Home of Hearts - Band 3 - Charlene Vienne - E-Book

Home of Hearts - Band 3 E-Book

Charlene Vienne

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Beschreibung

Überglücklich genießen Allison und Ben ihre Heimkehr ins Home of Hearts. Alles könnte so perfekt sein, würde nicht ein wichtiger Teil der Familie fehlen – Val. Doch der Stachel des Verrates steckt tief, vor allem, weil Aidan weiter seine perfiden Spielchen treibt. Während rund um das Home Rachepläne geschmiedet werden, kommen dort nach und nach weitere Geheimnisse ans Tageslicht. Im Schatten von Carmens Vergangenheit muss sich Allison abermals als würdige Nachfolgerin der Mutter des Home beweisen. Gemeinsam mit Ben und den anderen kämpft sie um und für ihre Familie, wobei sie erkennen muss, dass das Schicksal oft seltsame Wege geht. (Das emotionale Finale der Home of Hearts Trilogie)

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Kurzbeschreibung:
1. Home, Sweet Home
2. Vals Zweifel
3. Der Ex-Mann greift ein
4. Aidan und der dicke Fisch
5. Dein Arsch gehört mir
6. Männersachen
7. … des einen Freud
8. Bedeutsame Worte
9. Familienbande
10. Wie gewonnen, so zerronnen
11. Geschwisterliebe
12. Hochmut kommt vor dem Fall
13. Zeit heilt alle Wunden
14. Was nicht passt, wird passend gemacht
15. Befreiung bedeutet nicht immer Freiheit
16. Lieber ein Ende mit Schrecken …
17. And now, the End is near
18. The Heart Comes home
19. Bonuskapitel – ein Blick in die Zukunft
Danksagung:
Über die Autorin
Weitere Bücher der Autorin

 

Home of Hearts – Band 3

© 2019/ Charlene Vienne

www.facebook.com/Charlene.Vienne.Autorin/

Alle Rechte vorbehalten!

 

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors.

 

Umschlaggestaltung:

Charlene Vienne/ Bilder: pixabay.com

 

Bildmaterial Buchlayout

pixabay.com

 

Erst Lektorat / Korrektorat

Anke Neuhäußer

 

Lektorat/ Korrektorat

Elke Preininger

 

Erschienen im Selbstverlag

Karin Pils

Lichtensterngasse 3–21/5/9

1120 Wien

 

Dieser Roman wurde unter Berücksichtigung der neuen deutschen Rechtschreibung verfasst, lektoriert und korrigiert. Es handelt sich um eine fiktive Geschichte. Orte, Events, Markennamen und Organisationen werden in einem fiktiven Zusammenhang verwendet. Alle Handlungen und Personen sind frei erfunden. Alle Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Markennamen und Warenzeichen, die in diesem Buch verwendet werden, sind Eigentum ihrer rechtmäßigen Eigentümer. Das Buch enthält explizit beschriebene Sexszenen und ist daher für Leser unter 18 Jahren nicht geeignet.

 

2. Auflage

 

Für Marcus, Christoph und Roman,

Weil Familie über allem steht!

Kurzbeschreibung:

 

Überglücklich genießen Allison und Ben ihre Heimkehr ins Home of Hearts. Alles könnte so perfekt sein, würde nicht ein wichtiger Teil der Familie fehlen – Val. Doch der Stachel des Verrates steckt tief, vor allem, weil Aidan weiter seine perfiden Spielchen treibt.

Während rund um das Home Rachepläne geschmiedet werden, kommen dort nach und nach weitere Geheimnisse ans Tageslicht. Im Schatten von Carmens Vergangenheit muss sich Allison abermals als würdige Nachfolgerin der Mutter des Home beweisen. Gemeinsam mit Ben und den anderen kämpft sie um und für ihre Familie, wobei sie erkennen muss, dass das Schicksal oft seltsame Wege geht.

 

(Das emotionale Finale der Home of Hearts Trilogie)

1. Home, Sweet Home

 

Das Büro wurde von der durch die schmalen Fenster hereindringenden, untergehenden Sonne nur spärlich erleuchtet. Doch daran lag es nicht allein, dass Vals Gesicht beinahe durchscheinend wirkte. Dunkel hoben sich die Augenringe von der bleichen Haut ab und die Müdigkeit hatte sich tief in ihre Züge gegraben.

»Ach, Süße«, stieß Carmen, begleitet von einem tiefen Seufzen, hervor. »Was hast du dir nur dabei gedacht?« Furchtbar autoritär sah sie aus, und das nicht nur durch den ungewohnt biederen dunkelbraunen Hosenanzug, den sie trug. Ihre sonst kaum zu bändigenden Haare hatte sie in einen strengen Dutt zusammengefasst und sie trug die Brille, die man normalerweise auf ihrer Nase fand, wenn sie nähte.

»Es gab keine andere Möglichkeit, Aidan zu überzeugen«, mischte sich Melissa ein, die bisher stumm der Unterhaltung gefolgt war. Überhaupt hatte sie kaum gesprochen, seit sie und Carmen Valerie vor etwa einer Stunde aus dem Krankenhaus abgeholt hatten.

»Kannst du dir eigentlich vorstellen, welche Sorgen ich mir gemacht habe? Ich hatte Angst, und ... Sam! Was denkst du, wie er sich gefühlt hat!« Carmens Stimme war ungewöhnlich hart – so hatte Val sie noch nie sprechen gehört.

Es entging ihr nicht, dass sie weiter sie ansah, nicht Mel, die nun versteckt, aber doch, die Augen verdrehte.

»Ihr seid doch alle mehr oder weniger große Dramaqueens hier, Carmen. Das musst du schon zugeben«, startete Melissa einen weiteren Versuch, den Fokus auf sich zu lenken.

Dieses Mal gelang es, und Carmen wandte sich in ihre Richtung. »Wir sind Menschen, die sich umeinander sorgen, die versuchen, einander Halt zu geben und zu helfen. Und zwar ohne Lügen oder Theatervorstellungen, die den Eindruck erwecken sollen, jemand sei so verzweifelt, dass er nur noch den Ausweg sieht, sich das Leben zu nehmen!« Zum Ende hin war Carmens Stimme wieder leiser geworden. Wer wusste schon, wer vielleicht draußen vor der Tür lauschte? Die letzte Nacht hatte das Home of Hearts ohnehin genug erschüttert!

Die Annahme, dass Valerie versucht hatte, sich das Leben zu nehmen, hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet, ganz so, wie Melissa das geplant hatte. Dieser Gedanke schürte die Wut in Carmen erneut. »Wie konntest du ihr so etwas vorschlagen?«, fragte sie Mel mit fassungsloser Stimme.

»Wieso gehst du eigentlich automatisch davon aus, dass es meine Idee war?«, konterte Melissa pikiert – etwas zu pikiert für Carmens Geschmack.

Val seufzte tief und meldete sich nun auch zu Wort. »Es war allein meine Idee, und es tut mir leid, Carmen. Ich wollte euch keinen Schreck einjagen, ich wollte nur, dass Aidan sieht, wie sehr ich unter seiner Ablehnung leide.« Sie begann wieder zu weinen.

Carmens angespannte Haltung wich mit einem tiefen Atemzug, danach eilte sie auf ihre Freundin zu und zog sie in ihre Arme. Wie ein Kind wiegte sie Val hin und her und streichelte dabei ihren Kopf. »Ach, Val«, flüsterte sie. »Ich weiß doch, wie schwer das für dich ist, aber zu lügen ist niemals eine gute Idee.« Während sie die letzten Worte sprach, fixierte sie über Vals Kopf hinweg Melissa, die erneut die Augen verdrehte.

»Wie auch immer – wir haben erreicht, was wir wollten. Aidan wird noch heute Abend hierherkommen, um Val zu sehen«, erklärte Mel mit Stolz in der Stimme.

»Du bist ein intrigantes Biest, Mel, und würde ich dich nicht so lieb haben, könnte ich dir das wahrscheinlich nicht verzeihen.« So ernst Carmens Worte auch gesprochen waren, so deutlich machte der zärtliche Unterton darin klar, dass Mel wieder mal davongekommen war.

»Ich hab euch auch lieb. Deshalb mach ich das alles doch!« Melissa erhob sich, ging zu den anderen Frauen hinüber und legte ihre Arme um die beiden.

 

An diese Situation erinnerte sich Val nur zu genau. Es war ein wunderschöner und doch furchtbarer Tag in ihrem Leben gewesen. Ihr schicksalhafter, dramatisch inszenierter Wiederbeginn der Beziehung zu ihrem Bruder! Von Melissa geplant, von ihr durchgeführt, und so falsch, wie es nur sein hatte können. Carmen hatte vollkommen recht gehabt. Wie hatte sie das nur tun können?

