet nichts Militärisches an, im Gegenteil: Sie haben Zivilcourage gezeigt inmitten des zunehmend militarisierten Systems der DDR. Sie haben gewaltfreien Widerstand in Gang gesetzt und so entscheidenden Anteil an der Friedlichen Revolution. Dennoch treffen so gut wie alle der herkömmlichen Heldeneigenschaften ebenso auf sie zu: Auch die Leipziger Protagonisten des Wendeherbstes von 1989 haben sich mit einer außergewöhnlichen Kraftanstrengung für eine lebenswerte Zukunft der Gemeinschaft eingesetzt. Auch sie taten das, indem sie ihre Eigeninteressen zurücknahmen und indem sie ein hohes persönliches Risiko bewusst eingingen.
Bei den von Thomas Mayer porträtierten »Helden der Friedlichen Revolution« geht es um Menschen, die im entscheidenden Moment nicht danach gefragt haben, wie sich ihr Tun auf ihre Rente auswirkt. Sie haben nicht einmal danach gefragt, ob sie ihr Engagement ins berufliche Abseits oder gar ins Gefängnis führt. Es geht um Menschen, die spontan und beherzt gehandelt haben. Auch wenn manche ihre bisherige Arbeit aufgegeben haben, um sich fortan ganztägig bei der Organisierung demokratischer Initiativen einzubringen, sind diese Menschen keine waghalsigen »Aussteiger«, sondern mutige »Einsteiger« gewesen. Sie waren keine Pessimisten, sondern Optimisten. Sie dachten nicht zuerst daran, was mit ihnen passiert, wenn der Aufbruch scheitert, sondern sie setzten alles auf Hoffnung. Sie glaubten, dass ihr Handeln einen Wert an sich hat, unabhängig davon, ob ihnen ein schneller Erfolg beschieden ist oder nicht. Doch schließlich waren sie erfolgreich in einem Maße, wie sich das wohl noch im Sommer und Herbst 1989 kaum einer der aktiv Beteiligten hätte vorstellen können. Ohne solche Menschen hätte die Friedliche Revolution nicht stattgefunden, nicht in Leipzig und auch nicht anderswo.
Angesichts der 1989er Revolution hat der Naturschützer Reimar Gilsenbach einmal gesagt: Um in Umbruchsituationen überlebensfähig zu sein, braucht jede Population fünf Prozent Unangepasste. Es ist zwar völlig übertrieben, wenn manche behaupten, die DDR-Dissidenten hätten die 89er Revolution »gemacht«. Aber die Friedliche Revolution der Massen, die schließlich für ganz Ostdeutschland Freiheit und Demokratie errungen hat, konnte sich anfangs tatsächlich nur auf den Wegen des Widerstandes formieren, die kleine »Basisgruppen« schon Jahre vorher gebahnt hatten. Insoweit steht die heutige Freiheit der Gesamtheit auf den Schultern einer unangepassten Minderheit, die zur DDR-Zeit all die Nachteile und Schädigungen auf sich genommen hat, die in einem diktatorischen System mit einer solchen Anpassungsverweigerung zwangsläufig verbunden gewesen sind. Nun stellen die hier vorgestellten »Bürgerrechtler« bei weitem keine fünf Prozent der damaligen Leipziger Bevölkerung. Aber es handelt sich bei ihnen auch nicht um »die« Helden, sondern um eine repräsentative Auswahl überdurchschnittlich engagierter Bürger.
Helden waren schließlich auch die Hunderttausenden von Demonstranten auf den Straßen – insbesondere jene Menschen, die am 9. Oktober 1989, dem Tag der Entscheidung, in Leipzig demonstrierten! An jenem Montag hatte der SED-Staat eine Bürgerkriegsarmee aus Kampfgruppen, Bereitschaftspolizei und Stasi in der Stadt zusammengezogen, um mit den von Woche zu Woche anschwellenden Montagsdemonstrationen »endgültig« Schluss zu machen – und zwar »mit der Waffe in der Hand!« So stand es in der Leipziger Volkszeitung, dem damaligen »Organ der SED-Bezirksleitung«. Trotz der offenkundigen Lebensgefahr kamen über 70000 Menschen zur mit Abstand größten Demonstration, die die DDR bis dahin seit dem Juniaufstand von 1953 gesehen hatte. Nur weil es so viele waren, kam es nicht zur Eskalation, und damit erstmals zu keinerlei Übergriffen gegen die Montagsdemonstranten. Das Entscheidende an diesem Entscheidungstag war die unglaubliche Kraft und die Motivation der beteiligten Menschen. Es waren 70000 Einzelne, die sich – jeder für sich allein – dafür entschieden hatten, trotz der bedrohlichen Gefahren in die Leipziger Innenstadt zu kommen. Das »Wunder von Leipzig« ist nur möglich geworden, weil so viele Menschen bewusst ihr Leben riskiert haben! Wo sonst sind Bürgermut und die Kraft gewaltfreien Widerstands eindrücklicher demonstriert worden als an jenem Schicksalstag in Leipzig? »Helden« sind die 70000 Demonstranten des 9. Oktobers 1989 nicht weniger gewesen, als die hier Porträtierten.
