Memories of a Highschool Crush - Piper Rayne - E-Book

Memories of a Highschool Crush E-Book

Piper Rayne

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Beschreibung

Band 8 der Romance-Serie von USA Today Bestseller-Autorin Piper Rayne Nach Jahren steht sie wieder vor ihm: Die eine Frau, die er nie haben konnte Kingston Bailey traut seinen Augen nicht: Als er nach einem Arbeitsunfall im Krankenhaus landet, steht plötzlich seine Highschool-Liebe Stella vor ihm. Stella, mit der er nie zusammen sein konnte, weil sie die Ex seines besten Freunds ist. Nach dem Abschluss war sie damals nach New York gezogen und hatte Alaska hinter sich gelassen. Nun ist sie zurück, um sich um ihre kranke Mutter zu kümmern. Doch dieses Mal wird Kingston sie nicht gehen lassen und will endlich ihr Herz erobern. Er ahnt nicht, dass ihm schon wieder jemand zuvor gekommen ist … 

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Memories of a Highschool Crush

Die Autorin

PIPER RAYNE ist das Pseudonym zweier USA Today Bestseller-Autorinnen. Mehr als alles andere lieben sie sexy Helden, unkonventionelle Heldinnen, die sie zum Lachen bringen, und viel heiße Action. Und sie hoffen, du liebst das auch!

Piper Rayne

Memories of a Highschool Crush

Roman

Aus dem Amerikanischen von Cherokee Moon Agnew

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Deutsche Erstausgabe bei Forever1. Auflage Juni 2022© für die deutsche Ausgabe Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2022Die amerikanische Originalausgabe erschien 2020 unter dem Titel: Winning my Best Friend's Girl© 2020 by Piper Rayne Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic®, MünchenGesetzt aus der Quadraat Pro powered by pepyrus Druck und Bindearbeiten: CPI books GmbH, LeckISBN 978-3-95818-666-8

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Epilog

Und zum Schluss noch ein wenig Einhorn-Geschwafel …

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 1

KINGSTON

Ich bin ein ziemlich entspannter Typ. Es gibt nicht viel, was mir unter die Haut geht.

Mein Dad war ein Mann vieler Zitate. Zumindest was mich anging. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, glaube ich, es lag daran, dass ich der Sensible in der Familie war. Er sagte immer, er sei nicht schlau genug, sich selbst Weisheiten auszudenken, also zitierte er und nannte dabei immer den Urheber. Gewinnen bedeutet, länger durchzuhalten, härter zu arbeiten und mehr zu geben als alle anderen von Vince Lombardi war eines seiner Lieblingszitate, wenn ich mal wieder zu kämpfen hatte, ganz egal, ob es beim Sport oder in der Schule war. Die Bedeutung wurde mir erst Jahre nach seinem Tod bewusst. Und selbst dann musste mir mein großer Bruder Austin den Spruch erklären.

Es gab in meinem Leben eine Zeit, in der ich nicht gekämpft habe, weil ich Angst hatte, etwas zu verlieren, statt zu gewinnen. Doch diesen Fehler werde ich nie wieder machen. Das habe ich mir geschworen.

Was wahrscheinlich der Grund ist, warum die Kämpfe, die ich ausfechte, Feuer sind. Egal, ob ich mit einem Fallschirm aus einem Flugzeug springe, um Waldbrände zu löschen, oder ob ich jemanden aus einem brennenden Haus trage – ich gewinne immer. Diese Kämpfe erscheinen mir sicherer als die, die mir das Herz brechen könnten.

Lou klettert direkt hinter mir in das Feuerwehrauto und setzt sich mir gegenüber. Die Sirenen brüllen, und wir brettern los. Lou und ich haben die Ausbildung zusammen gemacht – was genau zu der Zeit war, als ich meinen besten Freund aus Kindheitstagen und das Mädchen, das ich liebe, verloren habe.

»Romeo, sag deiner Schwester Danke von mir«, sagt er und zwinkert.

Mich hat mal eine Frau als ihren »Ritter in glänzender Rüstung« bezeichnet, nachdem ich sie mit einem Spreizer aus einem Unfallwagen befreit hatte. Sie war betrunken gewesen und mit ihrem Auto über eine Böschung gerast. Sie fragte mich immer wieder, ob ich ihr Romeo sein wolle, was mir den Spitznamen eingebrockt hat. Jetzt denken alle, ich wäre ein Player. Zumindest alle Frauen.

»Wofür denn?«

»Für das Blind-Speed-Dating, das sie im Tipsy Turvy veranstaltet.« Sein Dauergrinsen verrät mir, dass er jemanden kennengelernt hat.

»Ach ja, das habe ich verpasst. Ich musste arbeiten.«

Lou hebt die Augenbrauen. »So nennen wir das jetzt also? Arbeiten?«

Monk schaltet die Sirene ein, denn die Leute verhalten sich wie Arschlöcher und nehmen sich nicht mal kurz Zeit, um zur Seite zu fahren und uns durchzulassen.

»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.« Ich sehe zum Fenster hinaus, denn ich habe echt schlechte Laune. Lou schwebt nach dem Speed-Dating auf Wolke sieben, doch ich will nichts davon hören. Ja, ich bin ein beschissener Freund.

»Proby wan Kenobi war im Krankenhaus und hat mitbekommen, wie Samantha erzählt hat, dass ihr zwei ein Date hattet.«

Ich verdrehe die Augen. Samantha ist ein Flirt, und ja, ich bin mit ihr ausgegangen, weil ich geil war. Ich weiß, dass das nicht besonders nobel ist, aber mittlerweile freut sich mein Schwanz schon, wenn er meine Hand zu sehen bekommt. Egal. Es ist nichts gelaufen.

»Ja, wir haben uns getroffen«, gebe ich zu.

»Und?«

Lou plaudert immer alles aus. Ich nicht. »Nichts. Wir hatten ein paar Drinks.«

Den Großteil des Abends haben wir uns über die Alaska-Adventure-Expedition unterhalten, für die sie sich interessiert. Anscheinend macht sie immer beim Spartan Race mit, und als Nächstes will sie an einem siebentägigen Wettkampf teilnehmen, bei dem man mit drei anderen Leuten unterwegs ist und sich mithilfe von Landkarten durchschlagen muss. Dass sie so ein Adrenalinjunkie ist, finde ich ziemlich heiß. Sie hat nicht mal mit der Wimper gezuckt, als ich ihr von Heliskiing und Speedriding erzählt habe. Sie meinte, es klinge aufregend und dass sie gern mal mitkommen wolle. Dass sie wie ich auf so verrückte Aktivitäten steht, hat ihr Attraktivitätslevel um zehn Punkte angehoben.