Auch jetzt würde Carmen in etwa das Gleiche zu ihr sagen. Erneut hatte Mel geplant und Val gehandelt. Und wieder hatte es Opfer gegeben, nur dass dieses Mal nicht nur an Gefühlen herumgetrickst worden war. Nein! Nun waren tatsächlich physische Verletzungen passiert. Mels Plan hatte denjenigen geschadet, denen er das Glück hätte bringen sollen. Nichts war mehr in Ordnung. Alles durcheinandergewirbelt! Und ihre wahre Familie, die in Valeries harmonischen Träumen um ihren Bruder erweitert hätte werden sollen, war nun ein Scherbenhaufen.

Sie seufzte inbrünstig, als sich der Gedanke in den Vordergrund schob, dass das nicht ganz der Wahrheit entsprach. Die Familie des Home war gerade dabei, sich wiederzufinden – nur sie war eben nicht dabei!

Nicht mehr!

 

Als sie fünf Minuten später aus dem Badezimmer kam, wartete Aidan bereits mit ungeduldigem Blick auf sie. »Was?«, fragte sie leicht beleidigt. Das Gefühl, ihm hier lästig zu sein, wurde täglich stärker, da halfen kein Schönreden und keine Ignoranz.

Er verdrehte die Augen. »Ich hab dir gesagt, dass ich einen Termin habe.«

»Hier? Warum triffst du dich nicht im Büro?«, maulte sie zurück, worauf er lautstark die Luft ausblies.

»Soweit ich weiß, ist das meine Wohnung und du nicht meine Frau. Also misch dich nicht in meine Angelegenheiten!« Sein Ton war mehr als hart.

Val zuckte zusammen. »Was ist denn los mit dir, Aidan?«, fragte sie verletzt.

Es wirkte, als fiele es ihm sichtlich schwer, nicht genervt aufzustöhnen – etwas, das er sehr oft tat in letzter Zeit. Mit Daumen und Zeigefinger über seinen Nasenrücken reibend, fixierte er sie für einen Moment, bevor er wieder sprach.

»Nichts ist los. Mein Termin kommt in ein paar Minuten und ich hab dir gesagt, ich will nicht, dass du dann noch hier bist. Du brauchst eine geschlagene halbe Stunde im Badezimmer, und dann wunderst du dich, dass ich angepisst bin?«

»Du hast vorgeschlagen, dass ich hier wohnen kann«, warf sie unterwürfig ein.

Das stimmte, also versuchte er sich an einem verkrampften Lächeln. »Ja. Und ich freue mich auch, dass du hier bist. Aber jetzt brauche ich für ein paar Stunden ein bisschen Ruhe. Ist das möglich, Val?«

»Natürlich.« Sie stürmte an ihm vorbei in das Gästezimmer, das ihr im Moment als das ihre diente, und holte ihren Mantel. Kaum zurück, schlüpfte sie in ihre Schuhe und griff nach ihrer Handtasche. »Ich werde später ins Home fahren, ein paar meiner Sachen abholen.«

»Ach.« Plötzlich genoss sie seine ungeteilte Aufmerksamkeit. »Wann? Soll ich dir helfen?«

Sie blickte in sein Gesicht, mit einem Mal sehr ernst. »Nein, Aidan. Ich denke nicht, dass es gut wäre, wenn du noch einmal dorthin gehst. Es ist zu viel vorgefallen. Ich werde auch mit niemandem dort sprechen. Ich nehme einfach meine Sachen, und dann bin ich schon wieder weg.«

»Sie werden sicher versuchen, dir Lügen über mich zu erzählen«, erklärte er mit nervösem Unterton, doch sie zuckte lediglich mit den Achseln.

»Sie können erzählen, was sie wollen. Du bist mein Bruder. Ich werde zu dir halten.«

»Wirklich?« Er nahm ihre Hand und drückte sie. »Val. Ich weiß, ich bin nicht einfach im Moment, aber du darfst nie vergessen, wie sehr ich dich liebe und dass uns Melissas Hinterlassenschaft verbindet. Wir waren für sie da und sie für uns. Sie wollte, dass wir glücklich sind!«

Ganz kurz huschten Zweifel über Vals Miene, doch sie wischte sie beiseite, so wie sie es seit Tagen mit jedem ihrer heimlich schwach aufkeimenden Gedanken zu tun pflegte. »Wir beide«, wisperte sie.

Er zog sie näher, küsste ihre Wange und lächelte. »Wir sind eine Familie und lassen uns von denen nicht auseinanderbringen.«

Vals Umarmung verstärkte sich nochmals, bevor sie sich von ihm löste und die Eingangstür öffnete. »Okay. Dann bin ich jetzt weg. Viel Glück bei deinem Termin.«

»Danke.« Aidan presste die Lippen zusammen, während er ungeduldig zusah, wie sie das Apartment verließ. »Und ruf besser an, bevor du zurückkommst« rief er ihr noch nach, als sie bereits in den Lift stieg.

Bevor sich die Aufzugtüren schlossen, sah er sie noch nicken, anschließend trat er zurück in die Wohnung, eilte ins Wohnzimmer und stellte sich ans Fenster.

Es dauerte ein paar Minuten – natürlich, er wusste, dass sie stets ewig brauchte, bis sie sich in ihr blödes Cabrio gesetzt hatte – , dann fuhr Vals Wagen endlich aus der Garagenausfahrt. Er zuckte zusammen, als er bemerkte, dass das Auto, das ihr unmittelbar danach entgegenkam, Megans kleiner Flitzer war. Der rote Sportwagen hielt vor dem Haus, während Vals Cabrio um die Ecke bog.

Aidan ließ den Vorhang zurückfallen und fuhr sich nervös durch die Haare. Ihm war klar, dass dies alles ein großes Risiko war, aber er wusste beim besten Willen nicht mehr, wie er aus dieser Sache rauskommen sollte.

 

Wenige Minuten später schlenderte sie, durchgestylt bis in die Haarspitzen, in seine Wohnung, legte ihren Mantel und ihre Tasche ab und ließ sich gekonnt elegant auf einen der Hocker an der kleinen Bar im Wohnzimmer nieder. »Das war Val, oder?«, fragte sie, während sie nach ihren Zigaretten griff und sich eine herauszog.

Pflichtbewusst beeilte er sich, ihr Feuer zu geben. »Hat sie dich auch gesehen?«

Sie lachte kurz. »Nein. Ich denke nicht. Aber warum macht dir das Sorgen? Was geht es sie an, was du tust oder mit wem?«

»Es ist wichtig, dass sie mir im Moment zu hundert Prozent vertraut. Für sie bin ich das Opfer in diesem Spiel. Sie darf niemals erfahren, was wirklich abgegangen ist. Und wenn sie mich mit dir sieht, dann wird sie misstrauisch werden«, erklärte er mit unsicherer Stimme.

»Warum? Wir haben in unserem Schmerz zusammengefunden.« Sie zog ein Schmollgesicht. »Wir erzählen ihr einfach, ich treffe mich hinter dem Rücken meines Vaters mit dir. Oh! Warte!« Ihr Zeigefinger streckte sich in die Höhe. »Das tue ich ja!«

»Megan. Du weißt, warum das notwendig ist, oder?«

Sie sog an ihrer Zigarette und blies ihm den Rauch entgegen. »Weil du Angst hast, dass sich mein Daddy nun ganz von Swenton hat kaufen lassen und dass er ihm hilft, dich vollkommen zu vernichten, wenn er mitbekommt, dass du seine Kleine vögelst?«

»Wir brauchen das Wohlwollen deines Vaters, und er hat mir unmissverständlich klar gemacht, was passiert, wenn ich dich anfasse.« Er schenkte ihnen beiden einen Drink ein und hielt ihr eines der Gläser hin.

Sie ergriff es grinsend. »Aber du hast es nicht geschafft, dich von mir fernzuhalten?«

Er sah sie an, ein bisschen verzweifelt und ein bisschen rebellisch. »Nein. Hab ich nicht.«

»Weil ich einfach unwiderstehlich bin. Weil du süchtig nach meinem Körper bist und danach, was er dir geben kann. Ist es nicht so?«

Er seufzte. »Ja, das ist so.«

»Darf ich dir einen Rat geben?« Megan machte einen letzten Zug, drückte die Zigarette aus und stellte ihr Glas nach einem langen Schluck zur Seite.

»Du bist nicht in der Position, mir Ratschläge zu geben.« Er versuchte, überheblich zu klingen, und hasste sich für das Zittern seiner Stimme.

