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Zu Beginn der Motocrosssaison bekommt der erfolgreiche Rennfahrer Cole einen neuen Mechaniker: Es ist ausgerechnet Maxwell, der Zwillingsbruder von Coles altem Erzfeind und härtestem Konkurrenten. Maxwell sieht seinem attraktiven Bruder zum Verwechseln ähnlich und bringt damit Coles Gefühle ganz schön durcheinander. Gleichzeitig weiß Cole nicht, ob er dem Neuen trauen kann. Während Cole sich mit seinen widerstreitenden Gefühlen auseinandersetzt, rückt der Tag des großen Rennens immer näher. Plötzlich häufen sich gefährliche technische Defekte an Coles Maschine. Steckt Maxwell dahinter? Kann Cole ihm noch trauen? Als es zu einem leidenschaftlichen Kuss zwischen den beiden kommt, steht ihre Welt auf einmal Kopf … Leser-Feedback: "Highspeed Love hat einfach alles: tolle Charaktere die man gleich liebgewinnt, eine Handlung, die Spannung verspricht und mit Chris eine echt klasse Schriftstellerin, die ihr Handwerk meisterhaft beherrscht. Ich LIEBE dieses Buch!" Books and Fairytales "Neben Leidenschaft, Gefühlen und Liebe, kommt aber auch die Spannung und Geschwindigkeit nicht zu kurz. Rund gesagt, ein sehr schönes Buch mit unvorhersehbaren Wendungen..." Lisasbooks "Die Kombination aus Liebesstory mit heißen Momenten, Sport und Spannung war absolut perfekt. Ich werde das Buch bestimmt noch einmal zu Hand nehmen und nochmal mitfiebern, wenn es mit Highspeed über die Rennstrecke geht!" Arianna "Die Geschichte profitiert von dem wirklich guten Schreibstil der Autorin. Ob die Charaktere oder der Spannungsbogen - alles greift wie geölt ineinander." Schnuffelchens Bücher und Co
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Die AutorinChris P. Rolls, geboren 1971, hat Pädagogik studiert. Schon früh dem Schreiben verfallen, gehört ihre Liebe der Fantasy und besonders der homoerotischen Fantasy und GayRomance. Gefühle intensiv zu beschreiben ist ihre ganz besondere Leidenschaft. Sie lebt im wunderschönen McPom, wo sie Arabische Vollblüter züchtet und als Pferdetrainerin/Reitlehrerin arbeitet.
Das BuchZu Beginn der Motocrosssaison bekommt der erfolgreiche Rennfahrer Cole einen neuen Mechaniker: Es ist ausgerechnet Maxwell, der Zwillingsbruder von Coles altem Erzfeind und härtestem Konkurrenten. Maxwell sieht seinem attraktiven Bruder zum Verwechseln ähnlich und bringt damit Coles Gefühle ganz schön durcheinander. Gleichzeitig weiß Cole nicht, ob er dem Neuen trauen kann. Während Cole sich mit seinen widerstreitenden Gefühlen auseinandersetzt, rückt der Tag des großen Rennens immer näher. Plötzlich häufen sich gefährliche technische Defekte an Coles Maschine. Steckt Maxwell dahinter? Kann Cole ihm noch trauen? Als es zu einem leidenschaftlichen Kuss zwischen den beiden kommt, steht ihre Welt auf einmal Kopf … Leser-Feedback »Highspeed Love hat einfach alles: tolle Charaktere die man gleich liebgewinnt, eine Handlung, die Spannung verspricht und mit Chris eine echt klasse Schriftstellerin, die ihr Handwerk meisterhaft beherrscht. Ich LIEBE dieses Buch!« Books and Fairytales »Neben Leidenschaft, Gefühlen und Liebe, kommt aber auch die Spannung und Geschwindigkeit nicht zu kurz. Rund gesagt, ein sehr schönes Buch mit unvorhersehbaren Wendungen...« Lisasbooks »Die Kombination aus Liebesstory mit heißen Momenten, Sport und Spannung war absolut perfekt. Ich werde das Buch bestimmt noch einmal zu Hand nehmen und nochmal mitfiebern, wenn es mit Highspeed über die Rennstrecke geht!« Arianna »Die Geschichte profitiert von dem wirklich guten Schreibstil der Autorin. Ob die Charaktere oder der Spannungsbogen - alles greift wie geölt ineinander.« Schnuffelchens Bücher und Co
Chris P. Rolls
Highspeed Love
Roman
Forever by Ullsteinforever.ullstein.de
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»Hm?«
Träge blinzelte Cole in das zu helle Licht. Vorwitzige Sonnenstrahlen, die sich seitlich an der Jalousie vorbeimogelten, kitzelten ihn in der Nase und er schloss geblendet die Lider. Wohlige Wärme umgab ihn wie eine zweite Decke, die Schwere des Schlafs wich nur zögerlich. Denken fiel schwer, wenn Träume noch lebendig waren. Was hatte ihn eigentlich noch mal geweckt?
Hinter ihm atmete jemand tief und gleichmäßig. Ein winzig schnarchender Laut zwischen Ein- und Ausatmen. Haut rieb an Haut, mit jenem besonderen, prickelnden Gefühl einer heißen vergangenen Nacht. Schlaftrunken hob Cole den Kopf und wandte sich um.
Zerwühlte braune Haare, der Mund mit den schmalen Lippen stand leicht offen, der Atem, der über seine Schulter strich, duftete nach Whiskey-Cola. Ein junges Gesicht, der Hauch von Bartstoppeln, die beim Küssen an Zunge und Lippen gekitzelt hatten.
Er erinnerte sich schmunzelnd: Jeremy, der Student. Eine wirklich heiße Nacht. In seinen Ohren hallte noch das wunderbare Stöhnen nach.
Irgendwo klopfte es heftig und eine tiefe Stimme rief dumpf seinen Namen. Richtig, das Klopfen hatte ihn geweckt. War das etwa Eddie? Was trieb den denn um …? Cole griff ungeschickt nach seinem Smartphone. Es lag auf dem Nachttisch, doch das Display blieb dunkel. Akku alle. Mal wieder.
Grummelnd richtete er sich auf, schob Jeremy, dessen leises Schnarchen unverändert blieb, seinen geringen Anteil an Bettdecke zu und erhob sich gähnend. Wo war seine Jogginghose? Ah, auf dem Stuhl unter den T-Shirts und Pullovern, die er in den Schrank hatte räumen wollen.
Weiterhin herzhaft gähnend schlurfte Cole aus dem Schlafzimmer. Ein klägliches Maunzen begrüßte ihn vom Fenster her. Oh weh, Miss Sunshine hatte er gestern Abend ganz vergessen. Sie war mit Sicherheit tödlich beleidigt, dass er sie nicht reingelassen hatte. Beim Sex stand er nicht auf Zuschauer. Vor allem nicht auf solche, die im falschen Moment schmusend mitmischen wollten.
»Cole?« Noch einmal klopfte es an der Vordertür.
»Jaja, ich komme ja schon«, brummte er, stolperte über ein Paar Turnschuhe, die vermutlich Jeremy gehörten, und öffnete. Ein graues Etwas flitzte zwischen seinen Beinen hindurch. Ein sehr hungriges Etwas: Miss Sunshine.
»Guten Morgen, Cole. Sag bloß, du hast noch geschlafen?« Eddie wirkte für Coles Geschmack viel zu wach und motiviert.
»Erwarte jetzt nur keine fröhliche Begrüßung von mir vor dem ersten Kaffee. Wie spät ist es überhaupt?«
Eddie hob reflexartig den Arm und schaute auf die teuer aussehende Armbanduhr. »Es ist nach 9 Uhr und ein Montag, falls du gerade nicht auf dem Laufenden sein solltest.« Missbilligend runzelte er die hohe Stirn, die der modische Schnitt der gegelten braunen Haare nicht mal ansatzweise verbergen konnte, und kniff die hellgrünen Augen zusammen. Wie immer sah er wie frisch aus dem Katalog entwichen aus: Hemd, Krawatte und Sakko farblich sorgfältig abgestimmt auf die Hose und die noblen Lederschuhe. Er streckte sich und ließ gleich darauf seufzend die Schultern sinken. Selbst wenn er nicht auf den untersten Stufen von Coles Eingang stand, reichte er ihm normalerweise kaum zur Brust.