»Blödsinn«, erwidert Lou. »Ich will ja gar keine Details. Ein ›Ich habe sie über die Küchentheke gelegt‹ würde schon genügen.«

»Meine Güte, Lunchbox, eines Tages wirst du eine Frau kennenlernen, von der du nicht jedes Detail preisgeben willst«, sagt Greasy neben uns und schüttelt den Kopf.

Lunchbox ist Lous Spitzname, denn dieser Kerl futtert immer den ganzen Kühlschrank leer. Ständig fragt er, ob er sich eine Pommes nehmen darf und ob man das alles aufisst. Zum Glück hat er noch einen Nebenjob als Zimmermann, was ihm hilft, sein Gewicht zu halten.

Lou zeigt Greasy den Stinkefinger. »Nicht alle sind verheiratet und haben fünfzig Kinder.«

»Das ist jetzt aber beleidigend«, werfe ich grinsend ein.

Greasy hat nur fünf Kinder, aber alle unter sechs. Wenn sie zur Feuerwache kommen, geht es zu wie im Kindergarten. Aber sein trotteliger verliebter Blick, wenn seine erschöpfte Frau durchs Rolltor tritt, ist ziemlich großartig. Ich schätze, er hat seinen Kampf gewonnen.

Lou winkt ab. »Deine Eltern hatten neun Kinder, nicht du.« Ungefähr eine Minute lang sitzen wir schweigend da, doch Lou hasst die Stille. »Willst du mich denn nicht fragen?«

»Was fragen?«

Jetzt ist er derjenige, der beleidigt dreinblickt. »Das Mädel vom Speed-Dating. Hat dir deine Schwester denn nichts erzählt?«

»Nein, sie wohnt jetzt mit Colton zusammen. Sie ist ausgezogen.«

Er nickt, als hätte er es vergessen.

»Sie ist unglaublich«, sagt er, obwohl ich ihn nicht um Details gebeten habe und ihm auch nicht wirklich Beachtung schenke.

Ich liebe diesen Kerl, aber es ist immer dieselbe Leier. Schon nächste Woche wird sie sich in einen blutrünstigen Piranha verwandelt haben. Während ich rein gar nichts von Beziehungen halte, denkt Lou, er würde eine wollen. Tut er aber nicht. Er will nur regelmäßig Sex.

»Okay, Jungs, tut mir leid, dass ich euer Umkleidekabinengeschwätz unterbrechen muss, aber wir haben ein Feuer zu bekämpfen«, ruft der Captain von vorn, als wir vor einem brennenden Wohnhaus zum Stehen kommen. Das Feuer scheint noch nicht außer Kontrolle geraten zu sein, doch das wird bald passieren, wenn wir nicht sofort hineingehen. »Wir sind die Ersten hier. Da du so redselig bist, Lunchbox, gehst du zuerst rein und Romeo direkt hinter dir. Greasy, du schließt den Schlauch an …« Der Captain verteilt weiter die Aufgaben, während wir aus dem Truck springen.

Nachdem wir uns komplett aufgerüstet und die Äxte gezückt haben, gehen Lou und ich rein, um die Lage zu checken. Je näher wir dem Gebäude kommen, desto schneller steigt mein Adrenalinspiegel.

Als wir im raucherfüllten Treppenhaus sind, ergreift Lou erneut das Wort. »Diese Frau ist ganz anders als alle Frauen, die ich bisher kennengelernt habe. Sie ist klug und wunderschön. Und sie findet mich witzig.«

»Dann solltest du sie auf jeden Fall behalten«, sagt der Captain über das Funkgerät. »Konzentriert euch jetzt auf das Feuer.«

Lou tritt die Tür des ersten Apartments ein. Wir stürmen hinein und suchen die Zimmer nach Menschen ab, die festsitzen oder sich nicht trauen, die Wohnung zu verlassen.

»Tank und Greasy kommen jetzt rein«, informiert uns der Captain.

Ich drücke den Knopf meines Funkgeräts. »Apartment Nummer eins ist geräumt. Überall Rauch, aber keine Flammen.«

»Danach sind wir noch in eine Bar gegangen. Wie sich herausgestellt hat, war sie schon mal beim Speed-Dating, als ich auch da war. Aber wir haben nicht den Namen des jeweils anderen notiert, weil es anscheinend nicht klick gemacht hat«, erzählt Lou, während wir hinauf in den ersten Stock gehen.

»Cool.«

»Ich denke darüber nach, sie ins Restaurant deines Bruders auszuführen«, fährt er fort.

»Warum willst du dafür nach Lake Starlight kommen?«, frage ich.

»Sie ist eine Frau, mit der man schick essen geht. Keine, mit der man ins Tipsy Turvy geht und Darts spielt.«

»Ich weiß nicht, ob es überhaupt eine Frau gibt, die beim ersten Date ins Tipsy Turvy gehen will. Das ist eher etwas, wenn man schon länger zusammen ist, ein Fußballspiel läuft und man beschließt, Chickenwings essen und Bier trinken zu wollen.« Ich steuere auf die Treppe zu, um ein weiteres Stockwerk nach oben zu steigen.

»Machst du dich etwa über meine Methode lustig? Meine Methode ist jedenfalls besser als deine.«

»Captain, ich bin nicht sicher, ob dieses Gebäude überhaupt bewohnt ist. Die Apartments sind kaum möbliert«, gibt Tank per Funk durch.

»Moment! Ich spreche gerade mit Sergeant Blecker«, antwortet der Captain.

Ich bleibe auf der Treppe stehen, falls sich unsere Anweisungen ändern.

»Du hast recht, das Gebäude ist leer. Dann sucht jetzt nach dem Brandherd.«

Tank und Greasy folgen uns die Treppe hinauf. »Wir übernehmen den dritten Stock«, sagen sie und überholen uns, während wir die Apartments im zweiten Stock überprüfen.

»Ich sag’s dir. Mit ihr wird alles anders«, fährt Lou fort.

Tank und Greasy lachen.

»Wartet nur ab. Ihr werdet im Laufe des Jahres die Hochzeitseinladung bekommen. Das verspreche ich euch.«

»Und das, obwohl du sie erst einmal gesehen hast?«, frage ich.

»Manchmal weiß man es einfach.«

Ich trete eine Tür ein, und ein Schwall Qualm wabert ins Treppenhaus, sodass ich überhaupt nichts mehr sehen kann. Aber ich gebe Lou recht: Manchmal weiß man es einfach. Mein Herz hat es sofort gewusst, als Stella Harrison in der vierten Klasse ins Klassenzimmer kam. Ihre braune Haut, die Zöpfe und die großen dunklen Augen faszinierten mich gleich. Ich war jahrelang in sie verliebt – bis sie mit Owen zusammenkam. Danach versuchte ich, die Anziehung zu ignorieren – und alles um mich herum begann zu zerbröseln.

»Zweiter Stock ist leer. Wir gehen in den vierten«, sage ich in das Funkgerät.

Wir überholen Tank und Greasy, die sich im dritten Stock immer noch lautstark über Lou lustig machen.

»Ich werde es euch beweisen«, sagt Lou mit einer Überzeugung, die mich glauben lässt, dass dieses Mädchen tatsächlich anders sein könnte.

Ich meine, passiert das mit ein wenig Glück nicht jedem Kerl irgendwann? Dass er eine Frau kennenlernt, die ihn an die Ehe glauben und den Gedanken an andere Frauen verschwinden lässt?

»Hat sie auch einen Namen?«, frage ich, als wir den vierten Stock erreichen.

»Stella.«

Ich drehe mich zu ihm um. Ein brennender Balken kracht zwischen uns herunter. Ich weiche zurück und stoße mir so heftig den Kopf, dass ich zu Boden sinke.

Kapitel 2

STELLA

»Guten Morgen, Stella.« Allie ist gerade im Schwesternzimmer, als ich meine Schicht in der Notaufnahme des Memorial Hospital antrete.

»Es ist schon Mittag«, erwidere ich und befestige mein Namensschild.

»Ich bin schon zu lange hier. Es ist aber noch nicht Winter, oder? Oder habe ich ihn schon verpasst?« Sie spießt ihren Salat auf die Gabel, während sie auf ihrem Computer herumtippt. Das ist mir schon in der ersten Woche hier aufgefallen: Niemand beherrscht Multitasking so gut wie Allie.

Ich kichere. »Keine Sorge. Aber danke, dass du mich daran erinnerst. Ich glaube, ich kann gar nicht mehr bei Schnee fahren.« Ich werfe einen Blick auf die Tafel, um nachzusehen, welche Patienten da sind und mit welchen Problemen ich es heute zu tun haben werde.

Mir war nicht wohl dabei, mitten in meiner Assistenzzeit das Krankenhaus zu wechseln. Mich in die Stadt zu schleichen, ohne dass es jemand mitbekommt. Ich habe mit Kingston Bailey genug Kontakt gehalten, um zu wissen, dass er beim Anchorage Fire Department arbeitet. Es besteht also durchaus die Möglichkeit, dass wir uns hier über den Weg laufen. Meine einzige Rettung ist bisher gewesen, dass er im Frühling und Sommer als Feuerspringer unterwegs ist, weshalb ich in den letzten Monaten ein falsches Gefühl der Sicherheit hatte. Aber das ist jetzt vorbei, denn inzwischen ist es Herbst. Ich schleiche in Lake Starlight immer noch umher wie eine Diebin in der Nacht.

Ich habe keine Angst vor Kingston Bailey. Okay, ich habe Angst, aber nicht um mein körperliches Wohl. Zwischen Kingston und mir besteht eine Anziehung, die mir Angst macht, dabei haben wir nie versucht, eine Beziehung einzugehen. Er ist derjenige, der mich die Konsequenzen meiner Taten hat vergessen lassen, aber ich bevorzuge es, die Kontrolle zu behalten. Acht Jahre lang habe ich mich von Lake Starlight ferngehalten, und ich bin nur zurückgekommen, weil bei meiner Mom Lupus diagnostiziert wurde.

Nachdem ich mit ihrem Arzt gesprochen hatte – ein Telefonat, von dem sie bis heute nichts weiß –, beschloss ich, das überfüllte New Yorker Krankenhaus, in dem ich von Schusswunden über Lungenentzündung alles behandelte, zu verlassen und nach Anchorage zu ziehen, wo die Fälle für gewöhnlich weniger lebensbedrohlich sind. Hier werde ich nicht so viel Erfahrung sammeln können wie in New York, aber ich wollte sowieso nie in einer Großstadt leben.

»Es ist wie Fahrradfahren. Aber denk auf jeden Fall an die Winterreifen«, sagt Allie kauend. »Hast du dich hier schon eingelebt?«

Ich zucke mit den Schultern. »Alles gut so weit.«

Keiner weiß, dass mir jedes Mal flau im Magen wird, wenn ein Sanitäter einen Patienten einliefert, denn der Sanitäter könnte Kingston sein. Ich habe ihm nicht erzählt, dass ich jetzt in dem Krankenhaus arbeite, in das die Patienten seiner Feuerwache eingeliefert werden. Ich stand sogar schon mal wie eine Stalkerin vor seinem Wohnhaus, doch als er mit Owen herauskam, verließ mich der Mut. Ich beobachtete die beiden Männer, deren Freundschaft ich vor langer Zeit zerstört hatte, und plötzlich kam alles wieder hoch. Lachend stiegen sie in einen Truck. Das wollte ich nicht ruinieren. Kingstons neuer Wagen verriet mir, dass er nicht länger der Junge ist, der die ausrangierten Autos seiner Brüder fahren muss.

»Wir freuen uns, dich hier zu haben. Die Schwestern reden mehr über dich als über Romeo.« Sie steckt ihre Gabel in den Salat. »Und glaub mir, wir reden ständig über Romeo.« Sie verdreht die Augen.

»Romeo?« Ich kichere.

Im Laufe der letzten Woche habe ich viele neue Leute kennengelernt. Ich dachte immer, ich könnte mir Namen gut merken. Ich wollte nie zu den Ärzten gehören, die ihre Patienten nicht mit Namen ansprechen, deshalb übe ich mit Assoziationsspielen. Romeo hätte ich unmöglich vergessen.

»Hast du Romeo denn noch nicht kennengelernt?« Allie lehnt sich auf ihrem Stuhl zurück und fächelt sich Luft zu. »Eigentlich sollte er Cover-Model sein. Oder für eine Parfümwerbung oder so.«

Da ich noch fünf Minuten habe, bis Ralph mit mir die Patientenliste durchgeht, setze ich mich zu ihr. »Das klingt jetzt aber ein wenig übertrieben«, bemerke ich lachend.

Sie schüttelt den Kopf und reißt die Augen auf. »Wart nur ab. Du wirst sofort wissen, wer er ist, wenn er hereinkommt.«

»Okay, aber bitte gib mir Bescheid, falls mir dieser tolle Typ doch nicht auffällt.«

Sie wackelt mit dem Zeigefinger vor meinem Gesicht herum. »Abwarten. Du wirst seufzen, wenn du ihn siehst.«

»Okay.« Lächelnd verdrehe ich die Augen.

Lachend greift sie nach ihrer Salatschüssel. »Bist du verheiratet? Verlobt?«

Ich schüttle den Kopf. »Weder noch.«

»Habe ich mir gedacht. Die meisten Assistenzärzte haben keine Beziehung.« Dann schiebt sie sich eine weitere Ladung Salat in den Mund.

»Nun, ich habe gestern Abend aber einen vielversprechenden Typen kennengelernt.«

»Wo denn?«

Ich werfe einen Blick auf ihre linke Hand, sehe jedoch keinen Ehering. »Meine Freundin ist besessen von diesem Blind-Speed-Dating-Ding. Da habe ich ihn getroffen. Wir sind nach dem Event noch etwas trinken gegangen und haben Nummern ausgetauscht, aber …«

»Was aber?«

Ich zucke mit den Schultern. »Es ist ja nicht so, als hätte ich sonderlich viel Zeit.«

Sie hebt eine Augenbraue.

Ja, ich habe mehr Zeit als in New York, aber an einer festen Beziehung bin ich trotzdem nicht interessiert.

»Erzähl mir von ihm.«

»Er ist groß und attraktiv. Ziemlich heiß.« Ich beiße mir auf die Unterlippe. »Einer, den man nur schwer lesen kann. Ich weiß nicht, ob er nur mit mir so flirtet oder mit allen Frauen.«

»Ich schaue mir immer an, wie sie mit den Kellnerinnen umgehen. Wenn er mit denen zu sehr flirtet, bin ich raus.«

Ich versuche, mich daran zu erinnern, doch dann fällt mir ein, dass er unsere Drinks an der Bar bestellt hat.

»Und was macht er beruflich?«, fragt Allie.

»Er ist Zimmermann. Er hat mir von diesem einen Haus erzählt, an dem er gerade arbeitet. Von dem Treppengeländer, das er aufbereitet. Klang großartig.« Und das stimmt tatsächlich. Am liebsten hätte ich ihn in das Bed & Breakfast meiner Mom geschleppt, um zu hören, wie man es aufmöbeln kann.

»Also ein Mann mit geschickten Händen.« Sie zwinkert, und ich lache.

»Dr. Harrison, sind Sie bereit für die Übergabe?«, fragt Ralph hinter mir.

Schnell stehe ich auf, und Allie wendet sich ihrem Computer zu, als wären wir zwei gescholtene Schulkinder. Ralph ist nicht mein Boss, sondern ebenfalls Assistenzarzt. Doch er hält sich für etwas Besseres. Aber ich schätze, so ist das nun mal, wenn deine Familie die Kinderstation des Krankenhauses gestiftet hat.

»Ralph«, sage ich. »Guten Tag! Ich habe mir die Liste bereits angesehen.«

Er nimmt seinen Tafelwischer aus der Tasche, denn er benutzt nur seinen eigenen. Er ist ein wenig blauer als der, den alle anderen nehmen.

»Dr. Harrison«, sagt er und wartet, denn er will, dass ich ihn Dr. Teller nenne. Normalerweise spreche ich die anderen Assistenzärzte auch mit Doktor an, aber ich gehe ihm gern auf die Nerven. Als ich ihn nur anlächle und darauf warte, dass er fortfährt, schnaubt er und beginnt, auf der Tafel herumzukritzeln. »Ich warte noch auf das Laborergebnis, aber ich glaube, es ist nur die Gallenblase in Zimmer Nummer fünf. Der Patient in Zimmer vier hat die Grippe. Wir hängen ihn an den Tropf, während wir auf das Testergebnis warten. Wenn wir ihn entlassen, sollten wir mit ihm besprechen, in welche Notfallklinik er in solch einem Fall gehen kann, statt zu uns in die Notaufnahme zu kommen.«

»Dann ist es heute Abend also relativ ruhig«, bemerke ich.

»Seien Sie froh, dass Sie letzten Monat noch nicht hier waren, als sich auf der Interstate dieser Unfall ereignet hat.« Ich arbeite erst seit einer Woche hier, aber er hat den Vorfall schon öfter erwähnt, als ich zählen kann. Als wäre er stolz darauf. Bei der Massenkarambolage wurden Menschen verletzt und sogar getötet.

»Ein paar der Patienten waren bei uns im County.« Ich war zuerst im County Hospital und habe dort die Geburtsstation, die Chirurgie und die Herzstation durchlaufen, bevor ich ins Memorial gekommen bin.

»Nun, Sie haben aber nicht die Triage-Patienten bekommen. Wir hatten welche, die am seidenen Faden hingen.«

Ich lächle, obwohl ich nicht sicher bin, ob ich nicht so weit die Augen verdreht habe, dass er denkt, ich bräuchte ärztliche Hilfe.

Ein Krankenwagen ruft an, und Allie geht ans Telefon.

»Einen schönen Abend noch, Ralph.«

»Ebenso, Dr. Harrison. Sie haben ja meine Handynummer, falls Sie mich brauchen.«

Ich lächle Allie an. »Oh, ich bin sicher, wir kriegen das hin. Außerdem ist Dr. Anderson ja auch da.«

Er nickt schweigend, denn Dr. Anderson ist unser leitender Assistenzarzt. Wenn ich Hilfe brauche, frage ich ihn, nicht Ralph.

Ich beschließe, die Visite durchzuführen, nachzusehen, ob alles in Ordnung ist, und die Patienten wissen zu lassen, dass ich jetzt für Dr. Teller übernehme. Zuerst kommt Zimmer Nummer fünf, also klopfe ich an und trete ein. Im Bett liegt eine Frau, ihr Mann sitzt daneben mit dem Smartphone in der Hand.

»Hallo, ich bin Dr. Harrison. Ich wollte nur mal nach Ihnen sehen.«

»Margie«, sagt sie. »Und das ist mein Mann Mark.«

Ich denke an M&M’s und wiederhole ihre Namen in meinem Kopf. Lächelnd nicke ich ihnen zu.

