Hörstücke - Ralph Henry Fischer - E-Book

Hörstücke E-Book

Ralph Henry Fischer

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Beschreibung

Diese Herren liebten ihre Sammlungen, Sammlungen von Steinen, von Hölzern, von Bildern, Büchern. Oder vielmehr: Sie liebten die unverrückbare Ordnung, in die sie diese Sammlungen überführt hatten. Und uns Frauen brauchten sie nicht zum Leben, sondern zur Vervollständigung dieser Ordnung, zur Komplettierung ihres Erfolgs oder, noch besser, zu einer Art verachtungsvoller Anbetung.

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Inhalt

John Lennon oder Auch Clowns werden erschossen

Natalie – eine Korrektur

John Lennon oder Auch Clowns werden erschossen

Ein Radio-Feature (1982)

Der 8. Dezember 1980 war ein Montag, ein ungewöhnlich milder Wintertag für New Yorker Verhältnisse, Manhattan lag in frostigem Dunst, schneefrei, entlaubt, bräunlich.

Am Dakota-House, Ecke 72. Straße / Central Park, fuhr um 22 Uhr 50 eine Limousine vor. Ein Ehepaar stieg aus, der Mann mittelgroß, schlank, fast hager, die Frau klein und dünn, beide müde und abgespannt.

Noch auf dem Gehsteig trat ein Passant auf sie zu – ein dicklicher Typ, gedrungen, mit Brille – und sprach den Mann an: „Sie sind John Lennon?“, fragte er. Der Angeredete wandte sich halb zu ihm hin, nickte knapp und glaubte noch, auf dem Weg vom Auto zum Eingang des Hauses zu sein, in dem er wohnte, als der Passant ihm routiniert und fachmännisch fünf Kugeln aus seinem 38er Revolver in den Leib jagte, ohne jede Nervosität und Befangenheit.

Zwei Geschosse drangen seitlich in den Rücken und durchschlugen einen Lungenflügel, ehe sie aus der Brust austraten, eines traf den Nacken und zerschnitt die Halsschlagader, das vierte bohrte sich in den Arm, das fünfte in die Hüfte.

Aus den Wunden verströmte John Lennons Leben, auf die dreckigen Pflastersteine, über den Gehsteig – wo er jetzt die vor den Schüssen begonnenen Schritte noch fast zuende führte, ehe er plötzlich selbst begriff, was geschehen war. Erstaunt und entsetzt schrie er es sich zu: „Ich bin angeschossen!“, dann stolperte er durch den Eingang ins Foyer des Hauses und stürzte und fiel nach vorne, ins Leere, ins Haltlose, obgleich es der harte Steinboden war, auf den er mit dem Gesicht schlug.

Schon ohne Bewusstsein starb er mit jedem Tropfen Blut, den er verlor, aber er wusste es nicht, war schon fort, in einem Zwischenreich, fort von der Welt, dem Leben, den Menschen, während sein sterbender Körper in einem Polizeiwagen mit Blaulicht und Sirene die dunkle Stadt, die Straßen durcheilte, anderthalb Kilometer lang, den Kopf in Yoko Onos Schoß, die auch nichts wusste, nur fühlte.

Endlich das Krankenhaus, die Notstation, Stephen Lynn, der Arzt vom Dienst, untersuchte den Körper, dem mittlerweile 60 % seines Bluts fehlten, die Untersuchung war kurz, Lynn ging in den Gang hinaus, wo Yoko wartete, sie schrie ihn an: „Ich will bei meinem Mann sein! Wo ist er?“, und Lynn sagte: „Es tut mir leid, aber er ist tot.“

INSTANT KARMA

Instant Karma wird dich schon kriegen

Wird dir geradewegs auf den Kopf klopfen

Besser, du hältst dich beieinander

Denn bald wirst du hübsch tot sein

Was um alles in der Welt denkst du dir dabei

Der Liebe ins Gesicht zu lachen!

Was du auf Erden auch zu tun versuchst

Es liegt bei dir

Instant Karma wird dich schon kriegen

Wird dir geradewegs ins Gesicht schauen

Besser, du hältst dich beieinander, Schatz

Schließ dich den Menschen an

Wie um alles in der Welt willst du denn sehen

Wenn du Narren wie mich verlachst?

Was zur Hölle glaubst du, wer du bist?

Ein Superstar? Okay, du bist es.

Instant Karma wird dich schon kriegen

Wird dich aus den Schuhen hauen

Besser, du erkennst deine Brüder

Jeden, der dir begegnet

Warum um alles in der Welt sind wir hier?

Sicher nicht, um in Schmerz oder Furcht zu leben.

Warum denn bist du hier

Wenn du überall bist?

Ja, wir alle scheinen weiter

Wie der Mond und die Sterne und die Sonne

Ja, wir alle scheinen weiter

Komm weiter und weiter und weiter

Zum letzten Mal sah ich ihn unter den Zuschauern eines pompösen Konzerts zur Amtseinführung des US-Präsidenten Carter: ziemlich klein und verloren zwischen den versammelten Größen einer fragwürdigen Prominenz, mit kurzem Haar, in Hemd und Jackett. Er saß tief in seinem Stuhl, das Kinn auf eine Hand gestützt und lächelte sanft.

Die Fernsehkamera fing ihn ganz zufällig ein, streifte zuerst achtlos über ihn hinweg, bis dem Regisseur wohl aufging, wer dort saß: das Objektiv wanderte die Reihe zurück und hielt Lennon eine Weile im Bild, vielleicht 30 Sekunden, der bemerkte es nicht, saß nur da und schaute zur Bühne, bewegungslos, ernst und distanziert.

Verflucht, dachte ich, Was macht denn der John Lennon da, bei diesem Jubelfest, noch dazu als Zuschauer! Wenn er wenigstens auf der Bühne stünde! Gern hätte ich mit ihm gesprochen: „Mensch, warum siehst du so schlecht aus? Was machst du denn jetzt so? Vermisst du das Rampenlicht? Oder nicht das Rampenlicht, eher diese gemeinsame Woge, auf der wir damals schwammen, ihr oben, wir unten, im Saal oder vor den Radios und Plattenspielern?“

Er antwortete nicht, und die Kamera schwenkte weiter.

Warum blieben gerade die menschenfreundlichsten Zeitgenossen auf der Strecke? dachte ich, Warum wurden gerade sie verlassen, während die Kaltschnäuzigen und Hohlherzigen im Zentrum der Aufmerksamkeit standen?

Erst später begriff ich, dass es gerade umgekehrt war: John Lennon hatte sich in Sicherheit gebracht vor der wiedererkalteten Welt der 70er Jahre.

# 9 DREAM

So lang vorbei.

War es in einem Traum?

War es bloß ein Traum?

Ich weiß, es schien so ganz wirklich,

schien mir so wirklich

Spazierte die Straße hinunter

Durch die Hitze flüsterten Bäume

Ich dachte, ich könnte es hören

Jemand rief meinen Namen,

als es zu regnen begann

zwei Geister tanzten so seltsam

Träum, träume ein Stück weit

Zauber in der Luft

War Zauber in der Luft?

Ich glaube ja

Mehr kann ich nicht sagen

Auf dem Fluss der Klänge

Durch das Spiegelkarussell

Ich dachte, ich könnte es fühlen

Musik berührte meine Seele

Etwas Warmes, plötzlich kalt

Der Geistertanz entfaltete sich

JOHN: Das erste halbe Jahr oder Jahr hatte ich im Unterbewusstsein das Gefühl, ich sollte eigentlich ... Also, es gab Zeiten, da packte mich die Panik, weil ich nicht im „New Musical Express“ oder in „Billboard“ auftauchte oder weil ich nicht mit Mick und Bianca im Studio 54 gesehen wurde. Es war als ob ich gar nicht mehr existierte. Das hat mich bedrückt, wuchs sich zuweilen zur Wahnidee aus. Es verschwand dann wieder, weil mich das Baby beschäftigte oder irgendetwas anderes. Aber diese Phase dauerte nur etwa 9 Monate, dann gab sich das und ich erkannte, dass es ein Leben nach dem Tod gibt, dass ein Leben ohne das alles möglich war. Es war großartig. Ich saß da und überlegte mir, woran mich das erinnerte. Woran erinnerte mich das bloß? Es erinnerte mich an die Zeit, als ich 15 war. Damals musste ich keine Songs schreiben, nur wenn ich Lust hatte. Ich spielte Rock 'n' Roll, wenn ich es wollte . Ich musste nicht. Ich musste nicht den hochgeschraubten Erwartungen entsprechen, die von mir oder von irgendwelchen Kritikern an mich gestellt wurden.

Das zu wissen gibt dir die Art von Freiheit, die man hat, wenn man jünger ist. Wenn man keine Vergangenheit hat, an der man gemessen wird – das ist die eigentliche Freude. Ich hab zwar eine Vergangenheit, aber ich muss mich nicht an sie klammern.