»Ach ja?« Cole rieb sich müde über Augen und Stirn. Ihm war schon bewusst, dass die Woche begonnen hatte. Nur hatte sie das bisher ohne ihn. Er würde halt nachkommen.
»Komm rein, aber erwarte ja keine sinnvollen Äußerungen vor der zweiten Tasse Kaffee. Willst du schwarz oder mit Zucker? Milch habe ich keine da.« Mist, Miss Sunshine würde das ebenfalls missfallen. Einkaufen stand also heute auf dem Programm.
»Schwarz wäre okay.« Eddie folgte ihm in den Wohnbereich, der zu einer offenen Küche gehörte, und ließ sich auf einen der Stühle am Esstisch sinken. Emsig kramte er im Aktenkoffer, während Cole gähnend in seiner Küche die Kaffeemaschine anwarf. Verdammt, viel getrunken hatte er nicht, dennoch fiel es ihm schwer, wirklich wach zu werden.
Miss Sunshine maunzte ihn kläglich an und er schob ihr hastig den vollen Futternapf zu. Schmatzend nahm sie seine Entschuldigung an.
»Es geht um Pete«, rief ihm Eddie vom Wohnzimmer aus zu und legte einige Stapel aus Unterlagen vor sich zurecht.
»Wie geht es ihm? Warst du noch mal im Krankenhaus?« Gluckernd tropfte wohlduftender Kaffee in Coles Tasse und der Geruch half ihm endlich, die Lider weiter zu öffnen. Was nicht so gut roch, war er selbst. Mann, er sollte dringend duschen. Duschen und dann einkaufen. Heute war kein Training und das war gut so.
»Bescheiden. Genau deswegen bin ich hier. Die Ärzte …«
»Moment. Wie spät war es noch mal?« Coles Gehirn kaute an einer Information, die sich im Hinterkopf eingenistet und die er mit Priorität versehen hatte.
»Exakt 9:36 Uhr. Was ist eigentlich mit deinem Handy los? Ich habe heute schon mehrfach versucht, dich anzurufen.« Eddie schenkte ihm einen Blick, der an Coles gering ausgeprägtes Schuldbewusstsein gerichtet war und folglich abprallte.
»Shit! Er kommt zu spät. Hier, nimm den Kaffee, ich muss Jeremy wecken.« Rasch eilte Cole zurück ins Schlafzimmer und rüttelte an Jeremys Schulter. »Hey. Aufwachen, du hast Vorlesung um 11 Uhr.«
Unverständliches Genuschel war die Antwort.
»Jeremy, du hast mich gestern Abend extra gebeten, den Wecker auf 9 zu stellen. Aber mein Handyakku ist alle. Los, steh schon auf, du kommst zu spät.« Heftiger rüttelte Cole an der Schulter und zog ihm schließlich die Bettdecke weg. Grummelnd öffnete Jeremy seine braunen Augen.
»Wie spät is’ denn?«
»Zu spät. Geh duschen, ich mach Kaffee und ein Brötchen.« Cole gab Jeremy grinsend einen Klaps auf den wohlgeformten Hintern, mit dem er letzte Nacht äußerst innige Bekanntschaft gemacht hatte, und kehrte zu Eddie und seinem Kaffee zurück.
»Du hast einen Freund?« Eddie nickte zur Schlafzimmertür, hinter der nun herzhaftes Gähnen und gemurmelte Flüche zu vernehmen waren.
»Nur ein Fick«, schwächte Cole ab, mochte den Geschmack des Wortes allerdings selbst nicht und ergänzte: »Wir haben ab und an Sex. Ist eher eine Zweckgemeinschaft.« Eine gut funktionierende.
Eddies typisches Stirnrunzeln übersah er geflissentlich. Es war ihm egal, was der von seinem Privatleben hielt. Denn genau das war es: Privat und sein Leben. Und wenn er bisher nicht über Mister Right gestolpert war, den Druck dennoch abbauen wollte, dann war das eben so. Jeremy war okay.
»Morgen«, nuschelte dieser, herrlich zerzaust und verschlafen, mit seinen Klamotten auf dem Arm und ansonsten wie Gott ihn schuf. Oh ja, er war schon ein heißes Gestell. So liebte Cole Männer: breite Schultern, klar definierte Brust- und Oberarmmuskeln. Ein ganzer Kerl eben. Er winkte Eddie zu, dessen Augenbrauen nach oben wanderten und der hastig nach seiner Tasse griff, und verschwand im Badezimmer.
Miss Sunshine strich Cole schnurrend um die Beine und folgte ihm zum Esstisch, wo sie ihm sofort auf den Schoß sprang und die fehlenden Kuscheleinheiten einforderte.
»Solange er dich nicht …«
»Nein, er hält mich nicht vom Training ab. Wir vögeln ab und an, wenn wir im Club aufeinandertreffen, und ansonsten hat er rein gar nichts mit dem Sport oder dem Team zu tun«, erklärte Cole schärfer als beabsichtigt. Er wusste schon, wie Eddie es meinte, doch es ging ihm reichlich auf die Nerven, dass der ihn viel zu oft bemutterte. Er war erwachsen. Schwul und Single und durchaus in der Lage, für sich selbst zu sorgen. Auch, was sein Sexleben anging.
»Schon gut.« Eddie wiegelte ab, stellte die Kaffeetasse mit Schwung auf den Tisch und holte Luft. »Wegen Pete … Du hast ihn ja gesehen. Die Ärzte sagen, er kommt wieder in Ordnung, aber er ist aus dem Team raus. Niemand kann sagen, ob und wann er wieder einsatzfähig sein wird.«
»Shit!« Nicht, dass er es nicht geahnt hätte. Ein Schlaganfall war ein Schlaganfall.
»Du sagst es. Und das vor der Saison. Wir brauchen dringend Ersatz und deshalb …«, schwungvoll ließ Eddie seine Hand auf einen der Stapel klatschen, »habe ich dir die Bewerber mitgebracht. Ich habe schon ein paar aussortiert, aber da in erster Linie du mit Petes Nachfolger zusammenarbeiten musst, möchte ich, dass du sie dir ansiehst.«
Cole trank seinen Kaffee und betrachtete die Unterlagen skeptisch. Für Pete Ersatz zu finden würde verdammt schwer werden. Sie waren ein eingespieltes Team gewesen, hundertprozentig hatte er sich auf ihn verlassen können. Ohne einen guten Mechaniker war kein Fahrer etwas wert. Die Saison fing großartig an.
»Für mich muss er nur eins sein: verdammt gut«, brummte er, beobachtete Jeremy, der mit nassen Haaren aus dem Bad kam und mit glückseligem Ausdruck seinen Kaffee hinabstürzte.
»Danke für das Brötchen, Wikinger. Hast du meine Tasche …?«
»Dort. Deine Schuhe links davon.« Cole deutete in die rechte Ecke hinter der Tür. Erleichtert seufzend schlüpfte Jeremy hinein und schaffte das Kunststück, währenddessen sein Brötchen zu verspeisen. Hach, diese langen Beine in der knackigen Jeans … Ja, Cole wusste schon, warum er nie Nein sagte, wenn Jeremy ihn im Club ansprach.
»Bist du übernächsten Samstag wieder da?« Jeremy warf sich die Tasche über die Schulter, wischte sich Krümel vom Mund.
»Das nächste Wochenende hat Cole einen Wettkampf, und ich bezweifle, dass er am Samstagabend wieder da ist«, warf Eddie ein. Sein strenger Blick erheiterte Cole, der Jeremy zuzwinkerte.
»Sorry, Kumpel. Wir sehen uns irgendwann im Club wieder. Während der Saison ist es schwierig. Danke für die Nacht.«
»Danke dir, Wikinger.« Die Tür fiel zu, nur ein vager Hauch von Coles eigenem Shampoo lag in der Luft. Seufzend sah er Jeremy nach. Ein feiner Kerl, und erst der Sex … Immer wieder gut.
»Wikinger?« Pikiert rümpfte Eddie die Nase. Cole lachte leise und prostete ihm zu.
