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Unser erstes Treffen brachte mein Herz zum Schlagen. Unser Wiedersehen Jahre später war weniger Herz und mehr Schlag. Meine Verletzung beweist es. Die Leute sehen gerne, wie der Womanizer fällt … derjenige, der deine Nummer annimmt, aber nie anruft? Der Kerl, der mit vielen schläft, sich aber nicht bindet? Jeder will sehen, wie sich dieser Typ verliebt, richtig? Pfft. Klingt wie das Drehbuch von einem der Kinofilme, die meine Kunden drehen. Kommt mal auf den Boden, denn im wirklichen Leben verliebt sich der arrogante Kerl nicht Hals über Kopf in die temperamentvolle Brünette. Es sei denn, er traf sie lange, bevor er sein cooles Auftreten perfektioniert hat. Es sei denn, sie hat eine Narbe auf seinem Herzen hinterlassen, die nie ganz verheilt ist … Alle Bände der Hollywood Hearts-Reihe von Piper Rayne: Band 0/Novella: It Started in L.A. Band 1: Hollywood Hearts – Mr. Nanny Band 2: Hollywood Hearts – Mr. Dreamer Band 3: Hollywood Hearts – Mr. Womanizer
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Deutsche Erstausgabe
© DOMESTIC BLISS by Piper Rayne 2017
© der deutschsprachigen Ausgabe: Piper Verlag GmbH, München 2025
Übersetzung aus dem Amerikanischen: Cherokee Moon Agnew
Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)
Covergestaltung: Giessel Design
Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt
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Cover & Impressum
Widmung
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Epilog
Und zum Schluss noch einbisschen Einhorngeplauder …
Inhaltsübersicht
Cover
Textanfang
Impressum
Für all diejenigen, die eine zweite Chance bekommen.
JAGGER
»Ach, da steckst du«, klingt ihre zuckersüße Stimme, die noch mehr Spaß verspricht, am frühen Morgen durch die salzige Meeresluft.
Ich schwimme zum Beckenrand des Pools. Zuerst fällt mein Blick auf ihre langen gebräunten Beine, die unter meinem Armani-Hemd von gestern Abend hervorragen. Die oberen vier Knöpfe stehen offen und präsentieren ihr perfektes D-Körbchen. Das Haar fällt gestylt über ihre Schultern, aber wahrscheinlich soll ich gar nicht wissen, dass sie es gerade gebürstet hat. Ein wenig Bronzer und Wimperntusche betonen ihre Gesichtszüge, und ihr Atem duftet bestimmt nach Minze. Andere Frau, gleiche Verhaltensweisen.
Jedoch kann ich es ihr nicht verübeln. Die Frauen glauben, sie könnten mich umkrempeln, seit ich zum ersten Mal Flaschendrehen gespielt habe.
»Ich habe gleich ein Meeting.« Die Muskeln in meinen Unterarmen spannen sich an, als ich mich hochdrücke und aus dem Wasser steige. So, wie sie sich auf die Unterlippe beißt, ist es ihr nicht entgangen. Ich schnappe mir eines der fluffigen Handtücher und rubble mein Haar trocken.
Hinter ihr klettert gerade die Sonne über den Horizont, sodass ich ihren unzufriedenen Gesichtsausdruck erkennen kann.
»Es ist erst sechs Uhr«, jammert sie. Jetzt wünsche ich mir, wir wären gestern zu ihr gegangen statt zu mir. So ist es einfacher. Mein Tag ist gelaufen, wenn ich nicht gleich morgens mein Workout kriege.
»Zieh dich an. Ich kann dich mitnehmen und nach Hause bringen.« Ich lege eine Hand auf ihre Hüfte und gebe ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange.
»Alles klar.«
In der Küche angekommen, schenke ich uns zwei Tassen Kaffee ein, während sie nach oben geht. Als ich mein Schlafzimmer betrete, wird mir sofort bewusst, dass sie noch nicht bereit ist, mich vom Haken zu lassen. Sie steht nackt vor mir, mein Hemd liegt irgendwo zwischen den zerknüllten Laken.
»Du musst mir mit dem Reißverschluss helfen. Oder ist das zu viel verlangt?«
Gestern Abend war sie noch damit einverstanden, dass das zwischen uns eine einmalige Sache wird, doch anscheinend hat sie es sich inzwischen anders überlegt.
Sie steigt in ihr Kleid und schlüpft in die Ärmel.
»Sehr gern.« Ich gehe auf sie zu und reiche ihr den Kaffee.
»Du hättest meinen nicht extra in einen To-go-Becher füllen müssen. Ich habe schon verstanden.«
Ich schließe ihren Reißverschluss und trinke einen Schluck von meinem Kaffee. Sie wendet sich zu mir um.
»Ich glaube, ich habe noch Müsli da, aber schnuppere besser mal an der Milch.« Dann verschwinde ich im Badezimmer und drehe das Wasser in der Dusche auf.
»Oh, ich kriege sogar ein Frühstück? Wie nett«, höre ich sie rufen.
»Du willst doch bestimmt nicht hier oben warten, während ich mich fertigmache.« Ich gehe zur Tür und werfe einen Blick ins angrenzende Schlafzimmer.
»Weißt du, was, Jagger? Ich rufe mir einfach ein Uber.«
»Bist du sicher?« Ich lege das Handtuch weg und streife meine Badeshorts ab. »Ich bin in ungefähr einer halben Stunde fertig.«
Sie funkelt mich böse an, doch als ihr Blick auf meinen Schwanz fällt, fangen ihre Augen an zu leuchten. Was soll ich sagen? Selbst nach dem Schwimmen ist er äußerst beeindruckend.
»Eines Tages wirst du einsam sterben, weißt du?«
Normalerweise dauert es länger, bis sie wütend werden.
»Hoffentlich nicht.« Ich zucke mit den Schultern.
»Eine Million Frauen werden an deinem Sarg stehen und dich bespucken.« Sie verengt die strahlend blauen Augen, die mich gestern Abend so fasziniert haben, zu Schlitzen und ballt die kleinen Hände neben ihrem Körper zu Fäusten.
Okay, jetzt ist sie wirklich sauer.
»Und was soll ich dagegen tun?«
Sie hebt die Fäuste, presst die Zähne zusammen und stampft tatsächlich mit einem Fuß auf. »Fick dich, Jagger Kale.« Dann stapft sie zur Tür. »Und so toll bist du im Bett jetzt auch wieder nicht.« Sie wirft ihr Haar über die Schulter und verschwindet.
Mission erfolgreich ausgeführt.
Ich wiederhole jetzt nicht ihre Worte von gestern Nacht. Dass ich ein Gott und mein Schwanz einfach magisch sei. Soll sie sich ruhig einreden, dass ich ihr nicht den besten Sex ihres Lebens beschert habe.
Kopfschüttelnd tippe ich den Zahlencode meiner Alarmanlage ein.
»Guten Morgen, Jagger«, begrüßt mich das System und lässt es nun zu, dass ich ihr die Türen öffne.
Ich höre sie unten knurren.
Abwehrend hebe ich die Hände und beginne, still zu zählen. Eins, zwei … Da knallt die Haustür zu – und zwar heftiger als der Blowjob, den sie mir gestern Nacht verpasst hat. Dann drücke ich wieder auf das Tastenfeld.
»Alarm aktiviert«, lässt mich das System wissen.
Man kann nie vorsichtig genug sein. Manche sind so verrückt, dass sie tatsächlich versuchen, wieder hereinzukommen. Dabei weiß doch jeder, dass Jagger Kale niemanden an sich heranlässt.
***
Mein Spyder brettert über den Asphalt, die Sonne wärmt mein Gesicht, und die Musik dröhnt aus den Lautsprechern.
Es gibt nichts Besseres als den kalifornischen Sommer.
Ich werde niemals verstehen, warum man woanders leben will.
Kurz wird die Musik leiser, und ein Piepen lässt mich wissen, dass ich eine Textnachricht bekommen habe. Ich werfe einen Blick auf die Uhr. Sechs Uhr fünfundvierzig. Das kann nur mein Dad sein.
Als ich an einer roten Ampel zum Stehen komme, drehe ich die Musik leiser, nehme das Smartphone aus der Mittelkonsole und stelle überrascht fest, dass es eine Nachricht von Marisol ist, die mich quasi großgezogen hat. Sie war früher unsere Haushälterin, aber da meine Eltern ständig auf irgendwelchen Events waren, hat sie sich um mich gekümmert. Sie ist eine von zwei Frauen, die ich jemals in mein Herz gelassen habe.
MARISOL:Ich muss leider den Gefallen einlösen, von dem du immer behauptest, du würdest ihn mir schulden.
ICH:Ich sage es dir noch mal: Ich werde nicht mit deiner Nachbarin auf ein Date gehen.
MARISOL:Sie ist inzwischen verlobt. Der Zug ist abgefahren. Mal wieder.
ICH:Wie kann ich dir sonst helfen?
Ich liebe sie. Wirklich. Aber ich muss nicht zum Millionsten Mal hören, dass sie sich Sorgen um mich macht und ich dringend jemanden finden muss. Immer wenn sie zum Putzen zu mir kommt, versteckt sie im gesamten Haus Notizen über das Leben ohne Liebe.
MARISOL:Komm bitte vorbei.
Mein Herzschlag beschleunigt sich augenblicklich.
ICH:Bin auf dem Weg.
Ich lege den Gang ein, gebe Gas, sobald die Ampel auf Grün umspringt, schlängle mich durch den Verkehr und lasse etliche hupende Autos hinter mir.
Fünfundvierzig Minuten später – dieser verdammte Verkehr in L. A. – parke ich vor Marisols winzigem blauem Häuschen. Bäume und Büsche säumen den Weg mit dem Kopfsteinpflaster. Ich winke ihrer neugierigen Nachbarin zu, die gerade in ihrem rosafarbenen Bademantel die Post hereinholt.
»Guten Morgen, Mrs. Fletcher«, rufe ich.