Ihr heiseres Lachen zeigte ihm, dass sie es bemerkt hatte. »Ach, Aidan. Nimm an, was ich dir gebe, solange ich es dir geben will.« Ihre vollen Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln. »Verlieb dich nicht in mich. Das ist mein Rat. Fick mit mir, lach mit mir und genieß die Zeit, die ich dir gönne, aber lass nicht zu, dass du Gefühle für mich entwickelst.«

Sein kurzes Lachen erklang. »Diese Gefahr besteht nicht. Auch wenn es pervers klingt, ich liebe Allison. Wirklich.« Er stieß hart die Luft aus und schüttelte den Kopf, als könnte er seine eigenen Worte nicht fassen.

»Was hat dieses Mädchen nur?« Megan schnappte sich wieder ihr Glas und trank es aus, anschließend lachte sie, laut und schrill. »Sie war eine verdammte Jungfrau. Ein Mädchen von irgendwo, das keine Ahnung hatte, wie man mit einem Mann umgehen muss. Sie wusste nicht, wie man fickt oder wie man bläst oder wie man verdammt noch mal einen Mann um den Verstand bringt. Was zur Hölle ist passiert, dass dieses Mauerblümchen plötzlich so hoch im Kurs steht?« Immer ärgerlicher war ihre Stimme geworden, immer härter und immer fassungsloser.

Aidan nahm ebenfalls einen Schluck, bevor er sie ansah. Schadenfreude ließ seine Augen funkeln: »Ben hat ihr eine Menge beigebracht«, sagte er boshaft.

Sie keuchte auf. »Du Arsch!«

»Was? Es stimmt doch! Er hat sie zu seinem eigenen perfekten Flittchen erzogen. Er hat sie gelehrt so zu ficken wie er es will, ihn so zu verwöhnen, wie er will, und er hat sie soweit gebracht, dass sie ihren Traum vom Leben aufgegeben hat und stattdessen seinen Traum weiterträumt.«

Wieder erklang ihr raues Gelächter. »Ach! Warst du das? Ihr Traum vom Leben?«

Er senkte den Blick. »Sie wollte mich, das weiß ich, und dann hat Ben beschlossen, sie zu seinem Fick-Häschen zu machen. Und dann hab ich sie verloren.«

»Das zeigt nur, dass sie eben doch eine Nutte ist. Na ja, musste sie ja werden, schon allein von ihren Genen her.« Sie streckte sich vor und legte ihre Hand auf seinen Unterarm. »Sieh es ein, Baby. Du hast sie nicht verloren, sie hat sich einfach den genommen, der ihr besser geben konnte, was sie braucht.« Sie grinste angriffslustig, als er auf ihre Worte reagierte und vor Wut buchstäblich blass wurde.

»Sie wird früher oder später erkennen, dass das Leben nicht nur aus einem guten Fick besteht, und dann werde ich da sein«, presste er hervor.

Es war ein letztes Aufbäumen seiner Wünsche, das spürte Megan, und ihre Mundwinkel wanderten höher. »Ich hab mit euch beiden gefickt, Aidan. Glaub mir, solange Ben das Interesse an ihr nicht verliert, wird sie bei ihm bleiben.«

Sein Kehlkopf wanderte auf und ab. Für einen Moment befürchtete sie, dass sie zu weit gegangen war, dass er sie vielleicht sogar schlagen würde, doch er blieb das Weichei, das sie in ihm sah und schlug stattdessen die Augen nieder. »Du bist …«, begann er mit kraftloser Stimme, doch ihr Lachen würgte ihn ab.

»Ich sage nur, was ich denke, Aidan. Es ist ja nicht so, als wärest du kein guter Liebhaber. Wäre das so, würde ich mich nicht mit dir abgeben.«

»Aber …«, fing er wieder an, doch sie unterbrach ihn erneut.

»Halt die Klappe, Aidan.« Sie stand auf, zog den seitlich an ihrem Kleid sitzenden Reißverschluss hinunter und warf ihm dann über die Schulter einen auffordernden Blick zu.

Er zögerte, allerdings nur kurz. Dann erhob auch er sich, ging zu ihr und half ihr, den Stoff abzustreifen.

 

*

 

Dass Richard Swenton nun vom Gast zum Geldgeber mutiert war, gefiel nicht allen im Home. Trotz seiner Dankbarkeit für die Rettung des Homes war Leo Richards, nun wirklich sehr offensichtlichem Interesse am Home, gegenüber skeptisch eingestellt. Nachdem er ein paar Tage Zeit gehabt hatte, die Ereignisse der letzten Wochen eingehend Revue passieren zu lassen, war ihm klar geworden, dass sich Swentons Behauptung, seine Mum hätte ihn geliebt, schließlich nur auf dessen Erzählungen stützte. Deren Wahrheitsgehalt war für ihn somit genauso fraglich wie der Hintergrund, der hinter seinen Hilfsmaßnahmen stand. Niemand half einem ohne Hintergedanken, das war nun mal das, was ihn das Leben bitter gelehrt hatte.

Da Allison seine Meinung in dieser Hinsicht so ganz und gar nicht teilte, hielt er sich an Ben, dessen Glaube an die Reinheit von Richards Gründen in etwa dem seinen glich. Auch jetzt, während Allison mit Sam vor der Bühne kauerte, um die neue Show von Chris und Mike zu begutachten, schlich er sich zu dem hintersten Tisch, an dem Ben saß und sein Mittagessen verzehrte.

Zwei Wochen war es jetzt her, dass sie das Home zurückerobert hatten, und es war endlich wieder so etwas wie Alltag eingekehrt. Ben spießte das letzte Stück Fleisch auf und sah mit der Gabel in der Hand auf, als Leo sich neben ihn setzte.

»Schmeckt’s?«, fragte Leo.

Ben nickte grinsend, zog dann den Bissen von der Gabel und kaute.

»Allison sagt, du bist wieder fit?« Leos Zweifel waren deutlich zu hören, doch Ben lachte nur kurz.

»Fast wieder der Alte«, murmelte er, immer noch kauend und hob seine linke Hand. »Selbst die funktioniert wieder!«

Leo schmunzelte kurz, kehrte aber zum Ernst zurück, als er den Blick durch den Raum bis zum Eingang wandern ließ. »Oh, toll! Allisons Held kommt!«, brummte er.

Ben schluckte schnell hinunter. »Danke dafür, dass du ständig in offenen Wunden bohrst.« Er klang so zermürbt, dass Leo bedauernd sein Gesicht verzog. »Sorry. Aber er macht mich einfach wahnsinnig mit seinem Ich-bin-für-euch-alle-da-Getue.«

Sie winkten beide zurück, als Richard sie grüßte, und sahen ihm nach, während er zu Allison schlenderte, um sie mit einem Kuss auf die Wange zu begrüßen. Danach ging er weiter an der Bühne vorbei und nach hinten.

Ben seufzte lautstark. »Allison vertraut ihm. Und ich möchte wirklich nicht mit ihr streiten, also verbeiß ich mir jeglichen Kommentar.«

»So wie ich«, stellte Leo säuerlich fest.

»Was brütet ihr beiden schon wieder aus?« Allisons fröhliche Stimme ließ die beiden den Kopf wenden. Sie stand mit gutgelaunter Miene neben ihrem Tisch und sah von einem zum anderen.

»Nichts«, sagte Ben und hielt ihr seine Hand entgegen, die sie sofort ergriff, um sich danach von ihm neben ihn auf die Bank ziehen zu lassen. Seine Lippen senkten sich auf ihren Hals, und sie kicherte leise, während Leo seine Augen verdrehte. »Ihr seid wirklich furchtbar!«, meckerte er.

»Was?« Ben hob seinen Kopf und grinste ihn an. »Als wärest du besser, sobald Mandy in deiner Nähe ist.«

Allison griff sich Bens Wasserglas und trank einen großen Schluck. »Wir sind eben alle verliebt und albern. Na und?« Sie zog eine süße, kleine Schnute, was in Bens Brust ein warmes Prickeln auslöste. »Wir sind jung, also dürfen wir das.«

»Wo du recht hast, hast du recht«, stimmte ihr Bruder zu und sah hinüber zu Mandy, die gerade dabei war, die Bar auf Hochglanz zu polieren. Als würde sie es spüren, blickte sie ebenfalls auf, und sein Magen machte einen Hüpfer, weil ihre Augen sofort zu strahlen begannen. Sie sandten einander ein Lächeln, bevor er sich zurückwandte und sie sich wieder ihrer Arbeit widmete.

»Wo ist Richard denn hin?«, fragte Leo möglichst unverfänglich.