»Wegen meiner hellbraunen Augen und Haare. Er meint, so hat er sich immer einen Wikinger vorgestellt: Groß, breitschultrig, schulterlange Haare und mit einem Schw…«
»Will ich nicht wissen«, unterbrach ihn Eddie mit erhobenen Händen. »Los, schau dir die Unterlagen an. Ich will das heute noch klären. Vor dem ersten Rennen muss das Team unbedingt wieder vollständig sein.«
Seufzend zog sich Cole den Stapel heran. Es dürfte verdammt schwer werden, Pete zu ersetzen. Neue Leute im Team, das brachte Unruhe, Komponenten, die er neu einkalkulieren musste. Er war niemand, der leicht vertraute, zu oft war er auf die Schnauze gefallen. Seinem Mechaniker musste er allerdings voll vertrauen können. Welcher dieser ihm unbekannten Menschen konnte solch eine Position ausfüllen? Mit Pete hatte ihn eine jahrelange Freundschaft verbunden, sie kannten sich schon aus seinen Rookiezeiten.
Eddie schlürfte seinen Kaffee und beobachte ihn, während Cole nur halbherzig durch die Bewerbungen blätterte. Drei Namen sagten ihm etwas, das meiste waren Männer, eine der Frauen hatte er irgendwann auch mal kennengelernt. Ob sie gut genug waren? Ob sie ins Team passten? Keine Ahnung.
»Du hast doch bestimmt schon jemanden im Auge?« Cole kraulte Miss Sunshine und zupfte eine kleine Klette hinter ihrem Ohr heraus.
»Habe ich, einen Spitzenmechaniker. Aber ich vermute, er wird dir nicht gefallen.« Eddie rieb sich das Kinn, zögerte kurz, griff zu einem Ordner, der noch vor Cole lag. Er wog die Unterlagen einen Moment in der Hand, dann drückte er ihm die Bewerbung in die Hand.
Cole schlug den Ordner auf und erstarrte. Er hob den Blick und durchbohrte Eddie. »Das ist nicht dein Ernst?«
»Es ist nicht der, an den du gerade denkst. Das ist sein …«
»Ich weiß, wer das ist. Maxwell Bowders. Der Bruder von …« Instinktiv wischte er sich über Kinn und Mundwinkel. Dieses markante Gesicht, die kurzen, schwarzbraunen Haare, die lange Nase, die dichten Brauen und diese Augen. Diese verdammten graubraunen Augen. Es schien nicht so lange her zu sein, dass sie ihn hasserfüllt angeblitzt hatten. Die Wucht des Hiebes war auch in der Erinnerung nicht schwächer geworden.
»Miles.« Er stieß den Namen aus und spürte denselben Zorn, dieselbe brodelnde Wut. Nichts war vergessen. Nichts vergeben. Egal wie oft sie aufeinandertrafen.
»Zwillingsbrüder. Wahnsinn, wie ähnlich die beiden sich sind, nicht wahr? Bis auf die Narbe dort an der Lippe. Ich habe schon oft gehört, dass die beiden verwechselt …« Eddie plapperte drauflos, doch Cole hörte ihm nicht zu. Mit Groll im Magen starrte er auf das Foto und den Mann. Maxwell, nicht Miles, und ja, Maxwell hatte eine dünne, relativ unauffällige Narbe links an der Wange, die sich über den Mundwinkel bis zum Kinn zog. Was für eine Ironie.
»… und guck dir mal seine Qualifikationen an. Der Kerl macht aus jeder Suppendose eine fantastische Wettkampfmaschine.« Begeistert deutete Eddie auf die Liste. Ja, in der Tat, die konnte sich sehen lassen. Maxwell war vermutlich einer der am besten ausgebildeten Mechaniker. Er war damals schon so etwas wie eine Legende gewesen. Damals.
Die Liste endete allerdings nicht dort, wo Cole es vermutet hatte: Maxwell arbeitete aktuell in einer renommierten Motorradwerkstatt.
Drei Jahre. Was hatte der wohl in den letzten Jahren getrieben?
»Dir ist schon klar, dass dieser Mann beinahe seinen Bruder in den Himmel befördert hat?«, unterbrach Cole Eddies Schwärmerei. »Technischer Defekt an der Maschine, die Lenkung blockierte. Miles ist mit voller Wucht aufgeprallt und … Oh, lass schauen: Der verantwortliche Mechaniker war sein eigener Bruder, Maxwell Bowders. Er wurde nur deshalb nicht wegen fahrlässiger Tötung angeklagt, weil sein Bruder das partout nicht wollte.« Schaudernd dachte Cole an den Unfall, der direkt vor ihm passiert war. Er konnte von Glück reden, dass er schnell genug ausgewichen war. Noch immer sah er Miles’ Körper durch die Luft wirbeln, aufschlagen und mit verdrehten Gliedern liegenbleiben. Ein absolutes Wunder, dass er das überlebt hatte.
Eddie machte eine wegwerfende Bewegung. »Gerüchte besagen auch, dass Maxwell an jenem Tag gar nicht zugegen war.«
»So?« Cole krauste die Stirn und blickte ihn skeptisch an.
»Erinnerst du dich noch daran? An den Tag, als es passierte? Hast du ihn gesehen? War er dabei vor dem Start?« Herausfordernd hob Eddie das Kinn.
»Worauf willst du hinaus?« Ja, er klang misstrauisch. Eddie schien Informationen zu haben, die er nicht besaß. Was an sich nichts Ungewöhnliches war. Sein Manager war berühmt-berüchtigt dafür, und ein Teil seines Erfolges basierte gewiss darauf, dass er wusste, wie er sich Informationen beschaffen konnte.
»Antworte einfach: Hast du ihn an dem Tag selbst gesehen?«
Cole lehnte sich zurück, warf noch einen Blick auf das Bild. Irritierend. Es war nicht Miles. Dies war Maxwell. Sicher, er war auch ihm ein paar Mal auf den Wettkämpfen begegnet. Wortkarger als sein Bruder, meist umgab ihn ein unverkennbarer Odeur von Maschinenöl und Benzin. Diese Augen, dieses Kinn, diese verwegene Art – sie war beiden zu eigen.
Verdammt, warum nur war er so ein Vollidiot gewesen?
»Cole? Kannst du dich daran erinnern, Maxwell an dem Tag getroffen zu haben?« Ungeduldig trommelten Eddies Finger auf den Tisch, eine Angewohnheit, die Cole an ihm absolut nicht leiden konnte.
»Das ist über drei Jahre her«, wandte er ein. Er erinnerte sich an das plötzliche Ausscheren der Maschine vor dem Absprung, an spritzenden Sand, schliddernde Reifen, das Bike in der Luft und dann den harten Crash. Den Schreck, die rote Flagge, den Aufschrei der Menge, die Lautsprecherdurchsagen. An das flackernde Licht und die Sirene des Rettungswagens, die tausend Fragen, die auf ihn einstürmten, während er wie betäubt am Rande stand, weil das Rennen abgebrochen worden war.
Miles war das Thema des Tages gewesen, nicht Maxwell. Hätte der nicht dort sein müssen? Wäre er nicht der Erste bei seinem Bruder gewesen? Morgens beim freien Training hatte Miles seinen üblichen blöden Spruch gegen Cole abgelassen. Damals hatte ihn das noch getroffen.
Nicht mehr.
Nein, das stimmte nicht. Fast bei jedem Wettkampf kam im Vorfeld eine versteckte Beleidigung oder Spitze, ehe sie ins Rennen gingen. An jenem Unglückstag hatte er ihn am Start weder angesehen noch eine obszöne Geste gemacht. Oh ja, daran erinnerte er sich genau: Er hatte sich gewundert und es auf die Anspannung oder Müdigkeit nach der Feier vom Abend zuvor geschoben.
Aber Maxwell? Wer hatte denn hinter Miles’ Maschine gestanden? Einer aus dem Team vielleicht, aber Maxwell war es nicht gewesen.
»Siehst du.« Eddie klang triumphierend. »Es gibt zumindest berechtigte Zweifel, ob Maxwell für den Zustand der Maschine verantwortlich war oder nicht.«
»Das ist Bullshit, Eddie! Nur weil er beim Start nicht dabei war? Wenn er nicht verantwortlich war, wieso hat Miles das dann nicht richtiggestellt? Hey, es ging um seinen Bruder, der hochkant gefeuert wurde und ein Verfahren am Hals hatte. Deswegen war er weg vom Fenster, das war ein deftiger Arschtritt. Die Szene vergisst nicht. Sie verzeiht nicht.«
»Und du?« Lauernd blickte Eddie ihn an. Cole war sicher, dass niemand Details von seinem Zusammenstoß mit Miles wusste, weil sie keine direkten Zeugen gehabt hatten. Weder er noch Miles hatten davon ein Wort verlauten lassen. Miles’ Beschimpfungen und ewige Spitzen dürften dennoch einigen zu Ohren gekommen sein. Die wüsten Wörter, mit denen er ihn bedacht hatte, klingelten noch in Coles Ohren und würden es immer tun.
»Eddie, ich glaube nicht, dass es eine gute Idee ist. Sicherlich ist, nein, war Maxwell mal spitze, aber es sind immerhin schon drei Jahre …«
»Er ist noch immer spitze. Ich habe mit seinem Arbeitgeber gesprochen, der ihn ungern gehen lässt und steif und fest behauptet, dass Maxwell Motoröl in den Adern hat und einfach jedes Motorschätzchen versteht. Ob er damals verantwortlich war oder nicht, jeder macht mal einen Fehler.«
»Noch so einer und ich liege in Einzelteilen im Sarg. Du vergisst, dass jeder Fehler tödlich sein kann«, wandte Cole ein. Er fühlte sich unbehaglich, konnte aber nicht genau benennen warum. Angst fuhr immer mit, Stürze gehörten zur Tagesordnung, daran war er gewöhnt. Aber das war es nicht, was ihn beschäftigte. Es war etwas anderes und das hatte leider, auch wenn er das nur ungern zugab, eher mit Miles als mit Maxwell zu tun.
Zwillingsbrüder. Gleiches Aussehen, gleiche Gene, gleiche Neigung. Worüber machte er sich also Gedanken? Hetero war hetero. Noch einmal würde ihm ein solcher Fehler nicht unterlaufen.
Seufzend betrachtete er erneut Maxwells Bewerbung. Wo war der wohl die letzten drei Jahre gewesen? Nach dem Skandal abgetaucht? Er an seiner Stelle hätte das vermutlich getan. Und er wäre nicht wiedergekommen.
Was Miles wohl dazu sagen würde, wenn sein Bruder bei der Konkurrenz auftauchte? Cole schmunzelte plötzlich. Dreckige kleine Genugtuung, aber ja, er fühlte sie. Der beste Mechaniker vor dem Crash könnte für ihn arbeiten. Ein Seitenhieb, ein Faktor, der Miles’ Arroganz empfindlich treffen konnte. Und wenn Maxwell wirklich noch immer so gut war, dann stiegen seine Chancen, Miles’ Arsch hinter sich zu wissen und auf dem Treppchen über ihm zu stehen. Was für ein gutes Feeling, was für eine Aussicht.
»Ich sehe, du bist nicht ganz abgeneigt«, unterbrach Eddie grinsend seine Siegesfantasien. »Wie wäre es, wenn du dir deine zweite Tasse Kaffee holst und ich ihn und diese beiden hier zum Vorstellungsgespräch ins Dirtcamp einlade? Du kannst dir dann persönlich ein Bild von ihnen machen und danach entscheiden, okay?«
Miss Sunshine rekelte sich und biss Cole liebevoll in die Hand, während er ihren Bauch kraulte und abwesend nickte. Er legte Maxwells Bewerbung zu den anderen beiden, die Eddie zur Seite schob.
Das würde interessant werden.
Cole liebte das Dirtcamp. Es war immer ein wenig wie Heimkommen, auch wenn er sein Haus in dem ruhigen Vorort mit der Nähe zum Meer zum Leben bevorzugte. Einige aus dem Team nannten diesen Ort die Folterkammer oder auch das Bootcamp, für alle in dem kleinen Team aus Moto- und Supercrossern war es jedoch die Basis.
Cole fuhr langsam, ließ seine Maschine die sanften Kurven der Allee zu den Gebäuden hin entlanggleiten und sein Blick schweifte über die aufgewühlte Erde der Pisten links und rechts davon. Die rotbraune Erde leuchtete gegen das satte Grün der Bäume ringsum an. Es war ein wunderbar sonniger, trockener Tag in Kalifornien. Der typische Duft von Staub, Zweitaktgemisch und Motoröl lag in der Luft, obwohl die Strecken derzeit verlassen wirkten. Mittagszeit. Alle würden sich im mittleren Gebäude in der Kantine treffen. Eddies Sportwagen parkte in der Reihe neben dem Haupthaus und neben dem großen, zweistöckigen Truck für die Events.
Die Allee lief in einen Halbkreis vor den anderen flachen Gebäuden aus, die sich nicht die Mühe machten, ihre Funktionalität hinter hübschen Anstrichen oder architektonischen Spielereien zu verbergen. Nur vor wenigen der Bungalows standen Blumentöpfe oder hatte gar einer der temporären Bewohner sich im Gärtnern versucht. Wer hier lebte, war nicht zum Wohlfühlen da, sondern einzig und alleine, um sich bestmöglich auf das Training und den Sport zu konzentrieren. Dieselbe Anordnung von Bungalows fand sich auch auf der anderen Seite, wo die Mechaniker und Arbeiter rund um das Dirtcamp lebten.
Zwei Trainingsstrecken, eine große Werkstatt mit Teilelager und ein gut ausgestatteter Fitnessbereich verbargen sich hinter dem schlichten Äußeren der mittleren Gebäude. Seit vielen Jahren galt das Dirtcamp als eine der besten privatfinanzierten Eliteschmieden, besonders für den Supercrossnachwuchs.
Cole stellte die Maschine auf seinen Parkplatz, schwang sich herunter und nahm den Helm ab. Die Hand fuhr durch die verklebten Haare und er sah lächelnd zu dem Bungalow mit der verwitterten Nummer 7 hin, in dem er viele Jahre gelebt hatte.
Frisch vom Junior-Motocross war er gekommen, ein viel zu arroganter, siegverwöhnter Vierzehnjähriger, für den Sport und Leben ein und dasselbe Abenteuer waren. Wie bei allen anderen auch, war nicht sein Name, sondern ausschließlich sein Erfolg die Eintrittskarte gewesen. Dafür hatte sein Vater schon gesorgt.
Wie gut konnte er sich noch daran erinnern, als die Euphorie der Realität wich, das tägliche harte Training und der zunehmende Leistungsdruck jede Illusion eines sorglosen Teenagerlebens fern von daheim fortwischten. Zum ersten Mal ganz auf sich alleine gestellt, kein Star der Juniorszene, sondern nur ein Fahrer von vielen. Einer, der sich in jeder Hinsicht beweisen musste. Und der Jüngste.
Es waren weniger die Einsamkeit oder Sehnsucht nach Zuhause und seinem Vater gewesen, die ihm nach den ersten Monaten zu schaffen gemacht hatte. Vielmehr die Isolation. Discobesuche oder Partys außerhalb des Geländes waren außer Diskussion, da niemand Zeit und Lust hatte, ihn in die meilenweit entfernte Stadt zu fahren oder von dort abzuholen. Nicht einmal alleine durfte er losziehen. Seine älteren Teamgefährten hatten mit der ihnen typischen Arroganz und väterlicher Gönnerhaftigkeit sorgfältig darauf geachtet, dass er »brav« blieb. Vielleicht hatte es sogar entsprechende Anweisungen von höherer Stelle gegeben. Gut möglich. Sehr wahrscheinlich.
Die allabendlichen zotigen Gespräche über Frauen und was man mit ihnen anstellen konnte, hatten Cole nur noch weiter isoliert. Den Pornofilmchen, die einen großen Teil der Fernsehunterhaltung ausmachten, hatte er nichts abgewinnen können, Begeisterung geheuchelt und gehofft, man würde sie ihm abnehmen. Sein wahres Interesse war ein überaus sorgsam gehütetes Geheimnis geworden. Innerhalb des Camps hätte ihn jede Andeutung, jedes Verdachtsmoment nur zum verpönten, gehassten Außenseiter degradiert. Also hatte er geschwiegen und vor sich hin geträumt. Von den Siegen, von Erfolgen, von anspruchsvollen Strecken, jubelndem Publikum und davon, eines Tages mit einem Mann einiges davon erleben zu können, was er sich lediglich heimlich auf den gängigen Pornoseiten im Internet ansehen konnte.
Cole gönnte sich einen Moment, um hinüber zum Zaun der Rennstrecke zu schlendern. Genau hier hatte er oft gestanden und seiner ersten Liebe zugesehen. Nicht, dass sein Teamkollege Juan je etwas davon erfahren hätte, dass er ihn angeschmachtet, jede seiner Trainingsrunden, jedes Rennen mit brennendem Herzen verfolgt hatte. Längst hatte Juan dem Sport den Rücken zugekehrt, war verheiratet, promotete Fitnessgeräte. Cole hingegen hatte verbissen auf sein Ziel zugearbeitet und den Weg in den Profi-Supercross gemacht. Wenigstens ein Teil seines Traumes war inzwischen wahr geworden.
Seufzend stieß er sich vom Zaun ab und wandte sich um. Das Brummen einer weiteren Maschine zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Passend zum Motorrad – einer umlackierten, älteren Kawasaki – ganz in schwarz und blau gekleidet, rollte ein Fahrer langsam heran und parkte neben seiner Maschine. Cole verspürte einen Anflug von Unbehagen und war für einen Moment tatsächlich irritiert.
Die Gestalt wirkte in ihrer Fahrweise und den Bewegungen derart vertraut, dass er einen weiteren Augenblick brauchte, ehe er kleine Unterschiede erkannte: Miles Bowders bewegte sich anders, hektischer und kraftvoller. Die Bewegungen dieses Fahrers wirkten bedächtig, und noch ehe er den Helm abnahm, wusste Cole, dass es Maxwell sein musste. Schwarzbraunes, längeres Haar, ein ganz anderer Schnitt, als Miles ihn trug, jedoch dasselbe vertraute Gesicht, die gleichen Grübchen. Dieselbe Nase? Nein, diese hatte Maxwell sich wohl mal gebrochen, sie war nicht so schmal und gerade wie bei Miles und die Augen … Seltsam, sie waren Miles so ähnlich und doch ganz anders. Dunkler, geheimnisvoller. Intensiver.
Der Blick durchbohrte Cole, ließ sein Herz sich zusammenziehen und überzog die Unterarme mit einer Gänsehaut. Verdammt, er hatte das Gefühl, sich nicht einmal mehr von der Stelle rühren zu können. Widerstreitende Emotionen kämpften um die Vorherrschaft: Die stets auftretende Anspannung, wenn er Miles begegnete, verbunden mit leiser Wehmut. Egal wie lange es her war, es schmerzte noch immer. Dummer Tor, der er war.
Cole sog die Luft durch die Nase ein, straffte sich und schluckte verstohlen, ehe er ein unverbindliches Lächeln aufsetzte und auf Maxwell zuging. Sein Herz strafte die lässige Attitüde Lügen, doch er war geübt genug, seine Gefühle nicht zu zeigen. Keine Schwäche, keine Angriffsfläche.
»Willkommen im Dirtcamp. Du musst Maxwell Bowders sein. Ich bin Cole McCaloney.« Entschlossen, ein wenig zu schnell, streckte Cole die Hand aus. Der Duft von Leder und Kräutern, etwas Minze und vielleicht Oregano, der aus der halbgeöffneten Bikerjacke aufstieg und seine Sinne verführte. Wärme umschloss Coles Finger, ein angenehmer Druck schwieliger Finger umfing sie.
»Freut mich sehr.«
Diese Stimme, dieser Mund mit den schmalen Lippen und den winzigen Bartstoppeln. Es war eigentümlich, Worte daraus zu vernehmen, die nicht abfällig, stichelnd oder spöttisch, verletzend oder gar wutverzerrt klangen. Cole verspürte das absurde Bedürfnis, die Irritation abzuschütteln, und riss sich zusammen.
»Ich hoffe, du hattest eine gute Anreise?« Es widerstrebte ihm, seine Hand zurückzuziehen. So nahe, gefangen in Maxwells Gegenwart, im Anblick seines Körpers, der herrlich welligen Haare, der breiten Schultern, dieser Augen. Jesus, bestand überhaupt eine Chance, dass er das hier mit Würde überstand? Es war wohl doch eine dämliche Idee gewesen, er hätte es wissen müssen.
»Das Wetter war bisher okay. Hoffentlich bleibt es weiterhin trocken.« Maxwell lächelte. Der linke Mundwinkel hob sich nicht vollständig mit an, die dünne Narbe, die sich über die Oberlippe zum Kinn zog, gab ihm ein leicht verwegenes Aussehen. Wie ein Pirat.
Verflixt, warum mussten denn beide Bowders auch so verdammt geil aussehen? Cole zog seine Hand zurück, lächelte unverbindlich. Er hasste belanglose Konversationen. Das war Eddies Spezialität. Der sollte ohnehin die Gespräche führen. Eigentlich war er doch überflüssig, denn alles, was ihn interessierte, war ob … diese großen Hände … Werkzeug! Ja, Werkzeug bedienen, Schrauben anziehen konnten. Nichts anderes. Keine starken Finger, die sich auf leicht behaarte Oberschenkel legten, die über die Brust fuhren und … Shit, er sollte sich echt zusammenreißen. Seine Libido war etwas, das sich seiner Kontrolle nur zu gerne widersetzte.
»Dann komm. Eddie, unser Teammanager, wird drinnen warten – und die anderen Bewerber auch.« Genau, am besten machte er Maxwell gleich klar, dass er nur einer in der Auswahl war. Er konnte sich gut für einen der anderen entscheiden, er musste nicht Maxwell nehmen. Probleme schaffte man sich nicht unnötig an.
Maxwell nickte, zog die Jacke ganz aus und legte sie über den Arm. Er trug ein enges, schwarzes Shirt, und als er sich in Bewegung setzte, bemerkte Cole sofort, dass er das linke Bein nachzog.
»Alles klar?«, erkundigte er sich besorgt.
»Alte Sache«, brummte Maxwell, blickte nicht auf und sein Tonfall hielt Cole davon ab, weiter nachzufragen. Maxwells Blick brannte in seinem Rücken, als er sich umwandte und vorausging. Das Kribbeln zog die Wirbelsäule hinauf, zupfte am Nacken. Jeden Atemzug vermeinte er zu hören, jeden Schritt spürte er als Vibration, während sie durch den Gang an der Kantine vorbei zum Büro am anderen Ende gingen.
Die tiefe Stimme eines anderen Mannes drang durch die Tür, abgelöst von dem hellen Lachen einer Frau. Cole klopfte nicht, denn Eddie würde sie schon erwarten, sondern stieß die Tür auf.
»Ah, da bist du ja, Cole. Und Mr. Bowders, schön, dass Sie gekommen sind. Nehmen Sie doch Platz.« Eddie sprang auf und kam ihnen entgegen, begrüßte Maxwell per Handschlag und gab Cole Gelegenheit, die anderen beiden Bewerber in Augenschein zu nehmen. Annie Foster und Luther Joyce. Annies dunkelbraune offene Haare fielen ihr über die Schultern und sie warf ihm ein charmantes Lächeln zu. Ihr hübsches Gesicht war dezent geschminkt. Ihre einfache Jeans und die Bluse schienen sorgfältig gewählt, um sie nicht burschikos, jedoch weiblich genug erscheinen zu lassen, ohne aufreizend zu sein. Sie wirkte beinahe zu zierlich für den Job, doch Cole wusste, dass sie sich bereits in anderen Motocross-Teams einen Namen gemacht hatte und sich in der Männerdomäne gut behaupten konnte.
Luther hingegen war klein und konnte sein indianisches Erbe nicht verbergen, obwohl er die Haare kurzgeschoren hatte. Die dunklen Augen in dem dunkelhäutigen Gesicht wurden von einer Brille betont, die auch gut zu einem Collegeabsolventen gepasst hätte. Laut den Unterlagen hatte Luther wirklich Ingenieurwissenschaften studiert. Im letzten Jahr hatte er erste Erfahrungen als Mechaniker nicht nur im Moto-, sondern auch im Supercross sammeln können. Sein Fahrer, der sich selbst finanziert hatte, war jedoch im Herbst ausgestiegen und seither suchte Luther eine neue Stelle.
