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Die lebenslustige Selbstbefreiung eines Kleidungsstücks Das Dirndl, ein Objekt der Feierlust und des Lifestyles, präsent auch auf dem politisch-populistischen Parkett, Schnellkonsumklamotte auf Volksfesten und Reibebaum kulturkritischer Menschen. Dieser Essay zeichnet die Entwicklung des Dirndls aus dem Geist der Moderne nach und trägt dem wirtschaftshistorischen wie sozialpolitischen Einfluss darauf Rechnung. Vom internationalen, schöngeistigen Dirndl-Chic aus den Anfangsjahren der Salzburger Festspiele bis zur identitätspolitisch-naiven Charmeoffensive des österreichischen Kanzlers Leopold Figl auf damals beliebten Dirndlbällen, von der Rolle in Softpornos, dem Vorteil durch die Globalisierung bis zu emanzipierten, subversiven Dirndlaktivistinnen reichen die Überlegungen und Recherchen. Was das Dirndl mit der Figur zu tun hat und wie viele Überbleibsel des einstmaligen internationalen Dirndlfolklorismus noch immer, oder wieder, anzutreffen sind, wie viel Mode in ihm steckt und wie viel Rassismus, all dies regt an, dem Dirndl Aufmerksamkeit zu schenken. "Das Dirndl ist bei alldem – und vergessen Sie jetzt alle großen mythischen Narrative – eine modische Requisite neben anderen im hauseigenen Kleiderschrank. Die meisten tragen es wie eine freche Laune, andere nutzen es für ein kulturelles Statement. Entgegen so mancher großen identitätspolitischen Erzählung ist es dennoch Frucht der Mode und Ergebnis technischen Fortschritts – und nicht Ausdruck eines ,volksechten' Stammesdiktates." - Ein rasanter Streifzug durch die Geschichte des Dirndls – von der "mode à la Tyrolienne" bis zu "Reclaim The Dirndl" - Mit historischem Bildmaterial - Für alle, die ihr Dirndlgwand gern tragen – und jene, die es einmal (an)probieren wollen - Ein Beitrag zur aktuellen "Leitkultur"-Debatte
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Seitenzahl: 56
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Elsbeth Wallnöfer
Impressum
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2024 Verlag Anton Pustet
5020 Salzburg, Bergstraße 12
Sämtliche Rechte vorbehalten.
Lektorat: Michaela Schachner
Korrektorat: Markus Weiglein
Covergestaltung: Hannah Richter
ISBN 978-3-7025-1142-5 eISBN 978-3-7025-8119-0
www.pustet.at
Bildnachweis: S. 13: Salzburg Museum; S. 31: Robert Haas, Wien Museum; S. 40/41: ÖNB/Wien: VGA E3/868 (BDM); S. 48: akg-images / Erich Lessing; S. 51: ÖNB/Wien: US 25.248; S. 58: Fotoarchiv Otfried Schmidt / SZ-Photo / picturedesk.com; S. 69: Ninkfoto für Lola Paltinger
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Elsbeth
Wallnöfer
(K)eine Gebrauchsanleitung
Zur Eröffnung
Von der Tracht zum Dirndl ...
... und was das mit der Figur und den Revolutionen zu tun hat
Dirndlboom
Ein Fest fürs Dirndl und den internationalen Lifestyle
Dirndlmief
Fragen ans maliziöse Dirndl
Dirndlball
Vom Trost der Mode und Österreichs identitätspolitischer Charmeoffensive
Des Dirndls Lebens- und Sinneslust
Vom Softporno übers Olympiadress bis zur Schnellkonsumklamotte
Zeitgenössisches
Vom Dirndlfolklorismus
Dirndl: Eine Gebrauchsanleitung ...
... oder doch keine?
Zum Ausklang
Putz- und Beiwerk-Allerlei
Anmerkungen
Was sich von der Mode sagen lässt, ist, dass sie die Stimmung hebt, ja, den Frohsinn befördert. Sie spielt mit der Anmut der Menschen, lässt die Banalitäten, gar die Hässlichkeiten des Alltages für Augenblicke verschwinden. In ihrem Schein spiegeln sich Gemütslagen und das Begehren, schön zu sein. Sie offenbart die Lust am Leben und vermag uns zu trösten. Mode bietet besonderen Chic für spezielle Anlässe und auch das Dirndl, ein saisonales Kleidungsstück, entbehrt nicht eines gewissen exotischen Charmes.
Das Dirndl ist bei alldem – und vergessen Sie jetzt alle großen mythischen Narrative – eine modische Requisite neben anderen im hauseigenen Kleiderschrank. Die meisten tragen es wie eine freche Laune, andere nutzen es für ein kulturpolitisches Statement.