»Er hat gefragt, ob er mal telefonieren kann. Der Akku seines Handys ist leer.« Allison war an Ben gekuschelt, als sie sprach, also konnte sie nicht sehen, dass seine Augen im Kreis fuhren.

Leo sah es, hielt sein Schmunzeln aber zurück. Nach kurzer Überlegung beschloss er jedoch, einen kleinen Vorstoß zu wagen. »Also schickst du ihn einfach allein in unser Büro? Woher bist du dir eigentlich so sicher, dass er es ehrlich mit uns meint?«

Eine kühle Welle überschwemmte seinen Körper, als Allison sich straffte und ihn mit spitzen Lippen ansah.

»Was willst du denn damit andeuten?«, zischte sie angriffslustig.

Ben umschloss sie vorsichtig mit den Armen. »Wir haben eben so unsere Erfahrungen gemacht in all den Jahren, Dornröschen. Weißt du, wie viele Männer deiner Mum bei ihren Geschäften helfen wollten? Im Nachhinein haben sie sich allesamt als Reinfälle entpuppt und meistens haben diese Geschichten Carmen jede Menge Ärger und einiges an Geld gekostet.« Er lehnte sein Kinn auf ihre Schulter und strich mit seinen Fingerspitzen über ihren Halsansatz. »Sei nicht sauer. Das Misstrauen liegt uns eben im Blut.«

Sie nickte, rückte aber dennoch von ihm ab, um aufzustehen. Danach zupfte sie mit gesenktem Blick ihr T-Shirt zurecht. Es war weiß und sehr weit geschnitten, sodass es ihr ständig über eine der Schultern rutschte, dazu trug sie hautenge Jeans. Ben schluckte, sie sah unheimlich heiß aus in diesem legeren Outfit.

»Ich kann schon verstehen, dass es euch nicht leicht fällt, Hilfe von ihm anzunehmen. Aber diesmal ist es ja wohl eher er, der uns Geld gegeben hat, und er ist ein Freund meines Dads, also ist er vertrauenswürdig und außerdem …« Nun bohrte sich ihr Blick in den ihres Bruders. »… bedeutet es dir nichts, dass Carmen ihn geliebt hat?«

Leo schnaubte kurz. »Sagt er. Ich wusste davon nichts. Sie hat ihn nie auch nur erwähnt.«

»Leo!« Jetzt war sie ehrlich entrüstet. »Er hat uns geholfen, das Home zurückzubekommen. Warum hätte er das tun sollen, wenn er uns Böses will?«

Leo presste die Lippen zusammen, diesmal war es Ben, der antwortete. »Vergiss es! Wir werden uns schon mit dem Gedanken anfreunden.« Sein Blick war bittend auf Leo gerichtet, der nur resigniert mit den Schultern zuckte.

»Ich liebe euch, Jungs. Das wisst ihr. Aber ich mag Richard eben auch. Könntet ihr also mir zuliebe versuchen, ihn ebenfalls zu mögen?«

Ben nickte sofort eifrig, doch Leo blähte erst einmal die Backen und suchte dann den Augenkontakt mit ihr. »Ich mag ihn, Allison. Nur ganz vertrauen kann ich ihm irgendwie noch nicht. Ich weiß nicht, was, aber irgendetwas ist seltsam. Ich fühle mich manchmal komisch in seiner Gegenwart.«

 

*

 

Das Büro war abgedunkelt und Richard saß tief in den Ledersessel gesunken da. »Du verstehst das nicht. Es war nicht meine Idee, sondern die von Mel. Sie war davon überzeugt, dass er sie liebt, dass er unwissentlich in diese Ehe geschlittert ist. Dass sie ihn reingelegt hat, weil sie ihm nicht gesagt hat, dass sie krank ist. Dabei wusste er die ganze Zeit Bescheid. Er wusste, dass er nur ein paar Jahre aushalten musste, und dann würde alles ihm gehören.«

Er zog an seiner Zigarre, während er der Antwort aus dem Telefon lauschte. Genüsslich den Rauch ausstoßend, beobachtete er die kleinen Schwaden, wie sie in Richtung Decke stiegen, um sich anschließend im Schatten aufzulösen.

»Ich möchte dir das wirklich erklären. Und wenn du alles gehört hast, dann werden wir zusammen eine Lösung finden. Was meinst du?«, sagte er, als sein Gesprächspartner geendet hatte.

Erneut hörte er zu, inhalierte den Rauch und ließ ihn wieder entweichen. Schließlich lachte er. »Essen klingt gut. Wann?«

Pause.

»Morgen. Okay. Im Steak-House.«

Er legte auf, sah zum Fenster und seine Wangen sogen sich nach innen, als er wieder an der Zigarre zog. Auf seinem Gesicht lag ein zufriedenes Lächeln.

 

*

 

Als Richard zurück in die Bar kam, drang ihm laute Musik entgegen, beschwingte südamerikanische Rhythmen, solche von der Sorte, die die Beine zucken ließen, ob man nun wollte oder nicht. Er ging zur Theke, lehnte sich an eine der Säulen und sah hinüber zur Bühne, auf der sich drei Pärchen im Takt wiegten.

Es waren Leo mit Mandy und Sam mit Mike, doch das Paar, das am meisten seine Aufmerksamkeit fesselte, war Allison und Ben. In diesem Licht, in diesem Raum, gefangen in der Atmosphäre der rhythmischen Musik, sah das Mädchen aus wie ein Spiegelbild, zurückgeworfen von einer Vergangenheit, in der Carmen der Inhalt seines Lebens gewesen war. Ihre Bewegungen, ihr Haar, wie es durch die Luft flog, als Ben sie in eine Drehung bewegte – es fühlte sich an, als wäre er wieder in dieser billigen Bar, in der er das erste Mal auf sie getroffen war.

 

Er war vom ersten Moment an verzaubert gewesen.

Sie war schön, auf eine Weise, wie es Mädchen waren, die sich ihrer eigenen Schönheit nicht bewusst waren. Und er begehrte sie so sehr, dass er, selbst als er mitbekam, dass sie eine Prostituierte war, nicht zurückschreckte.

Er ging mit ihr ins Hotel, und erst, als sie nackt in seinen Armen lag, kam ihm der vage Verdacht, dass sie vielleicht bezüglich ihres Alters gelogen hatte. Trotzdem schlief er mit ihr, und danach, als sie mit seinem Geld in der Tasche ging, weinte er vor Scham.

Es folgten zwei Wochen voller Ringen mit sich selbst, doch schließlich verlor er den Kampf und ging wieder in die Bar und mit ihr ins Hotel. Zwei Monate lang besuchte er sie danach drei bis vier Mal pro Woche. Schon nach dem vierten Besuch weigerte sie sich, sein Geld anzunehmen, und er war unbeschreiblich glücklich, dass sie genauso dringend bei ihm sein wollte, wie er bei ihr. Über die Folgen wollte er nicht nachdenken!

Das Wissen um den Betrug an seiner Frau schlummerte selbstverständlich irgendwo in seinem Unterbewusstsein, traute sich aber nur hervor, wenn er nicht bei Carmen war. Dann schämte er sich, weil es falsch war, und trotzdem war es ihm nicht möglich, damit aufzuhören, bis – ja – bis ihm eines Nachts zufällig Carmens Ausweis in die Hände fiel.

Sechzehn!

Das Wort Schock war nicht annähernd genug, um zu beschreiben, wie er sich fühlte. Er befand sich am Anfang einer vielversprechenden Karriere, war verheiratet und stand nun praktisch mit einem Fuß im Gefängnis. Sex mit einer Minderjährigen war kein Kavaliersdelikt, das wusste er nur zu genau!

Seiner Anklage Carmen gegenüber – einer wütend gebrüllten Anklage – folgte ein Tränenmeer der Verzweiflung. Obwohl ihm natürlich bewusst war, dass sie ihm nicht hatte schaden wollen, brachte ihn allein die Furcht vor eventuellen Folgen fast um den Verstand. Danach appellierte er an ihr Verständnis – vergeblich – , ihre Enttäuschung über seine Reaktion war riesig und ihr Entsetzen, als er ihr eröffnete, dass sie sich nicht mehr sehen dürften, unendlich.

Er versuchte, sie zu bewegen, zurück nach Hause zu gehen, nur um zu erfahren, dass sie kein Zuhause kannte. Zu hören, dass sie ihn liebte, machte ihn glücklich und stieß ihn gleichzeitig in tiefe Verzweiflung. Er wollte ihr sagen: »Ich dich auch«, doch das war natürlich nicht möglich. Nein, stattdessen verließ er sie.

Und sah sie nicht wieder – bis er sie vier Jahre später durch Zufall erneut traf.