Eddie bat alle Platz zu nehmen, bot Kaffee und Tee an und schaffte binnen weniger Minuten eine lockere Konversation, die weit weg vom eigentlichen Zweck ihres Zusammentreffens entfernt zu sein schien. Dennoch flocht er immer wieder Fragen und Hinweise ein. Cole sagte wenig, bewunderte Eddies Art, an Informationen zu kommen, und musterte unterdessen verstohlen die drei Kandidaten. Sein Blick wollte jedoch immer wieder an Maxwell kleben bleiben, der wortkarg blieb und Eddies Fragen zwar beantwortete, jedoch nie mehr Angaben als nötig machte.
Weil er etwas verbergen wollte? Eddie sprach den Vorfall vor drei Jahren nicht an, er umschiffte sogar geschickt das Thema Miles Bowders.
Soweit Cole es beurteilen konnte, waren alle drei Bewerber mehr als gut für den Job, und er begann sich zu fragen, mit welchem von ihnen er menschlich wohl besser klarkommen würde.
Annie hatte eine fröhliche, offene und gewinnende Art, die ihm sehr gefiel. Obwohl er wusste, dass er frei von Vorurteilen sein sollte, kam er jedoch nicht umhin, einen der Männer zu bevorzugen. Pete war nicht nur Mechaniker, sondern Vertrauter gewesen. Damit fiel Maxwell im Prinzip auch aus, denn Cole wusste nicht, wie er diese Art von freundschaftlicher Beziehung zu einem Mann aufbauen sollte, dessen Bruder ihn hasste. Immer würde dieser unsägliche Vorfall zwischen ihnen stehen. Ganz abgesehen von dieser Unfallgeschichte.
Und Luther? Er wirkte ruhig, ein wenig zu förmlich, und Cole gestand sich ein, dass er aus einem unbestimmbaren Grund nicht recht warm mit ihm wurde.
»Nun kennen wir uns alle doch schon ein wenig besser.« Eddie grinste zufrieden und es fehlte nur noch, dass er in die Hände klatschte. »Wie wäre es, wenn wir in die Werkstatt gehen und Cole euch euren potenziellen neuen Arbeitsplatz zeigt? Ich denke mal, er wird bestimmt auch noch die eine oder andere Frage an euch haben. Ich weiß bei einem Motorrad gerade mal, wo man sich draufsetzt.« Lachend erhob sich Eddie und machte eine einladende Geste, ihm zu folgen. Cole wartete, bis Annie und Luther aufgestanden waren, und schloss sich Maxwell an, der sich eindeutig schwerfälliger erhob.
Was wohl mit seinem Bein geschehen war? Ein Unfall? Was für eine Ironie, dass er offenbar nicht denselben Schutzengel wie sein Bruder gehabt hatte.
Munter plapperte Eddie drauflos, während sie den Gang entlanggingen. Er nutzte die Gelegenheit, die anderen Teamfahrer und Mitarbeiter in der Kantine vorzustellen. Maxwell blieb am Eingang stehen und Cole trat einfach neben ihn, nickte den anderen zu und ließ sich begrüßen.
Die Bandbreite der Blicke, die Maxwell trafen, reichte von verblüfft über offen misstrauisch, beinahe feindselig, bis hin zu ignorierend. Dessen vages Lächeln hingegen blieb unverändert, auch wenn Cole deutlich bemerkte, wie er die Schultern anspannte.
Wie viel Mut und Charakter es erforderte, sich mehr oder weniger in die Höhle des Löwen zu begeben, wurde Cole jetzt erst klar. Warum nahm Maxwell das auf sich? Warum wollte er zurück in die Szene, in der sein Name, sein Gesicht einen schalen Beigeschmack hatte? Warum jeden an den Vorfall erinnern? Und warum bewarb er sich bei Miles’ stärkstem Konkurrenten?
Eddie war sicherlich besser in subtilen Verhörtechniken, aber Cole würde schon einen Weg finden, Maxwell auf den Zahn zu fühlen.
»Tadaa, die heiligen Hallen unseres Erfolges.« Eddie stieß das Rolltor zur Werkstatt mit genügend Pathos nach oben, was Annie ein Lächeln entlockte und Luther wenigstens schmunzeln ließ, Maxwell hingegen offenbar nicht beeindruckte. Dabei musste die Werkstatt für jeden Mechaniker einem Ort gleich neben Eden nahekommen. Ihre Ausstattung war vom Allerfeinsten und die lange Reihe der Motorräder wurde von der Sonne, die durch die großen Dachfenster hereinfiel, gut in Szene gesetzt.
Einige der Mechaniker waren bereits von der Mittagspause zurück, irgendein Country-Sender beschallte den linken, rockige Musik den rechten Bereich der Halle und viele hoben grüßend die öl- oder dreckverschmierten Hände, riefen ihnen ein »Hallo!« zu.
Eddie schien dies genau geplant zu haben, denn mit der tänzelnden Sicherheit eines Showmasters führte er seine Kandidaten geheimnisvoll schmunzelnd weiter nach hinten, wo etwas abseits eines der Trainingsräder stand. Dasselbe Modell, welches Cole auch im Wettkampf fuhr. Natürlich.
»Genug geredet, die Praxis ist viel entscheidender. Wie Sie erahnen können, möchte Cole wissen, wie gut Sie wirklich sind. Wie Sie sehen, arbeiten wir nicht mit Werksmaschinen. Wir haben das unvergleichliche Glück, völlig unabhängig zu sein. Nur Originalteile eines Herstellers? Oh nein, nicht bei uns. Jedes Teil wird sorgfältig an die Bedürfnisse des jeweiligen Fahrers angepasst. Kein anderes Team in Amerika ist so unabhängig wie unseres, was die Wahl der Teile angeht. Na, was halten Sie davon?« Wie ein Gockel, der seine Hühner zur Futterstelle führt, stolzierte Eddie um die Maschine herum. Cole konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Ryan Carter, der Chefmechaniker des Dirtcamps, stand mit verschränkten Armen neben dem Motorrad und erwiderte das Grinsen, als Eddie ihm den Rücken zukehrte.
Die ganze Bewerbershow, die Eddie inszeniert hatte, war reichlich albern. Wie sehr sehnte Cole sich nach Pete und dessen stoischer Ruhe und Zuverlässigkeit. Pete kannte jedes seiner Schätzchen in- und auswendig und viel besser als Cole, der sich tatsächlich nie besonders für die technische Seite interessiert hatte. Wozu auch? Auf Pete war Verlass gewesen.
Cole bezweifelte inzwischen stark, dass einer der drei Kandidaten innerhalb der anderthalb Monate, die ihnen bis zum ersten Rennen am 9. Januar in Anaheim blieben, auch nur halbwegs zu einem Ersatz von Pete werden konnte.
Verdammt, er würde sich doch davon nicht die Rennsaison versauen lassen? Er hatte schon ganz andere Schwierigkeiten gemeistert, und unter keinen Umständen würde er Miles die Genugtuung gönnen, wieder zu triumphieren. Diese Saison gehörte ihm der Sieg.
Nur mit halbem Ohr hörte er zu, wie Luther die Maschine mit Worten sezierte, mit technischen Begriffen und Statistikwerten nur so um sich warf, und außer Eddie wohl niemanden beeindruckte. Annie hingegen kniete sich hin, besah sich Motor, Gestell, Räder und Tankanlage ganz genau und machte kurze, knappe Bemerkungen, die Ryan anfangs nur zustimmend brummend nicken ließen. Bald jedoch kniete er neben ihr und sie diskutierten angeregt.
Maxwell stand nach wie vor wenige Schritte von Cole entfernt, den Blick nicht auf die Maschine, sondern auf die Werkbank und die Geräte gerichtet. Erst als Annie sich mit einem Lächeln erhob und ein anerkennendes Lächeln von Ryan kassierte, wandte sich Eddie Maxwell zu. Seine Stirn zog sich ein bisschen zusammen und er wirkte etwas enttäuscht.
Tja, sein Spezialkandidat konnte wohl keine weiteren Punkte sammeln, das musste Eddie wurmen. Vielleicht war Maxwell wirklich schon zu lange raus. Möglicherweise zu sehr auf die Kawasakis spezialisiert, die Miles fuhr. Eventuell stachen die anderen beiden ihn deswegen aus. Vermutlich fand Maxwell aber das Ganze so albern wie er selbst.
»Irgendwelche Verbesserungsvorschläge?«, versuchte es Eddie hoffnungsvoll. Schweigen breitete sich aus, alle Augen ruhten auf Maxwell. Im Hintergrund kämpften Metallica und Tim McGraw um die Lautstärkevorherrschaft und erzeugten dabei einen eigentümlich harmonischen Mix. Die anderen Männer in der Werkstatt unterhielten sich nur noch murmelnd. Alle Ohren waren auf das Theater in der Ecke gerichtet. Und den schweigsamen Kandidaten.