»Der andere Arzt meinte, Sie würden noch auf die Laborwerte warten, aber das ist Stunden her«, beschwert sie sich, was nicht unüblich ist, wenn jemand Schmerzen hat. Als ich noch in der Highschool war, hatte meine Mom mal eine Gallenblasenkolik und krümmte sich vor Schmerzen. Diese Frau meistert die Sache wie ein Boxer.

»Lassen Sie mich mal in Ihrer Akte nachsehen. Wie sind die Schmerzen?«

Ich gehe alles mit ihr durch, doch die Laborwerte sind noch nicht da. Also schicke ich dem Labor eine kurze Nachricht, um herauszufinden, woran es liegt. Margie und ich unterhalten uns kurz, und ich verspreche ihr, dass sie gleich stärkere Schmerzmittel bekommt. Als ich das Zimmer verlasse, geht Allie an mir vorbei.

»Kannst du der Patientin in Zimmer Nummer fünf …«

»Du hast Glück. Romeo ist gerade reingekommen«, sagt sie.

»Nun, ich muss aber noch zu meinen anderen Patienten.«

»Er ist ein Patient.« Sie reißt die Augen auf. »Arbeitsunfall.«

»Okay, Allie, wir sind hier nicht beim Bachelor. Kannst du bitte die Patientin in Zimmer Nummer fünf von ihren Qualen erlösen und ihr stärkere Schmerzmittel bringen? Ich habe es in ihrer Akte notiert.«

Sie nickt. »Okay, aber du solltest als Nächstes unbedingt in Zimmer Nummer acht gehen.« Sie zuckt mit den Schultern, als wäre ich bescheuert, wenn ich es nicht tun würde.

Ich schüttle den Kopf und steuere auf Zimmer Nummer sechs zu. Sollte ich es bis zur Acht schaffen, dann soll es so sein, aber wer auch immer dieser Romeo ist – ich habe in New York mit Sicherheit schon tollere Typen auf der Straße gesehen.

»Hallo, ich bin Dr. Harrison«, sage ich, als ich die Sechs betrete.

Zwanzig Minuten später stehe ich vor Zimmer Nummer acht. Aus irgendeinem Grund kriege ich plötzlich Schmetterlinge im Bauch. Ich weiß nicht mal, ob der Kerl wirklich so gut aussieht oder was er macht, dass ihn alle hier so gut kennen, aber laut Allie hatte er einen Arbeitsunfall. Ich muss echt mehr Informationen über die Leute einholen, die nicht meine Patienten sind. Das Leben in Anchorage ist langsamer als das in New York. Ich kann es mir erlauben, kurz durchzuatmen.

Ich klopfe an, betrete das Zimmer und greife automatisch zum Desinfektionsspender. Die kalte Flüssigkeit landet in meiner Handfläche.

»Hi, ich bin die Assistenzärztin, die sich heute um Sie kümmern wird.« Ich schreibe meinen Namen auf die Tafel. »Wie sind die Schmerzen? Kann ich Ihnen irgendetwas bringen?«

Ich blicke auf, um mir diesen Romeo endlich genauer anzusehen, und mein Herz setzt einen Schlag aus. Ich hätte wissen müssen, dass er Romeo ist.

»Stella? Meine Güte, wie schlimm habe ich mir den Kopf gestoßen?« Er legt sich die Hand auf den Kopf.

Ich mache einen Schritt rückwärts. »Kingston.«

Selbst ich höre die Verwunderung in meiner Stimme. Plötzlich bin ich erleichtert, dass der Moment, vor dem ich mich so lange gefürchtet habe, endlich vorbei ist. Jetzt weiß er, dass ich wieder da bin. Jetzt muss ich nur noch meinen Mut zusammennehmen und ihm erklären, warum. Und der Grund ist nicht er.

»Stella, Schätzchen.« Grandma Dori drückt mich fest und herzlich. Sie hat mich nie wie das Mädchen behandelt, das zwei beste Freunde auseinandergebracht hat, sondern fast wie eine ihrer Enkelinnen. Sie hat mir sogar Geburtstagskarten geschickt, als ich weg war.

»Hi, Dori«, sage ich, unfähig, den Blickkontakt mit Kingston zu unterbrechen. Ich bin nicht mal annähernd bereit, ihn wiederzusehen.

Er hält meinem Blick stand und lächelt sanft.

»Ich bin gleich wieder da.« Ich verlasse das Zimmer, lehne mich mit dem Rücken gegen die Tür und atme tief durch.

Allie pfeift, als sie an mir vorbeigeht. »Ich habe dir doch gesagt, dass du seufzen wirst, sobald du ihn siehst.«

Ich erwidere nichts und rede mir gedanklich weiter gut zu. Ich muss wieder rein und mich professionell verhalten. Bring es hinter dich, Stella. Das wird ein Kinderspiel.

Kapitel 3

KINGSTON

Ich versuche, mich aufzurichten, krümme mich jedoch vor Schmerzen, denn mein Gehirn fühlt sich an wie Rührei in meinem Schädel. Savannah drückt mich wieder in die Kissen. »Du kannst nicht aufstehen.«

»Aber …«

»Ich gehe jetzt, damit jemand anders zu dir kann.« Colton stürmt aus dem Zimmer, als hätte jemand »Feuer« geschrien.

»Wie wundervoll. Sie ist Ärztin. Hast du das gehört?«, fragt Grandma Dori.

Ich erwidere nichts. Ich wusste, dass sie Medizin studiert. Da ich ihr auf Instagram folge, weiß ich Dinge über sie, die mich nichts angehen. Aber nichts auf ihrem Account hat darauf hingedeutet, dass sie wieder in Alaska ist.

Ich muss daran denken, was Lou vorhin gesagt hat, und plötzlich macht es klick. »Fuck!«

»Was ist?« Mütterlich legt Savannah die Hand auf meine Stirn. »Alles okay? Muss ich …?«

»Wie verbreitet ist der Name Stella?«

»Letztes Jahr war er in den Top Fünfzig. Das habe ich gesehen, als wir nach einem Namen für Brinley gesucht haben. Er ist also nicht so ungewöhnlich.« Savannah wirft mit Fakten um sich, an die auch nur sie sich Monate nach der Geburt ihrer Tochter erinnern kann.