 

Die Musik endete und Richard kehrte mit seinen Gedanken zurück in die Gegenwart. Allison hatte die Arme um Bens Nacken geschlungen, küsste ihn, und für einen kurzen Moment spürte Richard den Stich der Eifersucht, weil dieser Junge hatte, was ihm nie vergönnt gewesen war – die Frau, die er liebte, in seinen Armen.

Sam und Mike standen nebeneinander, die Arme gegenseitig um ihre Mitten geschlungen, und Mandy hatte sich mit dem Rücken an Leos Brust geschmiegt. Ein Bild der Harmonie und Glückseligkeit, auch wenn es das in Wahrheit natürlich nicht war.

Über all der Fröhlichkeit lag eine Wolke der Traurigkeit, die seit dem Bruch der Home-Familie einfach nicht mehr wirklich verschwinden wollte. Auch wenn alle wieder zurückgekehrt waren – eine fehlte: Val!

Allison löste sich von Ben, nahm seine Hand in die ihre und lächelte Richard zu, als sie ihn entdeckte. Er lächelte zurück, ging hinüber zur Bühne und blickte zu ihnen hoch. »Wer hat dir das Tanzen beigebracht?«, fragte er.

»Tanzschule. Du kennst doch Dad. Er hat mich bis zur Goldprüfung gejagt.« Ein leises Kichern erklang, als Ben sie von hinten umschlang.

Richard schmunzelte mild. »Und du, Ben? Ihr seht umwerfend zusammen aus.«

Ben sah kurz zu Leo hinüber, dessen Miene, genau wie seine, bei Richards Worten weich geworden war. Bei ihrem Anblick wurde Richard die Antwort klar. »Carmen«, sagte er nur, und die beiden nickten.

»Sie hat uns wochenlang damit gequält«, verriet Leo lachend, worauf Sam ebenfalls kicherte. »Ihr habt euch wirklich mit Händen und Füßen gewehrt, aber wenn sich Carmen etwas in den Kopf gesetzt hatte, war man eben machtlos.«

»Ja.« Bens Arme zogen Allison näher, ihre Fingerspitzen zeichneten Linien auf die Haut seiner Unterarme. »Ein richtiger Mann muss auf der Tanzfläche eine gute Figur machen«, zitierte Ben seine Ziehmutter mit hoher Stimme, die so gar keine Ähnlichkeit mit Carmens hatte. Dennoch lächelten Sam, Leo und Mike, weil er zumindest den Tonfall ziemlich genau getroffen hatte.

Richard stieg die Treppen zur Bühne hoch und stellte sich zwischen Allison und Leo, an deren Seite ihre jeweiligen Partner standen. »Eure Mum war wirklich der außergewöhnlichste Mensch, den ich jemals getroffen habe.« Seine Kehle wurde eng, also schluckte er mehrmals, bevor er weitersprechen konnte. Dabei fiel sein Blick auf Leo. »Ich spüre, dass du mir nicht ganz vertraust, Leo. Und ich kann es dir nicht verübeln. Ich bin mitschuldig, dass du die ersten Jahre deines Lebens im Heim verbracht hast. Aber glaub mir bitte, wenn ich dir sage, dass ich nur euer Bestes will.«

Leo setzte bereits an, schon allein Allison zuliebe zuzustimmen, doch dann besann er sich und beschloss, lieber bei der Wahrheit zu bleiben. »Ich möchte Ihnen glauben, wirklich. Aber sie hat Sie nie auch nur erwähnt. Das frag ich mich immerzu. Warum hat sie nie über Sie gesprochen?«

Richard schüttelte traurig den Kopf. »Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich, weil ich sie immer wieder enttäuscht habe.«

Ihrem Bruder einen mitleidigen Blick zuwerfend, musste Allison ihm insgeheim rechtgeben. Dennoch blieb in ihr das Gefühl, dass es in Ordnung war, Richard noch eine Chance zu geben. »Du hattest deine Gründe«, spendete sie, nun an ihn gewandt, einen vorsichtigen Zuspruch.

Ihre tröstenden Worte verleiteten Richard zu einem vagen Lächeln, dennoch widersprach er. »Das hab ich mir auch immer einzureden versucht. Aber in Wirklichkeit war ich einfach feige.«

Ein tiefes Seufzen durchdrang den Raum. Es kam von Leo, der Mandys Hand ergriff, bevor er Richard fixierte. »Kann ich Sie etwas fragen?«

Richard nickte, sagte jedoch, bevor Leo weitersprechen konnte: »Aber bitte sag du zu mir.«

Leo zögerte kurz, stimmte aber schließlich zu. Ganz kurz kehrte Stille ein, erst nach ein paar Sekunden räusperte er sich. »Weißt du, wer mein Vater ist? Ich meine, hat Carmen dir gegenüber je etwas erwähnt?«

Richard schüttelte verneinend den Kopf. »Sie hat mir erst von dir erzählt, als sie kurz davor stand, das Home zu übernehmen. Von ihrer Vergangenheit hat sie nie viel gesprochen. Ich weiß auch nicht, wo ihre Eltern abgeblieben sind. Das hat sie mir nie erzählt.«

»Ihre Mum ist gestorben, da war sie zehn. Ihr Vater hat sie ab da regelmäßig verprügelt. Als er sie mit dreizehn so zusammengeschlagen hatte, dass sie ins Krankenhaus musste, ist sie von dort abgehauen.« Mit leiser, schmerzbehafteter Stimme erzählte Leo, was er, außer Ben, noch nie jemandem erzählt hatte. »Ein Mann hat ihr angeboten, dass sie bei ihm unterkommen kann. Er hat sie zwei Wochen bei sich wohnen lassen, dann hat er den ersten Kunden auf sie losgelassen. Sie war jahrelang überzeugt, dass sie das alles irgendwie verdient hatte. Dass sie irgendetwas getan hatte, dass die Schläge ihres Vaters berechtigt gewesen waren und es eben ihr Schicksal war, ihren Körper zu verkaufen. Erst als sie begann, mich im Heim zu besuchen, hätte sie gespürt, dass es etwas in ihrem Leben gab, das es wert war, darum zu kämpfen. Ben und mich …« Er sah zu seinem Freund, der ihn voller Zuneigung anlächelte. »Sie sagte immer, dass wir beide ihre Engel wären, die es geschafft hätten, dass sie sich das erste Mal in ihrem Leben nützlich und glücklich gefühlt hat.«

Als die Worte draußen waren, schlug er die Augen nieder, Allison keuchte auf und Bens Umarmung wurde stärker. Sam stieß ein »Oh Gott« aus und Mandy legte die Hand auf ihren Mund.

Richard war in sich zusammengesunken, wieder einmal traf ihn die Lawine der Schuld. Er betrachtete die Kinder seiner großen Liebe, und erst jetzt merkte er, dass ihm Tränen über die Wangen liefen. »Ich weiß, ich habe es nicht verdient«, hauchte er, und sowohl Allison als auch Leo sahen ihn nun an. »… aber bitte lasst mich wiedergutmachen, was ich bei ihr versäumt habe.«

Allison spürte den sanften Druck von Bens Lippen unter ihrem rechten Ohr und eine Hand, welche die ihre umschloss, es war die von Leo. Die Geschwister sahen sich gegenseitig in die Augen, bis sich auf beiden Gesichtern ein Lächeln zeigte.

Eine seltsame Ruhe überschwemmte den Raum und auch alle, die darin standen. Für Allison fühlte es sich ein wenig an, als würde sich ein weiteres Puzzlestück in das Bild ihres Lebens einfügen.

»Mach das«, stimmte sie Richard zu, auch wenn in ihrer Stimme ein kleiner Zweifel mitschwang. Leo sagte nichts, nickte aber und schaffte sogar ein winziges Lächeln.

2. Vals Zweifel

 

Vals Weg ins Home war von Angst und beginnender Panik geprägt. Sie stellte das Auto nicht wie üblich im Hof ab, sondern parkte vor dem Haupteingang – schließlich gehörte sie nicht mehr zur Crew. Unsicher und mit zögernden Schritten hielt sie auf die Tür zu. Für einen Moment war sie davon überzeugt, dass sie abgeschlossen sein würde – vielleicht sogar mit einem neuen Schloss versehen, doch sie konnte eintreten, ohne ein Hindernis überwinden zu müssen.

Während sie den Vorraum durchquerte, blitzte vor Vals innerem Auge eine Erinnerung auf. Hier hatte sie Ally das erste Mal gesehen. Wie sehr hatte dieser Moment ihr Herz berührt. Und jetzt, ein paar Monate später, stand sie vor den Trümmern ihres Lebens. Doch war dieses Mädchen wirklich mit daran schuld? Sie wusste die Antwort, konnte sie jedoch nicht akzeptieren. Denn das hätte bedeutet, dass sie den Charakter ihres Bruders hätte hinterfragen müssen.

Tief seufzend ging sie weiter und trat durch die Doppeltür in die Bar. Die Spots erhellten die Bühne und damit auch, was sich darauf befand. Der Anblick der kleinen Gruppe zwang ihre Füße, abrupt zu stoppen. Ohne es verhindern zu können, stahl sich ein spöttisches Lächeln auf ihr Gesicht, obwohl sich das Herz in ihrer Brust vor Trauer zusammenzog.

The Show must go on! Hatte dieser Slogan nicht stets ihr Leben bestimmt? Nun, anscheinend unterlag das Home immer noch dieser Lebensweisheit.

Allison sah sie als Erstes. Erschrocken den Atem einsaugend, umklammerte ihre Hand die ihres Bruders und die andere, die über Bens Unterarm lag, verkrampfte sich. Auch Bens Umarmung gewann an Intensität, während Richard und danach auch Leo sich anspannten.

Unnatürlich aufrecht und steif kam Val ein paar Schritte näher, als müsse sie sich selbst mit dieser strammen Haltung daran erinnern, dass das Home nicht mehr ihr Zuhause war.

»Guten Tag«, sagte sie, kaum dass sie wieder angehalten hatte. Dabei klang sie so lächerlich ernst, dass Allison beinahe schmunzeln musste. Beinahe – aber nicht wirklich, dazu war die Situation zu traurig.

Auch die anderen hatten sie mittlerweile entdeckt, aber es war Sam, der als Erster sprach. »Hallo Val«, sagte er, als wäre es ein normaler Abend, als hätte er nur auf ihr Auftauchen gewartet.

Ein bittersüßer Schmerz breitete sich in Vals Brust aus, dennoch hielt sie ihren Blick ausdruckslos, der Sam einfing. »Sam. Wie geht es dir?«

»Gut. Und dir?« Sam lächelte, als wäre alles in Ordnung, und weil es ihr wichtig war, genau das zu negieren, bemühte sich Val, ihre Trauer über seinen Verrat in ihre Miene zu legen. »Ich bin nicht hier, um zu plaudern.«

Allison straffte sich, worauf Bens Arm sich noch enger um sie legte. »Wozu bist du denn dann hier, Val?«, fragte sie vollkommen sanft, nur das Zittern ihrer Hand verriet ihm, wie sehr sie das Auftauchen ihrer ehemaligen Freundin aufwühlte.

»Das würde mich auch interessieren«, mischte sich Leo ein. Das Misstrauen in seiner Stimme war offensichtlich.

Die Trauer in Vals Zügen wechselte zu Wut. »Ich hole meine Sachen ab. Was denkt ihr denn, was ich hier mache?«

»Sie stehen oben in deinem ehemaligen Zimmer. Wenn du willst, begleite ich dich hinauf.« Es war Sam, der gesprochen hatte, freundlich, und sein Gesicht war es nicht minder.

Vals Miene vereiste. »Warum sollte ich das wollen?« Ihr Blick fing Sam und Mike ein, die immer noch gegenseitig ihre Taillen umschlungen hielten.

Sam sah zu Mike, runzelte kurz die Stirn, ließ ihn hektisch los und versteckte die Arme hinter seinem Rücken. Er wirkte ein bisschen wie ein Junge, der beim Stehlen ertappt worden war.

Vals rechter Mundwinkel wanderte nach oben, ihre Augen glitzerten spöttisch. Seine Reaktion gefiel ihr sichtlich, doch nur eine Sekunde später hatte sie sich wieder im Griff und ihr Gesicht erneut zur Ausdruckslosigkeit verdonnert.

»Dann will ich mal«, säuselte sie, wandte sich ab und verließ den Raum durch die Tür hinter der Bar.

Für einen Moment war es ruhig, dann räusperte sich Leo. »Ich möchte ja nicht paranoid klingen, aber haltet ihr es für klug, sie allein da rauf gehen zu lassen?«

Allison sah zu ihm hinüber und seufzte tief. »Ich gehe ihr nach. Ich muss ohnehin mit ihr sprechen.«

 

*

 

Die Zimmertür war einen Spalt offen. Ein Schatten tanzte in dem Licht, das herausdrang, und Allison musste automatisch schmunzeln, als sie Vals Gejammer nach draußen dringen hörte. Vorsichtig näherschleichend stellte sie sich vor, wie es wäre, hätte es die letzten Tage nicht gegeben – oder besser Wochen. Nur leider hatte all das stattgefunden, was ihre Mundwinkel schnell wieder sinken ließ. Leise seufzend drückte sie die Tür ganz auf und betrat das Gästezimmer.

»Unglaublich! Wie kann man nur so mit Kostümen umgehen?«, schimpfte Val gerade, theatralisch wie eh und je.

Allison konnte nicht anders, als leise zu lachen, was ihr allerdings sofort wieder verging, als Val, die eben über einer der Kisten hing, die Mike und Chris mit ihren Sachen gefüllt hatten, hochschoss und sie wütend anfunkelte. »Was ist witzig? Dich möchte ich sehen, wenn ich deine verfickten Kleider so in einen Karton pferche!«

»Ich wäre sauer«, bemerkte Allison trocken, worauf Val ein höhnisches »Aha« ausstieß.

»Weißt du, Val.« Allison schlenderte an ihr vorbei und setzte sich lässig auf das Bett, auf dem ebenfalls ein Durcheinander aus Stoffen lag. »Du warst auch nicht zimperlich mit Leos oder Bens Sachen. Du hast sie einfach in das kleine Schlafzimmer geschafft.«

Vals Blick war wütend, fassungslos und traurig – alles zugleich. »Sie waren mir im Weg«, entgegnete sie, ließ den Zorn gewinnen, selbst wenn ihre Stimme dabei schwankte.

Darauf konzentriert, ruhig zu bleiben, ballte Allison ihre Hände zu Fäusten. »Du hattest kein Recht dazu. Das weißt du. Es ist unser Club, und es sind unsere Wohnungen gewesen, auch wenn dein Bruder versucht hat, uns alles wegzunehmen«, presste sie hervor.

Vals Atem wurde heftiger. »Es war Finn, der das getan hat, nicht Aidan! Und überhaupt – Leo ist gegangen. Er hat gewählt – so wie du. Ihr habt euch entschieden, euch gegen eure Freunde, gegen eure Familie zu stellen, nur um einen verlogenen, selbstsüchtigen Egoisten zu schützen, der euch wieder verraten wird, sobald es ihm in den Kram passt.« Speicheltropfen stoben von ihren Lippen. »Du hättest mit Aidan glücklich werden können. Wir alle hätten hier glücklich sein können!« Die letzten Worte brüllte sie so laut, dass ihre Stimme brach.

Allisons Augen waren vor Schreck über diesen Auftritt weit aufgerissen. Sie schnappte ein paar Mal nach Luft, bevor sie sprechen konnte.

»Val! Was ist denn mit dir los? Kannst du nicht versuchen, die rosarote Brille abzunehmen? Dein Bruder hat mich nur unter dem Vorwand herumbekommen, dass er wegen mir alles verloren hat. Dass Mel ihn enterbt hat. Dabei hat er die Firma noch und das Geld.«

Val schüttelte den Kopf. »Du lügst! Er hat dich geliebt«, schrie sie unbeherrscht, und die zornige Ablehnung in ihren Augen ließ Allison erschrocken nach Luft schnappen.

»Alles in Ordnung bei euch?« Ben war in der Tür aufgetaucht und sah beunruhigt zu ihnen hinüber.

Allison sandte ihm ein beschwichtigendes Lächeln, danach wandte sie sich wieder zurück. »Val«, begann sie noch einmal leise. »Bitte versuch mal, in Ruhe über die letzten Wochen nachzudenken. Aidan hat uns alle belogen. Ich kann nicht glauben, dass du von seinem Plan wusstest, also gehe ich davon aus, dass er auch dich belogen hat.« Als sie geendet hatte, musterte sie ihr Gegenüber flehend, aber sobald Val beschämt den Blick senkte, keuchte sie auf.

»Nein«, hauchte sie kraftlos, und Ben trat schnell zu ihr, legte die Arme um sie.

»Wie konntest du nur?«, murmelte er dabei in Vals Richtung, doch die hielt die Lippen geschlossen und den Kopf geneigt.