»Nein.« Maxwell richtete den Blick nicht auf Eddie, nicht einmal auf das Motorrad. Er sah Cole an, undurchdringlich und intensiv, die dichten Augenbrauen ein wenig zusammengezogen, die Zungenspitze benetzte kurz die Oberlippe. »Wie soll ich eine Maschine beurteilen, wenn ich sie nicht auf dem Track mit ihrem Fahrer sehe? Hier drinnen glänzt sie hübsch, gewinnt jedoch kein Rennen.« Maxwell machte eine knappe Geste. »Dort draußen schon. Mit dem richtigen Fahrer.«
Da war es wieder: dieses Kribbeln entlang der Wirbelsäule. Nur dieses Mal kroch es nicht in den Nacken, es jagte die Wirbelsäule hinab. Herzschlag und Atem sabotierten Coles zur Schau gestellte Gelassenheit, angeheizt durch diese Augen, die ihn durchdrangen, geheimste Sehnsüchte hervorzerrten. Er verspürte den dringenden Wunsch, Maxwell niederzuschlagen, ihn zu Boden zu stoßen, ihm zu verbieten, ihn auf diese Weise anzusehen.
Wer war jetzt albern?
Wusste Maxwell von seiner Wirkung auf ihn? Ahnte er etwas oder spielte er ein perfides Spiel? Gezielte Manipulation? Gut möglich, Cole traute ihm derart viel Raffinesse ohne weiteres zu. Wie auch immer, er hatte Recht.
»Ich ziehe mich um. Wir treffen uns am Track.« Cole wandte sich ab, sich der vollen Aufmerksamkeit aller in der Werkstatt bewusst, allerdings froh und erleichtert, diese Show so oder so zu einem Ende zu bringen. Draußen auf der Strecke bekam er den Kopf frei. Immer.
Als er in voller Montur zurückkehrte, hatten sich so einige Zuschauer eingefunden. Ryan stand neben der Maschine und betankte sie, während er sich angeregt mit Annie unterhielt. Ohne Zweifel, die junge Frau hatte es ihm angetan, und wenn Cole die anderen Jungs gefragt hätte, wer der neue Mechaniker werden sollte, wäre die Abstimmung ganz eindeutig gewesen. Leider war es seine Entscheidung, die zählte, und die bezog kein hübsches Gesicht und keine respektable Oberweite mit ein.
Noch immer wirkte Maxwell erstaunlich unbeteiligt. Um ihn hatte sich ein Vakuum gebildet, das ihn völlig isoliert, beinahe aussätzig erscheinen ließ. Die Fahrer und Mechaniker, die es zum Track gezogen hatte, mieden nicht nur seine Nähe, sondern auch seinen Blick.
Wie kindisch. Für einen Moment empfand Cole gerechten Zorn, auch wenn er die Beweggründe der Mechaniker nachvollziehen konnte. Sicher, dieser Mann hatte einen furchtbaren Fehler begangen. Diese Art der Ächtung hingegen erschien ihm lächerlich. Bewusst provozierend stellte er sich neben ihn.
»Du bist früher selbst gefahren?« Den Unterlagen nach war Maxwell Bowders vor Miles’ steiler Karriere im Supercross selbst ein leidlich guter Motocrosser gewesen.
»Früher«, gab Maxwell zurück, blinzelte gegen die Sonne und beschattete die Augen mit der Hand. An seiner Wortkargheit hatte sich scheinbar nichts geändert. Pete war redselig und fröhlich gewesen, immer einen lockeren Spruch auf den Lippen.
Cole rief sich zur Ordnung. Es war nicht sehr produktiv, andauernd Vergleiche zu Pete zu ziehen. Der würde nicht wiederkommen.
»Spezielle Wünsche, was du sehen willst?«, hakte Cole nach, während er die Maschine bestieg. Ah, das war immer wieder ein gutes Gefühl. Er liebte das Vibrieren, den starken Motor, die unbändige Kraft, den kräftigen Griff der Reifen. Als ob er alles erobern, alles erreichen konnte.
»Ich will dich sehen.« Abermals bohrte sich Maxwells Blick in Coles. Die Worte kamen mit solchem Nachdruck, dass er unwillkürlich schauderte. So intim, so direkt.
Was plante Maxwell, worauf hatte er es abgesehen? Wirklich nur den Job? Oder war dies eine subtile Falle? Sollte er sich die Ratte ins eigene Team holen? Verdammt, er hasste derlei Unsicherheiten.
Mit einem harten Ruck zog Cole den Helm herunter, setzte die Brille auf und ließ die Maschine aufheulen. Das Hinterrad drehte kurz durch, Sand spritzte auf und das Vorderrad hob sich leicht an, als er sie nach vorne schießen ließ. Maxwell wollte ihn sehen? Gut. Sollte er haben. Das war er.
Cole schoss in die erste Kurve, ließ sich von der flachen Innenseite nach oben außen tragen, jagte hinab und auf den ersten Sprung zu. Jeden Quadratzoll dieser Strecke kannte er in- und auswendig, war jeden der beiden Tracks millionenfach gefahren. Mit geschlossenen Augen und selbst im Dunkeln würde er die Strecke fahren können.
Wie er die Sprünge liebte, den Moment der Schwerelosigkeit, den Rausch, wenn es wieder hinabging und zum nächsten Sprung. Linkskurve, drei kleinere Sprünge, scharfe Wendung und durch die ersten Whoops im dritten Gang. Der Rhythmus nahm ihn mit, leicht stehend, die ruckelnd schaukelnde Bewegung war so herrlich vertraut. Abermals in eine Linkskurve, weit hoch und fast senkrecht wieder hinunter. Genügend Schwung für die Wand vor ihm, die höchste Schanze im Track.
Cole lehnte sich vor, ließ die Maschine flach durch die Luft gleiten. Immer der beste Moment, um durchzuatmen. Im Flug schien die Zeit stillzustehen, die Welt für einen kurzen Augenblick einzufrieren. Dann die Landung und wieder Gas geben, ab in die längeren Whoops.
Runde um Runde fuhr er, selbstvergessen, ganz in seinem Element. Genoss die Spannung der Muskeln, das Vibrieren durch Handgelenke und Arme bis hoch in den Nacken, das Federn in den Beinen, die Beschleunigung, die ihn noch dichter an die Maschine presste. Erst nach fünf Runden kehrte er zu der Gruppe der Zuschauer zurück, die angewachsen war. Weitere Fahrer und eine Gruppe aus Jugendlichen waren zum Nachmittagstraining gekommen. Sie begrüßten ihn johlend, während er bis zu Maxwell fuhr und mit einem kleinen Schlenker abrupt neben ihm abstoppte. Staub wirbelte auf, hüllte die aufrechte Gestalt ein, dennoch wich Maxwell keinen Zoll zurück.
»War es das, was du sehen wolltest?« Cole schob die Schutzbrille hoch. Hitze erfüllte seinen Körper, Adrenalin floss wie sanft brennender Alkohol durch seine Adern. Das Herz pochte hart wie ein eigener Motor, der noch immer auf Hochtouren lief.
»Das war lediglich ein geübter Fahrer, der ein wenig Spaß hatte«, meinte Maxwell, verzog den Mund spöttisch, abfällig. Die Augen blitzten kampflustig. »Nicht der Typ, der diese Saison den Monster Energy Supercross Cup gewinnen will.«
Coles Finger schlossen sich fest um die Griffe des Lenkers und er funkelte Maxwell wütend an. Was dachte sich dieser arrogante Scheißkerl eigentlich? Wollte er ihn etwa herausfordern? Wieso sollte er Maxwell etwas beweisen müssen? Maxwell war doch derjenige, der einen Job haben wollte.
»Wir sind hier ja auch nur im Training«, mischte sich Eddie ein, der sich sichtlich unwohl fühlte.
»Willst du Champion werden oder nicht?« Maxwell beachtete Eddie nicht einmal, er starrte Cole weiterhin herausfordernd an.
Verdammt, er musste sich selbst mehrfach daran erinnern, dass dies nicht Miles war. Die Brüder waren sich nicht nur im Äußeren viel zu ähnlich. Arrogante Arschlöcher, alle beide.