Dieser Tag der Entscheidung, die Wende zur Friedlichen Revolution in der gesamten DDR, fand in Leipzig statt. Und doch war dies nicht nur ein Leipziger Ereignis. Wie auch in den Wochen vorher und nachher haben an jenem Montag sehr viele Auswärtige an den Leipziger Demonstrationen teilgenommen. Martin Jankowski hat Leipzig ganz zutreffend als »die Bühne der Friedlichen Revolution« bezeichnet. Dass aber Leipzig diese herausragende Rolle für das gesamte Land spielen konnte, hatte durchaus eine spezifische Leipziger Vorgeschichte. Für diese Vorgeschichte stehen die in diesem Band vorgestellten Menschen in besonderer Weise. Insoweit sind sie zwar Leipziger »Helden«, aber ihr Tun ist bei weitem nicht nur für Leipzig von entscheidender Bedeutung gewesen.
Dem erfahrenen Reporter Thomas Mayer ist es zu verdanken, diese Menschen zwanzig Jahre später aufgespürt und ihre Geschichten publik gemacht zu haben. Seine in der Leipziger Volkszeitung erschienene Serie über Leipziger »Helden der Friedlichen Revolution« hat zu Recht eine große Resonanz gefunden. Thomas Mayer hat dabei nicht nur ein Licht auf die fast vergessenen und sogar unbekannten Vor- und Hintergrundgeschichten des Leipziger Herbstes geworfen – die sich eben oft im »Untergrund« abgespielt haben. Er hat diesem ganz wesentlichen Teil der 1989er Revolutionsgeschichte Namen und Gesichter gegeben. Es waren Menschen, die hier gehandelt haben – und Thomas Mayer zeigt genau dies: die menschliche Dimension der Friedlichen Revolution.
Der Initiative des Leipziger Archiv Bürgerbewegung e.V., insbesondere von Uwe Schwabe, ist es zu verdanken, dass die LVZ-Beiträge von Thomas Mayer nun – mit zusätzlichen Dokumenten und Fotos angereichert – in Buchform erscheinen. Er hatte bereits Thomas Mayer fachlich beraten und ihn bei der Herstellung der Kontakte zu den Protagonisten unterstützt. Weiterhin ist auch Michael Wildt zu danken, der zahlreiche weitere Dokumente und Bilder für das Buch beschafft hat. Für redaktionelle Arbeiten danke ich meiner Mitarbeiterin Dr.Nancy Aris. Nicht zuletzt ist der Leipziger Volkszeitung zu danken, dass sie der Buchveröffentlichung dieser zuerst in ihrer Zeitung erschienenen Beiträge zugestimmt hat und diese unterstützt.
Vor allem ist hier aber all jenen zu danken, die sich den Gesprächen mit Thomas Mayer zur Verfügung gestellt und so die Hintergründe ihrer 89er Geschichten für eine größere Öffentlichkeit sichtbar gemacht haben. Diese Geschichten sind schließlich nicht irgendwelche Geschichten, sondern es sind die entscheidenden Impulse, die zur entscheidenden Zeit am entscheidenden Ort einen historischen Epochenwandel mit auf den Weg gebracht haben.
Aber diese Geschichten sind bei weitem nicht nur von historischem Interesse. Dies zeigt letztlich auch die Debatte über die Ursachen der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise. Manch einer hält heute die Zeit für gekommen, um erneut an marxistische oder sozialistische Modelle anzuknüpfen. Die Motivation und das Engagement der hier vorgestellten Menschen zeigen vor allem zweierlei: Erstens ist allen Systemen und Modellen zu misstrauen, die sich als ewig oder alternativlos präsentieren. Auch heute müssen Impulse gesetzt und Räume geschaffen werden für ein offenes, freies und öffentliches Gespräch über die aktuell bewegenden Fragen, über Gegenwarts- und Zukunftsprobleme und mögliche Problemlösungen – und zwar ohne irgendwelche vorab einschränkenden Denkverbote. Zweitens zeigt die Geschichte der Friedlichen Revolution mit aller Deutlichkeit: Sozialistische Modelle oder gar eine Orientierung an den Verhältnissen der DDR sind keine zukunftsfähigen Alternativen. Bundespräsident Host Köhler hat vollkommen Recht, wenn er die Ursachen der Finanzkrise in einem Verhalten sieht, das Freiheit ohne Verantwortung wahrnimmt. Im Blick auf unsere Zukunft muss es also darum gehen, Freiheit und Verantwortung enger aneinander zu binden. Eine Orientierung an einem System, das sowohl Freiheit als auch Verantwortung systematisch unterdrückt hat, wäre da ein gefährlicher Irrweg. Die Leipziger Beispiele eines aus individueller Verantwortung für die Allgemeinheit motivierten Engagements für Freiheit können zwar auf die drängenden Fragen unserer Zeit keine fertigen Antworten geben. Aber sie können den Weg weisen, auf dem Lösungen zu finden sind.