»Ich kann das einfach nicht glauben!« Allison schluchzte auf, löste sich von Ben und stürmte aus dem Raum. In ihr herrschte Leere, bis auf die bittere Einsicht, dass aber auch wirklich nichts so war, wie sie angenommen hatte.

Val und Ben sahen ihr nach, dann hob Val ihre Hände und vergrub ihr Gesicht darin.

Ben holte tief Luft, versuchte, sich beim Ausatmen zu beruhigen, und sprach schließlich mit sanfter, aber fester Stimme weiter: »Tut mir wirklich leid, Val. Ich hasse es, davon anzufangen, doch dir muss doch klarsein, dass dir Carmen persönlich den Arsch aufreißen würde, wenn sie wüsste, was du hier abgezogen hast?«

Ein Schluchzen erklang, gefolgt von einem tiefen, zittrigen Atemzug, danach ihre Worte, gewürzt mit einer Mischung zwischen Trotz und Trauer. »Ist dir klar, dass Carmen dich nie als Schwiegersohn akzeptiert hätte?«

Ein schiefes Schmunzeln formte seine Lippen. »Verdammt, sie hätte mir eine Standpauke gehalten, die sich gewaschen hat, aber wenn sie gemerkt hätte, wie sehr ich Allison liebe, hätte sie sich gefreut.«

Ohne es zu wollen, musste auch Val lachen. Tief in sich wusste sie, dass er recht hatte. »Aber sie hätte dir deinen Schwanz abgeschnitten, als du mit Megan fremd gegangen bist.«

Bens Lächeln schwand nicht. »Ich wäre niemals mit Megan fremdgegangen, wenn Carmen noch hier wäre. Weil sie nämlich Aidans Spiel durchschaut und er so keine Chance gehabt hätte, seine Falle aufzubauen. Und du übrigens auch nicht.« Er grinste spitzbübisch, doch Val erkannte die Enttäuschung in seinen Augen sehr genau.

Schwer schluckend fixierte sie ihn. »Mal ehrlich, Ben. Wenn ich nichts gesagt, Leo nicht an dir gezweifelt und Finn dir nicht gedroht hätte, wie groß wäre die Chance gewesen, dass Megan dich doch herumbekommen hätte? Ich meine, denk einen Moment drüber nach. Sei ehrlich zu mir, aber vor allem zu dir selbst. Bist du absolut sicher, dass du ihr widerstanden hättest?«

Er hielt ihrem bohrenden Blick stand, während ein paar Sekunden in vollkommener Stille verstrichen, bevor er mit überzeugter Stimme sagte: »Ja!«

Danach sahen sie einander an, prüfend und abschätzend, und schlussendlich war es Val, die sich, einen verzweifelten Seufzer ausstoßend, abwandte. »Es tut mir leid, Ben.« Leise, kaum wahrnehmbar, sprach sie es aus, doch Ben hörte sie und legte eine Hand auf ihren Arm.

»Ich weiß nicht, ob ich verzeihen kann, was du da gemacht hast. Aber wenn du es wirklich bereust, dann ist da vielleicht noch eine Chance. Leo und Allison lieben dich. Alle im Home lieben dich, jeder hier. Komm zurück.«

Sie sah auf, Tränen rollten über ihre Wangen. »Das kann ich nicht!«

Er blinzelte. »Warum? Wegen ihm? Er hat deine Aufopferung nicht verdient, Val!«

»Aidan hat nur noch mich. Ich kann mich nicht von ihm abwenden.« Es klang wie ein Todesurteil, so verzweifelt dunkel waren ihre Worte gefärbt, und ihr blasses Gesicht spiegelte ihre Zerrissenheit allzu deutlich wider.

»Ich will dir nichts vormachen, Val. Wenn du weiter hinter Aidan stehst, dann kannst du hier nicht bleiben. Ich werde ihn nie wieder in Allisons Nähe dulden.«

Für ein paar Sekunden schlossen sich Vals Augen, bevor sie mit dem Handrücken über ihr Gesicht wischte. »Kannst du mir bitte mit den Kartons helfen?«, fragte sie kraftlos, und Ben nickte mit traurigem Blick.

»Wir helfen dir auch.« Es war Sam, der plötzlich im Raum stand, hinter ihm halb versteckt Mike und Leo.

Val sah keinen von ihnen an, griff sich stattdessen mit gesenktem Kopf einen Karton und eilte aus der Wohnung. Die Jungs blickten sich vielsagend an, schnappten sich schließlich jeder eine Kiste und folgten ihr.

 

*

 

Dreißig Minuten später war Vals Auto vollgeladen und die Helfer verzogen sich mit einem kurzen gemurmelten Gruß. Nur Sam blieb zurück und musterte Val mit zusammengezogenen Augenbrauen. »Bist du dir absolut sicher, dass das der richtige Weg ist?«

Vals Schultern hoben und senkten sich, begleitet von einem tiefen Atemzug, danach erklang ihre Stimme, zornig und gleichzeitig so schwach, dass Sams Magen sich zusammenzog: »Es ist der einzige Weg.«

»Val«, presste er verzweifelt hervor. »Bitte. Wach doch endlich auf! Ich …« Er brach ab, senkte den Kopf und bewegte ihn langsam hin und her.

»Was erwartest du von mir, Sam?« Val schloss die Autotür und drehte sich zu ihm um, ihr Gesicht war gezeichnet von Schmerz, Angst und Hoffnungslosigkeit.

»Ich wünsche mir, dass du einen Moment innehältst. Versuch für ein paar Minuten wieder die Val zu werden, die ich und all die anderen geliebt haben.«

»Und dann?« Sie musterte ihn verwirrt.

»Dann passiert alles von selbst. Denn wenn du wieder du bist, wirst du sehen, dass der Weg, den du so bereitwillig für Aidan eingeschlagen hast, ins Verderben führt.«

»Er ist mein Bruder, Sam!«, zischte sie, sich fahrig mit der Hand durch die offenen Haare streichend. »Und ich habe Mel geliebt, für die er die Welt war. Wie hätte ich anders handeln können? Es tut mir leid, okay? Es tut mir leid, dass ich euch, dass ich dich dadurch verloren habe. Aber es ging nicht anders. Es war Melissas letzter Wunsch, und es war das Einzige, was sich Aidan erträumt hat. Eine Zukunft mit Ally. Ich habe einfach gehofft, dass die beiden zusammen glücklich werden.«

Sam seufzte tief und laut. Er sah sie an, dann wieder zu Boden. Es war offensichtlich, dass er mit sich rang. Schließlich gewann die Wut und er richtete sich auf, mit einem Mal fast bedrohlich – da war keine Spur mehr von Samantha. Seine Brust bebte, als er plötzlich losbrüllte: »Selbst wenn du wirklich nicht erkannt hast, wie sehr sich Ben und Allison lieben. Spätestens, als es darum ging, dass Ben und Leo verletzt wurden, hättest du aufhören sollen – aufhören müssen!«

Val zuckte unter seinem Zorn zusammen und begann zu weinen. »Ich wusste es doch zuerst nicht, und dann war es zu spät. Auch Aidan hat das so nicht gewollt. Finn hat eigenmächtig gehandelt.« Ohne Sam die Chance zu geben, darauf zu reagieren, riss sie die Autotür auf, stieg ein und brauste los.

Sam sah ihr hinterher, schlang die Arme um seine Brust und erschauerte. Zwei Tränen liefen über seine Wangen, doch er wischte sie energisch weg, bevor er hinein eilte.

 

*

 

»Und?«, hörte Allison Leo fragen, danach war es still, bis auf Schritte, die sich eilig über die Bühne entfernten, weiter die hintere Treppe nach unten eilten und schließlich immer leiser in Richtung Garderoben verschwanden.

»Verdammt. Ich würde alles dafür geben, wenn ich endlich mal wieder einen ruhigen Tag hier erleben könnte.« Leos Seufzen setzte sich in ihrer Brust fort, und sofort spürte sie Bens Arme, die sie enger umschlossen.

Sie hatte sich hier in ihr Geheimversteck zurückgezogen, auf der Flucht vor Vals Sturheit, und natürlich war Ben ihr gefolgt. So wie er einfach immer wusste, was sie brauchte und wo sie sich aufhielt, hatte er sie hier gefunden, gleich nachdem er mit dem Schleppen von Vals Sachen fertig geworden war.

Leos und Mandys Schritte waren zu hören, wie sie ebenfalls davoneilten, dann war es still da oben. Allison sah über die Schulter zu Ben zurück. Er lehnte halb auf ihrem Rücken und halb neben ihr, sein Blick glitt hungrig ihren Körper entlang.

»Kennt Leo dieses Versteck eigentlich?« Sie lugte hinauf und sah das Lichtspiel von Bewegungen im Zwischenraum der Bretter der Bühne tanzen.