»Mhm.« Sie schenkt mir einen missbilligenden Blick. Sie gehört zu den wenigen Frauen, die ich niemals erobern könnte.
Ich klopfe an Marisols Tür. Als ihre Tochter Isa öffnet, wird mein Mund staubtrocken. Was zur Hölle macht sie denn hier?
»Oh, Jagger, Gott sei Dank.« Sie zwängt sich durch den schmalen Türspalt und zieht die Tür hinter sich zu.
»Isa, was ist los?« Meine Brust zieht sich zusammen, denn ich habe Angst vor dem, was jetzt kommt.
Sie wirft einen Blick nach hinten und setzt sich dann in die Hollywood-Schaukel. »Ich bringe Mom ins Krankenhaus.«
»Wie bitte?« Ich setze mich auf die oberste Verandastufe und blicke zu Isa hoch, deren hellbraune Haut nun kreidebleich geworden ist.
»Sie wollte nicht, dass du es erfährst. Nicht, bevor wir nicht mehr wissen, aber ich habe sie dazu gebracht, dich zu kontaktieren. Sie war letzte Woche beim Arzt. Er ist besorgt wegen ihrer Nieren. Sie hatte die ganze Nacht Schmerzen.«
Mir wird übel. Marisol hat bereits seit ein paar Monaten mit ihrer Gesundheit zu kämpfen. Ich habe mir schon die ganze Zeit Sorgen gemacht, aber sie hat mir immer wieder versichert, dass es nichts ist. Aber das hier … Das klingt nicht nach nichts.
»Dann los! Warum habt ihr auf mich gewartet?« Ich stehe auf und will zur Tür gehen, doch Isa packt mich am Handgelenk.
»Du kennst Mom doch.« Sie atmet laut aus. »Ihre Firma. Sie hat heute eine neue Kundin und …«
»Ich suche jemanden, der für sie einspringt.« Ich löse mich aus ihrem Griff und zücke mein Smartphone.
»Mom wird es niemals zulassen, dass ein Fremder das Haus ihrer Kunden betritt, Jag.«
Ich nicke, denn ich weiß, dass sie recht hat.
Nachdem ich aus dem Haus war, gründete Marisol ihre eigene Reinigungsfirma, die sehr gut läuft. Sie ist so stolz und stur, dass sie sich von mir niemals finanziell helfen lassen würde, daher verschaffe ich ihr hin und wieder neue Kunden von meiner Liste mit A-Promis, die es sich leisten können, die höchste Vergütung zu bezahlen. Mir wäre es lieber, einfach für sie zu sorgen, aber ich verstehe auch, dass sie ihre eigene Chefin sein und gute Leistung abliefern will. Was das angeht, sind wir uns sehr ähnlich.
Ich reibe mir das stoppelige Kinn. »Dann mach du es, und ich bringe sie ins Krankenhaus. Mich liebt sie sowieso mehr als dich.«
Isa schnaubt zwar, rollt aber grinsend mit den Augen.
»Einen Versuch war es wert.« Ich fasse mir in den Nacken und versuche, die permanente Verspannung weg zu massieren.
Isa nickt. »Sorry, aber in dem Fall gewinnen die Gene.«
Ich verdrehe die Augen. »Aber dafür kriege ich sie an Weihnachten.«
»Dann willst du die ganzen Tamales allein vertilgen? Das glaube ich kaum.« Sie steht auf und pikst mir den Zeigefinger in den Bauch.
Ich schließe sie in meine Arme. Für mich ist sie fast wie eine Schwester.
»Aber es wird doch alles wieder gut, oder?« Nun wird die Stimmung zwischen uns ernster.
Sie nickt, die Wange an meine Brust geschmiegt. »Hoffentlich.«
Ich drücke sie kurz, dann gehen wir hinein. Isa hätte mich vorwarnen sollen. Marisol hängt in Schlafshirt und Jogginghose im Wohnzimmer über einer Schüssel.
»Mom!« Isa eilt auf sie zu, setzt sich neben sie und streichelt ihr den Rücken. Marisol scheucht sie weg.
»Wir fahren jetzt.« Isa steht vom Sofa auf und verschwindet in der Küche.
»Marisol.« Ich setze mich in den Sessel. »Sollen wir einen Krankenwagen rufen?«
»Nein«, murmelt sie kaum hörbar, richtet sich auf und wischt sich den Mund mit einem Waschlappen ab. »Hat Isa mit dir gesprochen?«
Ich atme laut aus und setze dann ein Lächeln auf. »Ja. Ich kümmere mich darum.«
Sie legt eine Hand auf mein Knie. Zu jedem anderen Menschen würde ich sagen, dass er seine Kotzhand von meinem Dreitausend-Dollar-Anzug nehmen soll.
»Machst du es? Ich brauche diese Kundin«, fleht sie mit schwacher Stimme.
»Marisol, scheiß auf die Firma.« Ich zücke mein Portemonnaie. »Ich gebe dir Geld.«
Sie schenkt mir diesen enttäuschten Blick. So hat sie mich auch angesehen, als ich sie gebeten habe, bei mir einzuziehen. Aber er ist nicht ganz so schlimm wie der Blick, als ich ihr angeboten habe, ihr ein neues Auto zu kaufen, nachdem ihres den Geist aufgegeben hat. »Eines Tages wirst du schon noch merken, dass du mit Geld nicht alles regeln kannst.« Mit schwacher Hand tätschelt sie mir das Knie.
Isa stürmt ins Wohnzimmer und schnappt sich die Schüssel. »Wenn du schon das Lieblingskind sein willst, dann spüle auch gefälligst die Kotzschüssel aus.« Sie sieht mich an und lächelt ein wenig in dem Versuch, mit ihren Neckereien die angespannte Stimmung zu lockern.
»Das kannst du viel besser als ich.«
Mit einem Augenrollen ist sie wieder verschwunden.
»Na schön. Ich mache es«, raune ich und sehe die Frau an, die für mich in gewisser Weise mehr eine Mutter ist als meine eigene. »Aber nur einmal.«
Wir wissen beide, dass ich öfter für sie einspringen werde, wenn es sein muss.
»Danke, Schätzchen. Morgen geht’s mir bestimmt schon besser.« Marisol lächelt und ist froh darüber, dass sich ihre Tochter und ihr Pseudo-Sohn so gut verstehen. Dann lehnt sie sich nach vorn und schiebt mir über den Tisch einen Zettel zu. »Hier ist die Adresse. Es sind nur leichte Arbeiten. Das kriegst du hin. Keine Holzdielen oder irgendwas.«
»Holzdielen?«
Lachend betritt Isa das Zimmer. »Lass uns gehen, Mom, damit Mr. Clean zu seiner Kundin kommt. Ich würde nur zu gern sehen, wie Jagger Kale eine Toilette schrubbt. Das wird bestimmt lustig.«
Ich stehe auf und helfe Marisol auf die Beine. »Bisher habe ich alles geschafft.« Ich sehe Isa herausfordernd an.
»Es gibt immer ein erstes Mal. Weißt du überhaupt, wie ein Staubsauger funktioniert?« Isa greift zuerst nach Marisols Handtasche, dann nach ihrer eigenen.
»Nimm meinen Truck. Darin ist alles, was du brauchst«, meint Marisol.
Ja, genau. Ich werde alles, was ich brauche, in meinen Spyder stopfen. »Geht jetzt und haltet mich auf dem Laufenden.« Ich öffne die Beifahrertür von Isas kleinem SUV, und Marisol steigt ein. »Pass gut auf sie auf.«
Isa startet den Motor und legt den Rückwärtsgang ein. »Vergiss nicht, dass ich ihr leibliches Kind bin.«
Ich weiß, dass sie es nicht böse meint. Dann nickt sie mir zu. Wir sind beide besorgt.
»Danke, Jagger.« Marisol tätschelt mir die Hand. »Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann.«
Sofort kriege ich ein schlechtes Gewissen, denn eigentlich hatte ich fest vor, eine Reinigungsfirma anzuheuern. Jetzt bleibt mir keine andere Wahl, als mein Versprechen einzuhalten. Wenigstens habe ich von der Besten gelernt, wie man richtig putzt. Ich werde noch vor der Mittagszeit fertig sein. Das kann ja nicht so schwer sein. Ich schreibe meiner Assistentin Victoria eine Nachricht.
ICH:Komme heute später. Bin gegen Mittag da.
VICTORIA:Und dafür bin ich extra in aller Herrgottsfrühe aufgestanden? So ein Mist.
ICH:Ich bin immer noch dein Boss.
VICTORIA:Nicht mehr lange, wenn du dich bis zum Mittag mit Frauen vergnügst.
ICH:Sie ist schon vor dem Frühstück gegangen.
VICTORIA:Du hast sie trainiert, was?
ICH:Eifersucht passt gar nicht zu dir.
VICTORIA:LOL … Ich falle gleich vor lauter Lachen vom Stuhl. Bring mir Sushi mit.
ICH:Eigentlich solltest du mir etwas zu essen bestellen.
VICTORIA:Ich bin nicht die, die zu spät kommt.
Ich verschwende keine Zeit mehr darauf, meiner frechen Assistentin zu antworten, und öffne die Heckklappe von Marisols Truck.
»Was zur Hölle? Stellen die Kunden denn gar nichts zur Verfügung?« Ich greife mir den Eimer mit den Reinigungsmitteln und schließe die Klappe wieder.
Ich brauche diese Kundin, höre ich Marisols Stimme in meinem Kopf.
Fuck. Ich stelle den Eimer ab, öffne die Heckklappe erneut und schnappe mir auch noch den Mopp und den ganzen anderen Scheiß.
Mich überkommt ein Gefühl von Panik, doch ich lasse ein paarmal meinen Nacken knacken und rufe mir ins Gedächtnis, dass ich verdammt noch mal Jagger Kale bin. Mich zwingt nichts in die Knie.
QUINN
Ich rolle mich zur Seite, ziehe die Bettdecke hoch bis zum Kinn und drücke meinen pochenden Schädel, der sich anfühlt wie ein dampfender Teekessel, in das Kissen.