Michael Beleites
Sächsischer Landesbeauftragter
für die Stasi-Unterlagen
© Foto: Andreas Döring
1944 als Sohn eines Pfarrers in Wiesa geboren, erlernte Christoph Wonneberger zunächst den Beruf eines Maschinenschlossers. Danach legte er verschiedene Sprachprüfungen ab, um zum Theologiestudium in Rostock zugelassen zu werden. Nach seinem Studium an der staatlichen Universität in Rostock und an der kirchlichen Hochschule wurde er nach dem Predigerkolleg 1973 in Leipzig ordiniert. Es folgten Pfarrstellen in Leipzig-Möckern, Taucha und in der Dresdner Weinbergkirche.
In Dresden begründete Wonneberger die Initiative Sozialer Friedensdienst (SOFD). Erste Konflikte mit der Kirchenleitung und das Verbot eines geplanten überregional ostdeutschen Treffens der SOFD-Befürworter folgten bald. Ab April 1982 etablierte er die Friedensgebete in der Dresdner Dreikönigskirche. Mit dem 13. September 1982 wurden diese Gebete auf seine Anregung hin auch in der Leipziger Nikolaikirche durchgeführt. 1985 wurde Wonneberger in die Lukaskirche Leipzig-Volkmarsdorf versetzt. Dort übernahm er die Koordination der Friedensgebete in der Nikolaikirche. Ab September 1988 wurde ihm diese Aufgabe vom Superintendenten wieder entzogen. Christoph Wonneberger wurde von der Stasi im Operativen Vorgang »Provokateur« und »Lukas« verfolgt. Auf der am 9. Oktober 1989 von der Leipziger Stasi erstellten Liste der für die Isolierungslager bestimmten Personen war Wonneberger auf dem dritten Platz. Am 30. Oktober 1989 erlitt er einen schweren Hirninfarkt. Ein zeitweiliger Verlust der Sprache und ein langwieriger Wiederherstellungsprozess waren die Folge. Noch während der Genesung wurde Wonneberger von der Kirche in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. 1995 erhielt er das Bundesverdienstkreuz. Christoph Wonneberger ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Er lebt auch heute noch in Leipzig und gilt als der Initiator der Friedensgebete. Aus ihnen entwickelten sich die Montagsdemonstrationen.
Erst renitent, dann am Boden zerstört und nun gelassen – die Leben des Pfarrers Christoph Wonneberger
Christoph Wonneberger hat wieder einmal Großes vor. Der passionierte Radfahrer nimmt an der am 12. Juni in Paris startenden Friedensfahrt teil. Sie führt in sechs Wochen über 3500 (!) Kilometer nach Moskau. Im Internet ist Näheres über diese Veranstaltung zu erfahren. Auf der Startseite ist auch ein Spruch von Kurt Tucholsky zu lesen, der auf Wonneberger, einen der wichtigsten Wegbereiter der Friedlichen Revolution in Sachsen, zutrifft: »Der Vorteil der Klugheit besteht darin, dass man sich dumm stellen kann. Das Gegenteil ist schon schwieriger.«
Der gebürtige Erzgebirgler aus Wiesa und ehemalige Pfarrer der Leipziger Lukaskirche in Volkmarsdorf und der Koordinator der Friedensgebete sitzt ganz entspannt im Schneidersitz auf der Couch in seiner Wohnung nahe des Fockeberges und denkt über das Leben nach.
Den größten Einschnitt hatte es für den Christen und friedlichen Revolutionär Wonneberger am Abend des 30. Oktobers 1989 gegeben. Dass damals 200000 Menschen friedlich und mit Sprechchören wie »Wir sind das Volk« über den Leipziger Ring demonstrierten, war zu großen Teilen auch ihm zuzuschreiben. Der untersetzte, stets drahtig daherkommende Mann schien an jenem Tag zu den Siegern der Geschichte zu gehören – und er wurde auf einmal doch nicht mehr gebraucht. Manch anderer drängte sich vor die auf einmal zuhauf erschienenen Kameras und Mikrophone. An diesem Montagabend brach Wonneberger mit einem Hirninfarkt zusammen.
Als der damals 45-Jährige