Ben beugte sich vor, um einen Kuss auf ihre wieder mal von ihrem freizügigen T-Shirt entblößte Schulter zu hauchen. »Wir haben uns oft hier versteckt. Vor deiner Mum, wenn wir was ausgefressen hatten.« Er lachte leise und sie mit ihm.

»War sie streng?« Sie drehte sich um und kuschelte sich an ihn.

»Ja und nein. Sie war in vielen Dingen locker, aber auf Manches legte sie einfach viel Wert.« Er seufzte. »Sie hasste zum Beispiel Lügen. Sogar kleine. Wenn sie mich oder Leo bei einer Flunkerei ertappte, bekam sie immer diesen total traurigen Blick. Und der tat mehr weh, als jede Strafe. Ich habe es gehasst, wenn ich sie enttäuscht hatte.«

Allison hob ihre Hand und streichelte über seine Wange. »Sie hat dich geliebt. Das weißt du.«

Er zuckte mit den Schultern. »Ich hab so oft darüber nachgedacht, was sie zu all dem hier gesagt hätte. Zu dir und mir.« Er neigte seinen Kopf und küsste sie zärtlich. »Oder zu Val.« Er verzog sein Gesicht. »Scheiße. Ich glaub, sie hätte Val in der Luft zerfetzt!«

Allison spielte mit den Zähnen an ihrer Unterlippe. »War sie so? Ich meine, hat sie … ich weiß nicht, wie ich sagen soll. Ich stell sie mir immer so als Löwin vor. Die für ihre Jungen kämpft. Für das Home und für euch alle. Für ihre Familie.« Sie schüttelte lächelnd den Kopf. »Wieder mal eine meiner Träumereien!«

Ben schob sich über sie und küsste sie erneut, diesmal länger und inniger. Seine Zunge tastete sich vor, umspielte die ihre und gleichzeitig strömte sein süßer Geschmack in ihren Mund, von dem sie einfach nicht genug bekam.

Allison erwiderte seinen Kuss, drängte auf mehr, indem sie ihm ihr Becken sachte gegen die harte Beule drückte, die sich unter seiner Hose abzeichnete. Sie spürte einen sanften Biss, anschließend zog sich Ben ein kleines Stück zurück. »Hör nicht auf, in deine Traumwelt zu verschwinden«, hauchte er zärtlich. »Aber bitte, nimm mich mit.«

Sie legte ihre Rechte in seinen Nacken. »Ohne dich geh ich nirgendwo hin.« Dann zog sie ihn zu sich hinunter und ihre Lippen krachten ein weiteres Mal aufeinander. Leise summend massierten sie einander, bis Allisons Zunge vorstippte, wo sie von der seinen innig begrüßt wurde. Allisons zweite Hand schob sich zwischen ihre Körper, öffnete seine Jeans und versuchte, sie ein Stück über seine Hüfte nach unten zu schieben. Ohne ihre Küsse zu unterbrechen, half ihr Ben dabei. Plötzlich war auch ihre Hose offen und einen Augenblick später lagen beide Beinkleider neben ihnen. Für die T-Shirts blieb keine Zeit, zu sehr verlangten sie nacheinander.

Ben drang mit einem harten Stoß in sie ein, entlockte ihr ein Keuchen und sich selbst ein zufriedenes, wohliges Seufzen. Er liebte sie mit langsamen, fließenden Bewegungen, doch irgendwie war Allison im Moment nicht nach einfühlsamem, zärtlichem Sex.

»Ich brauch dich tiefer«, wisperte sie, öffnete ihre Beine weit und schlang sie um seine Mitte. Mit ihren Unterschenkel presste sie ihn näher und dadurch seine Härte in sich. »Und fester!«, keuchte sie, ihre Hüfte ruckartig anhebend.

»Alles, was du willst«, raunte er, küsste sich über ihren Hals hinab und saugte sich an ihrer rechten Brustwarze fest. Gleichzeitig packte er sie unter ihrem Arsch und erhöhte die Kraft seiner Stöße.

Ihr Stöhnen kam abgehackt, begleitet von dem leisen Klatschen, das ihre Haut erzeugte, wenn sie aufeinanderprallten. »Ben!«, stieß sie hervor. Ihre Hände an seinen Schultern griffen zu, und er sog zischend die Luft ein, als ihre Nägel sich in sein Fleisch bohrten.

»Ist hier jemand?«, erklang Sams Stimme plötzlich direkt über ihnen.

Ben hob den Kopf und hielt gleichzeitig in der Bewegung inne.

Sam ging ein paar Schritte weiter, blieb dann wieder stehen. »Ben? Ally?«

»Verdammt. Bitte. Mach weiter!«, befahl Allison atemlos.

Ben gehorchte, bewegte sich erneut, allerdings ein bisschen sanfter, was ihr überhaupt nicht gefiel.

»Ben!«, zischte sie.

Leise lachte er. »Seit wann stehst du auf Zuhörer?«

»Ich steh auf dich.« Breit grinsend, mit roten Wangen musterte sie ihn, die Augen voller Verlangen. »Und jetzt lass mich fliegen.«

»Okay!«, erwiderte er nur, stieß weiter in sie, nun wieder hart, und obwohl Sams Schritte erneut zurückkamen, hörte er nicht auf.

»Verdammt. Ich kann euch hören.« Sam klang amüsiert und angepisst zugleich. »Na dann. Viel Spaß noch!« Er entfernte sich, und in dem Moment, als das letzte von ihm erzeugte Geräusch verhallt war, kam Allison mit einem langgezogenen Keuchen, und Ben folgte ihr nur eine Sekunde später mit ihrem Namen auf seinen Lippen.

Anschließend lagen sie eng umschlungen da, wartend, dass sie wieder zu Atem kamen. »Gebe ich dir alles, was du brauchst?«, erkundigte sie sich mit erschöpfter Stimme.

Sofort spürte sie einen Kuss auf ihrem Dekolleté, danach, wie er seinen Kopf behutsam auf ihre Brust bettete. »Ja. Und mehr.«

»Ruft sie dich immer noch an?«, fragte sie weiter, und er versteifte sich kurz, nur, um dann versonnen mit den Fingerspitzen die Länge ihres Armes nach zu streichen. »Mehrmals pro Tag«, wisperte er unsicher.

»Spürst du das Bedürfnis, die Anrufe anzunehmen?«

»Nein.«

»Oder sie zu sehen?«

»Nein.«

»Vermisst du sie?«

Das folgende »Nein« war von einem heiseren Lachen untermalt. »Auf keinen Fall!«

Sie schwiegen für ein paar Momente, schließlich gruben sich Allisons Finger in seine Haare und begannen, seine Kopfhaut zu streicheln. »Ich liebe dich, Ben.«

»Ich liebe dich, Dornröschen.« Ein weiterer Kuss traf auf ihre Haut, seine Zungenspitze zog eine Spur zu ihrer Brustwarze und umkreiste sie kurz. Gleich danach legte er seinen Kopf zurück und seine Arme umschlagen sie noch fester.

Allisons Brust hob und senkte sich unter einem tiefen Atemzug. »Sag mir noch einmal, dass du sicher bist. Dass es zu keinem weiteren Rückfall kommen wird.«

Ohne zu zögern kam seine Antwort. »Ich bin mir sicher.«

Sie legte ihre Finger an sein Kinn und zog, bis er zu ihr aufsah. »Weil du mich nicht verletzen willst? Weil du weißt, dass es mich zerstören würde, wenn du wieder etwas mit ihr anfangen würdest?«

Er schüttelte den Kopf. Lächelnd.

»Warum dann?«, fragte sie leise.

»Weil ich nur dich will«, sagte er, und sie spürte eine Träne der Erleichterung aus ihrem Augenwinkel flüchten.

Denn das war verdammt noch mal die einzig richtige Antwort!

 

*

 

Ihr Stuhl war noch warm. Dieser Ausspruch spukte durch Aidans Kopf, während Val dort Platz nahm, wo vor ein paar Minuten Megan gesessen hatte und wo er sie zum Abschied noch einmal geleckt hatte.

Seine Schwester seufzte gottergeben, stellte ihre Handtasche ab, fing ihre Haare in einer Faust ein und legte sie über die rechte Schulter. »War deine Besprechung erfolgreich?«, erkundigte sie sich.

»Es hat sich gelohnt«, antwortete er geheimnisvoll lächelnd.

Ihre Nägel trommelten einen nervösen Rhythmus auf die Glasplatte des Tisches, und Aidans Augen verengten sich zu einem schmalen Schlitz.

---ENDE DER LESEPROBE---