»Und wie sieht es mit Stellas in Anchorage aus, die ins Tipsy Turvy gehen? Die Bar, in die auch die Mehrheit der Krankenhausbelegschaft, Feuerwehrmänner und Polizisten geht?«

Juno tritt vom Bett zurück und zückt ihr Handy. »Ich sollte jetzt auch besser gehen. Einen anderen zu dir lassen.« Juno steuert auf den Vorhang zu, als Austin vorbeigeht.

Mit dem Daumen deutet er auf die Tür. »Ich könnte schwören, ich hätte gerade …«

»Japp, sie ist es«, sagt Savannah.

»Sie ist Ärztin«, erklärt Grandma Dori stolz.

Austin nickt, als wäre diese Information gerade nicht wichtig.

»Juno«, sage ich, um sie aufzuhalten, bevor sie entwischen kann. »Gestern Abend hast du im Tipsy Turvy ein Blind-Speed-Dating veranstaltet, richtig?«

Sowohl ihr Mund als auch ihre Augen bewegen sich in eine Million verschiedene Richtungen, doch sie sieht mich nicht an. »Könnte sein.«

Juno ist eine wirklich schlechte Lügnerin, doch sie ist besser, als ich dachte, denn Stellas Anwesenheit scheint sie nicht sonderlich zu überraschen. Wie lange weiß sie schon, dass sie wieder da ist? Wie lange verheimlicht sie es mir schon?

»Ich bin nicht sicher, ob ich das richtig verstehe. Warum reden wir jetzt über das Speed-Dating? Was hat das mit Stella zu tun?«, fragt Grandma Dori.

Mein Blick wandert zu Juno. Sie nickt langsam, und eine Träne kullert über ihre Wange. »Ich wollte es dir sagen.« Dann macht sie einen Schritt auf das Bett zu. »Aber sie hat mich gebeten, es nicht zu tun und …«

Ich schließe die Augen und versuche, meine Wut im Zaum zu halten. »Hat sie sich gestern Abend nach dem Event mit jemandem unterhalten?«

Alles, was Lou über die Frau von gestern Abend erzählt hat, trifft auf Stella zu. Sie ist wunderschön. Sie ist klug. Und sie ist eine Frau, die einen Mann verändern kann. Eine Frau, für die man sein ganzes Leben umkrempeln würde.

Juno nickt. »Es tut mir leid, King.«

»Kann ich kurz eine Minute für mich haben?«, frage ich an alle gerichtet.

Juno eilt sofort aus dem Zimmer.

»Ja, du brauchst jetzt bestimmt deine Ruhe. Geht ihr nur. Ich bleibe bei ihm«, sagt Grandma Dori und ergreift meine Hand.

Doch bevor die anderen gehen können, wird der Vorhang beiseitegezogen, und Stella steht da. Das dunkle Haar hat sie zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst, und sie trägt nur leichtes Make-up – roten Lippenstift und ein wenig Wimperntusche, wenn ich das richtig sehe. Ihre dunkelbraune Haut ist immer noch genauso schön wie damals, als sie in der vierten Klasse das Klassenzimmer betreten hat. Der weiße Kittel mit dem blauen aufgestickten Namen steht ihr ausgezeichnet. Ich wusste schon immer, dass sie mal erfolgreich sein würde. Dass sie ihre Träume verwirklichen würde. Sie ist schon immer außerhalb meiner Liga gewesen, aber jetzt ist sie es definitiv.

»Entschuldigung, aber …« Sie desinfiziert sich noch mal die Hände und setzt sich an den Computer. Nachdem sie ihren Dienstausweis gescannt hat, fängt sie an zu tippen. »Warum haben sie dich hergebracht? Hast du eine Verbrennung?«

»Sie glauben, es ist eine Gehirnerschütterung. Der andere Arzt hat etwas von einem MRT gesagt«, erklärt Grandma Dori.

Sie schürzt die Lippen und liest den Vermerk auf dem Monitor. »Das ist vielleicht nicht unbedingt notwendig. In der Regel sieht man darauf nichts, es sei denn, es ist etwas Ernstes, was ich in deinem Fall aber ausschließen würde. Aber wir sollten zur Sicherheit trotzdem eines machen.«

»Können wir das bitte lassen?«, presse ich hervor.

Stella dreht sich auf dem Stuhl zu mir. In ihren dunklen Augen liegt eine gewisse Traurigkeit und jede Menge Sorge.

»Bitte lasst mich kurz mit Stella allein«, sage ich.

Savannah und Austin führen eine Diskussion ohne Worte, als wären sie meine Eltern. Was sie ja auch irgendwie sind.

»Komm, Grandma. Brinley war neulich kurz davor, deinen Namen zu sagen. Vielleicht ist heute der Tag, wenn sie dich sieht«, sagt Savannah.

Grandma Doris Augen beginnen zu leuchten, und ich flüstere Savannah ein »Danke« zu, als sie den Raum verlässt. Ihre Urenkel sind so ziemlich das Einzige, was Grandma Dori dazu bringen kann zu gehen. Als alle weg sind, versuche ich, mich ein wenig aufzurichten.

»Das geht nicht. Du musst dich ausruhen«, sagt Stella und steht von ihrem Stuhl auf, bleibt jedoch kurz stehen, bevor sie an mein Bett tritt.

»Können wir bitte für einen Moment nicht Ärztin und Patient sein?«

Sie fährt sich mit der Zunge über die Unterlippe. Das hat mich schon angezogen, als wir noch jünger waren. Unweigerlich muss ich daran denken, wie sie geschmeckt hat, als ich sie vor all den Jahren geküsst habe. »Ich hätte dir sagen sollen, dass ich wieder hier bin.«

»Ja, hättest du«, erwidere ich. »Warum hast du nicht?«

Sie atmet laut aus. »Du weißt doch, wie es ist, Kingston. Du hättest mich gedrängt, und ich hätte nicht die Energie gehabt, dich abzuwehren. Ich werde mich nicht noch einmal zwischen Owen und dich stellen.«

»Zur Hölle mit Owen«, entgegne ich. Unsere Freundschaft ist kompliziert. Es ist nie wieder so geworden wie damals, bevor unsere Hormone die Kontrolle übernommen und wir uns um das Mädchen gestritten haben, das wir beide lieben. Das Mädchen, das jetzt vor mir steht.