Dann werfe ich mich wieder auf den Rücken und starre hoch zur Zimmerdecke. Ich versuche, mich auf den Deckenventilator zu konzentrieren, darauf, wie er sich unablässig dreht. Ich habe Schüttelfrost und kann keinen einzigen klaren Gedanken fassen, so vernebelt ist mein Gehirn.
Ich stöhne auf, als mir die Nachricht von meiner Agentin einfällt, die ich noch nicht gelesen habe. Bestimmt will sie wissen, wo zur Hölle mein Buch bleibt. Meine Lügen rächen sich nun, denn in dem Zustand kann ich unmöglich für die nächsten vierundzwanzig Stunden am Computer sitzen, um ihr wenigstens eine erste beschissene Fassung abzuliefern.
Rumms.
Ich schnelle hoch. Mein Herz fängt an zu rasen, während sich um mich alles dreht.
Rumms. Klirr.
Ich schlage die Decke zurück und schwinge die Beine über die Bettkante. Dann halte ich inne und warte. Vielleicht war es Toby, der Kater von nebenan, der mal wieder die Mülltonnen durchforstet hat. Oder der Paketbote, der ein Paket vor die Tür geworfen hat. Aber es klang, als käme es von drinnen.
»Fuck.«
Als ich die Männerstimme höre, die nicht von draußen, sondern von hier drinnen kommt, gefriere ich zur Salzsäule. Ich will gerade nach meinem Smartphone greifen, als es mir wieder einfällt … Ich habe es unten auf dem Küchentisch liegen lassen. Mist. Langsam ziehe ich die Schublade auf und nehme die schwere Taschenlampe heraus, die mir mein Dad zum Einzug geschenkt hat.
Vorsichtig gleite ich auf meinen Socken über das Parkett und warte auf ein weiteres Geräusch.
Rumms.
Klirr.
Laufendes Wasser.
»Wie bitte?«, höre ich den Eindringling fragen und werfe mich förmlich durch den Türrahmen und in den Flur, sodass mir die Haare ins Gesicht peitschen. Fast rechne ich damit, ihn oder seinen Komplizen zu entdecken. Scheiße. Sie könnten zu zweit sein. Doch ich sehe niemanden.
»Du bist ein kluges Mädchen. Du schaffst das schon. Ich bin gegen Mittag da.« Dann wird das Wasser wieder aufgedreht. Diese Männerstimme macht etwas Merkwürdiges mit mir. Sie kommt mir irgendwie bekannt vor, dabei kenne ich in dieser Stadt lediglich zwei Menschen – und nur einer von ihnen hat einen Schlüssel. Der andere hat mich vor über zehn Jahren aus seinem Leben verbannt.
Ich schleiche die Treppe hinunter, eine Hand auf dem Geländer, in der anderen halte ich die Taschenlampe fest umklammert. Das Adrenalin verleiht mir eine Kraft, die ich noch vor wenigen Minuten nicht aufbringen konnte, um aufzustehen.
Die Geräusche werden lauter. Sie kommen eindeutig aus der Küche. Ich muss mir also keine Sorgen machen, frühzeitig entdeckt zu werden. Unten angekommen, biege ich um die Ecke und schleiche an meinen Bücherregalen vorbei, während ich meine innere Wonder Woman herbeirufe. Dann stürme ich los und ziehe dem Kerl die Taschenlampe über den Schädel.
Er wirbelt herum. »Hey!« Sofort reißt er die Arme in die Luft, um mich abzuwehren, doch ich dresche immer weiter auf ihn ein. Immer und immer wieder, bis er die Balance verliert, auf seinen Hintern plumpst und versucht, mit den Armen seinen Kopf zu schützen. »Was zur Hölle?«, brüllt er.
Ich lasse die Taschenlampe fallen, renne zur Küchentheke, nehme ein großes Messer aus der Schublade und richte es auf ihn.
Als er langsam die Arme senkt, beginnt meine Hand heftig zu zittern, und das Messer fällt zu Boden. Während ich immer noch dabei bin zu begreifen, schiebt er einen Fuß vor und kickt das Messer weg.
»Jagger?« Ich klinge wie eine Maus, die sich vor einer Katze fürchtet.
Verwirrung zeichnet sich auf seinem immer noch schönen Gesicht ab. »Belle?«
Wut überkommt mich, als ich meinen Spitznamen höre. So hat er mich immer genannt, weil ich so gern lese. »Nenn mich nicht so!« Ich stelle mir vor, wie ich mir selbst den Rücken tätschle. In meiner Fantasie hüpfe ich von einem Fuß auf den anderen, wie ein Boxer, der sich zum Angriff bereit macht. Doch jetzt, da ich ihn sehe, verebbt mein Rauschzustand allmählich.
Vierzehn Jahre später – und er vermag es immer noch, mir den Atem zu verschlagen. Er rappelt sich vom Fußboden auf und überragt mich nun bei Weitem. Es gab eine Zeit, da habe ich genau das geliebt. Wie mein Kopf perfekt unter sein Kinn gepasst hat. Wie er die langen Arme um meinen Körper geschlungen und mich wie eine Decke gewärmt hat. Wie er mir einen Kuss auf den Kopf gegeben und mir ohne Worte versichert hat, dass mir nichts geschieht, solange ich in seinen Armen bin.
Er hält inne und starrt mich an. Doch der überraschte Gesichtsausdruck verschwindet nur allzu schnell. »Lassen wir das ganze Drama, okay?« Abwehrend hebt er die Hände. Herablassend und arrogant – die Seite an ihm, die ich mal ziemlich attraktiv fand.
»Was zur Hölle hast du hier zu suchen?«
Er lässt den Blick über meinen Körper schweifen, als versuchte er herauszufinden, wie ich unter der Pyjamahose und dem Sweatshirt aussehe.
Fuck. Ich streiche mir das fettige braune Haar über eine Schulter und hoffe inständig, dass ich nicht so aussehe, wie ich mich fühle – wie ein überfahrenes Tier im Straßengraben.
Er grinst schief. Ich kann mir schon denken, was ihm gerade durch den Kopf geht.
Ich wickle die Strickjacke fester um meinen Körper, den er nie wieder zu Gesicht bekommen wird.
Ohne ein Wort geht er hinüber zum Küchentresen, greift nach einer Visitenkarte und reicht sie mir.
Clean Queen.
»Du hast diese Reinigungsfirma angeheuert?« Er zieht eine Augenbraue hoch.
In meinem Fieberwahn habe ich ganz vergessen, den Termin abzusagen.
»Ja, habe ich.« Ich mustere ihn von Kopf bis Fuß. Er trägt ein weißes Hemd, das in einer maßgeschneiderten Anzughose steckt, die am Saum umgeschlagen ist. Seine Armbanduhr hat bestimmt mehr gekostet als mein Auto. Kein Ehering – was mich nicht sonderlich überrascht. Aber es ist mir ohnehin egal. Über einem der Küchenstühle hängt ein Jackett, daneben steht ein Paar Budapester mit schwarzen Socken darin. »Du bist die Clean Queen?«
Hat Bernie Madoff die Kale-Familie etwa in den Ruin getrieben? Oder habe ich so hohes Fieber, dass ich halluziniere?
Er lacht arrogant. Ich kenne diesen Gesichtsausdruck. Den hatte er auch an jenem Abend aufgesetzt, der mein Herz in tausend Stücke gerissen hat.
Wut erfüllt mich.
»Nein. Erinnerst du dich noch an Marisol, meine Nanny?«
Ich nicke und muss an Isa denken. Eigentlich wollte ich mich bei ihr melden, als ich vor ein paar Monaten nach L. A. kam, aber meine Deadlines und meine Vermutung, dass sie immer noch mit dem Mann, der nun vor mir steht, Kontakt hat, haben mich davon abgehalten.
»Ihr gehört die Firma. Wusstest du das nicht?« Wieder lässt er den Blick über meinen Körper schweifen.
Ich wickle die Strickjacke noch enger um mich und stelle mich hinter die Küchentheke, um mich vor seinem Blick zu verstecken. Natürlich muss ich ausgerechnet jetzt, da ich dem Arschloch aus meiner Vergangenheit begegne, nur eine Schmerztablette von einer Überdosis entfernt sein. Ich habe seit zwei Tagen nicht mehr geduscht, und bestimmt habe ich getrockneten Rotz unter der Nase kleben. Einfach großartig.
»Nein. Das wusste ich nicht.« Ich lege die Visitenkarte auf den Tresen. »Ich hätte sie sonst nicht engagiert.«
»Sie ist krank und hat mich gebeten, heute für sie einzuspringen. Sie hatte Angst, dass du sie feuerst, wenn niemand auftaucht.« Er lehnt sich an die Küchentheke und verschränkt die Arme vor der Brust. Mir juckt es in den Fingern herauszufinden, ob sein flacher Teenager-Bauch von einst inzwischen durchtrainiert ist, doch ich schiebe die Hände schnell in die mit Taschentüchern gefüllten Taschen meiner Strickjacke.
»Wie nett von dir. Nun, du kannst jetzt wieder gehen.« Ich richte mich gerader auf und straffe die Schultern. Ich sehe vielleicht aus, als hätte mich ein Lkw überfahren, aber diesmal beende ich die Sache.
»Bist du krank?«, fragt er, ohne seine lässige Haltung zu verändern.
»Was hat mich verraten? Meine Rudolph-Nase? Oder glaubst du etwa, dass ich seit vierzehn Jahren so aussehe, weil ich dir immer noch nachtrauere?«
Er grinst. Es ist dieses teuflische Grinsen, das mich früher dazu gebracht hat, in den Liegestühlen auf der Veranda seiner Eltern auf seinen Schoß zu klettern. »Klingt, als würde da jemand immer noch in der Vergangenheit leben.«
Bleib ruhig, Quinn. Jagger versucht nur, dich zu provozieren. Lass dich nicht darauf ein.
»Bitte geh jetzt«, sage ich mit einer Würde, die ich nicht fühle.
»Du siehst blass aus.«
Ein Schauer läuft mir über den Rücken. Ich wickle die Strickjacke noch fester um mich und wünschte, es wäre meine Wolldecke. Urplötzlich beginnt mein Magen zu rumoren, und mein Mund füllt sich mit Spucke.
»Geh jetzt, Jagger.« Ich deute zur Tür und schlucke die Galle hinunter, die mir im Hals brennt.
»Nein.« Er drückt sich von der Küchentheke ab und kommt auf mich zu.
Doch mein Magen rebelliert. Mit einer Hand versuche ich, Jagger aufzuhalten, während ich zur Spüle renne und Wasser und die paar Cracker, die ich gestern Abend gegessen habe, hochwürge. Die Attacken hören gar nicht mehr auf, und mein Rücken hebt und senkt sich. Als es endlich vorbei ist, drehe ich das Wasser auf und hoffe inständig, dass er mittlerweile verschwunden ist.
»Hey, das habe ich eben erst geputzt«, bemerkt er neben mir. Ich hebe den Kopf und klammere mich an den Tresen. »Los.« Mit einer Kopfbewegung deutet er in Richtung Türrahmen.
»Jagger, bitte geh einfach.« Meine Stimme hat jeglichen Kampfgeist verloren.
So habe ich mir unser Wiedersehen nicht vorgestellt. Vierzehn Jahre lang habe ich mir ausgemalt, wie er wohl aussieht, wenn ich ihm wieder begegne. In meiner Fantasie habe ich immer ein rotes Kleid und perfektes Make-up getragen, die fünf Kilo, die ich seit damals zugenommen habe, wieder verloren und einen attraktiven Mann an meiner Seite. Einer, der noch attraktiver ist als er. Selbst wenn ich ihn dafür bezahlen müsste, denn die Wahrheit ist, dass Jagger Kale das reinste GQ-Model ist. Ein Playmate. Ein Chippendale. Ein Calvin-Klein-Model.
Doch das war nicht das, was ich an ihm geliebt habe. Es waren nicht sein markanter Kiefer oder die schokobraunen Augen, die mir direkt in die Seele blickten. Und es war auch nicht sein hellbraunes Haar, das je nach Lichteinfall fast dunkelblond wirkt. Und auch nicht sein leicht gebräunter Hautton oder seine fast zwei Meter große Statur mit den schlanken Muskeln. Unter der Fassade des reichen Kerls, der alles bekommt, was er will, habe ich einst den verlorenen Jungen gefunden. Zu schade, dass ich ihn ebenso schnell wieder verloren habe.
Er packt mich und wirft mich über seine Schulter.
Ich haue ihm auf den Rücken. »Lass mich sofort runter.«
»Am liebsten würde ich dich unter die Dusche stellen, aber du musst jetzt ins Bett. Nur werde ich mich leider nicht zu dir gesellen.«
»Das würde ich auch nicht zulassen!«, schreie ich mit geballten Fäusten.
Ohne Eile trägt er mich die Treppe hoch, als hätte er alle Zeit der Welt. Ich drehe den Kopf und schnüffle an mir. Japp, ich habe versagt.
»Ich lasse dich mal in dem Glauben. Aber nur, weil du krank bist.« Da landet seine Hand auf meinem Hintern.
»Finger weg.« Ich winde mich in seinem Griff und hasse mich dafür, dass ich seine Berührung so sehr genieße.
»Immer noch ein toller Arsch«, bemerkt er und klatscht mir leicht auf den Po.
»Das ist sexuelle Belästigung.«
Er setzt mich aufs Bett und schlägt die Decke zurück.
»Du kannst jetzt gehen, du Freak.«
»Ich bin unten.« Ohne auf meinen Kommentar einzugehen richtet er einen Zeigefinger auf mich. »Schlaf jetzt.«
»Du bleibst nicht hier.«
»Doch, tue ich.«
»Nein, tust du nicht.« Ich will mich aufrappeln, doch als mich erneut Übelkeit überkommt, lasse ich es lieber.
Er wirft etwas aufs Bett. »Erinnere mich daran, dass ich dir Pfefferspray oder irgendwas besorge. Ein Dildo ist keine optimale Verteidigung gegen Einbrecher.« Dann verlässt er das Schlafzimmer.
Ich blicke nach unten und entdecke meinen Einhorn-Vibrator. Mir wird schwindelig. Neeeiiin! Als wäre die Situation nicht ohnehin schon schlimm genug.
Da steckt er den Kopf erneut zur Tür herein. »Du musst jetzt nicht rot werden. Sobald es dir besser geht, übernehme ich gern seinen Job.« Er zwinkert, und ich höre, wie er die Treppe hinabsteigt.
Ich lasse mich auf den Rücken fallen und blicke mich um. Ich bin doch immer noch in L. A., richtig? Ich bin nicht im Lande Oz oder in irgendeiner Reality-Show gelandet, oder?