»Wer hat auf diesem Track bisher die schnellste Zeit gefahren?«, fragte Maxwell in die Runde, die Stimme leicht erhoben. Wenn er Aufmerksamkeit haben wollte, das hatte er geschafft. Jeder starrte ihn an und nicht gerade freundlich.
»Cole natürlich. 1:08.« Das kam von Jacob Angels, dem Trainer im Dirtcamp. Mit missfälligem Ausdruck im bärtigen Gesicht und verschränkten Armen trat er einen Schritt vor. Die stoppeligen graubraunen Haare, das kantige Kinn und sein Auftreten wirkten immer wie auf einem Kasernenhof. Er war schon zu Coles Rookiezeiten der Trainer gewesen und hatte sie stets erbarmungslos zu Höchstleistungen angetrieben. Auch wenn er ihn als Trainer schätzte, menschlich hatte Cole nie einen Draht zu Jacob gefunden.
»Ich denke, wir stören hier inzwischen das reguläre Nachwuchstraining und sollten dann mal zurückgehen«, mischte sich Eddie in das Blickduell. Cole verdrehte die Augen hinter der Brille. Er mochte ein wirklich guter Manager sein, von der Dynamik und den unausgesprochenen Regeln im Fahrercamp hatte Eddie hingegen keinen blassen Schimmer. Nie im Leben würde Cole jetzt einen Rückzieher machen. Nicht vor all den Jungs und schon gar nicht vor diesem aufgeblasenen Kerl mit Miles’ Gesicht.
Der wollte wissen, wie gut er war? Würde er erfahren.
»Stell das Startgatter auf.«
»Cole …«, begann Eddie, brach jedoch sofort ab und zuckte die Schultern. Sie kannten sich gut genug, er wusste, wann er keine Chance hatte, Cole umzustimmen. Wenn Maxwell ihn testen wollte, konnte er haben. Er war gerade so richtig in der Stimmung.
Die anderen raunten aufgeregt, er vernahm gedämpft durch den Lärm der Maschine und den Helm ihre anfeuernden Zurufe. Da waren die zwei jüngsten Teamfahrer, Tony und Steven, sechzehn und siebzehn Jahre alt, die ihn bewundernd ansahen, daneben Broc und Aiden, seine Teamkollegen, die ihn vielleicht gewinnen, vielleicht auch versagen sehen wollten. Aus der Gruppe der Nachwuchsfahrer verfolgten leuchtende Augen jede seiner Bewegungen. Da war Ryan, der die Stoppuhr auffordernd hochhielt. Annie und Luther standen bei Eddie, grinsten ihn an und genossen ganz offensichtlich diesen unerwarteten Teil der Show. Es schien sicher zu sein, dass der Job nur noch zwischen ihnen beiden zu vergeben war. Was sollte er auch mit einem Mechaniker, der seinen Platz nicht kannte, ihm nichts zutraute und ihn unnötig provozierte? Pete …
Cole schüttelte den Gedanken ab, beugte sich vor, richtete all seine Aufmerksamkeit auf die Strecke.
Irgendwann im Sommer hatte er die 1:08 hier gefahren, sich mit Broc und Aiden ein Duell geliefert. Es war schwerer, wenn er nicht gegen jemanden fuhr, auf gar keinen Fall würde er sich jedoch die Blöße geben, andere heranzuholen. Unter keinen Umständen. Er war gut, er war einer der Besten.
Das Gate fiel, der Motor heulte auf und Cole schoss vorwärts. Schnelle Starts waren eine seiner Spezialitäten. Das brachte ihn rasch aus dem Pulk und der Gefahrenzone der Stürze durch Aneinandergeraten heraus. Leider war Miles ein fast ebenso guter Starter.
Cole beschleunigte, raste durch die Kurve, wendete blitzschnell. Dieses Mal nahm er jede Kurve, jeden Sprung mit noch mehr Beschleunigung, fuhr an jeder Stelle einige Sekundenbruchteile heraus. Es war einfach auf der vertrauten Strecke, er wusste genau, wo er fahren musste. Über die letzten drei Sprünge in einem großen Satz und er raste auf die kleine Zuschauermenge zu.
Zu langsam. Jacob schüttelte den Kopf, ballte die erhobene Faust. Eddie hielt das Schild mit der Rundenzeit hoch. Die anderen feuerten ihn mit wilden Gesten an. Ihre Stimmen vernahm er nicht über den Lärm des Motors und des Fahrtwindes hinweg. Maxwell stand alleine, die Hände in den Hosentaschen. Cole war zu rasch vorbei, um sein Gesicht zu sehen, vergeudete keine Zeit und jagte noch schneller in die Kurve, riss das Motorrad herum und wendete fast im rechten Winkel. Er konnte das, er war gut.
Noch einmal passierte er seine Zuschauer mit demselben Resultat. Also noch einmal. Im Wettkampf war meist die vierte Runde seine schnellste. Entschlossen presste er die Lippen aufeinander. Sein Herz wummerte, jeder Muskel, jeder Knochen vibrierte. Er war eins mit der Maschine.
Komm, du kannst das, beweise es ihm, feuerte er sich selbst an.
Kein anderer Fahrer war auf dem Track, nur für ihn sichtbar fuhr die grüne Kawasaki direkt vor ihm, schnitt ihm in der nächsten Kurve um Haaresbreite den Weg ab. Miles’ Schatten sprang neben ihm über den Double, landete nur knapp vor seiner Maschine. Durch die Whoops, den Konkurrenten direkt neben sich, beinahe auf Tuchfühlung, hinein in die nächste Kurve. Wenig Platz, Schwung zu holen vor dem Sprung. Volles Risiko.
Hoch trug ihn der Schwung und er drehte das Rad, ließ die Maschine flach fliegen, richtete sie erst kurz vor der Landung wieder auf. Vor Miles.
Hinein in die nächste Sprungsequenz. Er hörte die imaginäre Maschine hinter sich, spürte den Ehrgeiz seines ärgsten Konkurrenten im Nacken. Nebeneinander flogen sie über den Table. Scharfe Wendung, sein Fuß streifte losen Sand. Über den Triple. Ein weiter Sprung, so flach wie möglich. Landung und sogleich herum in die letzte Kurve.
Dort waren sie. Wo war das Schild? War er schnell genug gewesen?
Es brauchte kein Schild. Die jubelnd hochgerissenen Arme, tanzende Gestalten, das breite Grinsen auf Jacobs Zügen. Ja, er hatte es geschafft.
Heiß schoss das Glücksgefühl durch seine Adern. Cole nahm den nächsten Sprung noch mit, zog die Maschine so hoch es ging und stieß die geballte Faust in die Luft.
So viel dazu, Scheißkerl!
Im weiten Kreis kehrte er zurück, ließ die Maschine auslaufen und nahm sich die Zeit, in aller Ruhe Brille und Helm abzunehmen, während Hände ihm auf den Rücken klopften und die Jungs und Mädchen begeistert auf ihn einredeten. Annie lächelte ihn an, Luther und Jacob nickten anerkennend und Eddie … Eddie hüpfte reichlich peinlich, aber mit wahrer Freude im Gesicht herum. Und Maxwell?
Cole wandte triumphierend den Kopf, drückte den Helm Broc in die Hand und grinste Maxwell wortlos an. Was sagst du nun?, wollte er ihm zurufen. Aber sein Blick drückte es ebenso gut aus.
»1:0678 bist du gefahren. Erstklassig, Cole! Seht ihn euch an, Jungs und Mädels: Hier ist der beste Fahrer, den ich je trainiert habe. Wenn ihr härter trainiert und eure Ärsche noch viel schneller bewegt, habt ihr vielleicht irgendwann die Chance, in etwa an seine Zeiten heranzukommen. Träumt davon! Ja, Elian, genau dich meine ich. Hast du gesehen, wie ein Profi durch die Whoops geht? Und das, ihr Grünschnäbel, ist Scrubben, wie es sein soll: die Maschine so flach wie möglich halten, erst kurz vor der Landung aufrichten. Los, jetzt zeigt mir, dass ihr das Geld wert seid, das man in euch pumpt«, brüllte Jacob, schlug Cole im Vorübergehen auf die Schulter und war auch schon bei den jugendlichen Fahrern.