»Sag das nicht. Ich bin nur wegen meiner Mom wieder hier.« Sie wirft einen Blick in Richtung Tür. »Sie ist krank.«

»Selene ist krank? Ich habe sie doch erst vor Kurzem gesehen.«

Sie lächelt kurz, doch dann presst sie die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen. »Sie hat Lupus. Eine Autoimmun…«

»Ich weiß, was Lupus ist«, sage ich. »Wie lange schon? Und wie schlimm?«

»Sie hat die Diagnose vor zwei Jahren erhalten. Soweit geht es ihr gut. Aber ich habe mit ihrem Arzt gesprochen, und du weißt ja, wie sie ist … Sie will nur Naturheilmittel nehmen. Ich versuche, sie zu überreden, es mit einem anderen Medikament zu probieren, das ihr vielleicht mehr hilft. Dass sie krank geworden ist, hat mir gezeigt, dass ich nicht für immer wegbleiben kann.«

Ein Teil von mir hat schon immer geahnt, dass sie nur wegen ihrer Mom zurückkommen würde. Es sollte nicht so wehtun, dass ich für sie nicht genug war, um zu bleiben, doch das tut es.

»Und warum hast du es mir nicht gesagt?«, frage ich.

Sie weicht meinem Blick aus. Es ist offensichtlich, warum sie es nicht getan hat. Ich habe keinen Platz in ihrer Zukunft. Nur in ihrer Vergangenheit. »Ist auch egal. Du musst mir keine Antwort geben.«

»Aber …«

Ich schüttle den Kopf, denn ich bin noch nicht bereit, es aus ihrem Mund zu hören. Ich habe zwei Möglichkeiten: Entweder tue ich das, was sie von mir weggetrieben hat, und dann habe ich sie ganz sicher nicht mehr in meinem Leben – oder ich halte sie zumindest in anderer Form in meinem Leben. So, wie sie war, bevor ich mich Hals über Kopf in sie verliebt habe. »Ist schon gut. Wirklich. Aber ich wäre wenigstens gern dein Freund.«

»Freund?« Ihr Tonfall ist eine Mischung aus Verwunderung und Abscheu.

»Ja, ganz am Anfang waren wir mal Freunde. Erinnerst du dich? Ich arbeite bei der Feuerwache, wir werden uns also oft über den Weg laufen. Und ich will nicht, dass es komisch ist.«

Sie nickt ein paarmal und sieht mich an. »Bist du sicher?«

Ich lache leise, auch wenn es nur gespielt ist. »Ja, ich bin sicher. Lass mich wissen, falls du mit deiner Mom Hilfe brauchst. Oder ist es ein Geheimnis?«

Sie schüttelt den Kopf, als hätte sie nicht mit dieser Reaktion gerechnet. Aber sie hat ihre Entscheidung über uns in dem Moment gefällt, als sie sich zurück in die Stadt geschlichen hat. Ich war nicht wichtig genug, um es zu erfahren. Obwohl es wehtut, kann ich nicht aufhören, mich selbst zu quälen. Dabei ist es offensichtlich, dass sie nicht dasselbe für mich empfindet wie ich für sie.

»Du weißt doch, wie stolz sie ist«, sagt Stella.

Ja, das weiß ich. Selene ist eine starke Frau, die ihre Tochter zu einer ebenso starken Frau erzogen hat. »Dann sage ich nichts.«

Die Tür öffnet sich, und Allie steckt den Kopf herein. Sie lächelt zuerst mich an, bevor sie Stella ansieht. »Dr. Harrison, die Laborwerte der Patientin in Zimmer Nummer fünf sind da, und ich brauche deine Autorisierung, den Chirurgen zu kontaktieren.«

»Danke, Allie. Ich bin gleich da.«

»Alles klar, Romeo?«, fragt Allie. »Ich werde mal nach deinem MRT sehen. Wir haben ihnen gesagt, dass du sofort drankommen sollst.«

Ich zwinkere. »Danke!«

»Kein Problem.«

Dann schließt sie die Tür, und Stella legt den Kopf schief, sodass ich einen Blick auf ihren langen Hals erhaschen kann. Den Hals, den ich so gern geküsst hätte. »Romeo?«

»Ist mein Spitzname auf der Feuerwache. Den habe ich aber nicht so bekommen, wie du jetzt denkst.« Die Details werde ich ihr jetzt nicht verraten.

»Nun, du scheinst jedenfalls ziemlich beliebt zu sein hier. Ich habe schon viel von dir gehört, bevor ich wusste, dass du Romeo bist.«

Ich grinse breit. Die Krankenschwestern flirten gern mit mir, und ein paar von ihnen haben sogar angedeutet, dass sie gern mehr machen würden, aber ich muss mit diesen Leuten zusammenarbeiten. Das ruiniere ich nicht für eine Affäre, die ich auch mit einer anderen haben kann. »Was erzählen sie denn über mich?«

»Das sage ich dir nicht.« Sie lächelt, und zum ersten Mal erhellt sich ihr Gesicht.

»Ich hoffe, nur Positives?«, frage ich.

»Das denke ich mir, dass du das hoffst.« Kurz treffen sich unsere Blicke, und ihre Finger legen sich um das Gestell am Fußende meines Betts. Ich öffne den Mund, um noch etwas zu sagen, doch sie kommt mir zuvor. »Ich sollte jetzt besser nach meinen anderen Patienten sehen. Ich bin sicher, Allie kümmert sich um dein MRT, aber ich komme später noch mal vorbei.«

»Danke«, sage ich.

Sie lächelt sanft und wendet sich zum Gehen.

»Stella?«, frage ich, bevor sie abhauen kann.

Sie wirft einen Blick über die Schulter.

»Du siehst gut aus.«

»Du auch, King.« Dann schiebt sie den Vorhang zurück und verschwindet.

Meine Finger krallen sich in das Laken. Freunde. Ich muss verrückt geworden sein, ihr meine Freundschaft anzubieten, wenn man bedenkt, wie es beim ersten Mal endete. Das Schlimmste ist, dass sie nicht mal weiß, dass sie einen guten Freund von mir kennengelernt hat. Auf der Feuerwache ist er sogar mein bester Freund. Und ich Idiot habe ihr nicht gesagt, dass wir schon bald wieder in der gleichen Situation sein werden wie vor acht Jahren, weil sie meinen Kumpel datet.

Wenige Minuten später tritt Austin durch den Vorhang. Mein ältester Bruder ist derjenige, der versucht hat, mir aus dem Schlamassel mit Owen und Stella zu helfen. Er hat mich zu meinen schlimmsten Zeiten erlebt, doch er hält es mir nie vor.

»Und? Was ist los?« Er setzt sich auf den Stuhl links von mir. »Hast du mit ihr geredet?«

Ich nicke. »Wir haben beschlossen, Freunde zu sein.«

»Freunde?« Sein Tonfall klingt genau wie ihrer.

»Wir waren mal Freunde.«

Er fährt sich durch das Haar. »King, da wart ihr noch Kinder. Bevor ihr in die Pubertät gekommen seid und Gefühle ins Spiel kamen. Sie ist das Mädchen, das du schon immer geliebt hast. Wie kannst du bitte mit ihr befreundet sein?«

Anscheinend hat Juno für sich behalten, dass Stella Kontakt zu Lou hat. »Gestern Abend hat sie im Tipsy Turvy Lou kennengelernt. Sie haben Nummern ausgetauscht.«

Austin fällt die Kinnlade herunter, doch er fängt sich, bevor er merkt, dass ich seine Reaktion mitbekommen habe. »Das soll wohl ein Witz sein. Dann passiert also alles noch mal?«

Ich nicke, unfähig, die Tatsache zu verarbeiten, dass ich sie verloren habe, bevor ich überhaupt wusste, dass sie wieder hier ist. Aber noch mal: Sie hat beschlossen, ihre Rückkehr zu verheimlichen. Sie ist zu einem Blind-Speed-Dating gegangen, um jemanden kennenzulernen, obwohl sie wusste, dass ich in unmittelbarer Reichweite bin. Ich will verdammt sein, wenn ich ihr schon wieder hinterherrenne wie ein Liebeskranker.

»Nein, es passiert nicht noch mal. Denn ich werde mein Leben weiterleben.« Ich greife nach meinem Handy und entfolge ihr auf Instagram. »Es wird Zeit, dass ich mein Leben lebe, ohne ständig von dem Namen Stella Harrison verfolgt zu werden.«

»Wie meinst du das?« Austin lehnt sich zurück.

»Ich werde mich jetzt auf meine Zukunft konzentrieren.«

»Ich bin stolz auf dich. Das braucht eine Menge Mut.« Er lächelt erleichtert, denn wie auch der Rest meiner Familie denkt er, ich würde mir nichts aus meiner Zukunft und meinem Leben machen.

Vielleicht bin ich einfach der Letzte, der kapiert hat, dass Stella Harrison und Kingston Bailey nicht zusammen in den Sonnenuntergang reiten und glücklich bis ans Ende aller Tage leben werden.

Kapitel 4

STELLA

Nachdem ich Kingston live und in Farbe gesehen habe, klopft Lou am Freitagabend an meine Apartmenttür. Die ganze Woche über habe ich versucht, Kingston aus meinen Gedanken zu vertreiben – leichter gesagt als getan.

Jedes Mal, wenn ich mit Lou telefoniere, packt mich das schlechte Gewissen. Ja, ich hatte seit der Highschool die eine oder andere Beziehung, aber nie etwas richtig Festes. Nur einer von ihnen hat mich damit konfrontiert, dass ich meine Gefühle zu sehr für mich behalte. Aber ich glaube, das lag nur daran, weil ich nicht früh genug Schluss gemacht habe.

Kingston hat so schnell vorgeschlagen, Freunde zu sein, dass ich gar nicht weiß, was ich denken soll. Schließlich habe ich ihm absichtlich nicht erzählt, dass ich wieder in der Stadt bin. Die Wut, die ich in seinen Augen gesehen habe, war nicht unberechtigt.

Ich öffne die Tür. Lou trägt ein schickes Paar Jeans und ein Hemd. Er ist attraktiv. Ich bin sicher, eine Menge Frauen bewundern seine breiten Schultern und seine große Gestalt.

Ich schiebe den Gedanken an Kingston beiseite, greife nach meiner Handtasche auf dem Küchentisch und verlasse das Apartment.

»Du siehst umwerfend aus«, sagt er.

Ich lächle. »Du siehst aber auch gut aus.«

Das typische unangenehme Schweigen eines ersten Dates legt sich über uns, während wir zu seinem Truck gehen. Ich muss mir ins Gedächtnis rufen, dass ich wieder in Alaska bin, wo auf ein normales Auto etwa zweihundert Trucks kommen.

Er verhält sich wie ein Gentleman, öffnet mir die Wagentür und wartet, bis ich eingestiegen bin, bevor er sie vorsichtig zuschlägt. Dann umrundet er die Motorhaube und steigt ebenfalls ein.

»Hast du Hunger?«, fragt er.

»Ja.«

»Ich auch. Ich hatte heute keine Zeit fürs Mittagessen, also bitte entschuldige, wenn ich mich gleich wie ein verhungertes Tier verhalte.«

Ich muss lachen. »Ist schon verziehen.«

Er fährt auf die Interstate. Nachdem wir ein paar Minuten unterwegs sind, beschließe ich, dass es besser ist, wenn jemand weiß, wo ich bin und mit wem. Ich nehme mein Handy aus der Tasche und schreibe meiner Mom.

ICH:Ich habe gerade ein Date mit einem Typen namens Lou. Er fährt einen roten Pick-up. Er ist Zimmermann und kommt aus Anchorage. Wir gehen jetzt etwas essen.

Die drei Punkte erscheinen sofort.

MOM:Okay, aber nächstes Mal schickst du mir das Kennzeichen. LOL

Lou wirft mir einen Blick zu.

Ich schalte das Display aus und schiebe das Handy zurück in die Tasche. »Sorry!«

»Du musst dich nicht entschuldigen. Als Ärztin wirst du bestimmt ständig kontaktiert.«

Wir unterhalten uns über die Unterschiede zwischen meinem Job in New York und hier. Ich finde heraus, dass Lou aus einer Kleinstadt noch weiter im Norden kommt. Für ihn ist Anchorage eine Großstadt. Er ist seit seinem Highschool-Abschluss hier und hat nicht vor zurückzugehen.

Während wir weiter in Richtung Süden fahren, kommen wir irgendwann an einem Schild mit der Aufschrift Lake Starlight – 5 Meilen vorbei. Mir wird flau im Magen.

»Wohin fahren wir?«, frage ich.

Er nimmt kein einziges Mal den Blick von der Straße. »Nach Lake Starlight. Warst du da schon mal?«

Ich lache. »Da bin ich aufgewachsen.«

Er sieht zu mir herüber. »Ich dachte, du wärst nur für deine Assistenzzeit hergekommen. Mir war nicht bewusst, dass du hier aufgewachsen bist.«