Als ich erneut von unten seine Stimme höre, weiß ich, dass das alles echt ist. »Vic, ich komme heute nicht ins Büro. Melde dich nur, wenn es wirklich wichtig ist.« Es folgt eine kurze Pause. »Mach dir keinen Kopf darüber, wo ich bin.« Wieder Stille. »Ich muss jetzt ein Waschbecken putzen.« Pause. »Nein, Vic, ich wurde nicht entführt. Bis dann.«
Dann dreht er das Wasser auf. Bei dem Geräusch fallen mir die Augen zu, und ich drifte in einen tiefen Schlaf.
JAGGER
Manchmal bin ich von mir selbst überrascht.
Dass das Mädchen … nun ja, sie ist nun voll und ganz eine Frau. Jedenfalls ist es nicht zu fassen, dass Quinn, deren Herz ich vor all den Jahren absichtlich gebrochen habe, oben liegt und schläft. Nach all der Zeit, die ins Land gezogen ist, all der Reue, die ich in den letzten Jahren verspürt habe, all den Malen, die sie mir in den Sinn kam, habe ich dem Drang widerstanden, nach ihr zu suchen. Und jetzt ist sie hier. In Los Angeles.
Jedoch ist sie nicht halb nackt, sondern eher halb tot. Ihr an den Hintern zu fassen war eine dumme Aktion, aber es hat sich so natürlich angefühlt. Nach all den Jahren zieht sie mich immer noch an wie ein Magnet.
Ich sitze auf ihrem Sofa, fahre mir durchs Haar und starte meinen Laptop, während ich ein Bier trinke, das ich mir aus dem Kühlschrank genommen habe. Mich erwarten zwanzig ungelesene E-Mails und fünfzehn Sprachnachrichten auf meinem Smartphone. Wenigstens muss ich heute Morgen keine großen Brände löschen. Keine Ehemänner, die ihre Frauen mit Prostituierten betrügen, keine Kneipenschlägereien, keine Prügeleien mit Paparazzi, die unter den Teppich gekehrt werden müssen. An so einem Morgen würde ich lieber surfen gehen und Tacos essen, statt Kotze aufzuputzen und Böden zu wischen.
Als es leise an der Tür klopft, springe ich vom Sofa auf und werfe einen Blick auf die Treppe. Ich öffne die Tür des Hauses, das in etwa so groß ist wie eine Streichholzschachtel, und bekomme sofort eine braune Papiertüte gegen die Brust gedrückt.
»Das stand nicht in der Stellenbeschreibung.«
Ich nehme die Tüte entgegen. Meine Assistentin Victoria schiebt sich an mir vorbei ins Haus, und das Klackern ihrer Absätze hallt auf dem Parkett wider.
»Zieh die Schuhe aus«, fordere ich. Sie wirbelt herum und funkelt mich mit ihren braunen Augen böse an.
»Auf so einen Scheiß stehe ich nicht«, antwortet sie schnippisch wie immer, schlüpft aber dennoch aus ihren High Heels und stellt sie neben die Tür.
Ich gehe an ihr vorbei und trage die Tüte in die Küche. Kurz sieht sie sich in dem kleinen Wohnzimmer um, bevor sie mir folgt.
»So etwas suche ich seit Ewigkeiten. Es ist süß. Scheint eine nette Gegend zu sein. Und der alte Kamin und die Bücherregale … Wie ein gemütliches Cottage mitten in Los Angeles.« Sie setzt sich auf die Küchentheke. Ihre marineblaue Anzughose verhüllt ihre Kurven und Beine.
»Hier wohnt schon jemand, falls du es noch nicht bemerkt hast.« Ich nehme den Orangensaft aus der Papiertüte, gefolgt von der Suppe und dem Erkältungsmittel. »Danke.«
»Wo ist Dornröschen denn?«, fragt sie und blickt sich um.
»Sie ist oben, also sei bitte ein bisschen leiser.«
Victoria verdreht die Augen und durchbohrt mich dann mit ihrem Blick.
»Was denn?«, frage ich.
»Warum bist du hier?« Sie senkt die Stimme und lehnt sich zu mir, als hätte ich irgendwelche Geheimakten über die Entführung durch Außerirdische.
Ich werfe ihr einen flüchtigen Blick zu, bevor ich mich damit beschäftige, den Orangensaft im Kühlschrank zu verstauen. Darin scheinen sich Joghurts und Essensboxen zu vermehren wie die Kaninchen. Etwas anderes gibt es hier drin nicht. Ich nehme eine der Boxen heraus, öffne sie, rieche am Inhalt und werfe sie in den Mülleimer unter der Spüle.
»Kein Wunder, dass sie krank ist.« Um meiner Nase und meinem Magen nicht noch mehr abzuverlangen, schmeiße ich die übrigen Schachteln weg, ohne sie zu inspizieren.
»Was machst du denn da? Das kannst du doch nicht einfach wegwerfen.« Victoria hüpft von der Theke, sammelt die Boxen wieder ein und stellt sie zurück in den Kühlschrank.
»Die sind bestimmt schon längst verschimmelt.«
Sie reißt mir den Karton aus der Hand, öffnet ihn und schnüffelt. »Ist noch gut.« Dann stellt sie ihn wieder in das Fach.