Entgegen so mancher großen identitätspolitischen Erzählung ist es dennoch Frucht der Mode und Ergebnis technischen Fortschritts – und nicht Ausdruck eines „volksechten“ Stammesdiktates.
Das Dirndl: Vor etwas mehr als 100 Jahren trugen es die Frauen bei Fahrten von Wien oder München in die Voralpen, bei Ausflügen ins inneralpine Gebirge und bei Landpartien. Kurze Zeit firmierte diese Mode unter „mode à la Tyrolienne“, wie die Modemagazine es damals auszudrücken pflegten. Seine Verbreitung hatte jedoch mehr mit Salzburg als mit Tirol zu tun.
Der Künstler, Modeschöpfer, Professor und Gründer der Modeabteilung der Wiener Werkstätte, Eduard Josef Wimmer (1882–1961), äußerte sich zum Dirndl-Trend in den 1930er Jahren und befand, „[d]ie Mode wurde zwar – und das ist für die Stelle, die dabei den Ausschlag gab, bezeichnend – Tyrolienne genannt, aber die eigentliche Geburtsstätte war doch das kleine Henndorf “1. Er irrte sich zwar hinsichtlich des Geburtsorts des Dirndls, es ist ihm aber nachzusehen, denn er bezog sich auf die Entwürfe des im Salzburger Festspielmilieu überaus bekannten Bonvivants Carl Mayr (1875–1942) aus Henndorf bei Salzburg, dessen Entwürfe wir als tatsächliche Geburtsstunde des Couture-Dirndls bejahen können. Wimmer nennt den Freigeist Mayr den „Schöpfer des modernen Dirndls“2.
Dirndl gab es allerdings bereits vorher. Kostümhistorisch gesehen ist es ein Kind der Veränderung gesellschaftlicher Ordnungen wie Resultat technischer Neuerungen im Zuge der industriellen Revolution. Das gute Stück ist demzufolge einmal mehr Ausdruck von Mode, denn es steht für die Wandelbarkeit der Welt und ist nichts weniger als eine Spielart der Lebenslust. Es ist Ergebnis sozialer Errungenschaften und wurde ermöglicht durch geregelte Arbeitszeit: Man trug es nämlich vorwiegend in seiner Freizeit.
Über viele Jahre war es deswegen Gegenspielerin der Tracht, die fälschlicherweise als regionaltypisch „echt“ und „authentisch“ angesehen wurde.3 Gleichwohl war es die Tracht, die, aus historischer und sozialpolitischer Perspektive, als es noch keine Arbeitnehmerrechte gab und modisch zu sein, nicht allen erlaubt war, als Überbleibsel aus vorindustriellen Zeiten um die Mitte des 19. Jahrhunderts nur mehr in den am wenigsten entwickelten Gegenden getragen wurde. Plump und wenig von Vorteil für die Figur war sie. Die Bestandteile, Leinen, Wolle, Loden, mussten unter großem Aufwand und Mühen hergestellt werden; alles war von Hand genäht oder wurde bloß von Bändern und Tüchern zusammengehalten. Je nach Geschick der Frauen war diese Kleidung adrett und schmuck oder plump und linkisch genäht. Sie konnte exotisch reizvoll sein, aber es mangelte ihr stets an faunischem Eros. Da es zur damaligen Zeit moralisch verwerflich war, sich figurbetont zu kleiden, alle Opulenz als hoffärtige Untugend galt und der Luxuria, einer der sieben Todsünden, zugerechnet wurde, je katholischer und niedriger die Stände und Gegend waren, änderte sich die Kleidung über Jahrhunderte kaum.
Dort, wo dann Opulenz als repräsentativer Ausdruck von Wohlstand und Reichtum galt, hielt sie sich außerhalb der Grenzen des Hochadels an die aus der Religion resultierenden Sitten, weder Dekolleté noch freies Bein zu zeigen. Wie unvorteilhaft die Frauen auf dem Land und im Gebirge vor dem Einzug des Dirndls in die Kleidergarderobe Fremden ins Auge stachen, schildert uns frei von der Leber weg ein Reisender namens August Lewald (1792–1871).
Auf seiner Tour quer durch Tirol machte er einen Abstecher ins Zillertal und hielt dies in seinem Reisebuch Tyrol, vom Glockner zum Orteles, und vom Garda- zum Bodensee 1833–34 für uns fest. Über das Aussehen der Zillertalerinnen war er ziemlich erschrocken: